Titel: | Ueber Chlorkalkerzeugung mittels eines Mehrkammersystemes; von Ludwig Jahne in Petrowitz. |
Autor: | Ludwig Jahne |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 387 |
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Ueber Chlorkalkerzeugung mittels eines
Mehrkammersystemes; von Ludwig Jahne in Petrowitz.
Mit Abbildung.
Jahne, über Chlorkalkerzeugung.
Die meisten Fabriken benutzen zur Chlorkalkerzeugung niedere Bleikammern in
verschiedener Gröſse, deren jede mit einem oder mehreren Chlorkalkentwicklern
verbunden ist, so daſs eine bestimmte Menge Gas von dem Rohkalke der Kammer
absorbirt werden soll. Beim Oeffnen der Kammer kann dann noch nicht aufgenommenes
Gas vorhanden sein, welches die Arbeiter sehr belästigt und selbst im Falle einer
entsprechenden Beseitigung einen wirklichen Verlust bedingt. Es ist nun eine
naheliegende Idee, mehrere Chlorkalkkammern derart zu verbinden, daſs eine
vollständige Ausnutzung des Gases stattfindet und der Kalk nach und nach regelmäſsig
angereichert wird. Ein solches Kammersystem wurde in der Gräflich Larischen Sodafabrik zu Petrowitz in Oesterr.-Schlesien vom
Betriebsleiter Hrn. Ritter v. Lachnit nach einer Skizze
des Civilingenieurs G. Delplace in Namur eingerichtet,
steht bereits seit 1½ Jahren in fast ununterbrochenem Betriebe und bewährt sich
vollständig, so daſs einige Mittheilungen, innerhalb der mir gestatteten Grenzen,
über die Art der Arbeit, sowie über sonstige dabei gemachte Beobachtungen in
Fachkreisen Interesse erregen dürften.
Das System besteht aus einer gröſseren Bleikammer von 2m Höhe, welche durch sich kreuzende Wände in vier völlig gesonderte
Abtheilungen getrennt ist. Die Gaszuleitung erfolgt aus drei in geeigneter
Entfernung aufgestellten Sandsteinentwicklern, welche eine gemeinsame Zuleitung
besitzen und deren Füllen und Entleeren in gleichen Zeitabschnitten vorgenommen
wird, so daſs stets ein gleichförmiger Strom Chlorgas zur Kammer kommt. Jede der 4
Kammern A bis D besitzt
nun an jener Ecke der Decke, welche der Mitte des Systemes zu liegt, ein
Gaseintrittsrohr und an der diagonal entgegengesetzten Ecke ein längeres
Gasaustrittsrohr. Ferner befindet sich an jeder Kammer, auſser der Arbeitsthür und
der Oeffnung im Boden zum Ziehen des fertigen Chlorkalkes, eine Glocke zur
Beobachtung der Gase, ein Thermometer und eine Oeffnung zum Probenehmen. Die Enden
dieser 8 Zuleitungs- und Ableitungsrohre münden nun in eine Umschaltevorrichtung,
ebenso das Hauptgaszuleitungsrohr und, entsprechend angeordnet, 3 Absaugrohre
(Hauptabsaugrohre), welch letztere durch eine Bleirohrleitung in einen Abzugskamin
münden. Es erfolgt die Verbindung der einzelnen Rohrenden durch Aufsetzen von
Bleiglocken, welche mittels Wasser oder besser einem dünnen Breie aus Leinöl und
Thon abgesperrt werden, über je 2 Oeffnungen, so zwar, daſs das in der Mitte
befindliche Hauptgasrohr mit dem Einströmungsrohre von A, das Abströmungsrohr von A mit dem
Einströmungsrohre B, die Abströmung B mit der Einströmung C,
die Abströmung C mit der Einströmung D und endlich die Abströmung D
mit einem der drei
Hauptabsaugrohre verbunden ist. Die Aufnahme des Chlorgases erfolgt dabei unter Zug
und nicht wie bei dem gewöhnlichen Einkammersysteme unter Druck. Beistehendes Schema
zeigt die Lage der Kammern.
Textabbildung Bd. 263, S. 388 Wird mit der Arbeit begonnen, so läſst man das Gas auf A einwirken, bis nach einer herausgenommenen Probe die
gewünschte Stärke des Chlorkalkes erreicht ist, und verbindet dann das Hauptgasrohr
mit der Einströmung von B. Bei regelmäſsig
fortgesetzter Arbeit erfolgt das Umlegen des Gasstromes auf die nächste Kammer in
regelmäſsigen Zeitabschnitten. Die gesättigte oder „fertige“ Kammer wird
zunächst einige Stunden sich selbst überlassen, wobei sie noch Gas absorbirt, wie
aus dem Blässerwerden der Beobachtungsglocken deutlich zu ersehen ist. Dann aber
verbindet man das Abströmungsrohr derselben mit dem Einströmungsrohre der zuletzt
mit frischem Kalk beschickten Kammer und deren Abströmungsrohr mit einem der 3
Hauptabsaugrohre, während welcher Zeit (es genügen 2 bis 3 Stunden) das Gas nur
durch zwei Kammern streicht. Ist z.B. A
„fertig,“ so wird ihr nicht absorbirtes Gas über die letzt beschickte Kammer
D abgesaugt; ist B
„fertig,“ so leitet man ihr Gas über A, von C über B und von D über A. Ist diese
Absorption vor sich gegangen, so wird die letzt beschickte Kammer wieder als letzte
ins System eingeschaltet, worauf man gut thut, die fertige Kammer vor dem Oeffnen
noch einige Zeit mit einem Hauptabsaugrohre zu verbinden, um Luft in dieselbe zu
bringen.
Aus verschiedenen Gründen, insbesondere um die Gasvertheilungsvorrichtung nicht in zu
groſsen Abmessungen ausführen zu müssen und um die Handhabung der Sperrglocken zu
erleichtern, wurde der Durchmesser sämmtlicher Einströmungs- und Abströmungsrohre
mit 5cm gewählt. Es genügt dies zur Gasaufnahme
völlig, da die Kammern Zug haben und bei geeigneter Vorsicht nie ein Ueberdruck in
der Kammer entsteht. Es zeigte sich jedoch, daſs diese verhältniſsmäſsig engen Rohre
zum Absaugen der „fertigen“ Kammer nicht entsprechen; denn will man nicht zu
lange Zeit das Absaugen fortsetzen, so sind Gasverluste und Belästigung der Arbeiter
unvermeidlich. Deshalb richtete man hier noch für jede der 4 Kammern eine besondere
Absaugevorrichtung ein, bestehend aus je zwei 12cm
weiten Bleirohren, welche oben in einem Muffe mit einem Ringe zur Aufnahme von
Wasser oder Oelkitt enden. Für gewöhnlich sind diese Muffen mittels einer Bleiglocke
oder Kappe verschlossen; ist jedoch eine Kammer fertig, so werden, im gleichen Sinne
wie früher die engen Gasleitungsrohre, nun die weiten durch geeignete Kniestücke, welche in die Muffen
passen, verbunden. Ist also bei A die Absorption
vorbei, so wird das weite Absaugrohr derselben mit dem
weiten Einströmungsrohre der Kammer D, welche
frischen Kalk enthält, verbunden; ferner öffnet man die Kappe des weiten Einströmungsröhres von A, um den Zutritt von Luft zu ermöglichen. Alle übrigen Oeffnungen der
weiten Rohre bleiben verschlossen. Jede der 4 Kammern besitzt ferner an einer
geeigneten Stelle der Wand einen kleinen Kasten aus Bleiblech, der oben eine
verschlieſsbare Oeffnung besitzt, welche ebenfalls durch ein Kniestück mit dem Muffe
einer in den Kamin mündenden Gasleitung aus Thonrohren zu verbinden ist. In dem
erwähnten Falle geht also das verbleibende Gas aus A
nach D, wird hier seines Chlorgehaltes beraubt und
streicht dann durch die Kastenöffnung aus D in den
Abzugskamin. Es ist gut, vor dem Oeffnen der Kammer unmittelbar aus ihr mit den
entsprechenden Rohren abzusaugen. Diese Einrichtung bewährt sich vollkommen, die
Reinigung der Kammer von Gas geht rasch und vollständig vor sich und, wie der
Braunstem verbrauch ergibt, fast ohne Verluste an Chlorgas.
Der Betrieb des Systemes kann nun auf zweierlei Art geleitet werden, einmal mit einem
den Gröſsenverhältnissen der Kammer entsprechenden Kalkeinsatze, wobei alle 12
Stunden eine Kammer gezogen wird; dann aber mit dem 1½fachen normalen Einsatze,
wobei alle 24 Stunden eine Kammer fertig ist und natürlich die Beschickung der
Entwickler in geeigneter Weise abgeändert werden muſs. Die erste Arbeitsart bringt
manches Unangenehme mit sich; es tritt namentlich ein höchst widerlicher,
senfölartiger Geruch besonders bei hochgradigem Chlorkalk auf, der sich durch
Absaugen und Lüften nicht vollständig beseitigen läſst; dann ist aber auch die
Handhabung des Ziehens und Einsetzens bei Nacht mit Umständen verbunden, so daſs in
der hiesigen Fabrik die zweite Methode, wobei alle Vormittage eine Kammer frisch
beschickt wird, die zumeist übliche ist. Einige von mir über die Aufnahme von
Chlorgas angestellte Beobachtungen mögen die Vorgänge beider Arbeitsarten in
allgemeinen Umrissen darlegen.
1) Arbeit bei normalem Einsatze und
12stündigem Zuge.
Das System stand bereits mehrere Wochen in ununterbrochenem
Betriebe, als Kammer A:
Montags 6 Uhr Morgens
entleert, frisch gefüllt und Mittags wieder geschlossen wurde; dieselbe blieb bis 4
Uhr Nachmittag als vierte im System. Gasweg: B-C-D-A.
Dann saugte man das übrig gebliebene Gas von B nach A.
Abends 6 Uhr: Probe aus A 22° = 7 Proc. bleichendes Chlor. Nun wurde A als dritte Kammer eingeschaltet. Gasweg: C-D-A; B geöffnet und frisch beschickt.
Nachts 12 Uhr: Probe aus
A 36° = 11,5 Proc. bleichendes Chlor. Um 4 Uhr früh
kam A als zweite ins System. Das nicht absorbirte Gas
aus C nach B abgesaugt.
Gas weg: D-A.
Dienstag 6 Uhr Morgens:
Probe aus A 38° = 12 Proc. bleichendes Chlor. Gasweg:
D-A-B; C geöffnet und frisch beschickt.
Mittags 12 Uhr: Probe aus
A 43° = 13,7 Proc. Chlor. Um 4 Uhr Nachmittags
wurde D ausgeschaltet und ihr nicht aufgenommenes Gas
nach C übergesaugt. A
erhielt nun als erste Kammer unmittelbar Gas. Gasweg: A-B-C.
Abends 6 Uhr: Probe aus A 45° = 14,5 Proc. Chlor. D geöffnet und frisch
beschickt. Nach 9 Uhr wieder als letzte eingeschaltet. Gasweg: A-B-C-D.
Donnerstag 12 Uhr Nachts:
Probe aus A 112° = 35 Proc. Chlor. A blieb im direkten Gas bis 4 Uhr früh, wurde dann
ausgeschaltet und ihr nicht absorbirtes Gas nach D übergesaugt.
Morgens 6 Uhr: A geöffnet
und gezogen. Durchschnitt vom Boden der Kammer und den sogen. Etagen 112°.
Diese Beobachtungen sowie wiederholt vorgenommene weitere Untersuchungen der Kammern
in den verschiedenen Stadien zeigen, daſs durch das Absaugen des Gases eine
ziemliche Menge desselben vom frischen Kalke absorbirt wird, so daſs ein Chlorkalk
bis über 30° gebildet werden kann. Steht die Kammer als dritte und zweite im
Systeme, so schreitet die weitere Gasaufnahme nicht wesentlich vorwärts und erst bei
unmittelbarer Zufuhr erfolgt die Anreicherung des Kalkes auf hohe Grade. Es geht
daraus hervor, daſs der richtigen Handhabung des Absaugens
ein besonderes Augenmerk zuzuwenden ist.
2) Arbeit bei 1½fachem Einsatze und
24stündigem Zuge.
Das Kammersystem befand sich in mehrmonatlichem ununterbrochenem
Betriebe, als ich an 4 auf einander folgenden Tagen jedesmal um 8 Uhr Morgens eine
Probe aus sämmtlichen Kammern nahm.
Montag. Gasweg: C-D-A; B fertig.
C
Probe
von der Etage
97°
D
„
vom Boden
16°
A
„
von der Etage
38°
B
Durchschnitt nach dem Oeffnen
117°.
Dabei wurde der unmittelbare Gasstrom um 12 Uhr Nachts
von B auf C überlegt,
welche zur Zeit der Probenahme also bereits 8 Stunden als erste im Systeme war. Bis
4 Uhr Morgens blieb dann B sich selbst überlassen zur
vollständigeren Absorption; darauf übersaugte man das übrig gebliebene Gas bis 7 Uhr
Morgens nach A, welche Kammer sich also in 3 Stunden
bis auf 38° anreicherte. Durch B wurde noch bis 10 Uhr
Vormittags unmittelbar Luft gesaugt und endlich diese Kammer geöffnet und
gezogen.
Dienstag. Gasweg: D-A-B: C fertig.
D
Probe
vom Boden
70°
A
„
von
der
Etage
47°
B
„
„
„
„
15°
C
Durchschnitt
121°.
Dabei erhielt D seit 8
Stunden unmittelbar Gas und über B wurde durch 8
Stunden das nicht absorbirte Gas von C abgesaugt.
Mittwoch. Gasweg: A-B-C: D fertig.
A
Probe
von
der
Etage
108°
B
„
„
„
„
20°
C
„
„
„
„
33°
D
Durchschnitt
124°.
Hier erhielt A seit 8
Stunden unmittelbar Gas und über C wurde durch 3
Stunden nicht aufgenommenes Gas aus D gesaugt.
Donnerstag. Gas weg: B-C-D: A fertig.
B
Probe
von
der
Etage
102°
C
„
„
„
„
53°
D
„
„
„
„
12°
A
Durchschnitt
116°.
B seit 8 Stunden im
direkten Gas, über D durch 3 Stunden aus A nicht absorbirtes Gas abgesaugt.
A
zeigte
also
in
4
Tagen:
38°
47°
108°
116°
B
„
„
„
„
„
15°
20°
102°
(119°)
C
„
„
„
„
„
33°
53°
–
(120°).
Es muſs dabei hervorgehoben werden, daſs die einzelnen Proben von den Etagen durch
die Oeffnung der Beobachtungsglocke genommen wurden. Da auf dem lockeren Kalk
besonders bei niederen Graden eine leicht verschiebbare Kruste ruht, so erfordert es groſse
Vorsicht, eine richtige Probe heraus zu bekommen. Diese Untersuchungen lieferten
also ein gleiches Ergebniſs wie die früher mitgetheilten. Auch bei dieser Art zu
arbeiten, bleibt die durch das Absaugen des nicht absorbirten Gases angereicherte
Kammer als dritte und zweite des Systemes so ziemlich gleich in den Graden und nimmt
erst die Hauptmenge Chlorgas auf, wenn sie dasselbe als erste im Systeme unmittelbar
bekam. Ich erhielt wiederholt Chlorkalk über 120°, was bei dem Einkammersysteme bei
demselben Kalk-, Braunstein- und Salzsäureeinsatz nicht so leicht zu erzielen ist.
Es spricht dies für eine vollständige Ausnutzung des Chlorgases.
Von meinen sonstigen auf den Betrieb bezüglichen zahlreichen Beobachtungen will ich
bloſs einige mittheilen. Um vortheilhafte Betriebsergebnisse zu erhalten, ist die
Bedienung des Systemes äuſserst regelmäſsig vorzunehmen, d.h. man muſs stets in den
gleichen Zeiträumen das Umschalten der Gaszuleitung, das Füllen, Entleeren und
Dämpfen der Entwickler vornehmen. Wurde das Arbeitspersonal einmal daran gewöhnt, so
sind nicht leicht Störungen des Betriebes zu fürchten. Der fertige Chlorkalk zeigt
meist eine ziemlich, jedoch nicht übermäſsig harte Kruste, hat aber bei der zweiten
Arbeitsmethode (1½ facher Einsatz und 24stündiger Zug) nie den senfölartigen,
belästigenden Geruch. Das Ziehen der Kammern erfordert einige Vorsicht, wegen der in
dieselben ragenden Bleirohre; doch kam hier während eines bereits 1½jährigen
Betriebes erst einmal der Fall vor, daſs bei der Arbeit
ein Rohr eingebogen wurde.
Da das System in einem leichten Holzgebäude untergebracht ist, so unterscheidet sich
die Temperatur jener Kammern, welche nicht direktes Gas erhalten, wenig von der
Lufttemperatur; an kalten Wintertagen beobachtete ich sogar schon – 15°. Dagegen
steigt in der ersten Kammer des Systemes die Temperatur während des Winters bis +
22°, im Sommer bis 34°, sinkt aber rasch beim Durchlüften. Daſs der Kalk im Winter
einer so niederen Temperatur durch 2 bis 3 Tage ausgesetzt ist, bringt keinen
Nachtheil mit sich; ja man arbeitet auch bei diesem Systeme zur kälteren Jahreszeit
verhältniſsmäſsig mit besserem Erfolge als im Sommer.
Den besten Beweis der Ausnutzung des Chlorgases geben die Zahlen des
Braunsteinverbrauches. Wir benöthigten bei diesem Systeme für 100k Chlorkalk von 100° (stärkere Waare auf 100°
umgerechnet) im Durchschnitte 67 Th. Braunstein von 67 bis 68 Proc. MnO2, also ein äuſserst günstiges Ergebniſs bei einer
ohne Weldon'schen Regenerator arbeitenden Anlage.
Die ganze Einrichtung gestattet es auch, ohne Schaden Pausen von einem oder mehreren
Tagen zu machen, in der Art, daſs ein z.B. Nachmittag zur Füllung kommender
Entwickler erst am 2., 3.,... nten Nachmittage frisch beschickt wird.
Die Kammer bleibt dabei im Gase stehen, ohne daſs an der Umschaltvorrichtung etwas
geändert würde. Bei Pausen von 8 bis 10 Tagen konnte noch kein störendes Verkrusten
des Kalkes beobachtet werden. Bei längerer Ruhe wird man gut thun, die schwachen
Chlorkalk enthaltende dritte oder vierte Kammer unmittelbar vor der Fortsetzung der
Arbeit zu öffnen und mittels eines Holzrechens die Oberfläche des Kalkes zu
erneuern. Die geringe Gasmenge der Kammern wird während der Ruhe vollständig
absorbirt, so daſs man sie ohne Belästigung betreten kann. Als dieses System
eingeführt und die verschiedenen Arbeitsmethoden versucht wurden, übersättigten wir auch einige Male eine Kammer, d.h.
sie erhielt bei einem Gehalte von höchstgrädigem Chlorkalk noch weiteres Chlorgas
durch einige Stunden. Dieses trat dann in die nächste Kammer über, deren Kalk sich
bis auf 80° anreicherte. Einige Chemiker wollen im Laboratorium einen Rückgang im
Gehalte des Chlorkalkes beim Uebersättigen mit Chlor beobachtet haben; ich dagegen
konnte dies bei diesen Versuchen im Groſsen nie bestätigt finden.
Es ist nun die Frage, ob bei der Arbeit mittels Mehrkammersystemes die chemischen
Vorgänge der Chloraufnahme andere sind als in den gewöhnlichen Kammern. Obwohl der
auf diese Art erzeugte Chlorkalk so ziemlich dieselben Eigenschaften besitzt wie der
in einer gewöhnlichen Kammer dargestellte, so liegt doch ein Unterschied darin, daſs
hier auf den Kalk zuerst ganz verdünntes Gas und dann immer concentrirteres
einwirkt, während sonst das Umgekehrte der Fall ist, indem bei dem Schwächerwerden
der Chlorentwickelung gegen das Ende der Reaction natürlich immer verdünnteres Chlor
in die Kammer tritt. Es wäre möglich, daſs durch diesen Unterschied ein
verschiedenes Verhältniſs zwischen dem Gehalte an Gesammtchlor und bleichendem
Chlor, sowie auch an Wasser während der einzelnen Stadien des Prozesses bedingt ist.
Ich lasse diese Frage offen, mir weitere Untersuchungen darüber vorbehaltend.
Wenn ich endlich noch erwähne, daſs dieses Mehrkammersystem während seines 1½jährigen
Betriebes keine einzige Ausbesserung benöthigte und nach seinem derzeitigen Zustande
auch in der Folge nicht so bald eine solche vorkommen dürfte, so kann es wohl mit
Recht eine sich bewährt habende Einrichtung genannt werden, welche, wie hier
dargelegt, manchen Vortheil den älteren Kammern gegenüber besitzt, insbesondere die
Möglichkeit der Erzeugung eines hochgradigen Productes bei regelmäſsiger Arbeit und
geringem Braunsteinverbrauche.