Titel: | A. Klose's Locomotive mit radial einstellbaren Kuppelachsen. |
Autor: | M-M. |
Fundstelle: | Band 263, Jahrgang 1887, S. 449 |
Download: | XML |
A. Klose's Locomotive mit radial einstellbaren
Kuppelachsen.
Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 27.
Klose's Locomotive mit radial einstellbaren
Kuppelachsen.
Das zwanglose Befahren von Geleiskrümmungen durch mehr als zweiachsige Fahrzeuge ist
prinzipiell nur dann möglich, wenn die Radachsen sowohl radial gegen den
Krümmungsmittelpunkt gestellt, als auch deren Lager quer gegen die Längsachse des
Fahrzeuges so verschoben werden, daſs sie im Kreise concentrisch mit dem Geleise zu
liegen kommen. Die vollkommen genaue Lösung dieser beiden Bedingungen ist für das
Laufwerk von Wagen bereits Bergk und A. Klose gelungen (vgl. Organ
für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1883 Bd. 20 * S. 10 bezieh. S.
94) und hat sich in der praktischen Ausführung bewährt, bleibt aber in der
Einfachheit gegen die angenäherte Lösung zurück, welche darin besteht, daſs der
Wagen von zwei Drehschemeln mit je zwei oder drei Räderpaaren getragen wird.
Für die Laufachsen der Locomotiven sind die Drehschemel
in den verschiedensten Formen ausgeführt und bewährt; für die radiale Einstellung
der Kuppelachsen ist die Curvenlocomotive vom
Maschinendirektor Ad. Klose in Rorschach, Schweiz (* D.
R. P. Kl. 20 Nr. 36424 vom 13. September 1885) der erste und in der praktischen
Ausführung vollkommen gelungene Versuch. Die zweite Bedingung des richtigen
Einstellens in die Curve ist dabei allerdings unberücksichtigt geblieben und wird
derselben nur durch das Weglassen der mittleren Spurkränze Rechnung getragen.
In Fig. 1 bis
5 Taf. 27
ist die schmalspurige Tendermaschine dargestellt, welche 1885 von der Locomotivfabrik Krauſs und Comp. in München nach Klose's Plänen ausgeführt und für die dem
österreichischen Staate gehörige Bosnathal-Bahn (Brood-Serajewo) geliefert wurde.
Fig. 6 und
7 Taf. 27
zeigen die Einrichtung der radialen Achseneinstellung und die Textfigur gibt ein
schematisches Bild der bei der Radialeinstellung erforderlichen
Kuppelstangen-Construction, welche zur Bosnathal-Maschine gehört, während Fig. 6 und 7 eine Type mit
Innenrahmen darstellen.
Die Radialeinstellung der Endachsen wird dadurch bewirkt, daſs beim Einfahren in die
Curve die Entfernung der über den inneren Schienen liegenden Achslager vermindert
wird, während die gegenüber liegenden Achslager sich beide von der Mittelachse
entfernen. Zu diesem Zwecke befinden sich auf den Zapfen a und b (Fig. 6), welche an den
Locomotivrahmen angeschraubt sind, zwei durch eine Zugstange gekuppelte Doppelhebel,
die durch kräftige Zwischenstücke mit den Achslagern verbunden sind. Dieser
Mechanismus, welcher, wie aus Fig. 6 ersichtlich, die
beiden Endachsen stets in entgegengesetztem Sinne bewegt, befindet sich auf beiden
Seiten der Locomotive; die Verbindung erfolgt durch die Querwelle c, die durch Zugstangen mit den hinteren Doppelhebeln verbunden
ist und zwar rechts durch den nach abwärts gerichteten Hebelarm, links durch den
aufwärts stehenden. Hierdurch ist der Richtungswechsel der Achs Verschiebung auf
beiden Seiten der Maschine bewirkt und die zwangläufige radiale Einstellung
geschlossen. Die bei den Locomotiven übliche Achslagerführung ist, wie aus Fig. 6 und 7 hervorgeht,
nur bei der Mittelachse beibehalten, während sie bei den Endachsen lediglich den
Seitendruck aufnimmt und die freie Längsverschiebung gestattet; die Auflage der
Tragfedern muſs gleichfalls in diesem Sinne angeordnet sein.
Die vorstehend beschriebene Achsenverschiebung bedingt nothwendig entsprechende
Aenderungen der Kuppelstangenlängen auf beiden Seiten der Maschine und die hierzu
erforderlichen Mechanismen bilden den Gegenstand des deutschen Patentes Nr. 36424.
Die einfachste Lösung der Aufgabe ist in Fig. 6 ersichtlich; der
Kuppelzapfen der Treibachse trägt einen Bügel, „Differentialkopf“ genannt, an
welchem die Kuppelstangen in zwei diametral gegenüber liegenden Punkten angreifen;
die Köpfe beider Endachsen sind in Kugelzapfen angelenkt, um der Verdrehung der
Achsen folgen zu können.
Diese Anordnung, welche allerdings dem Zwecke genügt, die Bewegung des Systemes zu
ermöglichen, ist dagegen nicht geeignet, die Cylinderarbeit von der Treibachse auf
die Kuppelachsen zu übertragen. Dies kann nur dann stattfinden, wenn in beiden
Kuppelstangen stets derselbe Druck auftritt, also die vordere und hintere
Kuppelachse stets denselben Widerstand auf der Schiene findet, ein Fall, der auch
bei vollkommen entsprechender Abwäge und Ausgleichung im Bewegungszustande nur
ausnahmsweise vorkommen kann.1l Was aber geschieht, wenn die beiden Kuppelachsen ungleiche Adhäsion haben,
kann man sich leicht durch ein extremes Beispiel klarstellen: Angenommen,
die beiden vorderen Achsen I und II (Fig. 6) tragen
allein die gefederte Last und die Achse III ist
entlastet, der Zugs widerstand und das Cylindermoment entsprechen der vollen
Adhäsion. Eine Fortbewegung ist nur möglich, wenn das halbe Drehmoment von
dem vorderen Kuppelrad aufgenommen wird. Dazu gehört, daſs in der
Kuppelstange II-III derselbe Druck auftritt wie
in I-II, was aber unmöglich ist, da III keine Adhäsion hat. In Folge dessen bewegt
sich das Treibrad II auf der Schiene schleifend
unter dem Drucke des Kolbens, das Rad I bleibt
stehen und verdreht hierdurch den Differentialkopf so lange bis das Rad III so weit verdreht ist, daſs dessen Kurbel im
hinteren todten Punkt steht, wonach eine weitere Bewegung unmöglich
ist. Thatsächlich hat Klose, wenn auch
nicht aus dem hier angeführten Grunde, ein Mittel gefunden, um diesem Uebelstande zu
begegnen und das System lebensfähig zu machen; eine Construction, die sich im
Betriebe der ausgeführten Maschine vollständig bewährt hat.
Der Differentialkopf wird hiernach nicht sich selbst und den wechselnden Drücken der
Kuppelstangen überlassen, sondern durch ein Lenkersystem geführt, das nachstehend
schematisch und in Fig. 1, 3 und 4 nach der
praktischen Ausführung dargestellt ist. Mittels desselben wird die Verdrehung des
Differentialkopfes in unveränderliche Verbindung mit der Verschiebung der Achslager
gebracht und damit der erforderliche Widerstand gegen einseitige Verdrehung eines
Kuppelräderpaares geschaffen.
Textabbildung Bd. 263, S. 451 Zu den beiden festen Drehzapfen a und b kommt nun ein dritter Gelenkpunkt d, auf welchem ein
dreiarmiger Hebel gelagert ist. Zwei Arme dieses Hebels (je 247mm lang) dienen zur Kuppelung der Achslager in
einer gegenüber Fig.
6 Taf. 27 etwas abgeänderten, aber denselben Zweck erzielenden Weise; der
dritte Hebelarm (300mm lang) ist durch eine
Lenkstange (570mm lang) mit dem steifen
Lenkerdreieck (von 300mm Seitenlänge) verbunden.
Die zweite untere Lenkstange (570mm lang) ist im
Achsmittel d drehbar gelagert, die Verbindung des
Dreieckes mit dem Differentialkopf bewirken zwei weitere Lenkstangen (470mm lang). Bei unveränderter Stellung des
dreiarmigen Hebels auf d wird auch die Neigung des
Differentialkopfes gegen die Wagerechte unverändert erhalten und jedes
Verdrehungsbestreben dadurch aufgehoben, daſs dieselbe ein Verschieben der beiden
Kuppelachsen bewirken müſste; beim Radialeinstellen der Achsen erfolgt sofort
selbstthätig die erforderliche Verlängerung bezieh. Verkürzung der Kuppelstangen.
Die Glieder des Lenkermechanismus wirken bei gleichen Widerständen beider
Kuppelachsen lediglich führend und müssen nur jene Kraftdifferenzen aufnehmen,
welche bei ungleichen Belastungen durch Federspiel oder durch den wechselnden
Zustand des Geleises in den Kuppelstangen auftreten.
Zu dieser geistreichen Anordnung des Bewegungsmechanismus kommt bei der
Bosnathal-Locomotive noch ein weiteres Glied. Die Maschine ist, wie aus Fig. 1 bis 5 ersichtlich,
Tenderlocomotive, welche den Wasservorrath auf den Adhäsionsrädern, den
Kohlenvorrath auf einer hinteren Laufachse trägt. Auch diese ist in die radiale
Einstellung einbezogen und zwar auf folgende Weise. Der Kohlentender hat einen die
Feuerbüchse übergreifenden Rahmen, ähnlich wie bei den alten Engerth'schen Maschinen, welcher an einen vor der Feuerbüchse in dem
Hauptrahmen befestigten Drehzapfen e angreift. Dies
geschieht durch Vermittelung eines Querstückes, welches des Federspieles halber in
dem Tenderrahmen in Zapfen drehbar und mit stellbaren Lagerschalen versehen ist. An
dieses Querstück greifen innerhalb der Endzapfen mittels eines Nuſsgelenkes beiderseits Zugstangen
an, welche einem Balancier f angelenkt sind, der
zwischen der Treib- und der hinteren Kuppelachse gelagert ist. Durch die Verbindung
dieses Balancier mit den Doppelhebeln der hinteren Kuppelräder, welche selbst wieder
durch den dreiarmigen Zwischenhebel des Lenkmechanismus mit den um a drehbaren Doppelhebeln der vorderen Kuppelräder
verbunden sind, wird das System geschlossen. Dabei ist durch Einschaltung eines
verstellbaren Zwischenhebels in die Zugstange zwischen dem Querstück e und dem Balancier f
Vorsorge getroffen, den Betrag der radialen Einstellung nach Wunsch abändern zu
können.
Die nach dem Klose'schen Systeme ausgeführte und im
Betriebe befindliche Locomotive hat nach einem im Club Oesterreichischer
Eisenbahnbeamten in Wien, März 1886, gehaltenen Vortrage des k. k. Oberst E. Ritter v. Guttenberg folgende Hauptverhältnisse:
Spurweite
mm
760
Radstand,
gekuppelt
„
3000
„
gesammt
„
6000
Gewicht voll im Dienst
„
25
Cylinderdurchmesser (d)
mm
290
Hub (l)
„
450
Raddurchmesser (D)
„
900
Zugkraftcoefficient
(d^2\,\frac{l}{D})
„
420
Heizfläche
qm
58,8
Rostfläche
„
0,9
Dampfdruck
at
12
Wasserraum
cbm
2,650
Kohlenraum
„
2,000
Als höchste Leistung wird 140t angehängte Last auf
14 : 1000 Steigung mit 20km Geschwindigkeit und
250t angehängte Last auf einer Steigung 7 :
1000 mit derselben Geschwindigkeit angegeben. Beide Leistungen ergeben etwa 3100k Zugkraft und 250e, was jedenfalls nicht bei unverändert erhaltenem Verdampfungsvermögen
des Kessels geleistet werden könnte, aber immerhin ein sicherer Beweis dafür ist,
daſs der neue und vieltheilige Mechanismus keinen erhöhten Widerstand verursacht
hat.
Das anstandslose Durchfahren von Curven bis herab zu 33m Radius und die Erreichung von Geschwindigkeiten bis zu 45km für die so schmale Spur, sowie der anstandslose
Dienst während 7200 zurückgelegter Kilometer stellen der Maschine das beste Zeugniſs
aus und haben auch zur Nachbestellung von drei weiteren und nur theilweise
verstärkten Locomotiven gleicher Construction geführt.
M-M.