Titel: | Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und Traubenzuckerfabrikation; von Prof. L. v. Wàgner. |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 174 |
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Ueber Fortschritte in der Stärke-, Dextrin- und
Traubenzuckerfabrikation; von Prof. L. v. Wàgner.
(Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes S. 132
d. Bd.)
L. v. Wàgner, über Fortschritte in der
Stärkefabrikation.
Léon Cuisinier in Paris (D. R. P. Nr. 37923 vom 30.
Oktober 1884) hat jüngst ein neues Verfahren zur
Verzuckerung Stärkemehl haltiger Substanzen mittels Malz angegeben (vgl.
1887 263 147); dasselbe gründet sich auf die Darstellung
eines besonderen Malzes, ohne Unterschied aus Gerste, Weizen, Roggen oder Mais
u.s.w. Cuisinier läſst das Malz 7 bis 10 Tage keimen,
legt somit den Schwerpunkt für die Fabrikation auf die weit vorgeschrittene Keimung
des Getreides. Selbstverständlich erfordert die lange Dauer des Keimprozesses ganz
besonders in der warmen Jahreszeit gewisse Vorsichtsmaſsregeln (Anwendung von
Kalkwasser für alle Arbeiten der Malzbereitung, wiederholtes Waschen des Malzbodens
mit Kalkwasser und Einweichen des Grünmalzes in Kalkwasser während einer Stunde, um
die auf der Oberfläche des Kornes gebildeten Fermente zu entfernen).
Cuisinier bereitet nun das Rohmaterial (Mehl, Stärkemehl
und ganze Körner) zur Verzuckerung besonders vor; er legt nämlich ein groſses
Gewicht darauf, die Rohstoffe von neutraler (nicht saurer) Reaction zu erhalten, zu
welchem Behufe er dieselben mit reinem oder mit kohlensaurem Natron (auf 200l Wasser 2k
Soda) versetztem Wasser behandelt. Sollte die Stärke alkalisch reagiren, so wird zu
deren Neutralisirung mit Schwefelsäure versetztes Wasser (auf 100k Rohmaterial 200l Wasser und 1k Schwefelsäure von 66° B.) verwendet. Die ganzen Körner werden 2 bis 3 Tage
in lauem Wasser von höchstens 50° eingequellt und dann mittels Stahl- oder
Porzellanwalzen zermahlen (das Korn soll bei voller Quellreife nicht mehr als 40 bis
45 Proc. Wasser enthalten). Das feuchte Material wird mit kaltem Wasser zu einem
Breie angerührt und hierauf die zur Verflüssigung nöthige Menge Malz (2 ½ bis 5
Gew.-Proc.) zugegeben und eine Stunde hindurch geknetet. Mengenverhältnisse: 100k Korn, 100l
Wasser und 2½ bis 5k Malz.
Zur Extractbereitung wendet Cuisinier einen sogen. Liquefactor an, ein Apparat, worin sich die
Verflüssigung des Rohmaterials vollzieht und welcher aus einem mit kräftigem
Rührwerke versehenen wagerechten Cylinder besteht, der von einem Wasserbade, dessen
Temperatur man dauernd auf 75° erhält, umgeben ist. Der „Liquefactor“ wird
zuerst mit Wasser (oder den Waschwässern einer vorhergehenden Behandlung) von 75°
beschickt und dann der oben erwähnte Brei in gleichmäſsigen Theilen zuflieſsen
gelassen. Das Rührwerk arbeitet fortwährend, so daſs eine Verkleisterung des
Rohmaterials ausgeschlossen ist.
Um 1hl klare Maiswürze (Saft) verschiedener
Concentration zu erhalten, ist Rohmaterial und Wasser in folgenden Verhältnissen
anzuwenden:
Dichte der klarenWürze
Korn (Mais), anzu-wendendes Gewicht
Wasser, inbegriffen dasWeich- und
Anrührwasser
8° B
20,8k
88,4l
12
31,9
82,4
15
41,3
77,4
20
57,2
68,7
Während der Verflüssigung saugt ein Bohm'scher Zerkleinerungsapparat die Masse beständig auf und wirft sie in
den Cylinder zurück, um eine möglichst vollkommene Zerkleinerung zu bewirken.
Um die bei der Temperatur von 75° etwa unverflüssigt gebliebene Stärke ebenfalls
aufzulösen, erhitzt man die verflüssigte Maische in einem mit Rührwerk versehenen
Hochdruckapparate eine Stunde hindurch bei einem Ueberdrucke von 1at. Dieser Apparat hat eine Doppelwand, in welcher
der Dampf kreist. Nach erfolgtem Kochen wird die Masse auf 70° abgekühlt (indem man
kaltes Wasser in den Hohlraum der Doppelwandung einflieſsen läſst) und behufs „Dextrination“ mit 1 bis 2 Proc. Malzinfusion behandelt. Diese
Arbeit dauert 2 Stunden, während welcher Zeit die Temperatur genau auf 70° zu
erhalten ist. Während die Masse vor der Dextrination mit Jodlösung eine blaue Reaction
gab., wird dieselbe nun eine braungelbe sein. Die solcherweise gewonnene und von den
Trebern mittels Preſsfilter leicht trennbare Flüssigkeit enthält 65 Proc. Maltose
sowie 35 Proc. Dextrin und Nichtzucker. Zur vollständigen Verzuckerung wird nun
diese Flüssigkeit oder der Extract (wie diesen Cuisinier nennt) auf 48 bis 50° abgekühlt und mit 15 bis 20 Proc.
Malzinfusion versetzt. Dieser Zusatz erfolgt nach und nach, indem man alle 2 Stunden
5 Proc. Infusion hinzufügt. Nach vollendeter Verzuckerung erhitzt man den Saft
neuerdings, filtrirt und dickt ein.
Der auf 40° B. eingedickte Extract kann als concentrirte
Bierwürze – deren Zusammensetzung und Eigenschaften er besitzt – verkauft
werden. Mit Wasser in erforderlichem Maſse verdünnt, kann er sofort zur Darstellung
von Bier oder zur Alkoholfabrikation verwendet werden.
Neuerer Zeit ist unter dem Namen „Cerealine“ (vgl. 1887 263 147) ein
Product in den Handel gekommen, das aus Mais gewonnen wird und hauptsächlich für
Brauerei- und Brennereizwecke sowie daneben auch als Nahrungsmittel verwendet
wird.
Zur Herstellung von Cerealine wurden bereits mehrere Verfahren angegeben; das letzte
derselben rührt von Joseph Franklin Gent in Columbus, Ind., Nordamerika (D. R. P. Kl. 6 Nr. 34276 vom 5. Januar 1886) her. Dasselbe
besteht kurz zusammengefaſst in Folgendem: Der Mais wird in trockenem Zustande
gehörig gereinigt und, ohne vorher verstampft zu werden, sogleich so weit gedämpft,
daſs die Hülsen und Keime erweichen. Zum Dämpfen des Mais bedient man sich einer
fein durchlöcherten Trommel, in welcher eine Drehachse mit Flügeln oder Stäben das
Korn gegen den Mantel schleudert. An einem Ende der Trommel wird der Mais
eingeführt, am anderen Ende tritt er wieder aus. Der Dampf gelangt in die Trommel
mit einer Temperatur von 160° und 6at Spannung,
durchstreicht das Korn und entweicht durch die etwa 1mm groſsen Löcher des Mantels. Eine Minute genügt, um das Korn dermaſsen
zu erweichen, daſs die Hülsen und Keime sich vom Mehlkörper in gröſseren Stücken mit
Leichtigkeit trennen lassen. Eine längere Einwirkung des hochgradig gespannten
Dampfes könnte leicht zur Folge haben, daſs sowohl die Proteinkörper (Glutin), als
auch das Stärkemehl des Maiskornes schädlich beeinfluſst werden. Die mit überhitztem
Dampfe behandelten Körner werden nun durch geriffelte Walzenpaare laufen gelassen.
Der solcherweise gequetschte bezieh. grob geschrotene Mais gelangt nun behufs
Trennung des Mehlkörpers von den Schalen und Keimen auf einfache Siebvorrichtungen.
Schlieſslich behandelt man den von den Keimen und Schalen befreiten Mehlkörper
nochmals mit Dampf und preſst die Masse in dünne Scheibchen, welche das
„Cerealine“ darstellen. – Wie zu ersehen, ist somit das Cerealine nichts
anderes als entkeimter und enthülster Mais, wie weiter oben bereits beschrieben.
(Vgl. Wagner-Gillitzer's Verfahren S. 136 d. Bd.)
Ludw. und Ferd. Vierneisel, Konrad Trobach und Alfred Cards in Miltenberg a. M. bezieh. Berlin (D. R. P. Nr. 34211 vom 7. Januar 1886) haben ein Verfahren
vorgeschlagen zur Herstellung von Kartoffelpreſslingen zur
Dextrosefabrikation. Sie bezwecken einerseits die kostspielige Ausscheidung
der Stärke aus Kartoffeln zu umgehen, andererseits den höchsten Stärkegehalt der
Kartoffeln (zur Zeit ihrer Ernte) zu Gunsten der Traubenzuckergewinnung möglichst
vollständig auszunutzen. Dadurch, daſs die Kartoffeln unmittelbar zu Dextrosezucker
verarbeitet werden, wird die Ausnutzung der Stärke zweifelsohne vollständiger sein,
als wenn vorerst die Stärke aus den Kartoffeln extrahirt werden soll, indem ja die
Pülpe bekanntermaſsen stets bedeutende Mengen (bis zu 20 Proc.) Stärke zurückhält.
Den zweiten Vortheil ihres Verfahrens sehen die Genannten – wie bereits kurz erwähnt
– in dem Umstände, daſs der Stärkegehalt der in Miethen aufbewahrten Kartoffel
beständig abnimmt, wodurch die volle Ausnutzung des Rohmaterials zur Unmöglichkeit
wird, während durch Aufbewahrung der Kartoffel in gepreſstem Zustande dieser
Uebelstand ausfällt.
Das Verfahren selbst besteht nun darin, daſs man die Kartoffeln wäscht und zerreibt,
den Kartoffelbrei von seinen wässerigen Bestandtheilen mittels einer Filterpresse
befreit und die Preſskuchen mit Wasser aussüſst, welches Calciumbisulfit enthält.
(Unterläſst man diese Vorsicht der Nachsüssung mit Calciumbisulfat haltigem Wasser,
dann verderben die nicht völlig trockenen Preſskuchen sehr bald.) Die Preſskuchen
trocknet man, sofern sie nicht gleich verarbeitet werden, durch eine geeignete
Vorrichtung. Die Umwandlung der Kartoffelpreſslinge in Dextrosezucker erfolgt nun
auf die Art, daſs man die Preſslinge mit Wasser anrührt und unter Dampfdruck mit
Säure verzuckert. Magazinirte Kartoffelpreſslinge werden vorher gemahlen oder anders
zerkleinert und sodann auf dieselbe Art wie die frischen Preſslinge behandelt. Die
sauren Dextrosezuckersäfte werden mit schwefligsaurem Kalk und Kreide neutralisirt,
durch eine Filterpresse gedrückt, auf 30° eingedickt, nochmals durch eine
Filterpresse geschickt, sodann bei 100° auf 35° B. concentrirt und der
Krystallisation überlassen. Nach Abscheidung der braunen Melasse wird der so
erhaltene Dextrosezucker in Wasser gelöst, durch Knochenkohle entfärbt und nach den
Grundsätzen der Rübenzuckerfabrikation umkrystallisirt.
Die fabriksmäſsige Erzeugung von krystallisirtem
Traubenzucker ist eine der wichtigsten Aufgaben der Glukose-Industrie. Es
dürfte demnach nicht ohne Interesse sein, hierüber einiges zu erfahren. Thadeus v. Korvin-Sakovicz und David Rosenblum in Warschau lieſsen bereits im J. 1883 ein Verfahren zur
Herstellung von krystallisirtem Traubenzucker aus Stärke aller Art unter
gleichzeitiger Entfärbung desselben ohne Anwendung von Knochenkohle patentiren (in
Deutschland ist das Verfahren nicht geschützt). Es
besteht darin, daſs man auf je 1 G.-Th. wasserfreier Stärke 10 Th. Wasser nimmt, zu Stärkemilch
rührt und nun eine gewisse Menge Schwefelsäureanhydrid hinzusetzt, welche Menge von
den Umständen abhängt, unter denen die Stärke in Zucker verwandelt werden soll.
Erfolgt nämlich der Verzuckerungsprozeſs in offenen Gefäſsen, also unter
gewöhnlichem Atmosphärendrucke, so braucht man 4,9 Proc. Schwefelsäureanhydrid und
muſs 11 Stunden lang kochen. Verwendet man aber geschlossene Gefäſse, so benöthigt
man bei 1at Ueberdruck nur 2 Proc. Säure und eine
Kochdauer von 5½ Stunden, bei 2at Ueberdruck 1
Proc. Säure und eine Kochdauer von 5 Stunden, bei 3at Ueberdruck 0,36 Proc. Säure und eine Kochdauer von 4½ Stunden und bei
4at Ueberdruck nur 0,15 Proc. Säure und eine
Kochdauer von 4 Stunden.
Auf diese Weise erhält man eine Stärkezuckerlösung, welche wenigstens 97 Proc. Zucker
und nur 3 Proc. Nichtzucker enthält. Diese Lösung wird durch Kreide neutralisirt,
auf 45° abgekühlt und durch Hinzufügung von hypermangansaurem Kalium, dessen Menge
0,2 Procent des Stärkegewichtes beträgt, entfärbt. Es entsteht ein brauner
Niederschlag, während die Zuckerlösung wasserhell wird. Letztere wird nun auf
Filterpressen gebracht, um den darin enthaltenen Gyps und etwaige Theile des braunen
Niederschlages zu entfernen. Die so behandelte Flüssigkeit wird in den gewöhnlichen
Abdampfapparaten und dann im Vacuumapparate bis 1,5 sp. Gew. bei 45° eingedampft.
Die Krystallisation beginnt schon im Vacuum und ist gleich nach dem Austritte aus
demselben bei der gewöhnlich in Zuckerfabriken herrschenden Temperatur vollendet.
Die Abscheidung des krystallinischen Stärkezuckers vom flüssigen Nichtzucker und
Wasser erfolgt durch Nutschapparate oder durch Schleudertrommeln.
Die Schleuderung des solcherweise gewonnenen Traubenzuckers (Anhydridzucker)
verursacht indessen groſse Schwierigkeiten und, wie uns die HH. Albert Fesca und Comp. in Berlin mitzutheilen die
Freundlichkeit hatten, genügen hierzu die gewöhnlichen (Rudolph'schen) Schleudern durchaus nicht. Genanntes Haus hat in seiner
Berliner Maschinenfabrik Schleuderversuche mit diesem Anhydridzucker begonnen, um
festzustellen, welche Abänderungen an den gewöhnlichen Zuckercentrifugen nöthig
sind, damit dieselben sich zur Schleuderung dieser neuen Zuckermasse gut eignen. Die
diesbezüglichen Versuche scheinen indessen bisher keine befriedigenden Ergebnisse
geliefert zu haben.
Ein neuerer Vorschlag auf die Herstellung von krystallisirtem
wasserfreiem Traubenzucker mittels Salpetersäure rührt von Alfr. Seyberlich in Riga und Alex. Trampedach in Mitau, Kurland (D. R. P. Nr. 37236 vom 20. September 1886) her. Dieselben verzuckern die Stärke unter ausschlieſslicher Anwendung von
verdünnter Salpetersäure und alkalisiren die Zuckerlösung mittels kohlensaurem
Natron im Ueberschusse vor dem Eindampfen im Vacuum. Die Fabrikation von
Traubenzucker nach diesem Verfahren ist folgende: Lufttrockene Stärke wird mit Wasser zu Milch
angerührt und letztere dann langsam in verdünnte kochende Salpetersäure eingeleitet,
so daſs auf 1000k lufttrockene Stärke 5k Salpetersäure kommen. Das Verhältniſs der Stärke
zur Gesammtmenge des Wassers kann 1 : 3 bis 1 : 2 sein. Das Kochen des Gemisches
findet in hölzernen, mit Rückfluſskühler versehenen Gefäſsen statt; die Verzuckerung
erfolgt hierbei sehr vollständig und kann das Fortschreiten des
Verzuckerungsprozesses mit Hilfe der Alkoholreaction verfolgt werden. Das Kochen
muſs so lange fortgesetzt werden, bis 10 Tropfen der Zuckerlösung in 20cc 96 procentigem Alkohol keine Spur einer Trübung
mehr geben. Der Dünnsaft wird dann mit Kreide neutralisirt und nun mit kohlensaurem
Natron oder Kali im Ueberschusse bis zur deutlich alkalischen Reaction versetzt. Der
ausgeprägt alkalisch reagirende Dünnsaft wird im Vacuum auf 35 bis 36° B. (1,3190
bis 1,3311 sp. Gew.) eingedampft und dann der Krystallisation überlassen. Aus dieser
deutlich alkalischen Zuckerlösung scheidet sich der Zucker in einzelnen gut
ausgeprägten Krystallen ab, welche von den flüssigen Theilen mittels Schleudern
geschieden werden. Die in der Schleudertrommel zurückbleibenden wasserfreien
Traubenzuckerkrystalle liefern nach dem Ausdecken eine Handelswaare von 96 bis 98
Proc. Zuckergehalt.
Bedeutend gröſsere Vortheile, als die schon beschriebenen zwei Darstellungsweisen,
bietet Anton Markl in Prag mit seinem Verfahren zur
fabriksmäſsigen Erzeugung von krystallinischem
Traubenzucker. Dasselbe gestattet, vollkommen weiſsen Traubenzucker von
nahezu absoluter Reinheit ohne Spodiumfiltration zu gewinnen, dessen
Zusammensetzung:
Zucker
92,29 Proc.
Nichtzucker
0,18
Wasser
7,53
ist. Leider bin ich nicht in der Lage, das Verfahren selbst zu
kennzeichnen, kann aber nicht umhin, dasselbe den Interessenten wärmstens
anzuempfehlen.