Titel: | Ueber orange Azofarbstoffe; von Dr. Otto Mühlhäuser. |
Autor: | Otto Mühlhäuser |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 181 |
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Ueber orange Azofarbstoffe; von Dr. Otto Mühlhäuser.
Mühlhäuser, über orange Azofarbstoffe.
Bei der Bedeutung, welche die Azofarbstoffe, insbesondere die Naphtolorangefarben,
besitzen, dürfte allen Denjenigen, welche der Azofarbenpraxis fern stehen, ein
Einblick in die Herstellungsweise dieser Körper von Interesse sein. Der Einblick in
diesen – in Bezug auf Fabrikation – einfachsten Zweig der Azofarbenindustrie ist
schon darum bemerkenswerth, weil die Herstellung der niedrigst sulfurirten Derivate
des Naphtolazobenzols und seiner Homologen typisch für alle später entdeckten
Azofarbstoffe geworden ist und unmittelbar die fabrikmäſsige Darstellung isomerer,
homologer und analoger Körper im Gefolge hatte.
Eine kurze Darstellung der Geschichte
der Azofarbstoffe bis zu dem Zeitpunkte, wo die Entdeckung der orangen
Naphtolfarbstoffe erfolgte, möge der Beschreibung der Fabrikationsweise
vorausgeschickt sein.
Das von Mitscherlich im J. 1834 durch
Destillation von Nitrobenzol mit alkoholischem Kali erhaltene Stickstoffbenzid oder,
wie wir es heute nennen: Azobenzol, war der erste bekannte Körper, für welchen das
Vorhandensein der Gruppe – N = N – charakteristisch war. Der Repräsentant einer anderen neuen
Körperklasse, dem diese Stickstoffgruppe eigen war, wurde im J. 1858 von Peter Grieß entdeckt, welcher bei Verallgemeinerung der
Piria'schen Reaction und ihrer Anwendung auf Anilin
und andere aromatische Amine eine Klasse Stickstoff haltiger Körper entdeckte, die
man als Diazoverbindungen bezeichnet hat. Diese Körperklasse, welche bis vor einem
Jahrzehnt nur theoretisches Interesse beanspruchte, hat eine technische Bedeutung
erlangt, seit Grieß die Fähigkeit der einzelnen Glieder
dieser Klasse, mit aromatischen Aminen und Phenolen in Reaction zu treten, kennen
lehrte.
Vertreter dieser Farbstoffnatur besitzenden Reactionsproducte,
welche man später als Azofarbstoffe bezeichnete, waren seit Anfang der 60 er Jahre
nur zwei bekannt, nämlich das von Simpson, Maule und
Nicholson in Handel gebrachte Anilingelb und das
von Robert Dale und Comp. erzengte Manchesterbraun. Die
Untersuchungen, welche Caro im Vereine mit Grieß und Grieß mit Martius (vgl. 1866 180 326)
ausführten, zeigten, daſs das färbende Princip dieser Farbstoffe im einen Falle
Amidoazobenzol, im anderen das braunfärbende Triamidoazobenzol sei. Die Thatsache,
daſs aromatische Amine sich mit Diazoverbindungen vereinigen können, hat Grieß an einigen weiteren Beispielen kennen gelehrt und
dadurch die der Bildung basischer Azofarbstoffe zu Grunde liegende Reaction
verallgemeinert. Die dem Amidoazobenzol entsprechende Oxyverbindung erhielt Grieß durch Einwirkung von Bariumcarbonat auf ein
Diazosalz des Benzols und dann durch Schmelzen von Azobenzolsulfosäure mit Kali. Kekulé und Hidegh stellten
es im J. 1870 nach einem der Bildung der Amidoazokorper analogen Verfahren dar-
letztere zeigten, daſs sich salpetersaures Diazobenzol mit Phenol in Form von
Phenolkalium zu Oxyazobenzol vereinigt. Diese Reaction, welche wiederum durch Grieß ihre Verallgemeinerung fand, ermöglichte allein
die rasche und ausgedehnte Entwickelung der Azofarbenindustrie und es ist das
Verdienst von H. Caro und O. N.
Witt, die Tragweite der Grieß'schen
Forschungen in technischer Beziehung erkannt zu haben. Die Entdeckung des Chrysoїdins,
jenes zwischen Anilingelb und Manchesterbraun stehenden Farbstoffes, durch Witt, erinnerte die Chemiker an den von Grieß stammenden Ausspruch, daſs Diazokörper mit
aromatischen Aminen und Phenolen Farbstoffe von bedeutender Echtheit erzeugten.
Das Chrysoїdin (vgl. auch A. W.
Hofmann 1877 225 197) wurde von O. N. Witt im Januar 1876 gleichzeitig und unabhängig
von H. Caro entdeckt. Caro
erhielt es aus Diazoamidobenzol und Phenylendiamin, Witt dagegen den Grieß'schen Ueberlegungen
gemäſs aus Diazobenzolsalz und Phenylendiamin. also nach einer Methode, wie sie in
Zukunft für die Herstellung der Azofarbstoffe überhaupt angewendet wurde und deren
technische Verallgemeinerung durch Substitution des Amins durch ein Phenol man
ebenfalls Witt verdankt. Letzterer stellte schon im
Januar 1877 nach dieser Methode aus Diazobenzolsulfosäure und Phenol einen gelben
Farbstoff dar, die Sulfosäure des Oxyazobenzols: das Tropäolin Y.
Damit war die Kekulé-Hidegh'sche
Reaction in die Groſspraxis übertragen und das Beispiel gegeben, nach welchem man in
Zukunft Oxyazokörper erzeugte. In dieselbe Zeit fällt auch die Entdeckung der
einfachen Sulfosäure des α- und β-Naphtolazobenzols durch Caro, Witt und Roussin, welcher Entdeckung unmittelbar die Fabrikation
dieser als Orange oder Tropäoline bezeichneten Farbstoffe folgte.
Die bei Weitem wichtigsten orangen Farbstoffe, welche
Massenartikel geworden sind und im Handel vorkommen, sind:
1) Ein aus Diazo-p-Benzolsulfosäure und α-Naphtol zu erhaltender Farbstoff von folgender Zusammensetzung:
\mbox{SO}_3\mbox{Na}(4)-\mbox{C}_6\mbox{H}_4-(1)\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\alpha),
das sogen. Orangé I, Naphtolorange Nr. 1, Tropäolin 000
Nr. II.
2) Ein aus Diazo-p-Benzolsulfosäure und β-Naphtol erhaltbarer Farbstoff von der Zusammensetzung:
\mbox{SO}_3\mbox{Na}(4)\mbox{C}_6\mbox{H}_4-(1)\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\beta),
das Orangé II, Naphtolorange Nr. 2, Tropäolin 000 Nr.
I.
3) Ein aus einem Gemenge von Diazo-o- und Diazo-p-Toluolsulfosäure
und β-Naphtol erhaltbares Product von der
Zusammensetzung:
\left. {\mbox{CH}_3\ \ \ \,\atop
\mbox{SO}_3\mbox{Na}}\right>\mbox{C}_6\mbox{H}_3-\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\beta)
welches als Orange R in
den Handel kommt.
4) Ein aus Diazoxylolsulfosäure und β-Naphtol erhaltbares Product, das Orange RR, von der Zusammensetzung:
\left. {\mbox{CH}_3\atop
\mbox{CH}_3}\right>\mbox{C}_6\mbox{H}_2\left<\mbox{N}=\mbox{N}-\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6-\mbox{OH}(\beta)\atop
\mbox{SO}_3\mbox{Na}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \,.
Der Herstellung dieser Farbstoffe geht in allen Fällen die
Fabrikation der Sulfaminsäure voraus. Es sei daher der allgemeinen Betrachtung der
Fabrikation der orangen Farbstoffe diejenige ihrer Vorproducte, der Sulfaminsäuren,
vorausgeschickt.
Fabrikation der Anilinsulfosäure und ihrer
Abkömmlinge.
Die Sulfurirung des Anilins und seiner Abkömmlinge geschieht im Groſsen nach 2
Methoden: Entweder löst man die Amine in rauchender Schwefelsäure auf und sulfurirt
die so entstehenden Aminsulfate bei etwa 100 bis 110°, also bei mäſsiger Temperatur
im guſseisernen Rührkessel mit der im Ueberschusse vorhandenen Schwefelsäure, oder
aber man stellt die sauren Aminsulfate dar und setzt dieselben einer geeigneten
höheren Temperatur aus. Die erstere Methode findet mit Vortheil ihre Anwendung bei
Sulfurirung des Xylidins. Bei Sulfurirung des Anilins und Toluidins hat man diesen
Weg jetzt verlassen und arbeitet nach der 2. Methode, welche auch in bestimmten
Fällen für die Monosulfurirung von Anisidin, α- und β-Naphtylamin mit Vortheil angewendet wird.
Kommt die 2. Methode zur Aminsulfurirung in Anwendung, so ist eine gute Ausbeute in
allen Fällen von dem Einhalten der folgenden Bedingungen abhängig: 1) Herstellung
einer Amin im Ueberschusse enthaltenden innigen Mischung annähernd gleicher Moleküle
Amin und Schwefelsäure. 2) Einführung der in Blechkasten in den Muffelofen
eingeführten Kuchen in einer Dicke, welche ein gleichmäſsiges Erhitzen der Masse
zuläſst. 3) Einhalten einer gleichmäſsigen, nicht zu hohen und nicht zu niederen
Temperatur, am besten etwa 200 bis 230°, je nach der Natur des Amins.
Hält man die genannten Bedingungen ein, so wird man in allen Fällen neben guter
Beschaffenheit auch eine der theoretischen Ausbeute sehr nahe kommende Menge Product
erhalten. Nichtbeachtung von Punkt 1, also Ueberschuſs von Schwefelsäure, führt
Verkohlung herbei, welche proportional der im Ueberschusse zugesetzten Schwefelsäure
ist. Der Sulfanilsäure ist in diesem Falle immer ein blauer Farbstoff beigemengt und
die in Alkali gelöste Säure zeigt eine weinrothe Färbung. Die Auſserachtlassung von
Punkt 2, also die Verwendung zu dicker Kuchen, bewirkt ein unvollständiges Ausbacken
der Masse. Es bildet sich in diesem Falle ein Kern von nicht in Reaction getretenem
Aminsulfat im Inneren und die Behandlung endigt mit unvollständiger Sulfurirung des
Kuchens. Ein Verstoſs gegen Punkt 3 bewirkt bei zu niedrigem Erhitzen eine
unvollkommene Sulfurirung, bei zu hohem Erhitzen eine Verkohlung, also in beiden
Fällen eine verminderte Ausbeute.
Die Wasserabspaltung aus dem Anilinsulfate beginnt bei etwa 190° und findet unter
heftigem Kochen der sich immer mehr verdickenden Masse statt. Es scheint sich
hierbei in allen Fällen erst ein Sulfamid zu bilden, welches sich dann in
Aminsulfosäure umlagert. Bei der Sulfurirung des Naphtylamins verliefe also der
Prozeſs in folgender Weise:
I)
\mbox{C}_{10}\mbox{H}_7.\mbox{NH}_2.\mbox{H}_2\mbox{SO}_4=\mbox{H}_2\mbox{O}+\mbox{C}_{10}\mbox{H}_7.\mbox{N}\left<\mbox{H}\
\ \ \ \ \,\atop \mbox{SO}_3\mbox{H}
II)
\mbox{C}_{10}\mbox{H}_7.\mbox{N}\left<\mbox{H}\ \ \ \ \ \,\atop
\mbox{SO}_3\mbox{H}\right.=\mbox{C}_{10}\mbox{H}_6\left<\mbox{NH}_2\ \
\atop \mbox{SO}_2\mbox{H}.
Quantitative Analyse der Rohmaterialien.
Diejenigen Rohstoffe, welche bei einer zweckmäſsig betriebenen
Orangefabrikation eine Gehaltsbestimmung benöthigen, sind die Sulfaminsäuren
(Sulfanilsäure, Toluidinsulfosäure und Xylidinsulfosäure), das Aetznatron, die
Schwefelsäure und das Nitrit.
Bei den in gröſster Reinheit im Handel vorkommenden Naphtolen
genügt eine qualitative Prüfung.
Bestimmung der Sulfanilsäure. Eine
gute Sulfanilsäure soll sich in alkalischem Wasser mit heller Farbe lösen und keinen
oder nur wenig Rückstand geben. Da die Sulfanilsäure mit Natriumnitrit bei Gegenwart
überschüssiger Salzsäure im Sinne folgender Gleichung:
eine quantitative Umsetzung erleidet, so kann diese
Gleichung als Grundlage für eine volumetrische Bestimmung der Sulfanilsäure mittels
Natriumnitrit dienen. Bei Bestimmung der Sulfanilsäure ist vor Allem die vorkommende
Verunreinigung mit schwefelsaurem Anilin zu berücksichtigen. Man kann das Anilin durch Kochen der
im Ueberschusse mit Alkali behandelten und in Lösung gebrachten Sulfanilsäure mit
den Wasserdämpfen wegtreiben und so eine Flüssigheit erhalten, in welcher man nach
dem Ansäuern mit Salzsäure die Sulfanilsäure mittels einer Normalnitritlösung
titriren kann. Das Ende der hierbei stattfindenden Umsetzung gibt ein mit der
Flüssigkeit betüpfelter, schwach die Salpetrigsäurereaction anzeigender
Jodkalium-Papierstreifen zu erkennen, 1cc
Normalnitritlösung entspricht 0g,173
Sulfanilsäure.
Probeflüssigkeiten: 1)
Normalnitritlösung erhält man durch Auflösen von 69g bei 100° getrocknetem Nitrit in 1l
Wasser. 2) Normalnatronlauge. 3) Normalsalzsäure.
Beispiel: 5g der auf ihren
Gehalt zu untersuchenden Durchschnittsprobe werden im Becherkolben mit 150cc heiſsem Wasser und 30cc Normalnatronlösung versetzt und ungefähr 10
Minuten lang gekocht. Die durch Kochen von Anilin befreite, schwach alkalische
Lösung bringt man auf ein Volumen von 250cc,
mischt vollkommen und filtrirt. Dem Filtrate entnimmt man 50cc, die man in einem Becherglase mit 15cc Normalsalzsäure ansäuert und nun so lange
tropfenweise mit Normalnitritlösung versetzt, bis ein mit einem Glasstabe auf einen
Streifen Jodkaliumstärkepapier gebrachter Tropfen Flüssigkeit eine sofortige Bläuung
bezieh. Bildung von Jodstärke verursacht. Angenommen, man habe 5cc,6 Nitritlösung verbraucht, so berechnet sich
für die fragliche Sulfanilsäure ein Gehalt von 96,9 Proc.
In derselben Weise bestimmt man den Gehalt der Toluidinsulfosäure
und der Xylidinsulfosäure in irgend einer zur Untersuchung vorliegenden Form. 1cc Normalnitritlösung entspricht 0g,187 Toluidinsulfosäure und 0g,201 Xylidinsulfosäure.
Prüfung der Naphtole: Die als α- und β-Naphtol im Handel
vorkommenden geschmolzenen weiſsen Massen von blätterig krystallinischer Textur
lassen in Bezug auf Güte selten etwas zu wünschen übrig. Bei der Untersuchung der
Naphtole hat man vor Allem ihren Schmelzpunkt und ihre Löslichkeit in verdünntem
Alkali zu berücksichtigen. Einen etwaigen Rückstand bestimmt man nach vollkommenem
Auswaschen durch Trocknen und Wägen.
Bestimmung des Nitrits: Das
Handelsnitrit stellt zumeist weiſse oder schwach gelblich gefärbte derbe Krystalle
dar. Es enthält in der Regel 95 bis 98 Proc., NaNO2.
Eine Bestimmung des Gehaltes des zur Nitrosirung kommenden Nitrits ist von Zeit zu
Zeit vorzunehmen, da dasselbe aus der Luft Wasser aufnimmt, wodurch sich der Gehalt
ändert. Man bestimmt den Gehalt an Nitrit mittels einer
0,1-Normalsulfanilsäurelosung, welche man sich durch Auflösen von 19g,5 bei 110° getrocknetem Natriumsulfanilat in
1l Wasser herstellt.
Dieser 0,1-Normallösung entspricht dann 0g,0069 NaNO2.
Auſserdem benöthigt man noch eine Normalsalzsäurelösung. Bei Ausführung der Analyse
löst man am besten 69g einer aus allen Theilen des
Fasses entnommenen Durchschnittsprobe im Liter auf und verdünnt von dieser Lösung
wieder 100cc auf 1l, Man sieht dann zu, wie viel Cubikcentimeter dieser Nitritlösung zur
Zersetzung einer Mischung von 20cc
0,1-Normalsulfanilatlösung und 5cc
Normalsalzsäurelösung nöthig sind, und berechnet aus der Zahl der verbrauchten
Cubikcentimeter den Procentgehalt des Nitrits.
Technik der orangen Farbstoffe.
Im Groſsen sucht man bei der Herstellung der Naphtolorange an der Hand der oben
erwähnten Analysenmethoden molekulare Einwirkung von aminsulfosaurem Natron,
Schwefelsäure und Nitrit behufs Erzeugung eines Diazokörpers und Einwirkung des
erzeugten Diazokörpers auf 1 Mol. Naphtolnatrium behufs Farberzeugung derart zu
bewerkstelligen, daſs keine dieser Substanzen im Ueberschusse angewendet werde, daſs
also die Umsetzung möglichst im Sinne folgender Gleichungen ihren quantitativen
Verlauf nehme:
I)
II)
worin R die Radicale oder
vorstellen kann.
Da es nun nicht gelingt, eine vollkommen diesen Gleichungen entsprechende Umsetzung
herbeizuführen, das eine oder andere Einwirkungsmittel unter allen Umständen im
Ueberschusse verbleiben wird, so sei hier auf den Einfluſs hingewiesen, den ein
Uebermaſs des einen oder anderen Reagens auf die Beschaffenheit oder Menge des
entstehenden Farbstoffes ausübt, wie auch, in welcher Weise man einem schädlichen
Einflüsse von vornherein begegnet.
Das Vorhandensein eines kleinen Ueberschusses von Diazoverbindung nach der Paarung
ist gut, ein Ueberschuſs von Naphtol ungünstig, da eine vollständige Entfernung der
Naphtol haltigen Mutterlaugen aus den Preſskuchen durch Ausblasen mit Luft nicht
gelingt, somit also Naphtol dem Farbstoffe beigemengt bleibt und bei Anwesenheit
einer gröſseren Menge der Ausfärbung des Farbstoffes auf der Faser die
„Blume“ nimmt, denselben trüb erscheinen läſst. Man wird daher diesem
Umstände vorweg dadurch begegnen, daſs man einen kleinen Ueberschuſs von
Sulfanilsäure in Reaction bringt bezieh. einfach das etwa 99 procentige Naphtol
gegenüber der wirklich 100 procentigen Sulfanilsäure als 100 procentig in Rechnung
bringt. Durch die Anwendung dieses kleinen Ueberschusses an Diazoverbindung ist man
dann sicher, alles Naphtol in Reaction zu bekommen, während die überschüssige
Diazoverbindung sich bald nach der Paarung zersetzt und unschädlich wird.
Ein anderer wichtiger Punkt in der Fabrikation der eigentlichen Naphtolfarbstoffe ist
die Vermeidung eines Säureüberschusses. Man wird daher in allen Fällen ungefähr 3
Proc. Alkali mehr anwenden, als zur Neutralisation der gesammten Säuremenge nöthig
ist. Ein allzu groſser Natronüberschuſs wirkt dagegen in dem Sinne unvortheilhaft,
als er ein vollständiges Ausfallen des Farbstoffes verhindert, indem ein Theil
desselben als zweibasisches Salz in Lösung bleibt. Auf Menge und Beschaffenheit
beeinträchtigend wirkt ein Ueberschuſs von Säure, insofern Naphtol abgeschieden wird
und dadurch der Farbstoff in oben beschriebener Weise eine Verunreinigung erleidet,
andererseits aber dasselbe der Farbstoffbildung entzogen wird und so einen Verlust
herbeiführt. Ein Ueberschuſs an Nitrit ist unschädlich, so lange alkalische Reaction
vorhanden; ein Ueberschuſs von Säure und Nitrit dagegen wirkt doppelt schädlich.
Die Gewinnung der Farbstoffe kann unmittelbar geschehen, wenn der Farbstoff ohne
weiteres in kristallinischem Zustande ausfällt und also eine Filtration zuläſst.
Gallertartig sich abscheidende Farbstoffe dagegen werden nach ihrer Erzeugung wieder
in Lösung gebracht und in der Hitze mit Salzwasser ausgefällt, wodurch in allen
Fällen eine krystallinische Abscheidung herbeigeführt und somit der Farbstoff
filtrationsfähig wird. Bei Einhaltung der genannten Bedingungen erhält man immer ein
schönes Product und gleicht die Ausführung der verschiedenen technischen
Behandlungsweisen einer im Groſsen ausgeführten quantitativen Analyse. Bei
Herstellung der orangen Azofarbstoffe ist man in der That dem erstrebten Ziele,
reinen Farbstoff neben theoretischer Ausbeute zu erhalten, nicht nur nahe gekommen,
sondern hat es vollkommen erreicht.
Herstellung der Sulfanilsäure.
Die Herstellung der Sulfanilsäure geschieht, wie bereits erwähnt, am zweckmäſsigsten
durch Erhitzen von schwefelsaurem Anilin auf höhere Temperatur unter den weiter oben
angeführten Umständen. Man benöthigt dazu folgende Apparate:
Einen gußeisernen, mit Rührwerk versehenen
Kessel, welcher mit einem Bleikühler in Verbindung steht und eine
Belästigung durch die beim Mischen von Anilin und Schwefelsäure entstehenden
Anilindämpfe verhindert.
Zur Umwandlung des sauren Sulfates in Sulfanilsäure dienen 2 Muffelöfen, in welchen man das in eisernen Kasten in
die Muffel gebrachte Sulfat backt. Die Muffel stellt einen flachen, an einer
Kurzseite mit eisernen Thüren verschiebbaren guſseisernen Kasten dar, dessen durch
ein Gewölbe geschützter Boden der Wirkung der Stichflamme, eine Kurz- und die beiden
Langseiten den heiſsen Feuergasen ausgesetzt sind. An der nicht vom Feuer umspülten
Decke der Muffel befindet sich eine Oeffnung für das Thermometer und eine den
Dämpfen Abzug gestattende, mit Drosselklappe versehene Abzugsröhre, welche in den
Schornstein einmündet und diesem das Reactionswasser zuführt. Der Muffel gibt man
zweckmäſsig eine Länge und Breite von je 100cm und
eine Höhe von 50cm.
Zur Einführung des Anilinsulfates in den Ofen dienen auf Schlitten
sitzende Schwarzblechkasten, 75cm lang und breit, sowie 25cm hoch. Die Schlitten haben einen doppelten
Zweck: einmal gestatten sie ein leichteres Handhaben der schweren Kasten; dann aber
verhindern sie ein ungleiches Erwärmen des Sulfates, wie solches bei unmittelbarem
Aufsitzen der Blechkacheln auf dem Boden stattfände, in einfachster Weise. Man
benöthigt 6 Kasten.
Um das saure Anilinsulfat herzustellen, bringt man
zunächst 49k Schwefelsäure von 66° B. in den
guſseisernen Kessel. Dazu läſst man innerhalb 20 Minuten 46k,5 Anilinblauöl in dünnem Strahle durch die
Kühlschlange einlaufen. Unter starker Erwärmung findet Vereinigung statt,
Anilindämpfe werden im Bleikühler verdichtet. Sobald alles Anilin zur Schwefelsäure
eingerührt ist, hebt man den Deckel des Mischkessels ab und vertheilt den Inhalt
gleichmäſsig auf 3 Blechkasten. Inzwischen hat man die Temperatur in den beiden
Muffelöfen auf 220 bis 230° gebracht. Ist diese Temperatur erreicht, so führt man in
aller Eile in jede Muffel einen Kasten ein und schlieſst die Thüren. Das Sulfat
schmilzt, die Reaction beginnt bei 195° und unter Entweichen von Wasser entsteht
zunächst: \mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{N}\left<\mbox{H}\ \ \ \ \
\,\atop \mbox{SO}_3\mbox{H}, welches sich in Sulfanilsäure
umlagert:
\mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{NH}_2.\mbox{H}_2\mbox{SO}_4=\mbox{H}_2\mbox{O}+\mbox{C}_6\mbox{H}_5.\mbox{N}\left<\mbox{H}\
\ \ \ \ \,\atop
\mbox{SO}_3\mbox{H}\right.=\mbox{C}_6\mbox{H}_4\left<\mbox{NH}_2\ \ \atop
\mbox{SO}_3\mbox{H}.
Nach etwa 3 stündigem Erhitzen auf 220 bis 230° öffnet man die Thüren der Muffeln und
dreht die Kasten um. Nach weiteren 3 Stunden ist die Masse gar gebacken, alles
Anilinsulfat in Sulfanilsäure umgewandelt. Um sich vom Schlusse des Prozesses zu
überzeugen, ritzt man die Kuchen mit einem Meiſsel an und beurtheilt dann aus der
Härte des Kuchens das Ende der Umsetzung. Sind die Kuchen überall gleich hart, so
zieht man die Bleche aus der Muffel heraus und beschickt die Oefen von Neuem. Aus
den erkalteten Blechen schlägt man die steinharte grauweiſse Masse mit dem Hammer
heraus.
Anilin
Schwefelsäure
Sulfanilsäure
46,5
49
79,5
46,5
49
80
46,5
49
81,5.
(Schluſs folgt.)