Titel: | Selbstthätige Eisenbahnwagenbremse für wechselnden Betrieb mit Ueberdruck oder Vacuum. |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 355 |
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Selbstthätige Eisenbahnwagenbremse für
wechselnden Betrieb mit Ueberdruck oder Vacuum.
Mit Abbildung auf Tafel
21.
Welch und Parker-Smith's selbstthätige
Eisenbahnwagenbremse.
Die zu sehr verschiedenen Zeitpunkten stattgefundene Einführung der continuirlichen
Luftbremsen im Eisenbahnverkehre sowie die heute noch bestehenden verschiedenen
Ansichten über den praktischen Werth der einzelnen Systeme sind die Ursache, daſs
die Einheitlichkeit in dieser wichtigen Betriebseinrichtung bis jetzt noch in keinem
Lande erreicht ist. Die zum Uebertreten auf fremde Linien bestimmten Wagen müssen
daher, falls sie in Zügen mit continuirlicher Bremse fahren sollen, unter Umständen
zwei oder drei verschiedene Bremseinrichtungen angebracht haben, wodurch eine
wesentliche Erhöhung der Anschaffungs- und Erhaltungskosten sowie eine Erschwerung
des Betriebes entsteht. Ein Versuch, diesem Uebelstande abzuhelfen, wird gegenwärtig
in England in gröſserem Maſsstabe durchgeführt und im Engineering, 1887 Bd. 43 * S. 137 darüber berichtet.
Die neue Einrichtung, schematisch dargestellt in Fig. 14 Taf. 21, ist eine
Erfindung von J. Cowling Welch und Parker-Smith und bedient sich eines gemeinsamen Organs
für die Bremsung sowohl beim Ueberdrucksystem (Westinghouse), als beim Vacuumsystem (Smith-Hardy).Vgl. 1877 223 * 18 * 28. 225 * 33. 1884 252 * 311. 1886 259 * 342.Es ist dies ein
cylindrischer Körper, an dessen Untertheil zwei Druckstangen angelenkt sind, welche
auf die Bremsklötze wirken. Durch das Herabsinken dieses 200k schweren Bremscylinders findet das Anziehen der
Bremse statt; gehoben und dienstbereit gehalten wird er durch den in der Zugleitung
bestehenden Ueber- bezieh. Unterdruck. Zu diesem Zwecke gleitet der Bremscylinder
über einem am Wagengestelle befestigten Kolben, welcher durch eine Zwischenwand in
zwei Räume getheilt ist, von denen der eine mit der Ueberdruckleitung U, der andere mit der Vacuumleitung V in Verbindung steht. Die Preſsluft tritt durch den
oberhalb des Kolbenbodens befindlichen Spalt in den ringförmigen Raum und übt einen
nach aufwärts gerichteten Druck auf den beweglichen Bremscylinder aus. Dasselbe
geschieht, wenn die rechte Seite des Kolbens und der damit in Verbindung stehende
Hohlraum des beweglichen Bremscylinders mit der Vacuumleitung V in Verbindung steht, da in diesem Falle der
Atmosphärendruck die nach aufwärts wirkende Kraft liefert. Da unter gewöhnlichen
Verhältnissen bei den continuirlichen Bremsen die Zugleitung stets unter Ueber-
bezieh. Unterdruck steht, werden die Bremscylinder dauernd in der höchsten Stellung
erhalten; bei dem Einlassen von atmosphärischer Luft durch den Führer oder bei dem
selbstthätigen Eintreten derselben im Falle einer vorkommenden Zugtrennung sinken
die Bremscylinder und pressen durch ihr Gewicht die Bremsklötze an die Räder.
Das Gewicht der Bremscylinder von 200k kann
selbstverständlich die erforderlichen Drücke von mindestens 2t auf jeden Bremsklotz nur durch sehr starke
Kniehebelübersetzung ausüben, in Folge dessen den Bremsklötzen nur ein geringes
Spiel verbleibt und die Druckstangen der Abnutzung von Rad und Klotz dauernd folgen
müssen. Dies geschieht selbstthätig, indem die in dem Untertheile des Bremscylinders
geführten Kreuzköpfe der Druckstangen mit Schrauben von rechtem und linkem Gewinde
in eine Hülse eingreifen, welche ein Schaltrad trägt, das durch eine an der äuſseren
Bremscylinderführung angebrachte Klinke verdreht wird, sobald der Bremscylinder beim
Niedergange ein bestimmtes Maſs überschreitet. Um dabei auch der ungleichmäſsigen
Abnutzung der gegenüber stehenden Bremsklötze Rechnung zu tragen, ist die
Schraubenhülse nicht fest, sondern durch einen Schleif keil mit dem Schaltrade
verbunden.
Als drittes Bremsmittel dient eine von Hand zu bewegende Bremsschraube, welche durch
Hebelübersetzung auf eine in der äuſseren Bremscylinderführung gelagerte Welle W wirkt. Von dieser Welle aus kann durch eine nicht
näher angedeutete Hebelverbindung der Bremscylinder auch von Hand gehoben werden,
wobei er, sobald eine Hubhöhe von etwa 25mm vor
der höchsten Stellung überschritten ist, durch eine an der Welle W angreifende Sperr Vorrichtung gehemmt und am
Zurückfallen gehindert wird. Bei weiterem Heben des Bremscylinders, sei es von Hand
oder durch Luftdruck, wird diese Sperrung ausgeschaltet und das freie Herabsinken
gestattet.
M.