Titel: | Vervollkommnung des Honigmann'schen Natron-Dampfkessels. |
Autor: | M–M. |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 521 |
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Vervollkommnung des Honigmann'schen
Natron-Dampfkessels.
Mit Abbildungen im Texte und auf Tafel 30.
Vervollkommnung des Honigmann'schen
Natron-Dampfkessels.
Das im J. 1883 patentirte und mit Recht als „eine der interessantesten Erfindungen
der Neuzeit“ (vgl. 1883 250 * 429, auch 1885 256 * 1) bezeichnete Honigmann'sche Dampfkesselsystem ohne
Feuerung hat in der Zwischenzeit noch nicht jene Verbreitung gefunden,
welche man erwarten sollte. Zum ersten Male war es gelungen, die im Abdampf
enthaltene Wärme unmittelbar zur Entwicklung neuen
Arbeitsdampfes zu verwenden und damit einen Dampfmotor zu schaffen, der für einen
längeren Zeitraum in geschlossenem Kreislauf ohne äuſsere Zuführung von Wärme und
ohne Ausströmung von Abdampf und Heizgasen arbeiten konnte. Es war vorauszusehen,
daſs diese Anordnung, welche so vollständig den Anforderungen des Bahnbetriebes in
Städten entspricht, in erster Linie für Straſsenbahnlocomotiven verwendet werden
würde, und thatsächlich war auch die erste in die Oeffentlichkeit gelangte Honigmann'sche Maschine eine
„Tramway“-Locomotive, welche sich durchaus bewährte. Weiter lieſs Honigmann zwei normalspurige Sechskuppler-Locomotiven
bauen, welche seit einigen Jahren auf der Strecke Aachen-Jülich ohne Anstand
verkehren. Der zum Eindampfen der verdünnten Laugen erforderliche Kohlenverbrauch
entsprach bei achtmonatlichem Betriebe der Straſsenbahnlocomotive einer Lieferung
von 6k,6 Dampf für 1k Kohle, bei dreimonatlichem Betrieb der zwei normalspurigen Locomotiven,
unter minder günstigen Umständen, 4k,8 Dampf für
1k Kohle. Der einzige Anstand ergab sich aus
der zerstörenden Wirkung, welche von der Natronlauge auf eiserne oder stählerne
Kesselbleche ausgeübt wird. Man muſste sich dazu entschlieſsen, jene Theile des
Kessels, welche mit der Lauge in Berührung kommen, daher auch die Siederohre, aus
Kupfer herzustellen und der Natronlauge Eisenoxydul zuzusetzen, um jede Gefahr einer
Zerstörung des Kessels auszuschlieſsen.Vgl. 1886 261 550. 1887 263 163. (Die Anwendung von Eisenoxydul ist im zweiten
Zusatzpatente Kl. 75 Nr. 39705 geschützt.)Die Kessel werden dem
entsprechend so construirt, daſs die mittlere Trommel und die Rohrwände aus
Kupferblech bestehen, während die dem Dampfdrucke ausgesetzten Enden aus Eisen- oder
Stahlblechen gebildet sind. Nach Behebung dieses Anstandes, womit die Construction
eine vollkommen tadellose wird, und ungeachtet der günstigen Erfolge beim Betriebe
hat bis jetzt das Honigmann'sche System dennoch keine
allgemeinere Anwendung gefunden.
M. Honigmann glaubt die Ursache darin gefunden zu haben,
daſs die Einrichtung einer stabilen Anlage zum Eindampfen der Lauge als Uebelstand
betrachtet wird, und hat daher sein System dahin vervollkommnet, daſs die
Eindampfung der Lauge in dem auf der Maschine befindlichen Natronkessel selbst stattfindet, daſs immer
dieselbe Lauge verwendet wird und die erforderlichen Calorien der Maschine in der
Form von gespanntem Wasserdampfe zugeführt werden.
Die neue Einrichtung (vgl. * D. R. P. Kl. 13 Nr. 34320 vom 12. Mai 1885 und * Nr.
34778 vom 30. August 1885) ist nachstehend schematisch und in Fig. 1 und 2 Taf. 30 in der
constructiven Ausführung für den Tunnelbau Busalla der italienischen Linie
Genua-Alessandria dargestellt.
Textabbildung Bd. 264, S. 522
Wie aus den Zeichnungen ersichtlich, ist der bereits früher
ausgeführte Kessel (1885 256 * 1) unverändert beibehalten
und nur eine Vorrichtung beigefügt worden, durch welche in jedes einzelne Wasserrohr
S mittels kleiner Rohre ein Dampfstrahl geleitet
werden kann. Die Dampfrohre werden aus einem gemeinsamen Behälter D gespeist, welcher im Textbilde an der Auſsenseite, in
Fig. 1
Taf. 30 innerhalb des einen Wasserkessels angebracht ist und durch einen leicht
löslichen Verschluſs während der Fahrt abgesperrt und an der Füllstation mit der
Dampfleitung eines stabilen Kessels verbunden wird. Die Aufstellung von
Laugenabdampfpfannen an der Füllstation entfällt und der dort befindliche
Dampfkessel kann auſsei zum Locomotivdienste auch noch für andere Zwecke benutzt
werden.
Bei dieser Einrichtung verläuft der Betrieb der Natron-Maschine in folgender Weise:
Die Locomotive erreicht die Füllstation mit tiefem Wasserstande W und hohem Stande der verdünnten und abgekühlten Lauge
N, wie im Textbilde angenommen ist. Durch
Verbindung der Dampfkammer D mit dem Stationskessel
tritt Dampf in die Wasserkessel ein, welcher eine energische Bewegung des Wassers
und eine gleichmäſsige Temperaturerhöhung desselben bewirkt, wodurch die Lauge im
Natronkessel concentrirt und dem entsprechend auf eine höhere Siedetemperatur
gebracht wird. Ist der gewünschte Concentrationsgrad der Lauge erreicht, so wird die
Dampfkammer von der Leitung getrennt und die Maschine ist dienstbereit.
Der Arbeitsprozeſs der Maschine im geladenen Zustande ist unverändert der frühere und
sei mit Bezug auf die ausgeführte Construction kurz wiederholt: Das in Folge der
erhöhten Laugentemperatur verdampfte Wasser tritt mittels des Rohres E (Fig. 1 und 2 Taf. 30) in die
Dampfmaschine ein, deren Kurbelwelle durch Zahnradübersetzung mit der Treibachse der
Locomotive verbunden ist. Der Abdampf gelangt in ein längs des Natronkessels
laufendes Rohr J, von wo er durch fünf am unteren Ende
siebartig durchlöcherte Rohre in die Lauge ausströmt und verflüssigt wird. Der
Prozeſs kann sich so lange fortsetzen, bis der langsam anwachsende Gegendruck im
Natronkessel der Spannung gleich wird, auf welche der Dampf des Wasserkessels,
entsprechend der bei zunehmender Verdünnung sinkenden Temperatur der Lauge,
herabsinkt.
Angenommen, es sei eine Füllung des Natronkessels von 900k Natron und 600l Wasser vorhanden,
deren Siedepunkt etwa bei 165° liegt, so herrscht im Wasserkessel ungefähr die
Temperatur 157° und dem entsprechend die Dampfspannung von 5at,7 absolut. Da im Natronkessel beim Beginne des
Prozesses die äuſsere Luftspannung herrscht, so kann der Abdampf auch mit dieser
Spannung in die Lauge eintreten, so daſs der thatsächliche Cylinderdruck unter
Vernachlässigung der Druckverluste 4at,7 beträgt.
Wenn auf diese Weise der Wasserkessel 500l Wasser
verdampft hat, ist die Lauge durch den Zusatz dieses Wassers auf 2000l vermehrt und beträgt der Procentsatz der
Verdünnung 120 Proc., welchem ein Siedepunkt von 136°, eine Wassertemperatur von
beiläufig 128° und eine Dampfspannung von etwa 2at,5 absolut entspricht. Da jedoch hiermit zugleich der Gegendruck im
Natronkessel auf etwa 2at,5 absolut gestiegen ist,
so muſs nun die neue Füllung stattfinden.
Die hiermit erzielte Leistung von 500k Dampf
entspricht selbstverständlich nur einer kleinen Maschine; länger andauernde
Leistungen sind sowohl durch Vergröſserung des Natroninhaltes, als auch durch
Eindampfen auf geringeren Wasserprocentsatz erzielbar.
M–M.