Titel: | Zur Untersuchung der Zucker auf andere Zuckerarten als Rohrzucker. |
Autor: | St. |
Fundstelle: | Band 264, Jahrgang 1887, S. 622 |
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Zur Untersuchung der Zucker auf andere
Zuckerarten als Rohrzucker.
Untersuchung- der Zucker auf andere Zuckerarten als
Rohrzucker.
I) Bestimmung von Invertzucker: Die vor nicht langer
Zeit von einer besonderen Commission festgestellte Methode der Bestimmung von
Invertzucker nach Herzfeld (vgl. 1886 261 485) hat schon jetzt gezeigt, daſs sie nicht allen
Anforderungen, welche man an sie stellt, vollauf genügt. H.
Bodenbender und R. Scheuer haben nun nach der
Zeitschrift des Vereins für die Rübenzucker-Industrie
des deutschen Reiches, 1887 Bd. 37 S. 138 ff. Untersuchungen ausgeführt, um
wo möglich zu einer noch besseren Methode zu gelangen, und hierzu die Anwendung des
von Degener empfohlenen Soldaini'schen Reagens (1886 261 487) gewählt
und Vergleiche über die nach beiden Verfahren zu erlangenden Ergebnisse angestellt.
Die Versuche, welche die Verfasser gleich nach Veröffentlichung der Herzfeld'schen Methode ausführten, haben ergeben, daſs
dieselbe zwar unter genauester Einhaltung der von Herzfeld empfohlenen Vorschriften richtige Werthe liefern kann, daſs die
Endzahlen indessen bei den geringsten Abweichungen in der Arbeitsweise sehr leicht
schwankend ausfallen und bei Anwesenheit von sehr
geringen Mengen Invertzucker verhältniſsmäſsig groſse Unterschiede ergeben
können.Bodenbender und Scheller haben damals die Veröffentlichung dieser Versuche
unterlassen, einerseits in der Hoffnung, daſs die Methode durch einige
Verbesserungen brauchbarer werden würde, als es den Anschein hatte, und weil
kein Miſstrauen gegen die eben geschaffene Methode erregt werden sollte.andererseits, weil Herzfeld nach mündlicher
Verständigung auf die Hauptfehlerquellen später aufmerksam machte und
dieselben durch eingehendere Angaben zu beseitigen suchte. Im Uebrigen ist
Herzfeld selbt der Ansicht, daſs nach
seiner Methode sich höchstens ganze Zehntel,
als 0,1, 0,2, 0,3 u.s.w. Invertzucker im Rohzucker bestimmen lassen,
keineswegs Hundertstel und am allerwenigsten Hundertstel, welche unter 0,1
liegen.Heute, wo jene Hoffnungen nicht erfüllt scheinen, ebenso wie zahlreiche
Fachgenossen fortwährend erhebliche Abweichungen in den Untersuchungen
verschiedener Handelschemiker nach Herzfeld's
Methode nachwiesen, tragen die Verfasser um so weniger Bedenken, die
angestellten Versuche zum Theile anzuführen, als Herzfeld selbst schon früher die Veröffentlichung derselben
wünschte.
Bodenbender und Scheller prüften den Einfluſs, welchen verschiedene
Umstände auf das Ergebniſs der Invertzuckerbestimmung nach Herzfeld (mit Fehling'scher Lösung unter
genau vorgeschriebenen Verhältnissen) ausüben können; diese Umstände sind: die Art
der Erhitzung und der Abkühlung, die Gegenwart des Rohrzuckers und der sogen. Bodenbender'schen Substanz. Sie fanden dabei, daſs die
gründlichste Beseitigung aller dieser schädlich wirkenden Einflüsse sich wohl nur
durch eine doppelte Kupferbestimmung vor und nach der Zerstörung des Invertzuckers
erreichen lieſse. Diese Bestimmungsweise scheint der einzig richtige Weg, auf
welchem man, vorausgesetzt, daſs an der Anwendung der Fehling'schen Lösung festgehalten werden soll, über den wahren
Invertzuckergehalt in Zucker haltigen Producten auf gewichtsanalytischem Wege
Aufschluſs erzielen kann. Zweifelsohne hat diese Methode den ganz unschätzbaren
Vorzug, daſs alle Fehler, welche durch die Anwesenheit des Rohrzuckers entstehen,
auf das richtige Maſs zurückgeführt und daſs die durch verschiedene Arbeitsweise der
Chemiker verursachten vollständig beseitigt werden. Zweckmäſsig wird man hierbei das
Alkali, welches zur Zerstörung des Invertzuckers dient, bei der Bereitung der Fehling'schen Lösung weglassen.
Gegen diese Arbeitsweise ist freilich der Einwand berechtigt, daſs
sie sich für die Handelsuntersuchungen als zu umständlich erweisen dürfte.
Die doppelte Bestimmung, ohne die man beim Festhalten an der
Anwendung der Fehling'schen Lösung um so weniger
auskommen dürfte, als in den verschiedenen Laboratorien doch nicht gleichmäſsig nach
Herzfeld's Vorschrift gearbeitet wird, würde also
folgendermaſsen auszuführen sein:
Von dem zur Bereitung der Fehling'schen Lösung erforderlichen Aetzkali werden 40g mit 175g
Seignettesalz zu 400cc, 20g zu 100cc
gelöst.
A) 10g (50cc) des zu untersuchenden, mit Bleiessig geklärten
Zuckers werden im ersten Falle bis zum Kochen erhitzt, in die Lösung 50cc
Fehling'sche Lösung (zusammengesetzt aus 25cc Kupferlösung + 20cc der Alkali haltigen Seignettesalzlösung + 5cc der Kalilauge), welche gleichfalls zum Sieden erhitzt ist, eingetragen
und genau 2 Minuten gekocht.
B) 10g (50cc) des geklärten Zuckers werden im zweiten Falle
mit 5cc der obigen Kalilauge 10 Minuten gekocht
(wobei man das verdampfte Wasser möglichst ersetzt), dann 25cc Kupferlösung + 20cc der Alkali haltigen Seignettesalzlösung eingetragen und wieder 2
Minuten im Kochen erhalten.
Die bei (B) erhaltene Kupfermenge wird von der sich nach (A)
ergebenden abgezogen und der Unterschied auf Invertzucker berechnet.
Die Verfasser ziehen aus ihren Versuchen den allgemeinen Schluſs, daſs eine genaue Bestimmung kleiner Invertzuckermengen neben
Rohrzucker nicht ausgeführt werden kann und daſs besonders die qualitative
Bestimmung in der allgemein üblichen Form nicht möglich, ja sogar bei Anwendung der
Fehling sehen Lösung überhaupt undenkbar ist. Sie
schlagen hiernach, wie oben erwähnt, das von Degener
empfohlene Soldaini'sche Reagens als Ersatz für das
bisher angewendete vor; dasselbe ist bekanntlich eine Lösung von basisch
kohlensaurem Kupfer in einer solchen von doppelt kohlensaurem Kali.
Folgende Vorzüge dieses Reagens fanden die Verfasser bestätigt: 1) Soldaini's Reagens bleibt bei längerem Kochen für sich
unverändert, d.h. scheidet kein Kupferoxydul aus. 2) Die Empfindlichkeit des Reagens
gegen Invertzucker ist eine auſserordentlich groſse. 3) Chemisch reiner Zucker wirkt
erst nach 6 bis 7 Minuten langem Kochen auf freier Flamme bezieh. nach 12 Minuten
Erhitzung im Kochsalzbade reducirend auf Soldaini's
Reagens. 4) Das Reagens besitzt eine weit gröſsere Haltbarkeit als die Fehling'sche Lösung.
Zur Darstellung des Reagens löst man 40g Kupfervitriol, fällt das Kupfer als basisch
kohlensaure Verbindung [Cu(OH)2, CuCO3] mittels einer Lösung von 40g krystallisirten kohlensauren Natrons aus,
filtrirt den Niederschlag ab und wäscht aus, bis im Filtrate keine Schwefelsäure
mehr nachweisbar ist. Das basisch kohlensaure Kupfer wird dann in eine concentrirte
heiſse Lösung von 416g doppelt kohlensaurem Kali
in einzelnen Posten eingetragen, 10 Minuten auf dem Dampfbade behandelt, dann die
gesammte Flüssigkeit in einen 2l-Kolben gespült,
auf das Volumen von 1400cc gebracht (den Kolben
versieht man mit einer entsprechenden Marke) und 2 Stunden unter öfterem Umschwenken
auf dem Dampf bade am Rückfluſskühler erhitzt. Das vom ungelöst gebliebenen
kohlensauren Kupfer abfiltrirte Reagens besitzt beim Einhalten dieser Vorschriften
ungefähr 1,18 sp. G. Das Auswaschen des Niederschlages von basisch kohlensaurem
Kupfer und das Erhitzen am Rückfluſskühler wird ausgeführt, da sich nach einer Reihe
von Versuchen herausstellte, daſs das Unterlassen dieser Vorsicht (welche Degener nicht vorschreibt) zwar vollständig unbeschadet
der Sicherheit einer qualitativen Untersuchung geschehen kann, es bei quantitativen
Bestimmungen indessen erforderlich ist, daſs man stets ein Reagens von
gleichbleibender Zusammensetzung und Concentration bekommt.
Bodenbender und Scheller
theilen nun die Ergebnisse ihrer Versuche mit künstlichen Invertzuckerlösungen,
diejenigen über Erhitzung im Kochsalzbade und über freier Flamme sowie über die
Anwendbarkeit des Soldaini'schen Reagens mit und geben
dann die Vorschrift zur Ausführung der Invertzuckerbestimmung folgendermaſsen an:
100 bis 150cc
Soldaini's Reagens werden in einem Becherkolben zum
Sieden erhitzt und etwa 5 Minuten darin erhalten; dann läſst man vorsichtig, um das
Ueberkochen des Reagens zu vermeiden, aus einer Pipette die zu untersuchende Menge
Invertzucker haltiger Lösung zuflieſsen, wartet das erneute Eintreten des Siedens
ab, läſst noch 4 bis 5 Minuten kochen, kühlt schnell ab und filtrirt in bekannter
Weise über ein Soxhlet'sches Filter. Das Oxydul wird
unter genauer Behandlung nach Herzfeld's Vorschrift im
Wasserstoffstrome zu Kupfer reducirt und gewogen. Bei der Berechnung der Endzahlen
geht man davon aus, daſs 50mg Invertzucker eine
141mg metallischen Kupfers entsprechende Menge
Kupferoxydul aus der Soldaini'schen Lösung ausscheiden.
Die Verfasser wollen zwar vorläufig nicht behaupten, daſs sich der Anwendung des Soldaini'schen Reagens nicht noch diese oder jene
Schwierigkeit entgegenstellen könnte; doch steht zu hoffen, daſs dieselben nicht
unüberwindlich sein werden. Auch bei Anwendung dieses Reagens wird man indessen von
der Bestimmung von Hundertstel-Procent absehen müssen, da bei Anwesenheit solch
geringer Mengen die reducirten Kupfermengen sehr klein werden und also etwaige
Fehler sehr ins Gewicht fallen. Für qualitative
Untersuchungen
halten die Verfasser die
Soldaini'sche Lösung für ganz unentbehrlich.
II) Quantitative Bestimmung der Raffinose: Auf
Veranlassung von Prof. Tollem hat R. Creydt (daselbst * S. 153 bis 180) die Aufgabe der
quantitativen Bestimmung der Raffinose in ihren Gemengen mit Rohrzucker u.s.w. zu
lösen versucht. Als Grundlage für die quantitative Bestimmung wurde einerseits das
specifische Drehungsvermögen von Rohrzucker und Raffinose vor und nach der Inversion
bestimmt und die so erhaltenen Werthe zu praktisch brauchbaren Formeln vereinigt;
andererseits wurde die Eigenschaft der Raffinose, bei ihrer Oxydation mit
Salpetersäure Schleimsäure zu bilden, als Grundlage für die quantitative Bestimmung
der Raffinose angenommen. Die auf diese Weise gewonnenen MethodenEine kurze Beschreibung derselben veröffentlichte Creydt in der Deutschen
Zucker-Industrie, 1886 Bd. 19 S. 758. Vgl. auch Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1886 Bd. 20 S. 3115.sind praktisch sehr brauchbar.
1) Polarisations- und Inversions-Methode: Als Grundlage
für diese Methode stellte Creydt folgende
Polarisationszahlen fest:
Zucker
Raffinose
A = direkte Polarisation
= 100,0°
100,0°
B = Polarisation bei 20°
nach der Inversion
= – 32,0
+ 50,7
C =
Unterschied beider Bestimmungen
für je 100° ursprüng- licher Polarisation für je 1°
ursprüng- licher Polarisation
= 132°= 1,32°
49,3° 0,493°
Die direkte Polarisation (A) in
Gemischen von Rohrzucker (Z) und Raffinose (R), von welchen das Normalgewicht (26g,048) zu 100cc
gelöst wird, muſs nun nach obigen Zahlen der Gleichung entsprechen:
A = Z + 1,57 R.
Der Unterschied der Polarisationen vor und nach der
Inversion (C) muſs sein:
C = 1,32 Z + 1,57 R × 0,493.
Da nun A und C durch die Beobachtung bekannt, Z und R dagegen zu suchen
sind, so kann man diese beiden Gröſsen bestimmen:
Z= (C – 0,493 A)
: 0,827 = Proc. Zucker. R = (A – Z) : 1,57 = Proc. Raffinose.
Die quantitative Bestimmung von Rohrzucker und Raffinose neben
einander ist also in Zuckerproducten, welche nur diese beiden Kohlenhydrate
enthalten, oder auch mit nur ganz geringen Mengen anderer optisch activer Körper
versetzt sind, nach der Polarisations- und Inversionsmethode schnell und gut zu
bewerkstelligen. Man muſs indessen sich genau nach den vorgeschriebenen Bedingungen
richten; so muſs man vor allem Anderen auf 50cc
Lösung des Normalgewichtes Zucker 5cc Salzsäure
von 3 Proc. bei 65 bis höchstens 70° anwenden und die Inversionspolarisation bei
genau 20° vornehmen, da die aufgestellten Formeln nur für diese Verhältnisse richtig
sind.
2) Schleimsäure-Methode: Nach seinen eingehenden
Versuchen und unter Berücksichtigung oder Vermeidung der namentlich in den
Eigenschaften der Schleimsäure begründeten Fehlerquellen ist Creydt schlieſslich zu folgender Bestimmungsmethode gelangt.
Eine gewogene Menge der zu untersuchenden Substanz, in welcher
stets nahe an 5g Trockensubstanz vorhanden sein
müssen, wird in Bechergläschen von etwa 23cm
Bodendurchmesser mit 60cc Salpetersäure von 1,15
sp. G. bei 15° versetzt und im Wasserbade unter zeitweiligem Umrühren auf genau ⅓ Volumen eingedampft,
wobei man je nach der Gröſse des Wasserbades viele Bechergläser zugleich erhitzen
kann. Nachdem dies geschehen ist, fügt man zu der erkalteten Flüssigkeit 0g,5 reine trockene Schleimsäure, rührt dieselbe
möglichst gleichmäſsig ein und fügt noch 10cc
destillirtes Wasser zu. Man rührt nun die Lösung zu sechs verschiedenen, durch
möglichst gleiehmäſsige Zwischenräume von einander getrennten Zeiten tüchtig um und
filtrirt am 3. Tage den Schleimsäure-Niederschlag ab, indem man darauf achtet, daſs
möglichst genau 48 Stunden nach Beendigung der Oxydation verflossen sind. Den
Niederschlag bringt man ohne Verlust mittels des Filtrates auf das vorher im
Wasserbad-Trockenschranke sorgfältig getrocknete und danach im Filtertrockengläschen
gewogene Filter.
Hat man dann alle Schleimsäure auf dem Filter gesammelt, so wäscht
man zuerst mit 5cc destillirtem Wasser aus und,
nachdem diese vollkommen abgelaufen sind, mit noch 5cc destillirtem Wasser vorsichtig nach. Das Ausscheiden, Filtriren,
Auswaschen der Schleimsäure muſs bei Temperaturen von 17 bis 22° geschehen. Nach dem
nun folgenden Trocknen des Niederschlages im Wasserbad-Trockenschranke bringt man
denselben in ein gewogenes Filtertrockengläschen. Man wägt nach dem Erkalten wieder
und hat sodann nach Abzug des Filters und der zugesetzten Schleimsäure die neu
gebildete Schleimsäure gefunden. Diesen gefundenen Werth sucht man darauf auf einer
vom Verfasser mitgetheilten, von der geraden Linie fast nicht verschiedenen Curve
und hat nun noch auf der Abscissenachse die entsprechenden Gramm Raffinose
abzulesen. Diese berechnet man dann auf Procent der angewendeten Substanz, und hat
so deren wahren Raffinosegehalt gefunden.
Weitere Versuche zur Verbesserung dieser Methode führten vorläufig
nicht zum gewünschten Ziele.
Als Schluſsergebnisse seiner Arbeit bezeichnet Creydt:
1) Die quantitative Bestimmung von Rohrzucker und Raffinose in
Fabrikationsproducten, in welchen nur diese beiden Kohlenhydrate allein oder mit
ganz geringen Mengen anderer polarisirender Körper gemischt vorkommen, ist mit Hilfe
der oben beschriebenen Polarisations- und Inversionsmethode und unter Anwendung
obiger Formeln schnell und gut auszuführen. 2) Sind in den zu untersuchenden
Producten jedoch andere polarisirende Stoffe in gröſseren Mengen neben Rohrzucker
und Raffinose zugegen, so gibt die Schleimsäuremethode zuverlässigere Endzahlen.
St.