Titel: | Hochofenschlacke und Portlandcement; von Prof. Knapp in Braunschweig. |
Autor: | Knapp |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 184 |
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Hochofenschlacke und Portlandcement; von Prof.
Knapp in Braunschweig.
Knapp, Hochofenschlacke und Portlandcement.
Bei dem groſsen Interesse, welches man gegenwärtig der Frage vor der Verwendung der
Hochofenschlacke zu hydraulischem Mörtel zuwendet, ist die Kenntniſsnahme von
nachstehendem eigenthümlichen Verhalten derselben in einer vorläufigen Mittheilung
wohl nicht unwillkommen.
Zu den Versuchen diente eine Hochofenschlacke von Harzburg, in Wasser abgeschreckt, mit Kalk nicht erhärtend. Sehr verdünnte
Salzsäure (5 Th. Salzsäure, wie sie als Reagens dient, mit 1000 Th. Wasser) längere
Zeit in der Kälte mit dieser feingepulverten Schlacke unter Umschütteln stehen
gelassen, entzieht derselben namhafte Quantitäten Kalk aber keineswegs eine
entsprechende Menge Kieselerde. Die Lösung hinterläſst im Gegentheile nach dem
Eindampfen zur Trockne, Glühen des Rückstandes und Wiederaufnehmen mit Salzsäure
verhältniſsmäſsig sehr geringe Mengen davon. Die Digestion derselben Schlacke mit
einer Lösung von Chlorammonium, ebenso mit einer Lösung von Chlormagnesium, bei
gelinder Wärme, führt zu demselben Ergebniſs: eine ansehnliche Menge Kalk geht in
Lösung – mit Chlormagnesium z.B. über 14 Proc. – aber hier ohne alle gleichzeitige
Abscheidung von Kieselerde. Auch eine Lösung von Zucker mittlerer Stärke entzog der
Schlacke Kalk, jedoch beträchtlich weniger, nur etwa 3 Proc.
Ebenso wie die Hochofenschlacke verhält sich der PortlandcementVon Vorwohle ohne Zusatz von Schlackenmehl aus
bloſsem Thon und Kalk.
gegen obige Lösungen.
Chlormagnesium z.B. entzog ihm sehr reichliche Mengen von Kalk, bei 50° in einem
Falle nahezu 14, in einem anderen Falle über 18 Proc. ohne jede Aufnahme von
Kieselerde.
Bei dem Umstände, daſs in obigen Fällen mit den reichlichen Mengen von Kalk gar keine
Kieselerde aufgenommen wurde, kann man nicht wohl annehmen, daſs der ausgezogene
Kalk das Product der Aufschlieſsung eines Kalk haltigen Silicates sei.Darauf weist auch die Thatsache hin, daſs die Werthe für den z.B. mit
Chlormagnesium ausziehbaren Kalk ein und desselben Productes oft sehr
abweichend ausfallen. Sie steigen mit der zunehmenden Feinheit desselben
beim Pulvern und umgekehrt. Eine Probe Portlandcement z.B. gab durch
Schlemmen:57,2Proc.sandigen Bestand und42,7„feinschlammigen Bestand,––––99,9beide von sonst gleicher Beschaffenheit und gleich
aufschlieſslich in Säure Chlormagnesiumlösung entzog dem sandigen Theile
etwas über 8 Proc., dem schlammigen Theile über 33 Proc., also über das
Vierfache unter gleichen Umständen. Das Chlormagnesium nimmt nur den an der
Oberfläche der Partikeln des Pulvers bloſsliegenden Kalk auf; fände eine
Aufschlieſsung statt, so würde dem Lösungsmittel auch der im Inneren
eingeschlossene Kalk zugänglich.
Der schon durch Chlormagnesium und Chlorammonium ausziehbare Theil des Kalkes der
Hochofenschlacke bezieh. des Portlandcementes muſs in einem anderen Zustande als dem
der Verbindung mit Kieselerde vorhanden sein. Welches dieser Zustand auch sein mag,
so scheint, nach der Wirkung der genannten Lösungsmittel zu urtheilen, kein
Unterschied obzuwalten zwischen Schlacke und Portlandcement: beide geben leicht,
beide sehr reichlich jenen mit Chlorüren ausziehbaren Kalk ab. Allein der
Portlandcement erhärtet mit eben diesem Kalk rasch und sehr kräftig; die Schlacke
ganz und gar nicht. Der Zustand jenes Kalkes kann in beiden Materialien schlieſslich
doch nicht identisch sein. Er zeigt offenbar noch die Verschiedenheit der Herkunft
jener beiden Producte: der Portlandcement ist aus einem Hitzgrade hervorgegangen,
der mit prinzipieller Bestimmtheit auf den der bloſsen Sinterung beschränkt ist; die
Schlacke aus der um den Schmelzpunkt des Platins spielenden Hochofentemperatur. Dort
die Fähigkeit Hydrat zu bilden (zu erhärten) noch vorhanden, hier verschwunden.
Umgekehrt lassen sich im Portlandcement durch Schmelzen die hydraulischen
Eigenschaften vernichten, er erhärtet, einmal geschmolzen, nicht mehr. Dies sind die
Erscheinungen, welche den Zustand des leicht ausziehbaren Kalkes in dem einen oder
anderen Producte kennzeichnen. Welches ist nun schlieſslich jener Zustand, wie hat
man sich denselben vorzustellen?
Die Antwort lieſse sich wohl geben, wenn wir Kenntniſs hätten vom Kalk im feurigen
Fluſs, von geschmolzenem Kalk und dessen Eigenschaften; aller Wahrscheinlichkeit
nach dürfte bei diesem die Affinität zum Wasser, die Fähigkeit Hydrat zu bilden,
also auch mit Silicaten hydraulisch zu erhärten, bedeutend herabgestimmt, wo nicht ganz verschwunden sein.
Bei den in Rede stehenden Producten – so lieſse sich zunächst weiter folgern – wird
ursprünglich mehr Kalk vorhanden sein, als bei den betreffenden Temperaturen ihrer
Bildung in chemische Verbindung mit der Kieselerde in das Silicat einzutreten
vermag. Der Ueberschuſs verbliebe als chemisch nicht gebundener, als freier Kalk;
dieser würde aber von dem vorhandenen Silicat physikalisch zu einer gleichmäſsigen
Mischung aufgenommen: beim Portland auf dem Wege der Cementation (wie Kohle vom
Stabeisen beim Stahlmachen), als Sinterung; bei der Schlacke durch Lösung im
feurigen Fluſs.
Im ersteren Falle, dem des Portlandcementes, wäre der freie Kalk im Zustande der
Sinterung, einem Grade durch Feuer hervorgebrachter Verdichtung, welcher eben noch
die Bildung von Hydrat mit Wasser zuläſst; im zweiten Falle, dem der Schlacke, wäre
dieser Kalk in geschmolzenem, durch Feuer verflüssigtem Zustande, in welchem die
Möglichkeit der Hydratbildung erloschen ist.
Freilich ist Kalk für sich weder im Cement- noch im Hochofen schmelzbar; aber in
Berührung mit anderen Substanzen, z.B. in einem gewissen Verhältniſs mit
schwefelsaurem Kalk, schon in der ersten besten Tiegelesse. Hier nehmen aber auch
die Bestandtheile der Schmelze, entsprechend der niederen Temperatur ihrer
Entstehung, nachträglich reichlich Hydratwasser auf.
Weitere Forschungen werden erst die eigentliche Natur der Hochofenschlacke
aufzuklären und über den Werth solcher vorläufigen Anschauungen zu entscheiden
haben. Ganz sicher ist mit der trockenen Gegenüberstellung des Sauerstoffes der
Kieselerde und des der Basen nach der Analyse der Begriff von Schlacke keinenfalls
erschöpft, wie denn auch aufgeklärte Metallurgen bereits dieselbe als physikalisches
Gemenge auffassen. (Vgl. 1886 261 529.)