Titel: | Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und Sprengtechnik. |
Autor: | Oscar Guttmann |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 331 |
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Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
Sprengtechnik.
(Patentklasse 18. Schluſs des Berichtes S. 274 d.
Bd.)
Neuheiten in der Explosivstoff-Industrie und
Sprengtechnik.
Obgleich sonst im Allgemeinen militärische Fortschritte beim Gebrauche von
Explosivstoffen in dem Rahmen dieser Berichte nicht behandelt werden, so legt doch
die Wahrscheinlichkeit der künftigen allgemeinen Verwendung brisanter Sprengladungen
in Granaten uns die Pflicht auf, einzelne Abschnitte dieser Fortschritte kurz
festzustellen. In dieser Hinsicht bietet nun eine kleine Flugschrift viel Interesse,
welche Commandant Mougin, der Erfinder der sogen.
französischen Panzerthürme, soeben veröffentlicht.Les nouveaux explosifs et la fortification, par le
commandant Mougin. Paris 1887. G.
Masson. Bekanntlich machen jetzt fast alle Staaten
Versuche mit Granaten, welche mit brisanten Sprengstoffen, wie Schieſswolle,
Dynamit, Melinit u.s.w. geladen sind, und obwohl dieselben noch nirgends vollständig
abgeschlossen sind, so läſst sich doch schon als sicher annehmen, daſs die
Einführung von Geschossen mit brisanten Sprengladungen, ohne daſs dieselben vor dem
Verlassen des Geschützes oder vor dem Ziele explodiren, nur noch eine Frage der Zeit
ist.
Da nun die Wirkung solcher Geschosse eine weitaus gröſsere, unter Umständen sogar
verheerende ist, so folgert Mougin, daſs das ganze
gegenwärtige Festungssystem über kurz oder lang unbrauchbar sein wird. Keine
Bekleidungsmauer, keine Kasematte, kein Erdwall könnte mehr widerstehen – ohne
kostspielige Schutzconstructionen – ja letztere erhöhen sogar noch die Wirkung des
Geschosses, welches in die Erde eindringt, und dann einen natürlichen Besatz findet.
Nachdem durch die bisherigen Versuche festgestellt wurde, daſs nur der Cement-Beton
solchen Geschossen verhältniſsmäſsig gut widersteht, und nachdem Mougin als sicher annimmt, daſs auch die Panzerthürme
von denselben nicht mehr beschädigt werden, als von anderen bisher gegen sie
geworfenen Geschossen, so entwirft er folgendes anziehende Bild von einer künftigen,
dauernden Befestigung:
Eine Reihe von Forts ist um den zu befestigenden Platz angeordnet. Jedes derselben
bildet einen groſsen Block aus Cement-Beton, welcher 10m in die Erde gelegt ist, und dessen höchster Punkt nur 3 bis 4m aus der Erde ragt. In der Mitte dieses Blockes
befinden sich 3 Panzerthürme mit je 2 groſsen Geschützen, um sie herum 4
Verschwindungsthürme mit Mitrailleusen, welche gegen einen Ueberfall schützen;
gepanzerte Thürme für den Ausblick und elektrische Beleuchtung, Drahtnetze und
sonstige Hindernisse würden das äuſsere Bild vervollständigen. Die Vorrathsräume,
Maschinen u.s.w. befinden sich unter den Thürmen. In dem inneren Kreise dieser Linie
von Forts ist dann ein Erdwall gezogen, hinter welchem auf einer Eisenbahn 500
Geschütze sich bewegen, deren Rohre durch ein Parallelogramm auf die Höhe des
Erdwalles und wieder
zurück gehoben werden können. Statt ganzer Armeen würde eine solche Festung in jedem
Fort nur etwa 40 Maschinisten als Garnison haben – man sieht, daſs auch im Kriege
schon die Maschinenarbeit das Handwerk verdirbt.
Mougin entwirft ziemlich ausführlich, wie eine solche
Festung sich zu vertheidigen hätte, und wie der Angreifer vorgehen könnte. Aus dem
Wenigen, das wir in Kürze gegeben, ersieht man, welch groſse Veränderungen im
Festungswesen bevorstehen, und welche Arbeiten die Industrie erwarten, aber auch
welche Ausgaben den Staaten erwachsen werden, trotzdem Mougin die Kosten einer solchen Festung auf die Hälfte der gegenwärtigen –
immerhin 56 Millionen Mark berechnet.
In einer kurzen Erläuterung über den heutigen Stand der SchieſsbaumwolleModern gun cotton, its manufacture, properties and
analysis, by Lieut. John P. Wisser. New-York 1886. D. van
Nostrand. gibt Lieutenant John P.
Wisser von der Marine der Vereinigten Staaten auch die dort gebräuchliche
Methode der chemischen Untersuchung von Schieſswolle
an. Feuchtigkeit und kohlensaurer Kalk werden wie üblich bestimmt. Die Asche findet
man, nach Entfernung des kohlensauren Kalkes, durch Behandeln einer gewogenen Menge
im gewogenen Platintiegel mit concentrirter Salpetersäure, sorgfältiges Verdampfen
zur Trockne, und Verbrennen des Rückstandes; der Gewichtszuwachs gibt die Asche. Der
Stickstoff wird mit dem Lubarsch'schen
Reversions-Nitrometer (vgl. auch 1886 262 * 225)
bestimmt. Mono- und Dinitrocellulose werden gefunden, indem 5g Schieſswolle zuerst mit 200g Aetheralkohol im Verhältnisse von 3 : 1 12
Stunden lang, dann mit ebenso viel im Verhältnisse von 2 : 1 während 6 Stunden, dann
mit solchem im Verhältnisse von 1 : 1 behandelt werden, wobei man jedesmal absitzen
läſst und das Ueberstehende durch ein gewogenes Filter gieſst; hierauf wäscht man
zweimal mit reinem Alkohol, zweimal mit verdünntem Alkohol und endlich mehrere Male
mit Wasser. Der Rückstand wird auf das Filter gebracht, bei 60° getrocknet und
gewogen; der Gewichtsverlust ergibt die niedrigen Nitrokörper. Zur Bestimmung der
nicht nitrirten Cellulose wird eine gewogene Menge von Schieſswolle 15 Minuten lang
in einer concentrirten Lösung von zinnsaurem Natron gekocht, wobei die nitrirte
Cellulose in Lösung geht, dann filtrirt, der Rückstand gewaschen, bei 100°
getrocknet und gewogen. Das zinnsaure Natron wird jedesmal frisch bereitet, indem
man Aetznatron mit Zinn zusammenschmilzt und die Schmelze auslaugt.
Oscar Guttmann.