Titel: | Castner's Verfahren zur Gewinnung von Natrium. |
Fundstelle: | Band 265, Jahrgang 1887, S. 595 |
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Castner's Verfahren zur Gewinnung von
Natrium.
Castner's Verfahren zur Gewinnung von Natrium.
Nach dem bis jetzt zur Herstellung von Natrium benutzten Verehren kann nicht mehr als
40 Proc. des im verarbeiteten Natriumsalz enthaltenen Natriums metallisch
abgeschieden werden (vgl. 1886 262 486). Nach
Mittheilungen von J. Mactear im Journal of the Society of Chemical Industry 1887 Bd. 6 S. 174 betragen die
Herstellungskosten von 0k,45 Natrium nach dem
gegenwärtigen Verfahren ungefähr 4 M.
Verschleiſs an Oefen, Cylindern u. a
2,0
M.
Verlust
1,0
„
Arbeit
0,7
„
Brennmaterial
0,3
„
––––––––
4,0
M.
Das neue Castner'sche Verfahren zur Herstellung von
Natrium und Kalium beruht auf der Einwirkung von Eisencarbid FeC2 auf Natrium- oder Kaliumhydroxyd in der Wärme nach
den Gleichungen
6NaOH + FeC2 = 2Na2CO3 + 6H + Fe +
2Na
6KOH + FeC2 = 2K2CO3 + 6H + Fe +
2K.
Statt einer chemischen Verbindung von Eisen und Kohlenstoff benutzt man, wie a. a. O.
bereits mitgetheilt, Eisen haltige Koke. Dieselbe wird durch Zusammenschmelzen von
fein vertheiltem Eisen und Pech oder Theer und nachheriges Verkoken hergestellt. Das
Eisen wird am besten durch Reduction von Eisenoxyd mit Kohlenoxyd und Wasserstoff
oder mit Generatorgasen bei 500° in möglichst feinem Zustande erhalten.
Zur Herstellung von metallischem Natrium nach Castner's
Verfahren wird Aetznatron in bestimmtem Verhältnisse mit fein pulverisirtem Carbid
vermischt und in Stahltiegeln, welche je 6k,8
Aetznatron und die entsprechende Menge Koke enthalten, eingesetzt. Die Tiegel werden
in kleine Oefen gehoben und während 30 Minuten schwach erhitzt. Dabei schmilzt die
Mischung und geräth durch starke Wasserstoffentwickelung in heftiges Kochen. Nachdem
die Masse wieder ruhig schmilzt, wird der Tiegel mit einer Zange in den
Destillirofen gehoben. In diesen Ofen ist ein Deckel eingemauert, welcher mit einem
Kühler in Verbindung steht. Der Tiegel ist oben mit einer Rinne versehen, welche in
den unteren Rand des Deckels einpaſst. Durch Bestreichen der Rinne mit Kalk vor dem
Einsetzen des Tiegels ist leicht völlige Dichtung zu erzielen. Der mit dem Deckel in
Verbindung stehende Kühler läſst sich durch einen Stab selbst während der
Destillation leicht reinigen. Am unteren Ende ist der Kühler mit einer Oeffnung
versehen, durch welche der sich entwickelnde Wasserstoff abstreichen kann. Das
entweichende Gas wird an der Oeffnung entzündet und die Länge der Flamme ist ein
gutes Kennzeichen für das Fortschreiten der Reaction. Die Temperatur, bei welcher
das Natrium reducirt und destillirt wird, beträgt etwa 823°. Zuerst entweicht bei
der Destillation fast reiner Wasserstoff, zuletzt dagegen ein Gas, welches etwa 95
Proc. Wasserstoff und 5 Proc. Kohlenoxyd enthält. Die Erfahrung hat gezeigt, daſs
etwas mehr als die theoretische Menge Eisencarbid benutzt werden muſs. Bei der
Herstellung von Kalium dagegen muſs weniger als die theoretische Menge Carbid
genommen werden, damit kein Kohlenoxyd entweicht und auch die beim gewöhnlichen
Verfahren auftretende explosive schwarze Verbindung nicht entsteht.
Nach der Destillation wird der Inhalt ausgegossen und die Tiegel von Neuem benutzt.
Von 7k,5 Aetznatron und 2k,6 Eisencarbid erhält man durchschnittlich 8k Rückstand von der Zusamensetzung
Soda
77
Proc.
Natron
2
„
Kohle
2
„
Eisen
19
„
Aus 8k Rückstand lassen sich
6k,5 Soda oder 4k,7 Aetznatron wieder gewinnen.
Beim Arbeiten mit je 6k,8 Aetznatron und 2k,36 Eisencarbid wurden 1k,13 Natrium und 5k,89 Soda erzielt, während theoretisch 1k,27 Natrium und 5k,98 Soda hätten
erhalten werden sollen.
Die Destillationszeit beträgt durchschnittlich 1,5 Stunden. Da der Ofen für 3 Tiegel
eingerichtet ist, werden in je 90 Minuten 20k,4
Aetznatron verarbeitet und 3k,4 Natrium und 17k,6 Na2CO3 erzeugt. Im Tage werden in dem Ofen 326k Natron zu 54k,4 Natrium und 282k,8 Soda umgesetzt. Der
Ofen wird mit Gas aus einem Wilson-Generator geheizt
und braucht täglich 1t,2 Kohle. Der kleine Ofen,
in dem die Tiegel zuerst erwärmt werden, dagegen bedarf nur 0l,6 in 24 Stunden. Bei 24stündiger Arbeit wurden
folgende Ergebnisse erzielt:
326k Aetznatron
70,8
M.
68k Carbid
6,3
„
Arbeit
20,0
„
Kohlen
17,0
„
Umwandlung von 282k,8 Soda
in Aetznatron
20,0
„
––––––––
Gesammtkosten
134,1
M.
Abzug von 215k
wiedergewonnenem Aetz- natron
46,6
„
––––––––
Kosten von 54k,4
Natrium
87,5
M.
Kosten von 1k
„
1,6
„
Die Tiegel sind jetzt schon 50mal benutzt worden und werden wohl 150 bis 200mal
aushalten, so daſs die Kosten derselben für 1k
Natrium weniger als 0,2 M. ausmachen. Wenn die Abnutzung der Oefen ebenfalls etwa
0,2 M. für 1k beträgt, so sind die Kosten für
Abnutzung an den Apparaten nur etwa 1/12 von denen beim gewöhnlichen Verfahren. Castner behauptet daher, Natrium für weniger als 2 M.
für 1k herstellen zu können.
Groſse Vortheile von Castner's Verfahren sind die
niedere Temperatur und Schnelligkeit, mit welcher die Natriumbildung vor sich geht.
Dabei findet keine Verstopfung der Kühler statt und der Verlust ist gering. Das
Verfahren kann auch in sehr groſsem Maſsstabe ausgeführt werden und man hofft die
Tiegel bis für 22k,6 Aetznatron zu vergröſsern.
Guſseiserne Tiegel haben sich ebenso gut bewährt als die teuren Stahltiegel.
Auch die Herstellungskosten von Kalium sind nach diesem Verfahren nicht bedeutend
höher. Der Preis des Aluminiums war bis jetzt völlig vom Natrium abhängig und betrug
30 bis 40 M. für 0k,5. Wenn aber Natrium zu 2 M.
für 1k hergestellt werden kann, wird Aluminium
wohl für etwa 15 M. auf den Markt gebracht werden können. – Castner's Verfahren kann daher auch für die billige Herstellung von
Aluminium von gröſster Tragweite werden.