Titel: | Instrument zur Verzeichnung rechts- und linksläufiger Spiralen sowie der zugehörigen Spiegelbilder (Volutenzirkel). |
Autor: | Adolf Härtung |
Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 12 |
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Instrument zur Verzeichnung rechts- und
linksläufiger Spiralen sowie der zugehörigen Spiegelbilder (Volutenzirkel).Deutsches Reichs-Patent Nr. 40855.
Mit Abbildungen auf Tafel 3.
Instrument zur Verzeichnung rechts- und linksläufiger
Spiralen.
Nachstehend beschriebenes Instrument dient zur Aufzeichnung von Volutenformen jeder
Gröſse. Seine Anwendung ist eine bequeme und erscheint geeignet, das mühsame und
zeitraubende Entwerfen solcher Formen aus freier Hand vollkommen zu ersetzen. Das
Instrument genügt auch künstlerischen Anforderungen insofern, als der Entwerfende in
der Lage ist, durch geeigneten Gebrauch von zwei mit einander in Wechselwirkung
stehenden Einstellungsvorrichtungen den Verlauf der entstehenden Curven seinen
Absichten in jedem einzelnen Falle anzupassen.
Das Laufrad A (Fig. 5) rollt mit
schneidenförmigem Rand auf der Zeichenfläche und läſst sich durch die
Mikrometerschraube B innerhalb der als ausreichend
erkannten Grenzen unter beliebigem Winkel zur Führungsstange G, an welcher es mittels der Ansätze H seiner
Lagervorrichtung leicht entlang gleitet, einstellen. Der Radmittelpunkt bewahrt
dabei unverändert seine Entfernung von G. Die Achsen
von A und G befinden sich
in gleicher Höhenlage, parallel zur Zeichnung. Den für die Verwendbarkeit zu
künstlerischen Zwecken wesentlichsten Theil des Instrumentes bildet die an G rechtwinkelig angestellte Polführung V. In ihr läſst sich mittels Schraube die Polspitze O, welche in das Zeichenpapier hineingedrückt wird,
beliebig verschieben. Der Zeichenstift wird in einer Hülse vor der Radmitte gleitend
geführt und erhält genügende Belastung durch das Gewichtstück Q. Letzteres wird ganz entbehrlich bei Anwendung des
bei K im Durchschnitt dargestellten Tuschestiftes,
dessen Einrichtung auf der Capillarität enger Röhren beruht.
Stellt man bei Mittellage des Pols, d.h. jener Lage desselben, bei welcher er sich
auf der durch den Radfuſspunkt zur Führungsstange parallel gelegten Graden, der
Gleitlinie, befindet (vgl. a
Fig. 7 und
8), das
Rad unter beliebigem Winkel zu dieser Geraden ein und führt das freie Ende L von G im Kreise um den
Pol herum, so kann das Rad der Kreisbewegung nicht folgen, sondern gleitet in Folge
seiner Schrägstellung an G entlang. Es bewegt sich auf
den Pol zu, wenn die Drehung nach der Seite erfolgt, auf welcher Rad und Gleitlinie
einen spitzen Winkel einschlieſsen, es entfernt sich vom Pol bei entgegengesetzter
Drehung und durchläuft dabei zu Folge der Unveränderlichkeit seines Neigungswinkels
zum Radius vector eine logarithmische Spirale. Der Zeichenstift bewegt sich in
nahezu derselben Curve. Die Gangweite der einzelnen Windungen verengt sich nach dem
Pol zu und verschiedene Winkelstellungen des Rades ergeben verschiedene Curven.
Wenn schon die Zahl der so erzielbaren Spiralen unbegrenzt und die Krümmung der
Curven eine durchaus tadellose, weil stetige ist, so genügen letztere den
Anforderungen, welche der Techniker stellen darf, doch nicht in allen Fällen.
Beispielsweise stellt sich bei Nachbildung der meisten aus der Antike überlieferten,
oder bei der weiteren Durchbildung der aus freier Hand vorskizzirten Voluten häufig
schon nach dem ersten Umlauf die Notwendigkeit heraus, den weiteren Verlauf der
Curve nach anderem Gesetze erfolgen zu lassen, als dem für die logarithmische
Spirale geltenden, bei welcher die Aenderung des Radius proportional der
durchlaufenen Bogenstrecke vor sich geht. Um diese Aenderung des Radius ganz nach
Erfordern in gröſserem oder geringerem Maſse fortschreitend zu verstärken oder
abzuschwächen, bedient man sich der Polverlegung, d.h. der seitlichen Verschiebung
des Pols aus der Mittellage heraus. Hierbei wird der Winkel zwischen Rad und Radius
vector sich stetig um so schneller ändern, je mehr das Rad, sich auf der Gleitlinie
entlang rückend, dem Pole nähert, und zwar bewegt sich diese Aenderung in um so
weiteren Grenzen, je gröſser die Pol Verlegung gewählt wird. Um sich von vorn herein
über den Einfluſs der Verlegung des Pols Rechenschaft geben zu können, hat man zu
unterscheiden zwischen Innenlage, d.h. jener Stellung b, bei welcher der Pol sich innerhalb des durch Gleitlinie und Stirnseite des
Rades begrenzten spitzen Winkels a befindet und
Auſsenlage, bei welcher der Pol seine Stellung c
auſserhalb des bezeichneten Winkels auf der anderen Seite der Gleitlinie hat. Die
Innenlage bewirkt, je mehr sich das Rad dem Pole nähert, fortgesetztes Spitzerwerden
des Winkels zwischen Rad und Radius vector und damit eine nach innen hin zunehmende
Erweiterung der Windungsabstände im Vergleich mit den entsprechenden der
logarithmischen Spirale, eine Erweiterung, die schlieſslich so weit getrieben werden
kann, daſs sich die Abstände der äuſseren Umläufe absolut kleiner ergeben als die
der inneren, doch ist bereits mit jenen Formen, deren sämmtliche Windungsabstände
als unter sich gleich erscheinen, die äuſserste Grenze der für Architekturzwecke
verwendbaren Curven erreicht. Die Auſsenlage des Pols ermöglicht es, den Winkel
zwischen Rad und Radius vector durch die Zwischenlage des rechten Winkels hindurch,
vom spitzen zum stumpfen, oder umgekehrt, zu ändern. Die Folge hiervon ist, daſs
sich an der Stelle, wo das Laufrad rechtwinkelige Lage zum Radius vector einnimmt,
ein Kreis ergibt, dem sich von auſsen und innen je ein Curvenzweig in asymptotischen
Windungen anschlieſst. Während der innere Zweig der so erzielten Curven für
Architekturzwecke keinen Werth haben kann, läſst sich von dem: äuſseren häufig mit
Vortheil Gebrauch machen.
Die Herstellung des genauen Spiegelbildes einer mit dem Instrument gezeichneten
Volute, wichtig aus dem Grunde, weil in der Ausführung äuſserst selten eine Volute
ohne ihr Gegenbild auftritt, erreicht man sehr einfach ohne nochmaliges Einstellen durch Umlegen der
ganzen Einrichtung in der Weise, daſs man das Laufrad mit seiner Lagervorrichtung
über die Führungsstange nach der entgegengesetzten Seite hinüberschlägt und die
Polführung nach Lösen der Schraube U im Sinne einer
Horizontaldrehung von 180° umstellt.
Es ist leicht ersichtlich, daſs sich das Instrument auch zum Schlagen von Kreisen
verwenden läſst und damit einen besonderen Stangenzirkel entbehrlich macht, wenn man
das Laufrad rechtwinkelig zum Radius einstellt oder zweckmäſsiger dem Rade ein
geringes Bestreben nach auſsen zu rollen ertheilt, es gleichzeitig aber hieran durch
die vorgesetzte Fuſsscheibe L hindert.
Die Anfertigung der Instrumente hat Unterzeichneter der mechanischen Werkstatt des
Hrn. Th. Buddendorff in Berlin, Schützenstraſse 53,
übertragen. Der Preis stellt sich bei Ausführung in Neusilber und vernickeltem
Messing auf 40 M. für das Stück. (Centralblatt
der Bauverwaltung vom 3. September 1887.)
Adolf Härtung, Reg.-Baumeister.