Titel: | Die optisch-aräometrische Bieranalyse; von Prof. Dr. H. Schwarz in Graz. |
Autor: | H. Schwarz |
Fundstelle: | Band 266, Jahrgang 1887, S. 230 |
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Die optisch-aräometrische Bieranalyse; von Prof.
Dr. H. Schwarz in
Graz.
H. Schwarz, über die optisch-aräometrische Bieranalyse.
Die Erhebung von Verzehrungssteuern von den hauptsächlichsten Lebensmitteln ist alle
Zeit ein beliebtes fiscalisches Mittel gewesen, erhebliche Steuereingänge zu
erzielen, welches besonders dann gerechtfertigt erscheint, wenn die Steuer auf Luxusnahrungsmitteln lastet, bei denen der Consument,
wie bei Zucker, Spiritus, Tabak, Bier, in der Lage ist, durch Enthaltung von diesen
Genüssen sich der Steuerpflicht zu entziehen. Den Producenten, von denen die Steuer
erhoben wird, gelingt es im Inlande leicht, durch Erhöhung des Verkaufspreises die
Steuer auf die Consumenten abzuwälzen, indem durch Eingangszölle auswärtige
Concurrenz abgewiesen wird. Gröſsere Schwierigkeiten erwachsen beim Export, der nur
dann möglich wird, wenn der Betrag dieser Verzehrungssteuer bei der Ausfuhr über die
Landesgrenze restituirt wird, wodurch ein Ausgleich gegenüber dem fremden
Einfuhrzoll, den Transport- und sonstigen Spesen geboten wird. Dieser Ausgleich, die
gerechte Bemessung der Exportbonification, wird besonders dadurch erschwert, daſs es
aus Gründen der Praxis selten möglich ist, die Steuer von fertigem, zum Export
bereitem Product zu erheben, sondern daſs meistens die Erhebung in einer früheren
Periode der Fabrikation erfolgt. So wird in Oesterreich z.B. die Steuer von der
Würze auf der Kühle nach
Volumen und Gehalt derselben erhoben (per Hektoliter und Würzeprocent mit 16 kr.),
wobei also genau genommen das Kilogramm Malzextract besteuert wird. Beim fertigen
Bier versagt aber die den Zollbeamten geläufige Probe mit dem Aräometer, da bei
diesem Gemisch von specifisch leichtem Alkohol und specifisch schwerem rückständigem
Extract das specifische Gewicht die Resultate aus zwei entgegengesetzten Factoren
darstellt.
Schon seit Jahren beklagen sich die österreichischen Exportbrauereien über die
offenbare Ungerechtigkeit, die darin liegt, daſs sie bei Ausfuhr ihres Bieres, das
schon um der Haltbarkeit und Verkäuflichkeit willen aus hochgradiger, 15 bis 16
Proc. Extract haltender Würze dargestellt werden muſs, nur den Steuerbetrag
restituirt bekommen, der auf die schwächste, von ihnen zu billigem Schankbier
verwendete, etwa 10 bis 11procentige Würze entfällt. Drastisch ausgedrückt heiſst
dies, daſs sie entweder beim Export 80 kr. bis 1 fl. per Hektoliter Strafe zahlen
müssen, weil sie überhaupt zu exportiren wagen, oder daſs sie gezwungen sind auf die
Erzeugung eines leichten, billigen, dem Volksbedürfniſs im Inlande entsprechenden
Bieres zu verzichten, das ja doch in eminentem Sinne für die Volksernährung
unentbehrlich ist. Die Nichtentwickelung des Exportes, die fast erdrückende
Concurrenz der deutschen Biere ist vornehmlich hierauf zurückzuführen. Allen
Vorstellungen, auch den Angriffen im Parlament gegenüber schützte sich die Regierung
mit der Unmöglichkeit, dem Biere beim Export anzusehen aus wie starker Würze es
gebraut sei.
Um indessen ihren guten Willen zu zeigen, erlieſs sie vor einiger Zeit eine
Aufforderung an die Professoren der Chemie und chemischen Technologie an den
österreichischen Hochschulen, ihr etwaige Methoden zur Bieranalyse bekannt zu geben,
welche man mit Vertrauen in die Hände der Steuererhebungs-Beamten legen könne. Ich
selbst muſste damals erwidern, daſs ich die bekannte Methode der Destillation und
Bestimmung des specifischen Gewichtes im Destillat und Rückstand nur in einem
speciell eingerichteten Laboratorium für möglich halte, entnahm indessen aus dieser
Aufforderung doch die Veranlassung, nach einer analytischen Methode zu suchen, die
mit den einfachsten Mitteln, ohne Laboratoriumsoperationen, gewissermaſsen im
Versandtwaggon und in den Händen der niederen Steuerorgane das erwünschte Resultat
ergeben könnte. Dies scheint mir in der vorliegenden optisch-aräometrischen Methode
gelungen zu sein, was ich daraus schlieſse, daſs es den berufenen Finanzorganen
gelungen ist, schon bei einem ersten Versuche in meinem Laboratorium unter meiner
Anleitung in kürzester Zeit bei 4 von ihnen beigestellten Bierproben, deren
Ursprungswürzen sie kannten, vollkommen zutreffende Resultate zu erhalten.
Der berühmte Physiker Steinheil in München hatte schon
vor etwa 40 Jahren eine solche optisch-aräometrische Bieranalyse angegeben, die zwar in allen
Specialwerken angeführt, aber nirgends ausführlich beschrieben ist, so daſs ich
gezwungen war, auf die Originalabhandlungen im Bayerischen
Kunst- und Gewerbeblatt, 1844 S. 224 und die Broschüre: Gehaltsprobe für Biere von Steinheil, München 1844
zurückzugehen, die ich der Freundlichkeit des bayerischen Gewerbevereins verdanke.
Daſs diese an und für sich rationelle Methode so gänzlich vergessen, liegt
vielleicht in der zu streng mathematischen Entwicklung des Verfahrens, in der allzu
speciellen Anwendung desselben auf bayerische Bierbrauerei-Verhältnisse, endlich in
der schwierigen Anfertigung und Handhabung des nöthigen optischen Apparates.
Da das Prinzip indessen richtig ist, da sich seither die optischen Apparate
wesentlich verbessert und verwohlfeilt haben, da endlich die Methode alle
Laboratoriums-Hilfsmittel und Operationen entbehrlich macht, nehme ich dies
optisch-aräometrische Verfahren wieder auf und hoffe auf den Erfolg dieser
wesentlich vereinfachten Methode.
Ich erlaube mir zuerst das zu Grunde liegende Prinzip zu erörtern. Wenn in einer
Lösung neben Wasser nur ein Stoff zu bestimmen ist, so
genügt häufig eine einzige physikalische Beobachtung.
So bestimmt man durch die Ermittelung des specifischen Gewichtes den Alkoholgehalt
im Branntwein, den Extractgehalt in der Maische oder Bierwürze, die Trockensubstanz
in Rohrzuckerlösungen u.s.w.
Liegen dagegen in der Lösung zwei zu bestimmende
Substanzen vor, so muſs man entweder beide vorher trennen und dann die getrennten
Stoffe auf ihre physikalischen Eigenschaften prüfen, oder man muſs eine zweite
physikalische Eigenschaft in ihrer Wirkung bestimmen und zur Untersuchung
heranziehen, in Beziehung auf welche sich die beiden Stoffe verschieden
verhalten.
Beispiele des ersten Weges bietet die Untersuchung des Bieres, Weines, der Liqueure,
indem man Extract und Alkohol durch Destillation trennt, worauf Rückstand wie
Destillat aräometrisch geprüft werden. Fast zahlreicher noch sind die Beispiele des
zweiten Weges, wobei man die mit dem Totalmaterial erhaltenen aräometrischen
Ermittelungen mit den Bestimmungen des Siedepunktes (Ebullioskop), der Dampfspannung
(Vaporimeter), der Ausdehnung (Dilatometer), oder bei Rohrzuckerlösungen mit der
Circularpolarisation combinirt, welche nur von dem Zucker, nicht von den übrigen
Stoffen beeinfluſst wird.
Meine Bieranalyse verfolgt, wie die von Steinheil, den
zweiten Weg, indem neben dem specifischen Gewicht, die
Lichtbrechung, Refraction, bestimmt wird.
Sie erfordert als Grundlage die Bestimmung von 4 Constanten a, b, c, d. a gibt an, um wie viel das specifische Gewicht des Wassers
durch 1 Proc. Extract erhöht, b um wie viel es durch 1
Proc. Alkohol erniedrigt wird, c ist die Erhöhung der
Refraction gegen die des Wassers durch 1 Proc. Extract, d die Refractionserhöhung durch 1 Proc. Alkohol. Bestimmt wird das specifische
Gewicht des Bieres = B und die Refraction desselben =
R.
Zu ermitteln sind die Procente an Extract (x) und die
Procente an Alkohol (y).
Es ergeben sich dann 2 Gleichungen:
\mbox{I})\ x\,a-x\,y=B\ \ \ \ \ \mbox{und}\ \ \ \ \
\mbox{II})\x\,c+y\,d=R.
Indem man die Gleichung II) mit \frac{b}{d} multiplicirt, wird sie
zu
\frac{x\,c\,b}{d}+\frac{y\,d\,b}{d}=\frac{R\,b}{d}\ \mbox{oder}\
\frac{x\,c\,b}{d}+y\,b=\frac{R\,b}{d}
Addirt man dazu Gleichung I), so erhält man
x\,a+\frac{x\,c\,b}{d}=\frac{R\,b}{d}+B.
Da a, c, b und d constante
Gröſsen sind, so ist x\,a+\frac{x\,c\,b}{d} auch constant und
hat man demnach das gefundene R nur mit dem constanten
Factor \frac{b}{d} zu multipliciren und zu B zu addiren. Hat man einmal x gefunden, so läſst sich y aus beiden
Gleichungen auf das Einfachste ermitteln.
Ist Extract- und Alkoholgehalt des Bieres gefunden, so berechnet man den Gehalt der
ursprünglichen Würze nach der bekannten Formel E + 2A, indem man die gefundenen Alkoholprocente verdoppelt
und den Extractprocenten zuzählt oder nach der verbesserten Schwackhöfer'schen Formel
\frac{2,0776\,A+E}{1+0,0017\,A}. Die Differenz wird nach Schwackhöfer selbst nur höchstens 0,2 bis 0,3 Proc.
betragen, es kann also die erstere einfachere Formel ohne Anstand angewendet
werden.
Vor Allem handelt es sich um die Feststellung jener Constanten a bis d.
a die specifische Gewichtsänderung durch 1 Proc.
Extract.
Obwohl der Ausdruck Extract nur ein Sammelbegriff ist, unter dem man Glykose,
Dextringummi, Glycerin, Proteinstoffe und Salze subsummirt, hindert dies
wenig die Bestimmung der Constanten a und c, indem die Stoffe wohl meist in annähernd
denselben Verhältnissen sich vorfinden und in ihrer Wirkung auf specifisches
Gewicht und Refraction einander nahe stehen.
Die hierzu nöthigen Daten brauchten nicht von mir ermittelt zu werden, da sich
vorzüglich ausgearbeitete Extracttabellen in verschiedenen Lehrbüchern finden. Ich
bediente mich der sehr ausführlichen Extracttabelle von W.
Schultze, welche ich aus Post's chemisch
technischer Analyse 1. Auflage S. 851 entnahm. Da, auf dem Continente
wenigstens, nur bis zu 16procentige Würze verarbeitet wird, führe ich nur bis zu
dieser Grenze die ganzen Procentzahlen an.
Gehalt
Spec. Gew.
a für 1 Proc. Extract
0
1,00000
Differenz
1
1,00380
0,00380
2
1,00770
0,00390
3
1,01163
0,00393
4
1,01550
0,00383
5
1,01927
0,00377
6
1,02323
0,00396
7
1,02705
0,00382
8
1,03130
0,00425
9
1,03523
0,00393
10
1,03933
0,00410
11
1,04340
0,00407
12
1,04745
0,00405
13
1,05157
0,00412
14
1,05553
0,00396
15
1,05943
0,00390
16
1,06387
0,00444.
Wie man sieht, findet keine regelmäſsige Zunahme des specifischen Gewichtes statt.
Die Differenzen machen die Feststellung eines Durchschnittes nöthig.
Ziehe ich denselben von 0 bis 16 Proc., so wird die Constante a = 0,00399. Da aber in den meisten Bieren nach zahlreichen Analysen der
Extractrückstand kaum jemals unter 3 Proc. sinken und ebenso selten über 8 Proc.
steigen wird, so wählte ich das Mittel zwischen 3 bis 8 Proc. welches 0,00393
ergibt.
b die specifische Gewichtsänderung durch 1 Gew.-Proc.
Alkohol.
Da die Biere höchstens im Alkoholgehalte bis zu 7 Proc. gehen dürften, kann man die
Tabelle wesentlich kürzen. Ich benutzte die in Stammer's Taschenbuch für Zuckerfabrikation und
Spiritusbrennerei S. 181 angeführte Tabelle von Drickwater, welche Gewichtsprocente angibt, bei der Normaltemperatur
15,5°.
Gehalt
Spec. Gew.
Differenz für 1 Gew.-Proc. Alkohol
0
1,00000
0,00187
1
0,99813
0,00185
2
0,99626
0,00174
4
0,99283
0,00171
5
0,99121
0,00162
6
0,98963
0,00158
7
0,98813
0,00150
Wenn wir das Mittel aus allen Differenzen von 0 bis 7 Proc. nehmen, stellt sich die
Constante auf 0,00169; wenn wir dagegen die niedrigsten Procentgehalte ausschlieſsen
und nur die Differenzen von 2 bis 7 Proc. zur Bestimmung des Mittels anwenden, so
wird die Constante b = 0,00163. Diese wurde später zur
Berechnung benutzt.Man kann diese Constantenberechnung etwas ungenau finden und meinen, daſs man
durch Tabellen, bei welchen die wirklichen specifischen Gewichtszahlen
angewendet werden, ebenso zum Ziele käme.Beispielsweise würde ein Bier, das 8 Proc. Extract und 4 Proc. Alkohol
enthielte, nach der Tabelle ein specifisches Gewicht = 1,0313 + 0,99283 – 1
= 1,02413, nach den Constanten (8.393) – (4.163) das specifische Gewicht
1,02492zeigen. Wählen wir zum Vergleich ein sehr schwaches Bier mit 4 Proc.
Extract und 2 Proc. Alkohol, so gibt dies nach der Tabelle 1,01550 + 0,99628
– 1 = 1,01178, während die Constantenrechnung (4.393) – (2.163) = 1,01246
ergibt. Dies liegt einfach daran, daſs gerade hier die Tabellenzahlen von
den berechneten Constanten wesentlich abweichen.Man vergesse indessen nicht, daſs die Abweichungen erst in die vierte
Decimale fallen. Wer bürgt uns übrigens für die vollständige Richtigkeit der
Tabellen, die ja vielfältig durch Interpolation festgestellt wurden.Natürlich stünde nichts im Wege nach vorläufiger Feststellung des ungefähren
Extractgehaltes nach der angeführten Formel, die entsprechenden Constanten
nach der Tabelle einzusetzen und so das genaue Resultat zu erhalten.
Zahlreiche Versuche haben mir indessen gezeigt, daſs dies unnöthig ist und
das Resultat nur unerheblich ändert. Ich werde dies nach Feststellung der
anderen Constanten an einigen Beispielen, die von durchgeführten
Bieranalysen stammen, nachweisen.
Die Feststellung der Constanten c und d muſste durch eingehende Versuche erfolgen. Man findet
Angaben von F. Strohmer, daſs 1 Proc. Rohrzucker die
Refraction um 0,00113 ändert und Steinheil nimmt an,
daſs 1 Proc. Extract und 2,25 Proc. Alkohol gleich stark die Refraction
beeinflussen.
Durch zahlreiche Versuche mit normaler, gehopfter und gekühlter Bierwürze und reinem
Alkohol stellte ich selbst diese Constanten fest.
Hierzu benutzte ich das vortreffliche Refractometer von Abbe in Jena, das aus dem berühmten optischen Institute von Zeiss ebendaselbst bezogen wurde. Die Bestimmung beruht
bekanntlich auf der totalen Reflexion.
Der Apparat ist in D. p. J. 1874 213 * 481 ff. ganz ausführlich und leicht verständlich von Prof. v. Waltenhofen beschrieben worden, und kann ich darauf und
auf die beigefügten Holzschnitte hinweisen. Die zu untersuchende Flüssigkeit wird
als kräftiger Tropfen auf der Hypothenusenfläche des Doppelkeilprismas blasenfrei
ausgebreitet. Die Beobachtung darf nicht bei zu ungünstiger Beleuchtung stattfinden,
und man muſs die Dispersion durch die richtige Einstellung der Amici'schen Prismen beseitigen. Die Farbe der dunklen
Hälfte erscheint dann grünbräunlich. Man muſs ferner dafür sorgen, daſs das
Doppelfadenkreuz auf beiden Seiten gleich hoch, d.h. die Diagonale im Mittelquadrat
horizontal steht. Auch ermüde man das Auge nicht zu sehr, schlieſse es vielmehr, wie
beim Polarisiren, nach der groben Einstellung einen Augenblick und nehme dann erst
die definitive Einstellung vor.
Das Ablesen der Drehung der Alhidade erfolgt zweckmäſsig mittels einer Lupe, die
meiner Ansicht nach gleich mit dem Zeiger verbunden sein sollte, vielleicht in
analoger Art wie beim Halbschatten-Polarisationsapparate, so daſs die Lupe in
derselben Ebene, wie das Beobachtungs-Ocular läge, während man jetzt den ganzen
Apparat um 90° wenden muſs, um die Ablesung ausführen zu können.
(Schluſs folgt.)