| Titel: | Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie. | 
| Autor: | W. Leybold | 
| Fundstelle: | Band 267, Jahrgang 1888, S. 31 | 
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                        Neuerungen und Fortschritte in der
                           								Gasindustrie.
                        (Fortsetzung des Berichtes Bd. 266 S.
                           								327.)
                        Neuerungen und Fortschritte in der Gasindustrie.
                        
                     
                        
                           Ueber Theervergasung. W. Bäcker in Budweis (Journal für Gasbeleuchtung, 1887 Bd. 30 S. 910) macht
                              									Angaben über Versuche betreffs Vergasung von Theer. 100k Theer mit 100k Koksmehl gemischt
                              									sollen 50 bis 60cbm Gas von etwa 30 Kerzen
                              									Lichtstärke gegeben haben und auſserdem 120 bis 125k Koks bester Qualität. Beim Mischen von 100k Theer mit 100k Kalkhydrat erhielt Bäcker angeblich 100cbm Gas von 30 Kerzen Lichtstärke, als Rückstand kohlensauren Kalk mit
                              									Koks. Dieser Rückstand soll auch verwerthet werden können durch Ausbrennen und
                              									Regeneration mit Wasserdampf. Es läſst sich also annehmen, daſs aus 100k Theer 50cbm
                              									Gas und 20 bis 25k Koks entstehen; in Folge des
                              									Kokszusatzes vermehrt sich der Koksgewinn auf 120k. Der Kalkzusatz soll den Gasgewinn von 50cbm auf 100 vermehren. Nach Bäcker verbindet
                              									sich bei Kokszusatz der Kohlenstoff des Koks mit dem Wasserstoff des Theeres, bei
                              									Kalkzusatz umgekehrt der Kohlenstoff des Theeres mit dem Wasserstoff des Kalkes
                              									(eine bedenkliche chemische Spekulation. D. Ref.). Nach Angabe des Verfassers ist es
                              									nicht mehr zeitgemäſs, die Retortenöfen mit Theer zu heizen, weil ein Gas von
                              									minderer Leuchtkraft aus der Kohle producirt wird, und das Material, welches ein
                              									intensiv leuchtendes Gas geben soll, zur Feuerung verwendet wird; eher wäre es zu
                              									erwarten, daſs die Oefen mit Kohlengas geheizt und Theergas damit erzeugt würde. Bäcker bezeichnet das bisher aus der Kohle gewonnene
                              									Gas nur als Abfall, während der eigentliche Leuchtstoff noch im Theer und dem Koks
                              									stecken soll. Die früheren Versuche, Theer zu vergasen, sollen aus dem Grunde nicht
                              									gelungen sein, weil nicht anzunehmen, daſs sich die Theerdämpfe mit den Stücken von
                              									glühendem Koks, über welche sie geleitet werden, verbinden. Diese Verbindung könne
                              									nur stattfinden, wenn die Zusatzmaterialien fein gemahlen und mit dem Theer innig
                              									gemischt sind.
                           Wir haben schon früher darauf hingewiesen (vgl. Krämer
                              									1887 266 328), daſs ein normal gewonnener Theer kein
                              									gutes Gas mehr geben könne, weil die brauchbaren, lichtgebenden Bestandtheile eben
                              									schon im Gas geblieben sind. In Budweis mag es aber wohl der Fall sein, daſs der
                              									Theer noch leuchtkräftiges Gas gibt; das producirte Gas wird dafür um so schlechter
                              									sein.
                           A. Grebel in Guise (Journal des
                                 										usines à Gaz, 1887 Bd. 11 S. 343) stellte genaue Versuche an über
                              									Theervergasung in verschiedenen Mischungen des Theeres mit Koks und Sägespänen. Die
                              									Mischungen waren:
                           
                              
                                 1)
                                 Theer
                                 100k
                                 
                              
                                 
                                 4hl,74
                                    											Sägespäne
                                 100k
                                 
                              
                                 
                                 Kalk
                                 20k
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 
                                 Gesammt
                                 220k
                                 
                              
                           Diese 220k wurden in 13
                              									Retorten vergast, auf die Retorte etwa 17k.
                           
                              
                                 2)
                                 Theer
                                 100k
                                 
                              
                                 
                                 5hl Koksstaub
                                 250k
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 
                                 
                                  35k.
                                 
                              
                           Davon trafen auf die Retorte etwa 27k.
                           Die Destillation ging, wie später gezeigt wird, genügend rasch vor sich. Die
                              									Steigrohre wurden bei beiden Destillationsversuchen nicht verstopft, die Absätze von
                              									Theerpech und Naphtalin waren bedeutend geringer als bei der Vergasung von 120k Kohlen. Die erhaltene Gasmenge wurde
                              									viertelstündlich notirt, ebenso viertelstündlich die Leuchtkraft gemessen; die
                              									Leitung hierzu ging vom Ausgang der Reiniger aus. Folgende Tabelle enthält die
                              									viertelstündliche Production, sowie die Mengen Gas, welche nothwendig sind, um im
                              									französischen (Bengel) Normal-Argandbrenner 1 Kerze
                              									Leuchtkraft zu erzeugen.
                           
                              
                                 Zeit nach Beginn derVergasung
                                 
                                    Production
                                    
                                 
                                    Leuchtkraft
                                    
                                 
                                 
                              
                                 Mischung I
                                 Mischung II
                                 Mischung I
                                 Mischung II
                                 
                              
                                   ¼ Stunde  ½     „  ¾    
                                    											„1        „1¼     „1½     „1¾     „
                                 19211611  6  2  1
                                   310  5  2  1  1  1
                                 30474949424243
                                 33332927313131
                                 
                                 
                              
                                 Gesammt-ProductionLeuchtkraft im Mittel
                                     76cbm–
                                     21cbm–
                                 –   42,9
                                 –   31,4
                                 Liter Gas proStundenkerze
                                 
                              
                           
                           Daraus ergibt sich, daſs die 100k Theer 21cbm Gas geliefert hatten, während die 100k Sägespäne von den 76cbm der ersten Mischung 55cbm
                              									producirten. Die zur Herstellung von 1 Kerze Leuchtkraft in der Stunde nothwendige
                              									Gasmenge beträgt bei Kohlengas 10l,4; hier dagegen
                              										42l,9 bei Mischung I und 31l,4 bei Mischung II. Demnach ist die Leuchtkraft
                              									kaum 25 Proc. bezieh. 33 Proc. des Kohlengases.
                           Weitere Versuche über die Theervergasung wurden nach dem
                              										Journal des usines à gaz, 1887 Bd. 11 S. 318 in
                              									einem Gaswerk in der Nähe von Paris ausgeführt.
                           1. Versuch. Zum Versuch dienten 5 runde Retorten in gutem Zustand.
                              									Die Ladung betrug 400k, pro Retorte 80k. und war zusammengesetzt aus
                           
                              
                                 Kohle aus Maries von guter
                                    											Beschaffenheit
                                 375k
                                 
                              
                                 Gemisch aus
                                 13k,36
                                    												Theer  9k,0 Sägespäne  2k,64 Kalk
                                   25k
                                 
                              
                                 
                                 
                                 –––
                                 
                              
                                 
                                 
                                 400k
                                 
                              
                           Das Laden geschah mittels der Lademulde. Die Dauer der
                              									Destillation war 5 Stunden 10 Minuten. Die Gasausbeute betrug 128cbm. Die Leuchtkraft, am Jouanne'schen Apparat gemessen, wurde 45 Minuten nach Beginn des Versuches
                              									zu 130mm Flammenhöhe = 1,23 Carcel gemessen, 3
                              									Stunden 5 Minuten nach Beginn zu 100mm = 0,95
                              									Carcel.
                           Die mittlere Gasausbeute aus der Kohle von Maries wurde in diesem
                              									Gaswerk zu 31cbm pro 100k gefunden, für die Sägespäne 23cbm,1. Demnach berechnet sich:
                           
                              
                                 Für
                                 375k
                                    											Kohle
                                 116cbm,250
                                 Gas
                                 
                              
                                 „
                                     9k
                                    											Sägespäne
                                     2cbm,079
                                 „
                                 
                              
                                 Der
                                 Rest für 13k,36 Theer
                                     9cbm,671
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 128cbm Gas
                                 
                                 
                              
                           und die Gasausbeute aus dem Theer zu 72cbm,38 pro 100k.
                           2. Versuch. Wie vorher wurde geladen eine Mischung von
                           
                              
                                 Kohle aus Maries
                                 
                                 125k
                                 
                              
                                 Kohle aus Ferfay
                                 
                                 250k
                                 
                              
                                 Gemisch aus
                                 13k,36
                                    												Theer  9k,6 Sägespäne  2k,64 Kalk
                                   25k
                                 
                              
                                 
                                 
                                 ––––
                                 
                              
                                 
                                 
                                  400k.
                                 
                              
                           Die nachstehende Gasausbeute für Sägespäne ist zweifellos zu gering; denn dieselben
                              									enthalten, abgesehen von der Feuchtigkeit, nach der chemischen Formel der Cellulose
                              									72 G.-Th. Kohlenstoff auf 80 Sauerstoff und 10 Wasserstoff. 100k enthalten demnach 44k,44 Kohlenstoff, 6k,17 Wasserstoff und
                              										49k,38 Sauerstoff. Das Gewicht des Cubikmeters
                              									Wasserstoff zu 90g angenommen, würden 100k Sägespäne von diesem Gas allein 68cbm Gas liefern. Es ist diese Rechnung zwar nur
                              									eine theoretische, doch sticht die Zahl 68cbm gar
                              									zu sehr von der angegebenen 23cbm,1 ab: auſserdem
                              									ist bei ersterer das entstehende Volumen Kohlensäure noch gar nicht berücksichtigt.
                              									Die Gasausbeute aus dem Theer wird hierdurch sehr in die Höhe getrieben.
                           Der zur Vergasung beigemischte Theer wird sicherlich nicht ganz zerlegt, sondern
                              									findet wich etwa zur Hälfte wieder in den Kühlapparaten. Derselbe ist seiner
                              									leichter flüchtigen Bestandtheile beraubt und ohne jeden Werth.
                           
                           Die Destillationsdauer war diesmal 4¾ Stunden. Viertelstündlich
                              									wurde die Gasproduction und die Leuchtkraft, letztere mittels des Jouanne'schen Apparates in Millimeter Flammenhöhe,
                              									abgelesen und folgende Zahlen erhalten:
                           
                              
                                 Viertelstundennach Beginn
                                    											desVersuches
                                 Gasproductioncbm
                                 Leuchtkraftmm
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   1
                                 11
                                 –
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   2
                                   8
                                 –
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   3
                                   8
                                 135
                                 = 1,28
                                 Carcel
                                 = 12,5
                                 Vereinskerzen
                                 
                              
                                   4
                                   7
                                 130
                                 = 1,23
                                 „
                                 = 12,1
                                 „
                                 
                              
                                   5
                                   8
                                 120
                                 = 1,14
                                 „
                                 = 11,2
                                 „
                                 
                              
                                   6
                                   6
                                 117
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   7
                                   7
                                 115
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                   8
                                   7
                                 113
                                 = 1,07
                                 „
                                 = 10,5
                                 „
                                 
                              
                                   9
                                   7
                                 110
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 10
                                   6
                                 110
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 11
                                   6
                                    105,5
                                 = 1,00
                                 „
                                 =   9,8
                                 „
                                 
                              
                                 12
                                   7
                                    105,5
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 13
                                   6
                                    105,5
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 14
                                   6
                                 100
                                 = 0,95
                                 „
                                 =   9,3
                                 „
                                 
                              
                                 15
                                   5
                                   95
                                 = 0,90
                                 „
                                 =   8,8
                                 „
                                 
                              
                                 16
                                   5
                                   95
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 17
                                   4
                                   95
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 18
                                   4
                                   95
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 19
                                   4
                                   95
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                 –––––––––
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 
                                  122cbm
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                           Die Kohle von Maries gibt 30cbm,
                              									von Ferfay 29cbm Gas pro 100k. Danach berechnet sich
                           
                              
                                 für
                                 125k
                                 Marles-Kohle
                                 38cbm,750
                                 Gas
                                 
                              
                                 „
                                 250k
                                 Ferfay-Kohle
                                 72cbm,500
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                     9k
                                 Sägespäne
                                   2cbm,079
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                   13k,36
                                 Theer, der Rest
                                   8cbm,671
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 –––––––––––––
                                 
                                 
                              
                                 
                                 
                                 
                                 123cbm Gas
                                 
                                 
                              
                           und eine Gasausbeute von 64cbm,90 pro 100k Theer.
                           Bei diesen Versuchen wurden etwa 3,5 Proc. an Theer zur Kohle beigemischt und diese
                              									Zahl für praktisch befunden; nachdem die verwendeten Kohlen aber 4 bis 5 Proc. Theer
                              									liefern, wird das producirte Theerquantum gar nicht voll verbraucht.
                           Es wäre von Interesse zu wissen, ob bei der Theervergasung nicht unangenehme
                              									Störungen, wie z.B. Naphtalinverstopfungen, vermehrter Ruſsabsatz in den Steigrohren
                              									u. dgl., beobachtet werden.
                           Das Journal of the Franklin Institute bringt einige
                              									Versuche mit der Albo-Carbonlampe von Kitson und Co., sowie mit dem Siemens-Lungren-Regenerativbrenner, welche wir kurz wiedergeben:
                           1) Albo-Carbonlampe von Kitson und
                                 										Co.
                           
                              
                                 
                                 Gasverbrauch pro Stunde
                                 135,5
                                 139,8l
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Leuchtkraft in Kerzen (9 Kerzen = 1
                                    											Carcel)
                                   29,7
                                   41,10
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubikmeter
                                    											carburirtes    Gas
                                 219
                                 294
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Naphtalinverbrauch pro 100cbm Gas
                                     4,61k
                                 
                                 
                              
                                 
                                 Leuchtkraft des angewendeten
                                    											Gases im 140l (5 Cubik-    fuſs)
                                    											Brenner
                                   17,25
                                 Kerzen
                                 
                              
                                 
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubikmeter
                                    											des angewendeten Gases
                                 123
                                 „
                                 
                              
                           Die Carburation des Gases mittels Naphtalin vergröſserte hier die Leuchtkraft
                              									desselben auf das Doppelte bis 2½ fache.
                           
                           2) Siemens-Lungren-Regenerativbrenner.
                           Die angewendeten Modelle waren a) ein aufrecht stehender Brenner,
                              									dem Siemens-Brenner ähnlich, ferner b) ein Brenner mit
                              									nach abwärts gerichteter Flamme.
                           a) Siemens-Brenner mit aufrechter
                              									Flamme, in horizontaler Richtung gemessen.
                           
                              
                                 Leuchtkraft des angewendeten Gases
                                   17,71
                                 Kerzen
                                 bei
                                 140l
                                 
                              
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubikmeter
                                    											Gas
                                 125
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                              
                           Drei Versuche ergaben:
                           
                              
                                 Gasverbrauch pro Stunde
                                 1445
                                 1445
                                 1355l
                                 
                              
                                 Leuchtkraft in Kerzen
                                   364,65
                                   463,11
                                   396,52
                                 
                              
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubikmeter
                                    											Gas
                                   252
                                   320
                                   292
                                 
                              
                                 b) Brenner mit umgekehrter
                                    											Flamme.
                                 
                              
                                 α) In horizontaler Richtung:
                                 
                              
                                 Gasverbrauch pro Stunde
                                   464
                                   504
                                   487l
                                 
                              
                                 Leuchtkraft in Kerzen
                                   124,71
                                   155,84
                                   157,62
                                 
                              
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubik-    meter
                                    											Gas
                                   269
                                   309
                                   323
                                 
                              
                                   Unter 45°:
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 Gasverbrauch pro Stunde
                                   457
                                   471
                                   486l
                                 
                              
                                 Leuchtkraft in Kerzen
                                   197,16
                                   231,78
                                   230,64
                                 
                              
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubik-    meter
                                    											Gas
                                   431
                                   492
                                   474
                                 
                              
                                 β) Senkrecht abwärts:
                                 
                              
                                 Gasverbrauch pro Stunde
                                 
                                 
                                   452l
                                 
                              
                                 Leuchtkraft in Kerzen
                                 
                                 
                                   223,86
                                 
                              
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubikmeter
                                    											Gas
                                   495
                                 
                              
                           Das zu den Lichtmessungen am umgekehrten Brenner verwendete
                              									Stadtgas hatte eine
                           
                              
                                 Leuchtkraft bei 140l Consum von
                                   18,60
                                 Kerzen
                                 
                              
                                 Kerzenleuchtkraft pro Cubikmeter
                                    											Gas
                                 133
                                 „
                                 
                              
                           Ueber den Gebrauch des Kalkes bei der Vergasung von
                                 										Kohle. Ueber die Wirksamkeit des Cooper-Prozesses, des Zusatzes von Kalk zur Kohle bei der Gasfabrikation
                              									behufs Bindung des Schwefels und vermehrter Entwickelung von Ammoniak sind die
                              									Meinungen sehr getheilt. SpiceMr. Spice, A treatise on the purification of coal
                                       												gas, London 1884. stellte eine groſse Reihe von
                              									amerikanischen und englischen Versuchen zusammen und es ist überraschend, neben Zunehmen des Ammoniaks um 100 Proc. auch Abnehmen bis zu 7 Proc. durch das Kalken angegeben zu
                              									finden. Schon von Schilling sind Versuche über den
                              									Einfluſs des Kalkens auf die bei uns üblichen Kohlensorten angestellt; er fand für
                              									die verschiedenen Kohlen sehr verschiedene Resultate, nämlich bei der untersuchten
                              									schlesischen und böhmischen Kohle, sowie bei der böhmischen Plattelkohle und
                              									Falkenauer Braunkohle fast keine Zunahme an Ammoniak, dagegen ergab die westfälische
                              									und Saarkohle etwa 11 Proc. mehr Ammoniak, die englische Kohle 31 Proc., die
                              									sächsische 84 Proc.
                           Walton Clark versuchte (nach einem im Amerikanischen Gasfachmänner-Verein gehaltenen Vortrag)
                              									das Kalken der Kohle im Groſsen; die Proben wurden in der Gasanstalt zu Jefferson
                              									City mit englischer Kohle angestellt. Das Gas ging durch die in einer kleineren
                              									Fabrik üblichen Apparate,
                              									nämlich von der Vorlage durch einen 19m,5 langen
                              									Kühler, aus U-förmigen Rohren zusammengesetzt, letztere von 200mm Weite, gelangt zum Exhaustor: dann folgt ein
                              										Pelouze-Audouin-Apparat, ein vertikaler Luftkühler
                              									und ein 6m hoher Koksscrubber. Eine Gruppe von 4
                              									Reinigern zu 3qm,25 dient, mit Laming'scher Masse gefüllt, zur Entfernung des
                              									Schwefelwasserstoffes aus dem Gase. Der Theer und das Gaswasser liefen zusammen in
                              									die Theergrube und wurden dann getrennt: der angewandte Kalk wurde mit dem gleichen
                              									Gewicht Wasser gelöscht und nach dem Erkalten auf die Kohlen geschüttet: beim
                              									Mischen wurde noch dasselbe Volumen Wasser wie zuerst zugegeben. Auf diese Art trat
                              									keinerlei Verlust an Kalk ein; durch das Lagern vor den Oefen kamen die gekalkten
                              									Kohlen oft schon ganz getrocknet zum Laden. Der Versuch dauerte 25 Tage; in den
                              									ersten 12 Tagen wurde die Kohle kleiner als sonst üblich geschlagen, dann wurde die
                              									frühere Gröſse der Stücke wieder eingeführt. In Betreff der Ammoniakausbeute wurden
                              									die besten Resultate bei stark zerkleinerten Kohlen erhalten. Das angewandte
                              									Kalkquantum betrug anfangs 3 Proc. der angewandten Kohle, bald aber wurde 2,7 Proc.
                              									als genügend befunden. Diese Menge Calciumoxydhydrat reicht hin, um die 1,13 Proc.
                              									Schwefel in der Kohle in Sulfid umzuwandeln.
                           Die erhaltenen Resultate sind folgende:
                           Aus 1000k Kohle ohne Kalkzusatz
                              									wurden 2k,36 Ammoniak erhalten, entsprechend 9k,13 reinem schwefelsaurem Ammoniak oder 9k,75 der gewöhnlichen Handelswaare.
                           1000k gekalkte Kohle ergaben
                              										3k,30 Ammoniak, entsprechend 12k,79 schwefelsaurem Ammoniak; somit eine Zunahme
                              									von 3k,66 schwefelsaurem Ammoniak. Die
                              									Ammoniakausbeute wurde um 39,8 Proc. vermehrt.
                           100cbm Gas enthielten am Eingang
                              									der Koksscrubber:
                           
                              
                                 bei ungekalkter Kohle
                                 887g
                                 Schwefelwasserstoff
                                 
                              
                                 bei gekalkter Kohle
                                 567
                                 „
                                 
                              
                           am Ausgang der Koksscrubber:
                           
                              
                                 bei ungekalkter Kohle
                                 656g
                                 Schwefelwasserstoff
                                 
                              
                                 bei gekalkter Kohle
                                 377
                                 „
                                 
                              
                           somit an letzterer Stelle eine Abnahme des
                              									Schwefelgehaltes um 309g SH2 d. i. 47 Proc. Es ist dies eine wesentliche
                              									Erleichterung für die Reinigungsmasse, welche ungefähr im selben Verhältniſs länger
                              									ausdauert.
                           Der Kohlensäuregehalt ergab sich in 100cbm Gas am Ausgang der Koksscrubber:
                           
                              
                                 bei ungekalkter Kohle
                                 2943g
                                 Kohlensäure
                                 
                              
                                 bei gekalkter Kohle
                                 2340
                                 „
                                 
                              
                                 somit eine Abnahme um
                                   603g
                                 = 20 Proc.
                                 
                              
                           Die Gesammtmenge Schwefel im Stadtgas war bei ungekalkter Kohle 35g in 100cbm, bei
                              									Kalkzusatz dagegen 15g, hatte also um 57 Proc.
                              									abgenommen, der Gehalt an Kohlensäure um 22 Proc.
                           Zwei Proben Theerpech aus den Kühlern enthielten keinen Kalk. Der von der gekalkten
                              									Kohle stammende Koks enthielt zahlreiche kleine weiſse Punkte von 0,5 bis 6mm Durchmesser, wechselnd, mit einem weiſslichen
                              									Ring von 25mm und mehr Durchmesser.
                           Ein Reinigerkasten reinigte während der Probezeit um etwa 50 Proc. mehr Gas als sonst. Aber drei
                              									Tage nach dem Beginn des Versuches beklagten sich die Ofenheizer über eine
                              									Vermehrung der angeschmolzenen Schlacken am Host der Oefen. Sie brechen zwar
                              									leichter ab als sonst beim Abstoſsen, die Arbeit ihrer Entfernung war weniger
                              									mühsam, aber die Ansätze waren viel zahlreicher als früher. Der Rost muſste vor
                              									jedem Aufschütten von Heizmaterial gereinigt werden.
                           Auſser den genannten Beobachtungen, Vermehrung des Ammoniaks,
                                 										Verringerung den Schwefels und der Kohlensäure im Gas, stellt Walton Clark fest, daſs weder
                                 										die Leuchtkraft noch die Gasausbeute sich irgendwie verändert halte. Auch
                              									in der Heizkraft des Koks war irgend eine Veränderung nicht zu bemerken. (Nach Journal des usines à gaz, 1887 Bd. 11 S. 101.)
                           W.
                                 										Leybold.