Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 126 |
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Ueber Fortschritte in der
Spiritusfabrikation.
(Patentklasse 6. Fortsetzung des Berichtes S. 91
d. Bd.)
Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
Ueber die Bestimmung der Fuselöle im Trinkbranntwein
referirte Mayrhofer in Erlangen auf der sechsten
Versammlung der bayerischen Vertreter der angewandten Chemie zu München. Er
bezeichnet von den vielen in Vorschlag gebrachten Methoden zur Bestimmung des
Fuselöles diejenigen von Röse und Traube (vgl. 1887 265 285)
als die einzigen, welche geeignet erscheinen, die Lösung der Fuselfrage ihrem Ziele
näher zu führen, gibt aber dem Verfahren von Röse
entschieden den Vorzug vor demjenigen von Traube. Der
Verfasser hat den Einfluſs, welchen ätherische Oele, die durch Destillation mit
Kalilauge nicht völlig von dem Alkohol getrennt werden können, ausüben, näher
studirt und gefunden, daſs bei der Methode von Röse
dieser Einfluſs bei Anwendung von Nitrobenzol, Pfeffermünzöl, Fenchelöl,
Essigsäureamyläther, Orangenöl und Kümmelöl nicht nennenswerth war, indem entweder
gar keine oder doch nur eine sehr geringe Vermehrung oder Verminderung des Volumens
des Chloroforms eintrat (so z.B. bei Fenchelöl von 0,03, bei Nitrobenzol um 0cc,15).
Dagegen zeigten sich die ätherischen Oele bei der Traube'schen Methode von groſsem Einfluſs. Bei Zusatz von Pfeffermünzöl
wurden z.B. 0,225 Proc., bei Essigsäureamyläther 0,15 Proc. Fuselöl gefunden, bei
Fenchelöl fand bei der Verdünnung auf 20 Vol.-Proc. eine Ausscheidung des Oeles
statt, so daſs der capillarimetrische Versuch gar nicht angestellt werden konnte.
Das Verfahren von Traube hat nach dem Verfasser auch
noch andere Nachtheile; so können z.B. Zufälligkeiten, wie geringe Trübung der
Flüssigkeit, spurenhafte Feuchtigkeit der Röhren u.s.w., zu auſserordentlichen
capillaren Depressionen Veranlassung geben.
R. Fresenius in Wiesbaden räth bei Anwendung beider
Methoden auf feinere Spirituosen, wie Cognak, Rum, Arak u.s.w., zu groſser Vorsicht,
Die Methoden geben bei notorisch reinem Cognak sehr hohe Werthe, woraus geschlossen
werden muſs, daſs Bestandtheile des Cognaks sowohl auf die Volumenzunahme des
Chloroforms, als auch auf die Capillarität in gleichem Sinne wirken wie das Fuselöl.
Eine von Mayrhofer vorgeschlagene Resolution, daſs die
Bestimmung des Fuselöles in Liqueuren und Trinkbranntweinen nach der von Stutzer und Reitmair
modificirten Röse'schen Methode auszuführen ist, wird
bei der Abstimmung angenommen; die Traube'sche Methode zur Bestimmung
des Fuselöles wurde verworfen.
Untersuchungsmethoden für die Denaturirungsmittel. Die
Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 10 S. 344,
veröffentlicht folgende Vorschriften., welche die amtlichen Chemiker für die Prüfung
des Holzgeistes und der Pyridinbasen erhalten haben.
A. Holzgeist.
1) Farbe. Die Farbe des Holzgeistes soll nicht dunkler
sein als die heller Rheinweine. 2) Specifisches
Gewicht. Die Ermittelung des specifischen Gewichtes hat mit einem amtlich
beglaubigten Thermoaräometer zu geschehen. 3) Siedepunkt. 100cc Holzgeist werden in
einen Metallkolben gebracht; auf dem Kolben ist ein mit Kugel versehenes Siederohr
aufgesetzt, welches durch einen seitlichen Stutzen mit einem Liebig'schen Kühler verbunden ist. Durch die obere Oeffnung des
Siederohres wird ein amtlich beglaubigtes Thermometer mit 100-theiliger Skala
eingeführt, dessen Quecksilbergefäſs bis unterhalb des Stutzens hinabreicht. Der
Kolben wird so mäſsig erhitzt, daſs das übergehende Destillat aus dem Kühler
tropfenweise abläuft. Das Destillat wird in einem graduirten Glascylinder
aufgefangen und soll, wenn das Thermometer 75° zeigt, mindestens 90cc betragen. 4) Mischbarkeit mit Wasser. Beim Vermischen von 20cc Holzgeist mit 40cc Wasser dürfen nach längerem Stehen keine Oeltropfen ausgeschieden
werden. 5) Gehalt an Aceton. Beim Durchschütteln von
20cc Holzgeist mit 40cc Natronlauge von 1,3 spec. Gew. sollen nach
einigem Stehen noch mindestens 4cc des Holzgeistes
abgeschieden werden. 6) Aufnahmefähigkeit für Brom.
100cc einer Lösung von Kaliumbromat und
Kaliumbromid, welche nach der unten folgenden Anweisung hergestellt ist, werden mit
20cc einer in der gleichfalls unten
angegebenen Weise verdünnten Schwefelsäure versetzt. Zu diesem Gemisch, das eine
Bromlösung von 0g,703 Brom darstellt, wird aus
einer in 0cc,1 getheilten Bürette tropfenweise
unter fortwährendem Umrühren so lange Holzgeist zugesetzt, bis Entfärbung eintritt.
Zur Entfärbung sollen nicht mehr als 10cc und
nicht weniger als 7cc,5 genügen. Sodann wird eine
Flasche mit Glasstöpsel von hinreichendem Raumgehalt mit frisch ausgeglühten
erbsengroſsen Kohlestücken angefüllt und auf die Kohle eine Mischung von gleichen
Mengen Holzgeist und Wasser aufgegossen. Nach 12stündigem Stehen sollen von dem
Filtrat noch mindestens 30cc zur Entfärbung obiger
Bromlosung genügen. Die Prüfungen der Aufnahmefähigkeit für Brom sind stets bei
vollem Tageslicht auszuführen.
Anweisungen zur Herstellung der Bestandtheile der
Bromlösung. a) Bromsalze. Nach 2stündigem
Trocknen bei 100° und Abkühlenlassen im Exsiccator werden 2g,447 Kaliumbromat und 8g,719 Kaliumbromid, welche vorher auf ihre
Reinheit geprüft sind, abgewogen und in Wasser gelöst. Die Lösung wird zu 1l aufgefüllt, b) Verdünnte
Schwefelsäure. 1 Vol. concentrirter Schwefelsäure wird mit 3 Vol. Wasser
vermischt., das Gemisch läſst man erkalten.
B. Pyridinbasen.
1) Farbe. Die Farbe der Pyridinbasen ist die des
Holzgeistes; doch soll in Rücksicht auf das leichte Nachdunklen des
Pyridinbasengemisches bei längerem Stehen noch eine Färbung bis zu der des
Madeiraweines zulässig sein. 2) Verhalten gegen
Cadmiumchlorid. 20cc einer Lösung von
1cc der Pyridinbasen in 250cc Wasser werden mit einer 5procentigen wässerigen
Lösung von Cadmiumchlorid versetzt; es soll nach wenigen Augenblicken eine deutliche
Trübung eintreten. 3) Siedepunkt. Man verfährt wie beim
Holzgeist, doch soll das Destillat erst wenn das Thermometer auf 140° gestiegen ist,
mindestens 90cc betragen. 4) Mischbarkeit mit Wasser-, wie beim Holzgeist, 5) Wassergehalt. Beim Durchschütteln von 20cc Basen und 20cc Natronlauge von 1,4 spec. Gew. sollen nach einigem Stehenlassen
mindestens 18cc der Basen abgeschieden werden. 6)
Flüchtigkeit. 4 Tropfen des Basengemisches auf
einem Platinblech in die Flamme eines Bunsenbrenners
gehalten, sollen mit ruſsender Flamme verbrennen und keinen Rückstand
hinterlassen.
Untersuchung und Denaturirung ausländischer Alkohole in
Spanien. Die Gazeta veröffentlicht eine
Verfügung darüber, wie die Untersuchung und Denaturirung der im Auslande fabricirten
Alkohole, welche in den spanischen Douanen präsentirt werden, stattfinden soll.
Danach soll die Untersuchung allein in der Prüfung mit Schwefelsäure und Kalilauge
bestehen. Die Denaturirung soll mit Erdöl und zwar 1l zu 1hl geschehen. In Betreff der
Untersuchungsmethoden bemerkt die Redaction der Zeitschrift
für Spiritusindustrie, Bd. 10 S. 36, daſs die deutschen Prima- und wohl
auch Secundamarken beiden Reactionen jedenfalls Stand halten werden, doch ist
bezüglich der Prüfung mit Schwefelsäure darauf zu achten, daſs der Spiritus nicht
durch organische Stoffe verunreinigt wird, welche dann leicht eine Gelbfärbung mit
Schwefelsäure veranlassen. Man wird darauf zu achten haben, daſs der Spiritus stets
in gut gelatinirte Fässer kommt, so daſs er vor Aufnahme von Extractivstoffen aus
dem Holz geschützt wird, ebenso daſs derselbe nicht zu lange mit dem Spund oder Kork
in Berührung bleibt.
Ueber eine Verbesserung an dem Apparat zur Prüfung der Hefe
auf Gährkraft, wie derselbe in der Zeitschrift für
Spiritusindustrie, Bd. 5 S. 226 beschrieben ist, berichtet Hayduck in derselben Zeitschrift, Bd. 10 S. 368.
Eine neue Methode zur quantitativen Bestimmung des
Glycerins veröffentlicht H. Diez in der Zeitschrift für physiologische Chemie, Bd. 11 S. 472.
Dieselbe beruht darauf, daſs das Glycerin als dreiwerthiger Alkohol durch Behandeln
mit Benzoylchlorid und Natronlauge drei verschiedene Benzoesäureester bildet, von
welchen bei Anwendung überschüssigen Benzoylchlorides das Tribenzoat fast rein
entsteht. Allerdings werden Spuren von Glycerin der Flüssigkeit nicht entzogen, die
Ausbeute an Glycerinester ist jedoch so constant, daſs darauf eine Methode der
Glycerinbestimmung gegründet werden kann. Verfasser erhielt im Durchschnitt von 10
Analysen aus 0g,1 Glycerin 0,385 Estergemenge.
Doch dürfen die Lösungen nicht wesentlich mehr als 2 Proc. Glycerin enthalten. Um
das Glycerin in Getränken nach diesen Methoden zu bestimmen, ist es nothwendig,
dasselbe zunächst nach einem der üblichen Verfahren zu isoliren. Alsdann sind die
passenden Verhältnisse des Gehaltes (nicht mehr als 0g,2 Glycerin zur Bestimmung) und der Concentration (1 bis 2procentige
Lösung) herzustellen. Darauf wird die Glycerinlösung mit 5cc Benzoylchlorid und 35cc Natronlauge von 10 Proc. geschüttelt, und die
gewogene Estermenge auf Glycerin umgerechnet (0g,385 Ester = 0g,1 Glycerin). Die Vortheile
seines Verfahrens faſst Diez in folgenden Sätzen
zusammen. 1) Die Ausführung ist rascher und leichter als bei den anderen Methoden;
die Gefahr von Verlusten ist geringer, da man mit kleineren Flüssigkeitsmengen
operirt und eine nicht flüchtige Substanz wägt. 2) Die zu wägenden Körper sind
chemische Verbindungen, nicht hygroskopisch und fest. 3) Die Beimengung von Salzen,
Stickstoff haltigen Stoffen und anderen Verunreinigungen sind durch den Gang der
Methode ausgeschlossen.
Zur Bestimmung des Traubenzuckers empfiehlt Will im Archiv für
Pharmacie, S. 812, die Abscheidung desselben mit Baryt und Ausscheidung des
gebildeten Bariumsaccharates durch Alkohol. Der Referent über diese Arbeit in der
Zeitschrift für. Spiritusindustrie, Bd. 10 S. 326,
bemerkt, daſs die Methode für quantitative Bestimmungen mit Vorsicht aufzunehmen
ist.
VII. Allgemeines und
Theoretisches.
Ueber die blaue Jodstärke veröffentlicht F. Mylius in der Zeitschrift
für physiologische Chemie, 1887 Bd. 11 S. 306 (vgl. auch Zeitschrift für Spiritusindustrie, 1887 Bd. 10 S. 135),
sehr interessante Untersuchungen, welche auch Aufschluſs über die Gröſse des
Moleküles der Stärke geben. Der Verfasser suchte zunächst die Frage zu entscheiden,
ob die Jodstärke eine chemische Verbindung oder, wie noch vielfach angenommen wird,
nur ein mechanisches Gemenge ist. Zur Darstellung der Jodstärke fand Verfasser nach
verschiedenen Versuchen das folgende Verfahren als das geeignetste. Durch Kochen von
Stärke mit Wasser bereitet man sich eine wässerige Stärkelösung, welche durch
Absetzen und Filtration in der Kälte geklärt wird. Fügt man zu dieser Lösung eine
Jodkaliumlösung, so erhält man eine blaue Flüssigkeit, welche klar filtrirt, also
die Jodstärke in gelöstem Zustand enthält. Durch Zusatz von verdünnter Schwefelsäure
kann die Jodstärke daraus abgeschieden werden und bildet dann einen dickflockigen Niederschlag,
der sich leicht zu Boden senkt und leicht abfiltrirt werden kann. Ist das Filtrat
gelb, ein Zeichen, daſs Jod im Ueberschuſs vorhanden war, so muſs die Jodstärke mit
Säure haltigem Wasser ausgewaschen werden. Im Vacuum getrocknet, verliert die
Jodstärke ihre blaue Farbe und wird rothbraun, durch Zusatz von Wasser tritt wieder
die blaue Färbung ein. Die feuchte Jodstärke löst sich leicht in Natronlauge ohne
Färbung und wird aus dieser Lösung durch Säuren mit allen Eigenschaften wieder
niedergeschlagen. Uebergieſst man sie mit wässeriger schwefliger Säure, so erhält
man anfangs eine klare farblose Lösung, welche aber bald dichte Flocken abscheidet,
so daſs nach 1 Stunde die Mischung breiig erscheint. Der Niederschlag besteht aus
Stärke und kann durch Alkohol von Jodwasserstoffsäure, Schwefelsäure und schwefliger
Säure getrennt werden. Man erhält auf diese Weise sehr reine Stärke, da auch die
ursprünglichen, in der Stärke vorhandenen Verunreinigungen bei der Darstellung der
Jodstärke entfernt werden. Die so gereinigte Stärke gibt mit Wasser eine klare
Lösung, welche mit Jodlösung wiederum Jodstärke liefert. Weitere Versuche mit der
aus Jodstärke wieder gewonnenen gereinigten Stärke ergaben das interessante
Resultat, daſs sich Stärke nicht unter allen Umständen mit Jod blau färbt, sondern
daſs dazu die Gegenwart von Jodwasserstoff erforderlich ist. Bereitet man sich
nämlich eine wässerige, von Jodwasserstoff freie Jodlösung, so vermag man mit dieser
Stärkelösung nicht blau zu färben; die Blaufärbung tritt aber sofort ein, wenn man
der Flüssigkeit auch nur eine Spur Jodkalium hinzufügt. Hiernach lag die Vermuthung
nahe, daſs zur Erzeugung der Jodstärke Jodwasserstoff nothwendig ist. Durch den
Umstand, daſs stickstofffreie organische Verbindungen mit Jod entweder farblose oder
gelb gefärbte Additionsproducte liefern, daſs jedoch eine derartige Verbindung,
nämlich die Jodcholsäure, blau gefärbt ist, ferner durch die oben mitgetheilte
Beobachtung, daſs Jodwasserstoff zur Erzeugung der Jodstärke nothwendig ist, wurde
Verfasser dahin geführt, daſs die Jodstärke vielleicht eine ähnliche Zusammensetzung
besitzt wie die Jodcholsäure [(C24H40O5J)4HJ]. Für die Aehnlichkeit beider Verbindungen
führt der Verfasser folgende Thatsachen an: 1) Beide Substanzen sind durch Addition
von Jod entstanden 2) Beide Substanzen sind blau gefärbt; die Blaufärbung ist durch
die Gegenwart von Wasser bedingt. 3) Beide Substanzen werden durch Reductionsmittel
unter Bildung von Jodwasserstoffsäure entfärbt. 4) Beide Substanzen werden von
Alkalien entfärbt und gelöst. 5) Beide Substanzen erleiden mit Wasser Dissociationen
unter dem Einfluſs a) der Wärme, b) der Verdünnung, c) der Zeit. Die Aehnlichkeit
der Jodstärke mit der Jodcholsäure, welch letztere erwiesenermaſsen eine chemische
Verbindung ist, berechtigt zu dem Schluſs, daſs auch die Jodstärke eine chemische
Verbindung ist. Daſs die Bildung der Jodstärke nur unter Mitwirkung von Jodwasserstoffsäure erfolgt, geht
aus folgenden Thatsachen hervor: 1) Jodlösungen, welche Stärke blau färben,
enthalten Jodwasserstoffsäure oder eines ihrer Salze. 2) Durch Anwesenheit von
Stoffen, welche die Jodwasserstoffsäure zerstören (z.B. Chlor oder gröſsere Mengen
Jod säure in saurer Lösung), wird die Bildung der Jodstärke verhindert. 3)
Silberlösung entfärbt eine Lösung von Jodstärke. Ein Zusatz von Jod bewirkt eine
Gelbfärbung der Mischung, auf Zusatz von Jodkalium oder Jodwasserstoff färbt sich
die Flüssigkeit wieder blau. 4) Eine wässerige Lösung von Jod ist nicht im Stande,
Stärkelösung blau zu färben, dies geschieht aber sofort, wenn der Mischung eine Spur
Jodwasserstoffsäure oder Jodkalium hinzugefügt wird.
Die Jodstärke ist also nicht ein einfaches Additionsproduct von Stärke und Jod,
sondern enthält in ihrem Molekül als unentbehrlichen Bestandtheil auch
Jodwasserstoffsäure. Verflüchtigt man aus Jodstärkelösung durch Kochen das Jod, so
bleibt ungebundener Jodwasserstoff zurück, denn die Flüssigkeit röthet Lakmus und
gibt mit Silbernitrat eine Fällung von Jodsilber.
Weitere Versuche des Verfassers ergaben nun, daſs in der Jodstärke auf 4 Jodatome 1
Molekül Jodwasserstoff kommt. Die Analogien zwischen der Jodstärke und Jodcholsäure
lassen auch auf eine analoge Zusammensetzung beider schlieſsen, woraus für die
Jodstärke, wenn man das Stärkemolekül durch die Formel (C6H10O5)n ausdrückt, die folgende Formel sich ergeben
würde: [(C6H10O5)n J]4JH. Die Analyse der im Vacuum getrockneten
Jodstärke ergab folgende Zusammensetzung: C = 36,14 Proc., H = 5,66 Proc., Jod =
18,47 Proc. Allerdings stimmte der Jodgehalt nicht in allen Fällen genau überein,
doch kann Verfasser nach seinen Ermittelungen mit Bestimmtheit behaupten, daſs die
Jodstärke mehr als 17 Proc. Jod enthält. Wenn also die Annahme richtig ist, daſs in
der Jodstärke auf 4 Moleküle Stärke 5 Atome Jod kommen, so muſs das Stärkemolekül
weniger als 36 Kohlenstoffatome enthalten. Die hypothetischen Formeln für die Stärke
ergeben nun folgenden Jodgehalt für die Jodstärke:
(C36H62O31J)4JH
würde
enthalten
13,81
Proc.
Jod
(C30H50O23J)4JH
„
„
16,38
„
„
(C24H40O20J)4JH
„
„
19,67
„
„
Mit dem vom Verfasser ermittelten Jodgehalt würde also die
letzte Formel die beste Uebereinstimmung zeigen, und es würde sich daraus für das
Stärkemolekül die Formel (C6Hl0O5)4 = C24H40O20 ergeben, also
diejenige Formel, welche Pfeiffer und Tollens nach ihren Analysen der Natriumverbindung für
die wahrscheinliche halten.
In der Jodstärke ist ein Wasserstoffatom durch Metall vertretbar: die gebildeten
Salze sind zum Theil löslich in Wasser (Kalium- und Natriumverbindung), theils
unlöslich (Barium- und Ziukverbindung). Für die Bariumverbindung wurde durch eine besondere
Analyse die Formel (C24H40O20J)4JBa3 höchst wahrscheinlich gemacht.
Verfasser stellt noch Betrachtungen über die Jodstärke als Reagens an und bemerkt,
daſs man in der Maſsanalyse der Thatsache, daſs die Jodstärke Jodwasserstoff
enthält, kein besonderes Interesse wird zuwenden dürfen.
Aus den Untersuchungen des Verfassers ergibt sich ferner, daſs eine Jod haltige
Stärkelösung das empfindlichste Reagens auf Jodwasserstoff ist. Noch bei einer
Verdünnung von 1 : 1 Million ist die Blaufärbung ziemlich intensiv. Zu beachten ist
jedoch, daſs diese Blaufärbung auch alle diejenigen Stoffe geben, welche Jod in
Jodwasserstoff überführen, also alle Reductionsmittel. Auch leicht oxydirbare
organische Substanzen bewirken eine Blaufärbung. Durch Essigsäure oder Alkohol
findet keine Blaufärbung statt.
Studien über Diastase. C.J. Lintner veröffentlicht im
Journal für praktische Chemie, Neue Folge, 1887 Bd.
36 S. 481, weitere eingehende Untersuchungen über Diastase, welche er im Anschluſs
an seine früheren Arbeiten über Isolirung und Reindarstellung der Diastase (vgl.
1887 265 462) ausgeführt hat. Da man bisher fast
ausschlieſslich aus Gerstenmalz gewonnene Diastase untersucht hat, erschien es dem
Verfasser von Interesse, auch aus anderen Getreidearten Diastase zu gewinnen und zu
prüfen, ob dieselbe die gleichen Eigenschaften, Zusammensetzung und gleich hohes
Fermentativvermögen besitzt wie die Gerstendiastase. Diese Untersuchungen muſsten
Aufschluſs darüber geben, ob es verschiedene oder nur eine Diastase gibt. Vorläufig gelangten nur die Versuche mit Diastase aus
Weizenmalz zum Abschluſs, über welche der Verfasser
eingehend berichtet. Im Anschluſs daran wurden noch Versuche ausgeführt, um das
Verhalten der gefällten Diastase gegen Stärke im sauern und alkalischen Medium, bei
Gegenwart von neutralen Salzen, bei höherer und gewöhnlicher Temperatur u.s.w. zu
prüfen. Es schien dieses von Interesse, da man derartige Versuche bisher nur mit
Malzextract angestellt hatte.
Diastase aus Weizenmalz. Die Gewinnung derselben geschah
mit geringen, durch die Eigenschaften der Stickstoff haltigen Körper des Weizens
gebotenen Abweichungen in derselben Weise wie beim Gerstenmalz. Es wurde das
Weizenmalzschrot mit Wasser (nicht mit Alkohol wie bei Gerstenmalz) extrahirt; die
Extracte wurden fractionirt mit Alkohol gefällt. Die
Prüfung des Fermentativvermögens ergab, daſs die erste und dritte Fällung sehr arm
an Diastase waren, während die zweite Fällung die Hauptmasse derselben enthielt. Es
empfiehlt sich daher, die erste Fällung ganz zu verwerfen und nur den Niederschlag
der zweiten Fällung zu sammeln, eine dritte Fällung aber gar nicht mehr auszuführen.
Die Reinigung geschah in derselben Weise wie bei der Gerstendiastase. Das verwendete
Weizenmalz zeigte, auf Trockensubstanz berechnet, ein Fermentativvermögen von 110. Es ist also
das Weizenmalz bezüglich des Gehaltes an Diastase dem Gerstenmalz mindestens
gleichzustellen. Dieses bestätigte auch die gewonnene Diastase. Dieselbe zeigte bei
einem Stickstoffgehalt von 10,1 Proc. (aschefrei) F = 100. Zwei andere Präparate
ergaben ebenfalls F = 100 bei einem Gehalt von 10,02 und 10,4 Proc. Stickstoff. Die
Diastasen aus Gersten- und Weizenmalz sind also völlig identisch. Die durch
zehnmalige Fällung gereinigte Diastase gab noch eine schwache Reaction auf
Kohlehydrate mit dem Reagens von Molisch. Verfasser ist
der Ansicht, daſs die Diastase selbst es ist, welche diese Reaction hervorruft.
Veranlaſst durch eine Berichtigung von O. Loew (Berichte der
deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 20 S. 528), prüfte Verfasser
nochmals das Verfahren der Reinigung der Diastase mittels Bleiessig, kam aber zu demselben Resultat wie bei seinen ersten Versuchen.
Es fand durch diese Reinigungsmethode eine Schwächung des Fermentativvermögens von
96 auf 14 statt. Da man in dem Fermentativ vermögen ein Hauptkriterium für die
Reinheit des Präparates besitzt, so darf man nur solche Reinigungsmethoden anwenden,
durch welche man eine Steigerung desselben wahrnimmt, niemals aber solche, welche
dasselbe vermindern. Letzteres ist aber bei der Anwendung von Bleiessig in hohem
Grade der Fall; diese Methode ist daher zu verwerfen.
Versuche über das Verhalten der Diastase bei Gegenwart
fremder Substanzen. Die hierüber mit Malzauszug bisher angestellten
Versuche hatten sehr widersprechende Resultate ergeben, so daſs eine Wiederholung
dieser Versuche mit gefällter Diastase wünschenswerth erschien. Es wurde studirt der
Einfluſs, welchen auf die Diastase ausübten: Neutralsalze (Kochsalz, Chlorkalium, Chlorcalcium, Kupfervitriol), ferner
Soda, Ammoniak (alkalisches Medium), endlich Schwefelsäure (saures Medium). Die
Prüfung wurde in derselben Weise ausgeführt, wie dieses früher für die Ermittelung
des Fermentativvermögens angegeben wurde. Die wichtigsten Resultate dieser Versuche
werden wir weiter unten im Zusammenhang mit den anderen mittheilen.
Versuche über das Verhalten von Diastaselösungen bei 55° und
65°.Vgl. auch das nächste Referat. Dieselben wurden angestellt, um
festzustellen, ob sich in der Schwächung, welche die Diastase, wie bekannt, durch
höhere Temperaturen erleidet, ein Unterschied ergab, je nachdem die Diastaselösungen
für sich allein oder bei Gegenwart von Stärke jenen Temperaturen ausgesetzt werden.
Die Ausführung dieser Versuche geschah in folgender Weise. Es wurden 0g,05 Diastase in einem 150cc-Kölbchen mit etwa 120cc Wasser gelöst und nach Ablauf der
Erhitzungszeit zu 150cc aufgefüllt. Während zu der
Zersetzung der Fehling'schen Lösung von der nicht
erhitzten Diastaselösung 0cc,55 erforderlich
waren, wurden von der auf 55° erwärmten Lösung folgende Mengen gebraucht:
20
Minuten
erwärmt
= 1,10cc
40
„
„
= 1,75
60
„
„
= 2,22
Von der 60 Minuten erwärmten Lösung war also 4mal mehr
Diastase erforderlich, als von der nicht erwärmten.
Bei dem gleichen Versuch mit Stärke wurden 5g
Kartoffelstärke mit 100cc Wasser verkleistert, auf
60° abgekühlt, 0g,05 Diastase, gelöst in 25cc Wasser, zugesetzt, 60 Minuten bei 55° digerirt
und zu 150cc aufgefüllt. Nachdem in dieser Lösung
das bereits vorhandene Reductionsvermögen bestimmt war, wurde in derselben das
Fermentativvermögen in bekannter Weise geprüft und gefunden, daſs 1cc,25 bezieh. 1cc,1 erforderlich waren, um 5cc
Fehling'sche Lösung zu reduciren. Es ergab sich also
das bemerkenswerthe Resultat, daſs die Diastase bei Gegenwart von Stärke durch
höhere Temperatur bei weitem weniger geschädigt wird (nur etwa halb so stark), als
wenn sie nur in wässeriger Lösung erwärmt wird.Paetzold hatte bekanntlich dieselbe Beobachtung
bei Zucker gemacht (vgl. 1887 266
427). Die Versuche mit Erwärmen auf 65° ergaben ein gleiches
Resultat, nur daſs die Schwächung hier bedeutend gröſser war als bei 55°. So
reichten z.B. bei der wässerigen Lösung 8cc noch
nicht aus, während bei Gegenwart von Stärke 4cc,5
zur Reduction genügten. A. Mayer (Zeitschrift für das
gesammte Brauwesen. 1882 S. 92) hatte bei seinen Versuchen mit Invertin die
gleiche Beobachtung gemacht (vgl. auch die Versuche von Müller-Thurgau, 1887 265 324).
Im Anschluſs hieran prüfte Verfasser ferner, ob schon bei gewöhnlicher Temperatur (17,5°) eine Schädigung der Diastase eintritt.
Wenn dieses der Fall wäre, so müſste man, da einer Temperatur von 17,5° ein
ungünstiger Einfluſs nicht zuerkannt werden kann, annehmen, daſs die Diastase schon
allein durch ihre Wirkung auf Stärkemehl eine Veränderung erleidet. Die Versuche
zeigten jedoch, daſs eine derartige Veränderung nicht vor sich geht, indem die
Ferment Wirkung nach vollendeter Einwirkung die gleiche blieb.
Versuche über das Stärkelösungsvermögen der Diastase,
über welche Verfasser schon früher in der Zeitschrift für
das gesammte Brauwesen, 1886 S. 261 und 330 berichtet hat, führten zu dem
Resultat, daſs man in dem Weizenmalz nicht zwei verschiedene auf Stärke wirkende
Fermente (ein lösendes und ein zuckerbildendes) annehmen kann, vielmehr ging eine
kräftig lösende Wirkung stets mit einer kräftig Zucker bildenden Hand in Hand. Bei
der Gerste dagegen ist es nicht unwahrscheinlich, daſs dieselbe ein besonderes
Ferment enthält, welches mit der Diastase nur die Eigenschaft gemein hat, die Stärke
in Zucker umzuwandeln (vgl. 1887 263 147).
Verflüssigungsversuche von Stärkekleister, welche mit
gefällter Diastase bei verschiedenen Temperaturen ausgeführt wurden, ergaben, daſs
bei 50° die
günstigste Verflüssigungstemperatur liegt, d.h. innerhalb einer bestimmten Zeit die
kleinste Diastasemenge ausreichend ist, um eine bestimmte Stärkemenge zu lösen. Bis
zu 70° gilt der Satz, daſs die Verflüssigung um so rascher vor sich geht, je höher
die Temperatur ist, allerdings bei entsprechend groſser Diastasemenge. Eine
Diastasemenge, welche z.B. bei 50° die Verflüssigung erst in 5 Minuten bewirkt, thut
dieses bei 70° momentan- kleinere Quantitäten Diastase dagegen, welche bei 50° noch
in 1 bis 2 Stunden Verflüssigung herbeiführen, gelangen bei 70° kaum mehr zur
Wirkung. Hat man nur wenig Diastase zur Verfügung, so wird man zweckmäſsig bei 50
bis 55° verflüssigen; hat man Diastase im Ueberfluſs, so wird man lieber 70° wählen,
da man dann schneller zum Ziel kommt. 70° zu überschreiten, ist nicht gerathen, da
dann unverhältniſsmäſsig groſse Diastasemengen erforderlich sind. Die Menge
Diastase, welche zur Lösung der Stärke erforderlich ist, ist eine auſserordentlich
geringe. So vermochten z.B. 0mg,02 Diastase noch
1g Stärke, also ungefähr die 50000fache Menge,
zu lösen.
Lösungen von Gersten- und Weizenmalzdiastase vermögen, ebenso wie Malzauszug, schon
bei gewöhnlicher Temperatur Stärkekleister zu
verflüssigen und umzuwandeln. Es eignet sich die Lösung gefällter Diastase ganz
besonders zur Darstellung von Maltose. Malzauszug ist hierzu nicht zu verwenden, da
bei der langen Einwirkungsdauer von etwa 10 Tagen derselbe Zersetzungen
erleidet.
Die wichtigsten Resultate seiner interessanten Versuche gibt der Verfasser in
folgenden Sätzen:
1) Die Diastase des Weizenmalzes besitzt den gleichen Stickstoffgehalt wie die
Gerstenmalzdiastase, mit welcher sie auch bezüglich ihrer fermentativen
Eigenschaften übereinstimmt. 2) Zur Reindarstellung der vegetabilischen Diastase ist
die Anwendung von Bleiessig ungeeignet. 3) Chlornatrium und Chlorkalium sind in
geringer Concentration ohne Einfluſs auf das Fermentativvermögen der Diastase, in
höherer Concentration wirken sie günstig. Chlorcalcium ist in geringer Concentration
gleichfalls ohne Einfluſs. 4) Kupfervitriol und wahrscheinlich die meisten Salze der
Schwermetalle, setzen das Fermentativvermögen herab oder heben es ganz auf. 5) Das
gleiche gilt von einer saueren oder alkalischen Beschaffenheit der Flüssigkeit, in
welcher die Diastase wirken soll. 6) Durch Erwärmen wässeriger Diastaselösungen wird
das Fermentativvermögen je nach der Temperatur mehr oder weniger herabgesetzt;
weniger stark ist jene Verminderung des Fermentativvermögens bei Gegenwart von
Stärke, wenn die Diastase also Gelegenheit zu wirken hat. 7) Wirkt die Diastase bei
gewöhnlicher Temperatur auf Stärke, so büſst sie dadurch nicht an
Fermentativvermögen ein. 8) Es lieſs sich keine Thatsache auffinden, welche dafür
sprechen würde, daſs zwei Fermente im Malz existiren, ein Stärke lösendes und ein Stärke in Zucker
umwandelndes. Wir müssen vorläufig daran festhalten, daſs beide Eigenschaften einem
Fermente, eben der Diastase, zukommen. 9) Dagegen ist es nicht unwahrscheinlich,
daſs in der Gerste ein Ferment vorkommt, welches die Stärke zwar nicht zu lösen,
aber zu verzuckern vermag. 10) Bei 50° können mit den kleinsten Diastasemengen die
gröſsten Stärkemengen verflüssigt werden. 11) Bis zu 70° erfolgt die Verflüssigung
um so rascher, je höher die Temperatur ist. Je höher die Temperatur, desto mehr
Diastase muſs zur Verflüssigung angewendet werden. 12) Mittels gefällter Diastase
läſst sich auch bei gewöhnlicher Temperatur leicht Maltose gewinnen.
(Fortsetzung folgt.)