Titel: | Ueber Neuerungen im Mühlenwesen; von Prof. Friedrich Kick. |
Autor: | Friedrich Kick |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 289 |
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Ueber Neuerungen im Mühlenwesen; von Prof.
Friedrich Kick.
(Patentklasse 50. Fortsetzung des Berichtes Bd.
260 S. 145.)
Mit Abbildungen.
Kick, über Neuerungen im Mühlenwesen.
Die nimmerruhende Thätigkeit denkender Männer erfaſste in jüngster Zeit mit so
kräftiger Hand die Lösung alter Aufgaben der Mehlfabrikation, daſs es den Anschein
gewinnt, als stünden wir wieder vor durchgreifenden Umgestaltungen dieses uralten
Industriezweiges.
Während Wegmann in den Jahren 1873 bis 1880 den Walzen
als wesentliches Verkleinerungsmittel Eingang verschaffte, und – obwohl man Walzen
schon lange hie und da mit Erfolg benutzte – doch durch die verbesserte Form und
richtigere Anwendung geradezu eine Umwälzung der Mühlenbetriebe herbeiführte, so
scheint in der nächsten Zeit durch wesentliche Verbesserungen des Sicht- oder Siebprozesses und der Sonderlingsverfahren
eine neuerliche Umgestaltung, welche vielleicht noch einschneidender in ihrem
Verlaufe sich erweisen wird, als jene der 70er Jahre, im Anzüge zu sein.
Ueberblickt man den Erfolg der Umgestaltungen, welcher durch die Walzen erzielt
wurde, so muſs man zunächst gestehen, daſs durch das günstiger wirkende
Zerkleinerungsmittel eine Erleichterung in der Herstellung guter Mehle erlangt
wurde, welche den groſsen Mühlen weit mehr zu Gute kam als den kleinen, so daſs
letztere mehr und mehr an Zahl abnahmen. Indem bei dem Auflösen der feinen Griese
auf Glattwalzen die Kleintheilchen weit weniger zerrissen wurden, als dies beim
Auflösen auf Steinen der Fall war, so lieſs sich dieser Prozeſs etwas beschleunigen
und dadurch selbst in der Hochmüllerei der Griesputzprozeſs verkürzen. In die Zeit
der Verbreitung der Walzen fällt auch die Ausbildung des automatischen
Grieſsprozesses und jene der automatischen Müllerei überhaupt, wodurch dem
Groſsbetriebe, der Mehl-tebrikation, gleichfalls bedeutende Vortheile erwuchsen.
In der Beutlerei oder dem Sichtprozesse nahmen zwar die
Centrifugalsichter an Verbreitung zu, doch fühlte man ziemlich allgemein, daſs der
Sichtprozeſs noch sehr viel zu wünschen übrig lieſs. Es scheint nun auch in diesem
Zweige die Zeit einer gründlichen Verbesserung gekommen. Durch Friedrich Georg Winkler ist ein neues Prinzip, die
dichtende Wirkung von Luftwellen, eingeführt worden und Carl
Haggenmacher strebt auf anderem Wege gleichfalls dahin, mit viel kleinerer
Siebfläche als bisher dieselbe Menge Mahlgut abzusichten.
Wie in der Müllerei die Getreide Verkleinerung dahin gerichtet ist, die äuſseren
Zellschichten der Körner, die Schale, möglichst wenig anzugreifen, damit deren
Absonderung später erleichtert wird, wie demnach diese Verkleinerung weit entfernt
von einem gewöhnlichen Pulverisiren ist, so ist auch der Sichtprozeſs nicht damit
zufriedenstellend gelöst, wenn die Getreidetheilchen der Gröſse nach sortirt
werden., sondern man strebt allgemein danach, mit dieser Sortirung nach der Gröſse
so weit möglich zugleich eine Abscheidung der specifisch leichteren,
blättchenförmigen Schalentheilchen zu erzielen; das Sichten soll nach Möglichkeit
auch eine Absonderung der Kleientheilchen, selbst wenn Gröſsenunterschiede nicht
vorhanden sind, bewirken.
Eine Sichtmaschine, bei welcher alle feinen Kleientheilchen, deren Gröſse den Maschen
des Siebes entsprechen, mit den Mehltheilchen durch das Sieb gehen, gilt als
ungeeignet und aus diesem Grunde verwarf man auch diejenigen Sichter, bei welchen
Bürsten das Mehl und feine Kleie durch die Siebmaschen treiben, wie dies bei der
„englischen Mehlmaschine“ der Fall war.
Die Wichtigkeit des Sichtprozesses wird es
rechtfertigen, wenn die Besprechung der wichtig erscheinenden Neuerungen an den
Eingang des diesmaligen Referates gesetzt wird und hierin eine Abweichung von dem
bisherigen Vorgange platzgreift.
Es wurde bereits angedeutet, daſs Georg Winkler
Luftwellen als Beförderungsmittel des Sichtens verwendet. – Wird in der
Luft irgend ein Körper hin und her bewegt, oder rotiren mit einer Achse verbundene
Flügel, zu welchen seitlich, d.i. in der Achsenrichtung, der Luftzutritt durch
Scheiben gehindert ist, oder drückt man die Luft aus einem elastischen Balle bald
aus, bald läſst man sie ansaugen, so entstehen Luftwellen, d.h. abwechselnde
Luftverdichtungen und Luftverdünnungen. Dauert die Luftverdichtung durch dasselbe
Wegstück oder dieselbe Zeit so lange als die Luftverdünnung, so kann der Vorgang
bildlich durch die Linie a (Fig. 1) dargestellt werden, wie solche Darstellungen auch bei Schall-
bezieh. Lichtwellen üblich sind. Es kann aber auch die Verdichtung auf eine längere
Zeit als die Verdünnung sich erstrecken und mag die Welle sich dann durch die Linie
b darstellen lassen, oder falls die Verdichtung und
Verdünnung noch plötzlichere Wechsel aufweist, etwa durch die Linie c. In diesen Figuren stellt jener Wellentheil, welcher
oberhalb der punktirten Geraden liegt, die Luftverdichtung, der unterhalb liegende
Theil die Luftverdünnung vor.
Fig. 1., Bd. 268, S. 290Mittels eines gewöhnlichen Fächers wird man die verschiedensten Luftwellen
erzielen können, je nach der Raschheit und der Art der Fächerbewegung. Wirkt nun
eine Luftwelle gegen ein Sieb, vor welchem sich Mahlgut befindet, so wird
jener Theil der Welle, welcher aus der allmählich wachsenden Luftverdichtung
besteht, das Mahlguttheilchen gegen das Sieb treiben, hingegen jener Wellentheil, in
welchem der Druck der Luft stetig abnimmt, es vom Siebe entfernen. Am einfachsten
kann man sich diese Wirkung durch das Flackern eines Lichtes anschaulich machen,
wenn man die von einem Fächer bewegte Luft darauf einwirken läſst.
Bei gleichförmiger Hin- und Herbewegung des Fächers wird auch das Flackern der Flamme
nach der Bewegungsrichtung gleichmäſsig hin und her erfolgen. Findet die Bewegung
nach der einen Richtung rascher statt, dann ist auch die Flammenablenkung zunächst
nach dieser Richtung bedeutender.
Winkler bezeichnet als Druckwelle (Druckluft) jenen Wellentheil, in welchem Luftverdichtung und
als Saugwelle (Saugluft) jenen, in welchem
Luftverdünnung stattfindet. Eigentlich ist die Druckwelle jedoch jener Wellentheil,
in welchem wachsende Pressungen herrschen und Saug
welle jener mit abnehmenden Pressungen. Auch hier kann
die Flamme einer Kerze dies zeigen; denn nähert man ein Stück Pappe fächerartig
rasch der Flamme, hält man aber mit der Bewegung vor der Flamme allmählich ein, ohne
die Rückkehrbewegung anzutreten, so erzeugt man eine Luftwelle von anfänglich
stärkerer, dann geringerer Verdichtung. Jener Theil der Luftbewegung, bei welchem
die Pressungen zunehmen, treibt die Flamme von der Pappe weg, hingegen jener Theil
der Belegung, in welchem die Geschwindigkeit der Pappe abnimmt, daher die Pressung
sinkt, bewirkt ein Hinziehen der Flamme gegen die Pappe.
Rotirt ein Blechkörper (Trommel) von nebenstehender Querschnittsform im Sinne des
Pfeiles, so schiebt die flache abcd, deren Halbmesser
stetig von r bis R
zunimmt, die Luft gegen auswärts, während hinter der Wand de ein plötzliches und heftiges Saugen eintritt.
Fig. 2., Bd. 268, S. 291Die Druckwelle hat hierbei einen längeren, sanfteren Verlauf, die Saugwelle
einen plötzlichen. Ist die Trommel an einer vertikalen Achse angebracht und hält man
bei i eine Kerzenflamme, so wird dieselbe durch die
sanfte Druckwelle nur wenig nach auſsen getrieben, hingegen durch die plötzliche
Saugwelle – so oft de oder d1
e1 an der flamme
vorbeizieht, heftig gegen einwärts gerissen.
Lieſse man die Trommel umgekehrt rotiren, dann würde die Luft vor ed eine Verrichtung erfahren, die Druckwelle würde kürzer als sie früher war, die
Saugwelle eine längere werden; doch wäre hierbei die Druckwelle nicht so heftig als
es früher die Saugwelle gewesen. Die Luftmenge der
Druckwelle muſs bei diesem Bewegungsvorgange gleich
jener der Saugwelle sein, denn nur jene Lufttheilchen können, wegen der an den
Stirnseiten vorhandenen Scheiben, nach auswärts getrieben werden, welche in der Zeit
oder in der Periode des Saugens zutraten; die Geschwindigkeiten der Lufttheilchen
aber können in beiden Perioden verschieden sein, und daher kann und ist auch ihre
Wirkung auf das Mahlgut eine verschiedene. Aendert man den Character der Luftwellen
dadurch ab, daſs man die Form der Trommel (oder der Flügel) ändert, welche sie
hervorbringen, so verändert sich auch ihr Einfluſs auf das Mahlgut bezieh. auf den
Sichtprozeſs.
Sobald überhaupt die Möglichkeit eines Einflusses der Luftwellen auf den Sichtprozeſs
klar geworden ist, so folgt sofort mit Rücksicht auf die verschiedene Form, in
welcher Siebe zur Anwendung kommen können und mit Rücksicht auf die sehr
verschiedenen Mittel, durch welche Luftwellen erzeugt werden können, daſs die
maschinelle Durchführung des neuen Gedankens eine sehr verschiedene sein kann.
Georg Winkler hat in seinem ersten Patente (* D.R.P. Nr.
39408 vom 4. August 1885, ausgegeben am 14. Mai 1887) den Patentanspruch: „Zur
Ausübung des Sichteverfahrens mittels Luftwellenbewegung die Benutzung eines in einem Behälter A (Fig. 3)
eingeschlossenen Luftkörpers, welcher abwechselnd gepreſst und verdünnt wird, in
der Weise, daſs er durch ein mit Oeffnungen versehenes Luftrohr D mit dem Inneren des mit der Siebfläche (s) versehenen Behälters B in Verbindung steht, daselbst abwechselnd als Saug- und Druckluft
wirkt und die Sichtefläche möglichst rechtwinkelig durchdringt.“ – Die
nebenstehende Figur dürfte das Wesentliche der Sache genügend klar darstellen. Es
ist hier eine von Winkler selbst längst verlassene Form
des Grundgedankens der Benutzung der Luftwellen zum Sichten gegeben.
Fig. 3., Bd. 268, S. 292Desselben Erfinders früher ausgegebenes Patent (* D.R.P. Nr. 38576 vom 2.
April 1886) bezieht sich schon auf einen rotirenden, die Luftwellen erzeugenden
Apparat und sei dieses Patent in der Besprechung der weiteren Entwicklung der Winkler'schen Idee später einbezogen.
Vorher sei noch des um einen Tag älteren Patentes von Emil
Weiſs
und Louis Fränkel in Berlin (* D.R.P. Nr. 39227 vom 1.
April 1886) Erwähnung gethan, dessen Patentanspruch ebenfalls den Einfluſs
abwechselnder Verdichtung und Verdünnung der Luft auf den Sichtprozeſs hervorhebt.
Nach Weiſs soll durch die rüttelnde Bewegung des mit
einer Stoffdecke, welche in Wellenbewegung geräth,
versehenen Siebrahmens, Luftverdichtung und Verdünnung entstehen. Die Weiſs'sche Maschine ist in einer neueren
Ausführungsform, welche besonders zur Reinigung der Dunste, nicht als eigentliche
Mehlsichtmaschine, Anwendung findet, gut geeignet, das Verständniſs für die
Luftwellenwirkung zu erleichtern. Sie weicht von der Patentbeschreibung darin ab,
daſs die Wellenbewegung der Stoffdecke des Siebrahmens nicht durch die
Rüttelbewegung in der Längsrichtung des Rahmens, sondern durch direkte mechanische
Einwirkung auf die Stoffdecke selbst erzielt und dadurch auch die Entstehung von
Luftwellen von Seite dieser Decke unmittelbar eingeleitet wird.
Die Weiſs'sche Maschine ist eine Dunstsicht- und Putzmaschine zugleich und ist jedenfalls die
beachtenswerteste Neuerung auf dem Gebiete der Gries- und Dunstputzmaschinen. Die
Luftwellen spielen hierbei dieselbe sondernde Rolle, welche bei den
Siebsetzmaschinen dem Wasserschlage (Wasserstöſsen oder Wellen) zukommt. Während bei
der Scheidung des specifisch schwereren Erzes vom tauben Gestein das dichtere
Mittel, das Wasser verwendet wird, welches durch seine intermittirende Wirkung die
leichten Theile nach oben, die schwereren gegen und durch das Sieb nach unten
treibt; so treiben bei der Weiſs'schen Maschine die
Luftwellen die specifisch leichteren und blättchenförmigen Kleietheilchen
gleichfalls gegen oben, während sie den specifisch schwereren und mehr kugeligen
Dunsttheilchen den Weg durch das Sieb gestatten. Indem die Luftwellen durch Bewegung
der, aus einem elastischen Stoffe bestehenden Decke des Siebrahmens hervorgebracht
werden, so fehlt dieser Maschine jeder äuſsere, einen Luftstrom erregende Apparat,
ebenso ist die Kleiekammer, in welche sonst die Flugkleie geblasen wird,
überflüssig. Umstehende Fig. 4 stellt einen, zur
Längenachse der Maschine senkrechten Schnitt vor, in welchem s1 und s2 die beiden über einander liegenden Siebe und t jenes elastische Tuch darstellt, welches durch die
Platte p und einen dieselbe auf und ab bewegenden
Kurbelmechanismus k, in Verbindung mit der raschen
Längsrüttelbewegung des Sichters, in wellenförmige Schwingungen (vgl. den
Längsschnitt durch den oberen Theil der Maschine Fig.
5) versetzt wird. Diese Wellenbewegung des Tuches t erzeugt vertikale Luftwellen, welche die leichteren Theile absondern
helfen. Die leichten und blättchenförmigen 1 heile gelangen so besser nach oben, als
dies durch die rüttelnde Bewegung allein möglich wäre, und so geschieht es, daſs der
gröſste Theil der Kleie, auf dem Sichtgute gleichsam schwimmend, über das obere Sieb
allmählich gegen die Auslaufseite (nach I Fig. 5)
gelangt. Die durch das
erste Sieb fallenden, noch Kleie enthaltenden Dunsttheilchen fallen auf das Sieb s2, durch welches der
gereinigte Dunst nach u gelangt, wo ihn Schnecken
(Mehlschrauben) abführen, während ein Gemenge aus Kleie und Dunst, eine Gattung
Ueberschlag, den Weg über s2 zum Ablauf II einschlägt.
Fig. 4., Bd. 268, S. 294Fig. 5., Bd. 268, S. 294Nach eingesandten Mustern zu schlieſsen, muſs die Wirkung eine
ausgezeichnete sein, was insbesondere in Bezug auf weichen Dunst hervorzuheben ist,
für dessen gehöriges Putzen keine der bisherigen Maschinen so recht entsprechen
wollte. Die Maschine hat eine Gesammtlänge von 3,5, eine Höhe von 1m,5 und soll eine solche Maschine zur Reinigung
der Dunste von 62 MC. täglicher Vermahlung genügen. Der Schüttelrahmen macht in der
Minute 300 Hin- und Hergänge, die Platte p in dieser
Zeit 100 Spiele. Der Raum unter dem Siebrahmen ist von dem Raume oberhalb desselben
vollständig dicht abgeschlossen, was theilweise, wie bei x (Fig. 5), durch einen geeigneten Stoff
erzielt wird. In den Kastenwänden und der Decke sind mit Filtertuch bespannte Rahmen
eingesetzt, damit die Verbindung mit der äuſseren Luft unter Staubabschluſs
hergestellt ist.
Gegen die Weiſs'sche Anordnung läſst sich einwenden,
daſs die Wirkung der Luftwellen deshalb keine ganz gleichartige sein kann, weil das
Sieb, dort wo es vom Befestigungspunkte entfernter ist, durch die Luftwellen zu
einer hüpfenden Bewegung veranlaſst werden muſs, an welcher die näher am Rahmen
liegenden Gazetheile nicht theilnehmen können. Doch dürfte sich dieser, die
Gleichmäſsigkeit der Wirkung beeinträchtigende Umstand durch entsprechende Spannung
und Befestigung des Siebes an Stegen des Rahmens wahrscheinlich beheben lassen. Die
der Maschine zu Grunde liegende Idee ist unzweifelhaft sehr beachtenswerth.
Kehren wir nun wieder zur Besprechung der Constructionen Winkler's, welcher als der Erfinder der Einführung der Luftwellen in den
Sichtprozeſs zu bezeichnen ist, zurück. Von demselben liegen noch die * D.R.P. Nr. 38576 vom 2. April
1886, Nr. 40357 vom 8. Juli 1886, Nr. 39709 vom 22. Oktober 1886 und Nr. 42770 vom
19. November 1886 vor. In der nachfolgenden Darstellung seien dieselben der
Uebersichtlichkeit der Sache wegen zusammengefaſst und auch von der Besprechung von
Anordnungen, welche (wie die des * D.R.P. Nr. 40357) durch zweckmäſsigere ersetzt
wurden, Umgang genommen. Schon im November 1886 hatte Referent Gelegenheit, eine
Maschine Winkler's in der Schütt'schen Roggenmühle in Berlin in Thätigkeit zu sehen, wie sie durch
die Fig. 6 und 7
dargestellt erscheint. Die gegenwärtige Ausführungsform, wie sie die Maschinenfabrik
des Herrn Adolf Bühler in Utzwyl, Canton St. Gallen,
liefert, unterscheidet sich dadurch wesentlich, daſs der Siebcylinder ebenfalls
beweglich ist, während er noch damals, wie aus den Figuren ersichtlich ist,
stillstand.
Fig. 6., Bd. 268, S. 295
Fig. 7., Bd. 268, S. 295
Abgesehen von diesem Unterschiede sind die wesentlichen Theile
gleichartig angeordnet und liefert die Beschreibung der Maschine von 1886 einen
ziemlichen Einblick auch in die gegenwärtige Anordnung, welche zu veröffentlichen
mir noch nicht zusteht. E
Fig. 6 deutet den Einlauf des Mahlgutes an, welches
in den Siebcylinder S fällt, in welchem ein aus
Weiſsblech hergestellter Kranz kleiner Schaufeln, der sogen. Leitschaufelkranz L, das Mahlgut faſst und auf der Innenfläche des Siebes
vertheilt und gegen dieselbe auch anwirft. Im Inneren des Leitschaufelkranzes bewegt
sich die Trommel T (oder ein Flügelsystem ähnlicher
Wirkung). Die Trommel T oder das ihre Stelle
einnehmende Flügelwerk hat die Aufgabe der Erzeugung der Luftwelle und da der vom
Flügelwerk beeinfluſste Luftkörper durch die an den Stirnseiten desselben sitzenden
Scheiben B (Fig. 6 bis
9) abgeschlossen ist, so arbeitet das Flügelwerk
oder die Trommel mit
demselben Luftkörper Luftwellen bildend. Bald wird die Druckluft, der in seinen
Pressungen zunehmende Wellentheil, durch das Sieb nach auswärts getrieben, bald
zieht der im einspringenden Trommeltheile oder hinter den Flügeln fortgesetzt
erneute Saugraum die Luft einwärts. Die neben Fig.
10. stehende Fig. 10 deutet in etwa ½
natürlicher Gröſse den Leitschaufelkranz L und seine
Bewegungsrichtung an. Der äuſserste Pfeil entspricht der Bewegungsrichtung des
Sichtcylinders S, der innerste jener des Flügelwerkes.
L macht 200, S 30 und
die Trommel T 1150 Touren in der Minute.
Fig. 8., Bd. 268, S. 296Fig. 9., Bd. 268, S. 296Fig. 10., Bd. 268, S. 296Bei der in Fig. 6 und 7 gezeichneten älteren Maschine stand der
Sichtcylinder fest, der Leitschaufelkranz machte 170 bis 180, die Trommel 850
minutliche Umdrehungen, der Mehlcylinder hatte eine Länge von 93cm = 0m,93 und
einen Durchmesser von 66cm; die Gaze war in 7
Ringen von 117mm offener Breite aufgespannt,
demnach betrug die freie Siebfläche des Sichters damals 1qm,7 und schon damals wurden durch diese kleine
Siebfläche 500 bis 600k Roggenmehl in 1 Stunde
abgesichtet und zwar 37 Proc. der gesammten Mahlgutmenge, während aus demselben
Roggenschrot auf den gewöhnlich angewendeten Sichtern nur 29 Proc. Mehl abgebeutelt
wurden.
Trotz dieser bedeutenden Erfolge hielt der Erfinder mit seiner Maschine zurück, bis
auch die mit dem feststehenden Sichter und dem angewandten Flügelwerke, welches in
Bezug auf die Qualität des Mehles und namentlich beim Sichten von Weizenmahlgut
manches zu wünschen übrig lieſs, verbundenen Uebelstände behoben waren.
In jüngster Zeit sah Referent die neue Maschine in Utzwyl in Thätigkeit. Die
Beutlerei der kleinen Versuchsmühle, welche in Bühler's
Maschinenfabrik
eingebaut ist, zeigt Fig. 11. Auſser dem Kellerraume,
in welchem sich die Elevatorfüſse befinden, weist die Anlage zwei Geschoſse auf. Das
Erdgeschoſs enthält die Walzenstühle (2 Schrotwalzenstühle, 1 Glattwalzenstuhl) und
die Sackstutzen, das erste Stockwerk nebst Sammelkästen den Vorsichter V, den Mehlcylinder M und
den Sortircylinder S. Die freie Siebfläche des
Mehlcylinders betrug im Ganzen nur 0qm,75, und
zwar bestand der Cylinder aus 4 Rahmen mit je 4 aufgeklebten, entsprechend
gespannten Gazestückchen, somit im Ganzen 16 kleinen Feldern von zusammen ¾qm Fläche.
Fig. 11., Bd. 268, S. 297Fig. 11; a Mehl, b Dunst
(Nr. 7), c Dunst (Nr. 4), d Gries-Dunst. e
Uebergang, f Uebergang, i geht zum Elevator I, ll1
l2
l3 zu den
Elevator-Füſsen.Der Sortircylinder (Dunstcylinder) bestand aus drei je 113mm breiten Feldern, bespannt mit Gaze Nr. 7, einem
90mm breiten Felde mit Gaze Nr. 4 und einem
50mm breiten mit Gaze Nr. 0. Die Verbindung
der einzelnen Sichtmaschinen unter sich und mit den Sackstutzen ist aus der Skizze
Fig. 11 zu entnehmen; auch sind zur Orientirung
einige Maaſse eingeschrieben.
Bei dem vorgenommenen Versuche, dessen Zeuge der Berichterstatter am 14. April d.J.
gewesen, wurden in 3¾ Stunden 1542k Gries durch Drahtsieb Nr. 35 noch gehend, daher
nach österreichischer Bezeichnung „dreier Gries“, auf dem
3-Walzen-Auflösstuhle von 800mm Walzenlänge
kräftig aufgelöst. Der Gries war ungeputzt aber von
sehr guter Qualität aus Segediner Weizen. Das Mahlgut wurde in dieser Zeit auch
gesichtet und lieferte 319k,5 Mehl, 444k Dunst 7,122k,5
Dunst 4,266k Griesdunst 0,267k,5 Uebergang (Ausstoſs) vom Sortircylinder und
105k,5 Ausstoſs vom Vorcylinder. Es sichtete
also die kleine Mehlsichtmaschine das gesammte Mahlgut,
welches der groſse Walzenstuhl liefern konnte, rein ab; und wenn auch die Mehlmenge
für 1 Stunde weit weniger betrug (nur etwa 85k
gegen 500k) als bei dem Versuch in Schütt's Mühle, so liegt der Grund groſsentheils in der
beschränkten Leistung des Walzenstuhles, welchem man nur sehr mäſsige Aufschüttung
gab, um an Qualität nicht zu verlieren. Die Mehl- und Dunst- (7) Qualität war eine
vorzügliche – wie mitgenommene Proben, nach Pekars
Methode behandelt, zeigten, war das Mehl der Nr. 4 der ungarischen Nummerirung
mindestens entsprechend. – Das durch Beuteln mit einem staubfreien Handsiebe aus dem
von den Walzen unmittelbar kommenden Mahlgute erhaltene Mehl zeigte pekarisirt die
gleiche Qualität, als das durch Winkler's Maschine
erhaltene Mehl, dasselbe galt vom Dunste durch Sieb Nr. 7, wodurch erwiesen ist,
daſs die Maschine auch hinsichtlich der Qualität vorzügliche Arbeit liefert, und
demnach nicht befürchtet werden muſs, daſs durch die Anwendung der Luftwellen
„stippiges“ Mehl erhalten wird. Im Gegentheil, die Luftwellenwirkung kann
durch die entsprechende Wahl des Flügelwerkes geradezu so geregelt werden, daſs der
Durchgang der Kleietheilchen durch das Sieb so vermindert wird, wie dies bei gutem
Gebrauch des Handsiebes möglich ist.
Bei der neuen Ausführungsform der Winkler'schen Maschine
erfolgt die Weiterbewegung des Sichtgutes in der Längenrichtung des Sichtcylinders
durch stellbare, kurze Leisten, welche im Inneren des Cylinderrahmens angebracht
sind. Bei dem Mehlsichter macht der Cylinder 30 Umdrehungen, der Leitschaufelkranz
200, und das Flügelwerk 1150; beim Vorsichter beträgt die Umdrehungszahl des
Flügelwerkes 750, beim Sortircylinder 900. Die Form des jetzt in Gebrauch stehenden
Flügelwerkes ist durch die nebenstehende Fig. 12
gekennzeichnet und deuten die Pfeile die Bewegungen der Luft genügend an. Daſs durch
den Körper a und den Hauptflügel b, b1 vorwaltend die
Druckwelle erzeugt wird, ist nach dem Früheren wohl verständlich. Die kurzen
Randflügel von c bis q
sollen die Druckwelle, welche zwischen a1 und b1 am kräftigsten ist, allmählich enden und bei c1 in die Saugwelle
übergehen lassen. Die kurzen Flügel dd1 fangen einen Theil der Saugluft und führen sie
hinter bb1 gegen
auswärts.
Fig. 12., Bd. 268, S. 298Man kann fragen, wie die Luftbewegung erkannt werden kann. Die Antwort gibt
die Beobachtung der Mehlstaubansätze an den Seitenscheiben des Flügelwerkes. Die
Druckräume, jene Räume, bei welchen die Luftbewegung gegen auſsen erfolgt, bleiben
an den Seitenscheiben mehlrein, während sich an den Wandungen der Saugräume
Mehlstaub anlegt (vgl. D.R.P. Nr. 38576). Die schraffirten Theile der Fig. 8 und 9
deuten diesen Mehlbelag
der Seitenwände an. Noch deutlicher läſst sich die Bewegungsrichtung der Luft an
vorstehenden Stiften oder Schräubchen wahrnehmen, hinter welchen sich stets
Mehlstaub anlegt, wie dies Fig. 13 andeutet, wo
hinter dem Stifte i die Mehlstaubablagerurig sich
findet.
Fig. 13., Bd. 268, S. 299So originell Winkler's Maschine, ja so
befremdend sie für die erste Zeit erscheinen wag, kann doch nicht gezweifelt werden,
daſs die Idee derselben eine vorzügliche ist, geeignet, eine Umgestaltung des
Sichtprozesses hervorzurufen.
Die neue Sichtmaschine Karl Haggenmacher's, welche als eine wesentliche Abänderung der
Rotationsplansiebe erscheint, gestattet gleichfalls eine bedeutende Erhöhung des
Sichteffectes, bezogen auf die Flächeneinheit des Siebes; doch muſs deren
ausführliche Beschreibung bis zur Ertheilung des D.R.P. verschoben werden.
(Fortsetzung folgt.)