Titel: | Neue Centrirvorrichtungen. |
Autor: | R. |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 409 |
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Neue Centrirvorrichtungen.
Mit Abbildungen auf Tafel
23.
Neue Centrirvorrichtungen.
Bei den Polygonzugsmessungen mit dem Theodolithen rühren die gröſsten Fehler in der
Winkelmessung von der excentrischen Aufstellung des Instrumentes und der Signale
her. Bekanntlich berechnet sich der möglicherweise aus dieser Ursache auftretende
Maximalfehler aus der leicht aufzustellenden Gleichung
x''=206265\,e\,\left(\frac{1}{a}+\frac{1}{b}\right) wobei e die Gröſse der Excentricität, und a und b die Längen der
Winkelschenkel bedeuten; x ist in Secunden. Aus der
Formel erkennt man sofort, daſs, je kürzer die Schenkel der zu messenden Winkel
sind, desto gröſser der Fehler wird; aber man kann auch mit Benutzung dieser Formel
für approximativ bekannte Seitenlängen die Gröſse e
berechnen, auf welche man genau centriren müſste, wenn man einen Dehler von
bestimmter Gröſse nicht überschreiten will. Der Umstand, daſs die Fortpflanzung der
Winkelfehler bei der Polygonvermessung mit dem Theodolithen ungünstig ist, ist ein
weiterer Grund, die Centrirung sorgfältig vorzunehmen. Gerade bei verbauten
Complexen, wie z.B. Städten, tritt die Polygonaufnahme fast ausnahmslos in
Anwendung; der gröſsere Werth, den hier Grund und Boden haben, bedingt genauere
Aufnahme und da gerade hier wieder sehr häufig kurze Polygonseiten unvermeidlich
sind, so wird, um erstere zu erreichen, die Centrirung der Instrumente sowie der
Signale verläſslich und entsprechend scharf vorzunehmen sein. Nun ist dieses aber
mit Anwendung des Senkels allein in der gewöhnlichen Weise nicht genügend genau
auszuführen; das Einvisiren des Senkels mit Fernrohren in zwei nahe 90° abstehenden
Richtungen zu zeitraubend, ohne immer die wünschenswerthe Genauigkeit zu bieten.
Mittel, welche, sowohl was Zeitaufwand bei deren Handhabung als was Sicherheit und
Schärfe in ihren Leistungen anlangt, in dieser Hinsicht entsprechen, sind nun
überall dort, wo es sich um derartige genaue Winkelvermessungen handelt, für die
Praxis von groſsem Werthe und verdanken wir den dahin gerichteten Bestrebungen
nachfolgend beschriebene Vorrichtungen, die bereits Eingang in die Praxis gefunden
und sich sehr gut bewährt haben. Zunächst für minderwichtige Aufnahmen und
hauptsächlich für die Centrirung des Theodolithes gedacht, ist das sogen. feste Loth
von Müller und Reinecke
(Mechaniker der Firma A. Meiſsner in Berlin), welches
unter * D.R.P. Nr. 36577 vom 9. Januar 1886 patentirt wurde, vom Vermessungsdirektor
GerkeZeitschrift für Vermessungswesen,
1888. bei der Polygonisirung der Stadtvermessung Altenburg angewendet und bestens
empfohlen wird. Das feste Loth, auch Horizontrirvorrichtung genannt, hat folgende
aus Fig. 6 bis
8 Taf. 23
zu ersehende Einrichtung:
Auf dem Stativkopf K wird die Führungsscheibe f mittels Schrauben befestigt und auf dieser ist der
kugelschalenförmig ausgedrehte Ring R verschiebbar, in
den die Halbkugel O genau hineinpaſst, und bildet diese
Halbkugel, die oben in den Gewindezapfen p ausgeht, das
obere Ende einer cylindrischen Stange, des Einstellhebels Z. Derselbe steckt in einem genau passenden cylindrischen Rohr r, das oben einen kugelförmigen Flansch i hat, auf welchem ein ebenso geformter Ring h liegt. Auf diesem sitzt weiter ein
kugelsegmentförmiger Ring g auf. Unten erweitert sich
das Rohr r etwas bei r1; zwischen Z und der
Erweiterung r1 ist eine
Schraubenfeder; die ringförmige Scheibe w sowie die
Flügelmutter F, welche auf das an jener Stelle in den
Einstellhebel Z eingeschnittene Gewinde paſst,
ermöglichen es, mit Hilfe der zwischen der Führungsscheibe f und dem Ring g eingelegten ebenen Scheibe
u die Halbkugel O in
den Ring R zu pressen und diesen gegen die
Führungsscheibe f, also auch an dem Stativ, mit dem die
Führungsscheibe fest verbunden wurde, den Einstellhebel festzustellen. Die Scheibe
u hat einen kreisrunden Ausschnitt, genau passend
für den Cylinder Z, und damit des letzteren Bewegung
nach allen Richtungen hin ungehindert geschehen kann, sind die Ränder dieses
Ausschnittes überall abgeschrägt. Der Einstellhebel Z
setzt sich unter dem Schraubengewinde fort, wird da ebenfalls von einem
cylindrischen genau passenden Rohre r2 umgeben, in welchem eine andere cylindrische
Stange l, das Loth, verschiebbar ist. Es ist leicht zu
ersehen, wie die richtige Länge des Lothes für jede vorkommende Stativhöhe
hergestellt werden kann. Das zu centrirende Instrument wird nun entweder direkt auf
den Gewindezapfen p aufgeschraubt, oder besser mit
Benutzung eines aus Fig. 7 ersichtlichen Zwischenstückes D mit
der Centrirvorrichtung verbunden. Das Zwischenstück wird auf den Gewindezapfen q aufgeschraubt und auf dieses das Instrument mit den
Stellschrauben, deren Füſse besonders geformt sein müssen (Fig. 8), in die zu diesem
Behufe vorhandenen Rinnen v gestellt, und sodann das
mit federnden Armen versehene Stück D1 darübergedreht, wodurch das Instrument auf seiner
Unterlage festgestellt und gehalten wird. Die die Halbkugel O oben begrenzende Ebene (zusammenfallend mit der unteren Ebene des
Zwischenstückes D) ist senkrecht zur Achse des
Einstellhebels Z und ist, wenn die mit D verbundene Dosenlibelle t oder in dem Falle als das Instrument direkt auf den Gewindezapfen
aufgeschraubt wurde, die zur Umdrehungsachse des Instrumentes senkrechten Libellen
einspielen, der Einstellhebel, das feste Loth vertikal, und umgekehrt.
Der Vorgang, der nun bei der Centrirung eines Instrumentes mit dieser
Hilfsvorrichtung zu beobachten ist, ist folgender: Die Spitze der Stange l wird auf den Scheitelpunkt des zu messenden Winkels gesetzt und hier
entweder von einem Arbeiter, oder indem man mit dem Fuſse auf den Stift a tritt, festgehalten; dann bewegt man das Stativ so
lange bis die oben genannten Libellen annähernd einspielen, und tritt dann die
Stativfüſse fest ein. Dann wird nach Feststellung des Statives das obere Ende des
Einstellhebels (natürlich bei gelüfteter Schraube F) so
lange verschoben bis die Libelle t (bezieh. die des
Instrumentes) genau einspielt und sodann durch Anziehen der Flügelschraube F die Centrirvorrichtung festgeklemmt, das Instrument,
wie vor bemerkt, auf das Zwischenstück gestellt u.s.w. Diese Operation währt bei
einiger Uebung kaum eine Minute und gewährt den Vortheil der Anwendbarkeit selbst in
solchen Fällen, wo der Stativkopf f eine derartige
Neigung hat, daſs die gewöhnlichen Stellschrauben zur Horizontrirung nicht mehr
ausreichen würden. Die Vorrichtung kann mit jedem Stativ leicht verbunden werden,
ist auch bei Wind anwendbar und es ist ferner die Einrichtung getroffen, daſs man
mittels einer (in den Figuren nicht gezeichneten) Druckfeder das feste Loth auslösen
kann und einen Senkel zur allfälligen Prüfung benutzen kann. Handelt es sich jedoch
nicht nur um die Centrirung des Theodolithen allein, sondern werden statt der
gewöhnlichen Stäbe und Stangen eigene Signale bei der Winkelmessung angewendet, die
ebenfalls möglichst genau centrirt werden sollen, und will man überhaupt die
Centrirung mit einem noch gröſseren Grad von Schärfe bewerkstelligen, so wird man
sich zweckmäſsig des vom geheimen Regierungsrath Prof. Nagel in Dresden bei der Stadtvermessung von Leipzig (neuestens auch bei
anderen Stadtvermessungen wie Bremen, Belgrad eingeführten) mit Erfolg verwendeten
Centrirapparates bedienen. Derselbe ist von Hildebrand
(Firma Hildebrand und Schramm, Mechaniker in Freiberg)
erdacht und kann aus den Fig. 9 bis 11 Taf. 23 dessen
Einrichtung ersehen werden. Die Centrirplatte P, welche
auf dem Stativkopfe K aufliegt und auf diesem
verschoben werden kann, geht in ein genau gearbeitetes zu ihrer Ebene senkrechtes
cylindrisches Rohr R aus, in dem unten ein
Schraubengewinde eingeschnitten ist, auf welches die Flügelmutter M zur Festklemmung paſst. Die Achse dieses Rohres soll
vertikal und genau über den Winkel-Scheitelpunkt, den man durch zwei sich nahe
rechtwinkelig schneidende Linien oder Fäden markirt, gebracht werden. Dieses wird
mit Hilfe eines kleinen Instrumentchens besorgt, dessen Vertikalschnitt Fig. 9, dessen
Grundriſs Fig.
10 gibt. In der innen etwas conischen mit dem Dreifuſs D auf die Platte P
aufzustellenden Büchse G paſst genau ein kleines
Fernrohr FO mit etwa 4- bis 5 maliger Vergröſserung,
dessen Ocularauszug die Einstellung auf Objecte selbst bis unter 0m,6 Entfernung gestattet. Die Objectivlinse O ist in das kugelförmige Ende K des Fernrohres eingeschraubt. Der Durchmesser der Kugel K (Centrirkugel) ist genau gleich jenem der
cylindrischen Röhre R. In fester Verbindung mit dem Fernrohr und
senkrecht gegen dasselbe ist die Platte H, auf welcher
die Libellen L und L1 so justirt sind, daſs beide einspielen, wenn die
optische Achse des Fernrohres vertikal ist. Das kleine Schräubchen o, welches in die rings um das Fernrohr gehende Nuth
greift, verhindert ein Herausheben desselben aus der Büchse. Die Anwendung ist nun
die folgende. Das Stativ wird so über den in der oben angegebenen Weise markirten
Winkelpunkt gebracht, daſs die cylindrische Oeffnung des Stativkopfes ziemlich
lothrecht über ihm ist, und wenn dann noch eine auf die Centrirplatte gesetzte
Dosenlibelle nahezu einspielt, so werden die Füſse des Statives festgemacht. Dann
stellt man den Centrirapparat so auf die Centrirplatte, daſs das kugelförmige Ende
des Fernrohres in die Röhre R und eine der
Stellschrauben in einen zu diesem Zwecke in der Centrirplatte vorhandenen radial
stehenden Schlitz zu stehen kommt; letzterer ist dazu da. eine drehende Bewegung des
Dreifuſses zu verhindern.
Dann wird man mit den Stellschrauben die Libellen L und
L1 zum Einspielen
bringen, also die Visur vertikal richten und auf den Winkelpunkt einstellen, durch
Verschiebung des ganzen Instrumentes sammt der Centrirplatte auf dem Stativkopfe so
lange bis das Bild des Winkelpunktes in den Kreuzungspunkt der Fäden kommt; dabei
hat man selbstverständlich fortwährend für das richtige Einspielen der Libellen L und L1 zu sorgen. Ist nun das erreicht, so wird die
Flügelschraube M angezogen und mit Hilfe der
Gegenplatte Q die Centrirplatte festgeklemmt. Weichen
hierbei die Libellen aus bezieh. die Visur vom Winkelpunkt etwas ab, so hat man die
entsprechende Correctur vorzunehmen. Durch diesen Vorgang hat man die Centrirplatte
mit ihrem oberen Röhrenende centrirt. Hebt man jetzt den Centrirapparat ab und setzt
den Theodolith, dessen Achse unten eine ebensolche Centrirkugel (schon bei der
sogen. Freiberger Aufstellung angewendet) angeschraubt hat, so auf, daſs die Kugel
in die Röhre R kommt, so ist hierdurch derselbe
centrirt. Ist an der Achse des Theodolithen statt der Kugel nur ein Centrirstift, so
wird man zunächst in das Rohr R das gut passende Stück
p (Fig. 11) einlegen; auf
diesem ist der Mittelpunkt c durch zwei sich
rechtwinkelig schneidende feine Linien genau bezeichnet, und es wird der Theodolith
so lange verschoben bis der Centrirstift genau über c
steht. An der Platte p befindet sich unten ein Haken
zum Einhängen eines Lothes und wird man dieses zur ersten beiläufigen Aufstellung
des Statives vortheilhaft verwenden. Mittels dieser Hilfsvorrichtung erreicht man
eine Centrirung selbst bis auf einige Zehntel eines Millimeters. In gleicher Weise,
wie man den Theodolith centrirt, werden auch die Signale, die zu diesem Zwecke
ebensolche Stative und Dreifüſse erhalten, aufgestellt; auf die sammt dem Stativ in
der oben angegebenen Weise richtig aufgestellten Centrirplatten kommen mit
Centrirkugeln versehene Dreifüſse und in diese die entsprechend ausgestatteten Signale. Bezüglich der
näheren Details dieser kann hier, wo es sich lediglich um die Erörterung des
Prinzipes des Centrirapparates handelt, auf die Originalabhandlung Prof. Nagel's im Civil-Ingenieur, 1886, verwiesen werden, was auch hinsichtlich der für die
Richtigkeit des Instrumentes geltenden Punkte, deren Untersuchung und Rectification
geschehen mag. Auch Vermessungsdirektor Gerke hat
diesen Centrirapparat bei der Vermessung von Altenburg in Gebrauch gehabt und mag
bezüglich der zweckmäſsigen Arbeitseintheilung der Aufsatz in der Zeitschrift für Vermessungswesen, 1888, nachgelesen
werden. Schlieſslich dürfte es nicht überflüssig sein, anzugeben, daſs das feste
Loth von Müller und Reinecke auf 100, ein
Centrirapparat von Nagel-Hildebrand auf 90 M. zu stehen
kommt.
R.