Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Autor: | Stammer |
Fundstelle: | Band 268, Jahrgang 1888, S. 413 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
(Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes S. 275
d. Bd.)
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Die neue Methode der qualitativen Invertzuckerbestimmung
von Ihl mittels Methylenblau (1888 268 223) wird von Herzfeld
(Deutsche Zuckerindustrie, 1888 Bd. 13 S. 234) der Beachtung empfohlen.
Bei Anwendung von 10g Zucker zu 50cc (mit Bleiessig wie üblich geklärt und mit
kohlensaurem Natron entbleit) und ein bis zwei Tropfen einer Methylenblaulösung,
welche 1g im Liter enthält, entfärbt sich die
Lösung beim Kochen über freier Flamme in weniger als einer Minute vollständig, wenn
die Substanz 0,2 Proc. Invertzucker enthält. Kohlensaures Natron braucht dabei nicht
besonders noch hinzugefügt zu werden, wenn man nur Sorge getragen hat, daſs beim
Fällen des Bleies ein kleiner Ueberschuſs zur Anwendung kam, so daſs die Flüssigkeit
schwach alkalisch reagirt.
Bei etwa zwei Minuten langem Kochen tritt auch bei einem Gehalt von 0,01 Proc.
Invertzucker im Zucker noch Entfärbung ein. Diese Empfindlichkeit ist für die
Erfordernisse der Praxis durchaus ausreichend und gegenüber der gröſseren Schärfe
der Soldaini'schen Lösung, welche ja ein ganz
vorzügliches qualitatives Reagens auf Invertzucker darstellt vielleicht insofern
eher vortheilhaft zu nennen, als man bei Anwendung der letzteren Methode in vielen
Fällen zur quantitativen Analyse schreiten und dann nachträglich das Ueberflüssige
dieser Arbeit erkennen wird, weil die Menge des vorhandenen Invertzuckers unter 0,05
Proc. beträgt.
Die neue Methode ist auch auf dunkel gefärbte Zucker, Syrupe und Melassen anwendbar,
die Lösung erscheint dabei zwar nicht blau, sondern grün, doch ist der Uebergang der
Färbung in das ursprüngliche Gelb bezieh. Gelbbraun deutlich zu erkennen.
An der Luft kommt die blaue Farbe des Methylenblaus beim Stehen der Lösung, rascher
beim Schütteln, bald wieder.
Soll die Untersuchung der Melasse mittels des
Inversionsverfahrens richtige Ergebnisse liefern, so muſs man nach A. Herzfeld (Deutsche Zuckerindustrie, 1888 Bd. 13 S.
70, im Auszuge Chemiker-Zeitung, 1888 Bd. 12
Repertorium Nr. 5) folgendes beachten: Die Inversion soll man genau nach Creydt's Angaben vornehmen (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1887 Bd. 37 S. 158),
insbesondere Salzsäure von 38 Proc. (spec. Gew. 1,188) anwenden, die Temperatur und
Zeitdauer der Erwärmung einhalten, keinen Bleiessig und nicht mehr als 0,5 bis 1g pulverisirte, mit Salzsäure ausgewaschene
Knochenkohle zum Klären nehmen. Ferner soll man unter sorgfältiger Controlirung der
Temperatur, durch ein richtiges Normalthermometer, in einem gläsernen, oder stark
vergoldeten Messingrohre, welches das Einsenken des Thermometers gestattet, unter
Wasserkühlung genau bei 20° polarisiren, nachdem man sich vorher von der Richtigkeit
des linken Theiles der Skale vergewissert hat.
Die Berechnung soll nach der neuerdings von Landolt
verbesserten Clerget'schen Formel
R=\frac{100\,S}{142,4-0,5\,t}
geschehen, wobei t die
Temperatur, R den Rohrzuckergehalt und S die algebraische Summe der Ablesungen vor und nach
der Inversion bezeichnet.
Alle Abweichungen von diesen genauen Vorschriften bedingen mehr oder weniger
bedeutende Fehler. Die Creydt'sche Formel unter
Berücksichtigung des Raffinosegehaltes anzuwenden,
empfiehlt sich nicht, besonders da dieselbe auf gleichzeitig anwesenden Invertzucker
und andere optisch-active Substanzen keine Rücksicht nimmt.
Ueber das Vorkommen des Doppelspathes. In einer Eingabe
an die Reichsregierung hatte die Deutsche Gesellschaft für
Mechanik und Optik im Anfang vorigen Jahres auf die groſse Gefahr
hingewiesen, welche der deutschen Wissenschaft und auch manchem Gewerbe, z.B. der
Zuckerindustrie, durch den eingetretenen Mangel an
Doppelspath drohe. Die Gesellschaft hatte gebeten,
durch Verhandlungen mit der dänischen Regierung über die in Island hervorgetretenen
Schwierigkeiten bei der Späthforderung Klarheit zu schaffen, und wenn thunlich durch
Vermittelung der deutschen Vertretungen im Ausland neue Fundstellen für Doppelspath
aufzuspüren. Die Reichsregierung hat die Vorstellung zur Erledigung an das Königl.
preuſsische Ministerium der öffentlichen Arbeiten gelangen lassen. Von dieser
Behörde sind umfassende Erhebungen über den Betrieb und die Ertragsfähigkeit der
isländischen Gruben, sowie über das Vorkommen des Doppelspathes überhaupt angestellt
worden. Die Ergebnisse der Ermittelungen sind der Deutschen
Gesellschaft für
Mechanik und Optik nunmehr zugegangen. Wir theilen dieselben nach der Zeitschrift für Instrumentenkunde, 1888 Bd. 8 S. 64 in
Nachstehendem mit:
„Wie die angestellten Ermittelungen ergeben haben, ist die an der Ostküste der
Insel Island gelegene Grube Helgustadafjall am Eskefjord, welche seit 1879
Eigenthum der Landeskasse Islands ist und bisher die einzige Bezugsquelle von
isländischem Doppelspath bildete, zweimal auf öffentliche Kosten ausgebeutet
worden, und zwar im Sommer der Jahre 1882 und 1885. Der bei Weitem gröſste Theil
dieses Ertrages der Ausbeutung ist verkauft worden, der Rest befindet sich in
der Obhut des Vorstehers des Laboratoriums Struer
in Kopenhagen (Skindergade 38), welcher den Doppelspath für Rechnung des
Ministeriums für Island vertreibt. Bei dem letztmaligen Betrieb der Grube
handelte es sich vornehmlich darum, spätere, umfangreichere Gewinnungsarbeiten
vorzubereiten. Nach Ansicht des Königl. dänischen Ministeriums kann die Grube
keineswegs als erschöpft; angesehen werden, doch ist von einer Ausbeutung in
allernächster Zeit deswegen abgesehen, weil gegenwärtig die Einfuhrung eines
vortheilhafteren Betriebsverfahrens in Erwägung gezogen wird.
„Nach einem von dem Geologen Helland im Norwegischen Archiv für Mathematik und
Naturwissenschaft veröffentlichten Aufsatze kommt der Doppelspath bei
Helgustadir in einem netzförmig verzweigten Gange von gewöhnlichem Kalkspath
eingesprengt in sehr unregelmäſsiger Verkeilung vor. In den letzten 200 Jahren
(bis 1879) hat ein regelrechter Abbau überhaupt nicht stattgefunden; es wurde
nur hin und wieder ohne bestimmten Plan aufs Gerathewohl nach Doppelspath
geschürft. Nachdem aber die Grube in den Besitz der dänischen Regierung
übergegangen ist, dürfte für eine planmäſsige und wirthschaftliche Ausbeutung
des noch vorhandenen Spathes gesorgt sein.
„Nach Petermanns Geographischen Mittheilungen, 1886
S. 349, hat übrigens der Geologe Th. Thoroddsen
auch im nordwestlichen Theil von Island bei Djupidalr am Breitifjord einen neuen
Fundort von Doppelspath entdeckt, welcher ebenso beschaffen sein soll wie
derjenige von Helgustadir. Ueber die Ergiebigkeit dieser Fundstätte ist indessen
noch bekannt geworden. Jedenfalls aber dürfte die von der Deutschen Gesellschaft für Mechanik und Optik
ausgesprochene Befürchtung, daſs das isländische Vorkommen von Doppelspath
binnen Kurzem seiner völligen Erschöpfung entgegengehe, in den vorstehenden
Nachrichten keine Bestätigung finden.
„Wie aus mineralogischen Werken und Sammlungen zu ersehen ist, hat sich
Doppelspath an anderen Orten nur als Seltenheit und immer nur vereinzelt in
klaren durchsichtigen Krystallen gefunden. Aus Lampasas County (Texas) sind dem
Geological Survey kürzlich einzelne Stücke
zugegangen, weitere Nachforschungen in dieser Gegend werden für aussichtsvoll
gehalten.
„Die vorliegenden Nachrichten geben allerdings wenig Hoffnung, daſs auſserhalb der
Insel Island bedeutende Vorräthe von Doppelspath gefunden werden, doch ist
anscheinend der vorliegenden Frage bisher noch keine besondere Aufmerksamkeit
zugewendet worden. Erst in Folge, der gegebenen Anregung dürften namentlich in
Amerika von Seiten des Geological Survey darauf
bezügliche Untersuchungen angestellt werden.
„In Anbetracht der nicht gerade ungünstigen Mittheilungen über die isländischen
Lagerstätten von Doppelspath erscheint demnach eine weitere Mitwirkung der
Consular-Behörden zur Ermittelung neuer Fundstellen dieses Minerales, wie sie
von der Deutschen Gesellschaft für Mechanik und
Optik beantragt worden ist, im Interesse der Wissenschaft zur Zeit für
nicht geboten und würde nach Lage der Verhältnisse gegenwärtig auch keinen
Erfolg versprechen.“
Im Anschluſs an frühere Mittheilungen (z. Th. 1887 266 *
132. 522 * 592) hat L. Wulff in Schwerin i.M. Versuche
und Beobachtungen über Krystallisation des Zuckers
beschrieben (Zeitschrift des Vereins für
Rübenzuckerindustrie d.d.R., 1888 * Bd. 38 S. 226). Die bisher wenig in
Betracht gezogenen Erscheinungen der Zuckerkrystallisation sind wohl geeignet,
manche bisher dunklen Theile der Fabrikation zu erhellen, und der Verfasser bringt
hierzu manchen Beitrag, obwohl noch zahlreichere Beobachtungen auf diesem Gebiete
nothwendig sind. Die demselben patentirten Verfahren (a.a.O. und Krystallisation in
Bewegung * D.R.P. Nr. 33190 und * Nr. 38893) sind ein Beweis dafür, daſs schon die
bisherigen nutzbringend angewendet werden können, und zwar nicht in der
Zuckerfabrikation allein.
Aus der neuesten umfangreichen oben erwähnten Abhandlung sollen hier nur die
hervorragendsten Stellen angeführt werden.
Die Einwirkung der Verunreinigungen auf die Krystallisation betreffend bemerkt der
Verfasser:
Man ist gewöhnt, bei der Wertschätzung der Zuckerlösungen sich fast ausschlieſslich
an die Ergebnisse der chemischen Analyse zu halten, übersieht aber dabei, daſs nicht
nur die Quantität der einzelnen Stoffe, sondern auch die chemische Bindungsweise der
Substanzen von Belang sein kann. Es können quantitativ absolut gleich
zusammengesetzte Zuckerlösungen sich sehr verschieden verhalten.
Ein Beispiel hierfür ist folgendes: Bekanntlich vereinigen sich Chlornatrium und
Zucker zu einer Doppel Verbindung von je einem Molekül C12H22O11
und NaCl; fügt man also einer Kandislösung 5 Proc. Kochsalz zu, so können bis 30
Proc. des gelösten Zuckers als Rohrzuckerchlornatrium gebunden werden. Fügt man
jetzt noch 32 Proc. des ursprünglichen Lösungsquantums an wasserfreiem Traubenzucker
hinzu, so kann derselbe auf den noch vorhandenen Zucker einwirken. Es wird die
Krystallisationsfähigkeit sowohl vermindert, als auch die Krystallisationsgeschwindigkeit
verlangsamt. So würde die Zuckerlosung auſser dem nicht gebundenen Zucker noch
gröſsere Quantitäten von Rohrzuckerchlornatrium enthalten.
Anders würde sich der Einfluſs von 5 Proc. Chlornatrium und 32 Proc. Traubenzucker
verhalten, wenn man dieselben nicht einzeln, sondern als Traubenzuckerchlornatrium
2C6H12O6 + NaCl (einer wenn auch nicht leicht
krystallisirenden Substanz) zufügt. Während bei der Zufügung der einzelnen
Verunreinigungen eine groſse Menge Zucker chemisch gebunden wird, und dann noch die
entstandene Doppel Verbindung zusammen mit Traubenzucker auf die Krystallisation
einwirkt, haben wir ei dem Zufügen derselben Mengen beider Nichtzucker als
Doppelverbindung nur die Hemmung zu berücksichtigen, welche die sehr leicht lösliche
Doppelverbindung auf die Zuckerkrystallisation ausübt.
Ist es an und für sich schon sehr schwer, manche Verunreinigungen quantitativ
nachzuweisen, so wird die Beurtheilung der Einflüsse der Verunreinigungen noch sehr
dadurch erschwert, daſs hierzu auch die gegenseitige Bindungsweise der Nichtzucker
unter sich oder mit Zucker bekannt sein müſste. Diese Vorgänge sind sehr
verwickelter Natur und ihre Erkennung und Erklärung bietet daher mancherlei
Schwierigkeit. Es wird bei der Betrachtung des Einflusses von Nichtzucker oft nicht
genau genug die verschiedene Natur dieses Einflusses aus einander gehalten. Geht der
Nichtzucker mit Zucker eine feste Verbindung ein, so kann der so gebundene Zucker
nur durch chemische Zersetzung wieder als reiner Zucker gewonnen werden. Durch eine
solche Verbindung wird für eine bestimmte Menge von Zucker die
Krystallisationsmöglichkeit vollständig aufgehoben.
Geht der Zucker mit einem Nichtzucker keine Doppelverbindung ein, so kann auch nicht
für ein bestimmtes Quantum Zucker die Krystallisationsfähigkeit aufgehoben, sondern
nur die Krystallisation gehemmt werden, so daſs der Zucker nur sehr langsam sich
ausscheiden kann. Diese chemische Aufhebung der Krystallisationsfähigkeit und die
physikalische Verzögerung der Krystallisationsgeschwindigkeit ist stets genau aus
einander zu halten. Der erste Einfluſs ist ein ziffernmäſsig darstellbarer, und er
ist unabhängig von der Quantität der Lösung. Mag die Lösungsrnenge groſs oder klein
sein, dieselbe Quantität eines Nichtzuckers stets dieselbe Quantität Zucker.
Der zweite Einfluſs ist nicht ziffernmäſsig darzustellen, auch ist er abhängig von
der Menge des reinen Zuckers, mit dem zusammen eine Quantität Nichtzucker vorkommt,
Ist der Nichtzucker in geringen Procenttheilen vorhanden, so ist die Einwirkung kaum
festzustellen, treten gröſsere Mengen des Nichtzuckers auf, so kann die
Krystallisationsfähigkeit in hohem Grade gehemmt werden.
Auch für den physikalischen Einfluſs sind zwei Einwirkungen zu unterscheiden. Bei
künstlichen Salzkrystallisationen wird oft der Lösung eine zähe Masse hinzugefügt, um
die Krystallisation zu verlangsamen. Dieser Einfluſs der zähen Verunreinigungen ist
darauf zurückzuführen, daſs durch dieselben die Beweglichkeit der einzelnen Theile
der Flüssigkeit verringert wird. Hat also ein Krystall aus seiner unmittelbaren
Umgebung die auskrystallisirbare Substanz entnommen, so können nur sehr langsam aus
den entfernteren Schichten der Lösung frische concentrirtere Theilchen in die
unmittelbare Nähe der Krystalle dringen. Dieser physikalische Einfluſs bedingt nicht
nothwendig einen verhältniſsmäſsigen Verlust an Zuckerausbeute. Der so gehemmte
Zucker fällt vollständig heraus, wenn man entweder die Krystallisationsdauer so weit
ausdehnt, daſs die ganze Quantität des Zuckers ausgefallen ist (dies geschieht, so
weit es angeht, ja stets im Fabrikbetriebe der Nachproducte), oder indem man die
Krystallisation nicht in Ruhe, sondern in Bewegung verlaufen läſst.
Ein zweiter gleichfalls physikalischer Einfluſs ergibt sich aus der Ansicht des
Verfassers, wonach mit dem Uebergange des gelösten Zuckers aus dem gelösten in den
krystallisirten Zustand stets ein Umsetzen aus der amorphen in die krystallinische
Modifikation des Zuckers verbunden ist, ein Vorgang, der dem Erstarren der
geschmolzenen Substanzen weit mehr ähnlich ist als dem einfachen Auskrystallisiren
eines gelösten Salzes.
In mancherlei Weise übt der Wechsel der Temperatur Einfluſs auf die auftretenden
Veränderungen aus. Verbindet sich ein Nichtzucker mit Zucker, so können bei
verschiedenen Temperaturen verschiedene Verbindungen entstehen, je nachdem ein
Molekül Nichtzucker in der Hitze mehr oder weniger Moleküle Zucker zu binden vermag,
als in der Kälte. Je nachdem das eine oder das andere der Fall ist, geht in der
Hitze oder in der Kälte durch die gleiche Quantität des Nichtzuckers mehr Zucker
durch chemische Bindung als Melasse verloren. Auch ohne daſs die gegenseitigen
Mengenverhältnisse in der Doppellverbindung sich ändern, können dieselben bei
verschiedenen Temperaturen verschieden wirken, wenn sie als Hydrate in Lösung sind,
denn bekanntlich enthalten sehr viel Hydrate bei verschiedenen Temperaturen
verschieden viel Moleküle Krystallwasser.
Ist dies bei einer Doppelverbindung der Fall, die in einer Zuckerlösung vorhanden
ist, so kann die Umsetzung aus dem in höheren Temperaturen gebildeten Hydrat mit
weniger Wasser in ein Hydrat mit mehr Wasser, Veranlassung sein, daſs eine Quantität
Wasser chemisch gebunden wird, wodurch eine Ueberconcentration in der Lösung
hervorgebracht werden kann.
Doppelverbindungen bilden sich nicht bei allen Temperaturen mit gleicher
Leichtigkeit, und so ist es möglich, daſs bei hohen Temperaturen ein Nichtzucker
frei neben Zucker vorkommt, der sich bei niedrigeren Temperaturen mit dem Zucker
verbindet, wodurch die Ausbeute an Zucker verringert würde. So kann es kommen, daſs ein Saft,
der sich gut auf Korn kochen lieſs, einen Syrup ergibt, der blankgekocht und
abgekühlt eine unerwartet geringe Ausbeute liefert.
Auch die Concentration der Säfte ist nicht ohne Einfluſs auf die gegenseitige Bindung
der Bestandtheile des Saftes. Je concentrirter die Säfte werden, desto leichter
treten Bindungen von Molekülen ein. So können in den verschiedenen
Concentrationsstufen eines Saftes verschiedene Bindungsweisen der Bestandtheile
auftreten.
Auch bei Nichtzuckern, die sich weder mit Zucker verbinden, noch mit ihm zusammen
krystallisiren, können für verschiedene Temperaturen verschiedene Einflüsse auf die
Krystallisation des Zuckers stattfinden.
Der Verfasser hat nun zahlreiche thermometrische
Messungen vorgenommen, welche über die Vorgänge bei der Abkühlung und
Krystallisation von Zuckerlösungen neue und werthvolle Aufschlüsse gegeben
haben.
Wenn man ein Gefäſs mit heiſsem Wasser in einem Zimmer von gleichmäſsiger Temperatur
abkühlen läſst und in stets gleichen Zeiträumen die Temperaturen des Wassers miſst
und die Abkühlung für alle Zeitintervallen berechnet, so werden diese constant und
gleichmäſsig kleiner, weil die Temperatur des Wassers sich allmählich der Temperatur
des umgebenden Raumes nähert. Trägt man in einer Tabelle auf einer Geraden die
Temperaturen von 100 bis 20° ein und senkrecht dazu die Abkühlungen, die hei den
einzelnen Temperaturgraden für das gleiche Zeitintervall stattgefunden haben, so
erhält man fast eine gerade Linie. Zum Vergleiche damit zeigt eine andere Curve den
Verlauf der Abkühlung für eine bei etwa 58° mit der Krystallisation beginnende
Boraxlösung. Bis gegen 61° hin nimmt die Abkühlung in ähnlicher Weise ab, wie die Wassercurve es angibt, aber von 61 bis 58°
nimmt die Abkühlung plötzlich zu. Da der Apparat während dieser Zeit durch
Ausstrahlung nach auſsen nicht mehr Wärme als bei Temperaturen über abgeben kann,
sondern, wie die Wassercurve zeigt, weniger abgibt, so muſs die schnellere Abkühlung
durch einen Wärme verbrauch im Inneren der Lösung verursacht sein. Eine Reihe von
Untersuchungen anderer Salze haben gelehrt, daſs diese Zunahme der Abkühlung sich
vor dem Krystallisiren zeigt, sobald eine Ueberconcentration eintritt; von 58° ab
nimmt die Abkühlung schnell ab, und ist sie bei 55° nur mehr der fünfte Theil von
der Abkühlung bei 58°. Da die Ausstrahlung des Apparates bei 55° nur wenig geringer
als bei 58° ist, zeigt diese plötzliche Abnahme der Temperaturerniedrigung, daſs in
der Lösung Wärme erzeugt wird, durch welche der gröſste Theil er Wärmeausstrahlung
des Apparates ausgeglichen wird. Diese Wärme, durch die Krystallisation des Borax
erzeugt, und die Erfahrung ei allen Salzen zeigt, daſs bei allen Krystallisationen
Wärme entwickelt wird.
Der Verfasser bestimmte ferner die Abkühlungscurve für eine Lösung von 4 Th. Zucker
und 1 Th. Wasser. Der Verlauf der Curve bis 76° hin ist fast derselbe wie bei der
Wasserlinie, meist ist die Abkühlung wenig langsamer gewesen als beim Wasser, aber
von 76° bis 73° nimmt die Abkühlung zu, und wird für kurze Zeit wesentlich gröſser
als beim Wasser. Der Abschnitt der Zuckerlinie von 76 bis 73° entspricht der
Steigerung, welche die Abkühlungscurve vom Borax zwischen 61° und 58° zeigt. Auch
beim Zucker wird das schnellere Sinken der Lösungstemperatur durch den Eintritt der
Ueberconcentration verursacht. Von 73° bis 70° nimmt die Abkühlung schnell ab, und
ist bei 70° nur mehr zwei Drittel der Abkühlung bei 73°. Bei 67° ist die Abkühlung
nur mehr die Hälfte von derjenigen bei 73°. In diesen Temperaturgraden findet die
intensivste Krystallisation statt, und damit auch die intensivste Wärmeentwickelung.
Wie der Vergleich der Curven für Borax und Zucker lehrt, sind die
Wärmeentwickelungen und der Wärmeverbrauch bei der eintretenden Ueberconcentration
bei der Krystallisation von Borax und derjenigen von Zucker zwar verschieden den
Zifferwerthen nach, aber der Verlauf beider Curven zeigt doch vollkommene Analogie,
so daſs die Krystallisation des reinen Zuckers dieselben Wärmeerscheinungen erkennen
läſst, wie Salze, deren Lösungen leicht überconcentrirt werden.
Wie die Besprechung der bei verschiedenen Zuckerlösungen sich ergebenden Curven
zeigt, lassen sich durch thermometrische Untersuchungen Vorgänge erkennen, die sich
der unmittelbaren Beobachtung entziehen. Von Interesse ist es aber häufig für einen
Saft, zu wissen, erstens bei welcher Temperatur er zu krystallisiren beginnt,
zweitens ob unnormale Umsetzungen in demselben stattfinden, und bei welcher
Temperatur dies stattfindet. Diese Fragen lassen sich durch die Untersuchung der
abkühlenden Säfte sehr wohl beantworten, wie dies der Verfasser an einigen
Beispielen nachweist. Sehr häufig sind aber Antworten auf diese Fragen nicht nur
interessant, sondern auch werthvoll, weil sie Fingerzeige für den Fabrikbetrieb
enthalten.
Auch in der Werthschätzung von Rohzuckern können derartige Untersuchungen von
Bedeutung sein.
Der Verfasser benutzt dann weiterhin seine Wahrnehmungen zur Beleuchtung des
Vorganges bei der Osmose, und theilt die Beobachtung
einiger merkwürdigen Thatsachen in Bezug auf denselben mit.
Der Osmosevorgang wird durchweg als ein rein physikalischer dargestellt, durch den
die leichter krystallisirbaren Bestandtheile von den schwer oder gar nicht
krystallisirbaren getrennt werden, indem man annimmt, daſs die Diffundirbarkeit und
die gröſsere und geringere Krystallisirbarkeit der Körper sich von Körper zu Körper
in gleichem Sinne ändern. Der Zucker würde hierbei eine mittlere Stellung einnehmen,
indem er nicht so leicht wie die meisten Salze diffundirt, Wäre diese Ansicht in ihrer Einfachheit
wahr, so müſsten die Nichtzucker durch die Osmose in zwei Gruppen getheilt werden,
es würden die freien Salze herausgeschafft aus dem osmosirten Safte, es würden aber
in demselben verbleiben die weit schwerer als Zucker krystallisirbaren Verbindungen
von Salzen und Zucker, die unkrystallisirbaren Verbindungen von Zucker und einigen
organischen Substanzen und die schleimigen organischen Nichtzucker, d.h. es würden
gerade diejenigen Nichtzucker mit dem Zucker zurückbleiben, welche auf die
Krystallisation den gröſsten physikalischen Einfluſs ausüben, und es würden
diejenigen Stoffe herausgeschafft, die nur geringen Einfluſs auf die Krystallisation
haben könnten. Wäre dem so, so würde das Osmosiren die Säfte verschlechtern, weil
die schädlichsten Substanzen im Safte bleiben und die unschädlichen nebst einem
Theil Zucker herausgeschafft werden. Nun ist aber die günstige Wirkung der Osmose in
den weitaus meisten Fällen nicht zu verkennen und es drängt sich daher die Frage
auf, wie dies zu erklären sei.
Der Verfasser war bisher der Ansicht, daſs die im Osmoseabwasser enthaltenen Nichtzucker eigentlich nur von geringem
Einfluſs auf die Krystallisation seien; das bessere Krystallisiren der meisten
Osmosefüllmassen glaubte er in anderer Weise erklären zu können.
Direkte Versuche haben aber zur Aenderung dieser Ansicht genöthigt. Die Resultate der
Versuche, Zucker, der in Osmosewasser gelöst war,
auszukrystallisiren, zeigte nämlich, daſs der Einfluſs des Osmosewassers geradezu
vernichtend war. Eine gut auskrystallisirte Quantität von Osmosewasser wurde
erhitzt, bis die leichter löslichen Salze gelöst waren. Dieser heiſsen Masse wurde
Zucker zugesetzt, und der Saft der langsamen Abkühlung überlassen. Es zeigte sich
aber kein Zuckerkryställchen, also war die Einwirkung des Osmosewassers nicht
abzuleugnen, es krystallisirte aber auch nur ein Theil der früher ausgeschiedenen
Salzkrystalle heraus, besonders fehlten die vorher reichlich vorhandenen Würfel von
Chloralkalien. Es zeigte sich also, daſs der Einfluſs der Nichtzucker in erster
Linie ein chemischer gewesen war. Ein Theil der Salze hatte sich mit Zucker
verbunden, und so war nicht nur die Krystallisation des Zuckers, sondern auch die
der Salze aufgehoben worden.
Es ergibt sich hieraus, daſs der Einfluſs der Osmose nicht ein rein physikalischer
ist, sondern daſs in den erhaltenen beiden Theilsäften, dem Osmosewasser und dem
osmosirten Syrup, Substanzen enthalten sind, die nicht indifferent neben einander
bestehen, sondern sich gegenseitig binden. In Bezug auf die Erklärung der trennenden
Wirkung der Osmose sind zwei Annahmen möglich.
1) Es kann der Zerfall der Doppelverbindung in der Hitze in der verdünnten Lösung
schon ohne Einwirkung der Membran vor sich gegangen sein. Es wurde bereits oben
darauf hingewiesen, wie in concentrirten Massen leichter Doppelverbindungen entstehen als in
verdünnten. So wäre es auch sehr wohl erklärlich, daſs in den verdünnten Lösungen
die Doppel Verbindungen weniger beständig sind als in den concentrirten Säften, so
daſs in den heiſsen verdünnten Säften, in welche man ja die Syrupe vor der Osmose
stets überführen muſs, ein Theil der Doppelverbindungen zerfällt. 2) Es können auch
in den heiſsen verdünnten zur Osmose gehenden Syrupen alle Doppelverbindungen
bestehen, aber es kann wegen der höheren Temperatur schon die Beständigkeit der
Doppelverbindung so weit vermindert sein, daſs die verschiedene Intensität, mit der
die einzelnen Substanzen von der Membran aufgenommen werden, genügt, um einen
Zerfall der Doppelverbindungen zu erzeugen.
Wie dem aber auch sei, der Umstand, daſs die Osmose aus einem Safte, der freien
Zucker enthält, Salze herausbringt, die mit freiem Zucker zusammen gebracht, sich
mit diesem chemisch verbinden, zeigt, daſs der Vorgang der Osmose kein rein
physikalischer ist.
Es wird nun Sache der der Praxis näher Stehenden sein, die neuen Wege weiter zu
verfolgen, und immer mehr Klarheit in das noch so wenig erhellte Gebiet zu
bringen.
Stammer.
(Fortsetzung folgt.)