Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Autor: | Stammer |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 126 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
(Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes S. 73
d. Bd.)
Mit Abbildungen auf Tafel
7.
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Ueber den neuen amerikanischen sogen. Yaryan-Verdampfapparat, von welchem in D. p.
J. 1887 266 * 128 eine allgemeine Besehreibung
gegeben worden ist, liegt jetzt in der Patentschrift (*D. R. P. Kl. 6 Nr. 42502 vom
5. November 1886) eine ausführliche Mittheilung vor; auch ist mehrfach über
denselben berichtet worden, so u.a. in der Deutschen
Zuckerindustrie, 1888 Bd. 13 S. 502, woraus folgendes zur Vervollständigung
der angeführten früheren Beschreibung zu entnehmen ist.
Der Hauptvorzug des neuen Apparates liegt nicht sowohl in der Gröſse der
Arbeitsleistung, als in der Wohlfeilheit der Anlage, der Einfachheit des Betriebes,
der Raumersparniſs und der geringen Menge der verdampfenden Flüssigkeit. Nach Springmühl's Mittheilung in Scheibler's neuer Zeitschrift für Zuckerindustrie, 1888 Bd. 30 S. 96,
sollen bereits in Nordamerika und Westindien 60 Yaryan-Apparate, darunter ein Vierkörper für eine tägliche Verdampfung von
600000l, in England 14 Apparate und in
Deutschland ein Apparat in Thätigkeit sein und überall sehr gerühmt werden; die
geringeren Heizflächen sollen weit mehr als die bisherigen Verdampfkörper leisten,
indem auf 1k Kohle 23k Wasser verdampft werden können. Da ferner der Saft nur wenige Minuten
einer höheren Temperatur ausgesetzt bleibt, soll niemals Inversion oder
Karamelisirung eintreten. Sodann liefert der Apparat bereits wenige Minuten, nachdem
er in Betrieb gesetzt worden ist, fertigen Dicksaft, und auch die Reinigung der
Siederohre soll leicht und das Condensationswasser völlig zuckerfrei und als
Speisewasser verwendbar sein.
Einen wesentlichen Theil der (früher im Einzelnen nicht beschriebenen) Einrichtung
werden die Fig.
12 und 13 Taf. 7 klar machen.
Die Vertheilung des Saftes gleichzeitig in alle Röhren erfolgt, wie aus Fig. 12
ersichtlichFig.
12 ist ein Längsschnitt durch die Vertheilungskammer und den
Wasserverschluſs, Fig. 13 ein
solcher durch die Scheidekammer und einen Theil des Rohrkörpers.,
von einem vor den Oeffnungen derselben befindlichen Raume, der Vertheilungskammer
aus. In dieser befindet sich eine mit conischen Stiften besetzte Platte, welche
mittels eines Handhebels wagerecht verschoben werden kann und mit den Stiften in die
durch Ringe
verengten Rohrenden eingreift und sie hierdurch mehr oder weniger für das Eindringen
von Saft aus der Vertheilungskammer geöffnet hält. Das in den Verdampfungsröhren
gebildete Gemisch von Saftdampf und Dicksaft durchströmt nun einen an den Rohrkörper
sich anschlieſsenden vergröſserten Saftfänger (Fig. 13), hier
Scheidekammer genannt, einen kurzen Cylinder von bedeutend gröſserem Durchmesser als
der Rohrkörper, ausgesetzt mit drei vertikalen Platten, welche abwechselnd links und
rechts einen Randausschnitt und unten eine Saftabfluſsöffnung besitzen. Der
Saftdampf setzt in der Scheidekammer auf seinem langen hin und her gehenden Wege die
von ihm mitgeführtenmitgegeführten Safttröpfchen an den Platten ab und wird wie bei anderen
Mehrkörperapparaten durch ein Uebersteigrohr in den Dampfraum des zweiten
Rohrkörpers geleitet, um hier zur Verdampfung wieder verwendet zu werden; der in der
Scheidekammer zusammenflieſsende Dicksaft dagegen sammelt sich in einem kleinen
Cylinder unter der Scheidekammer, der sogen. Schwimmerkammer, wo ein Schwimmerventil
verhindert, daſs er unter eine bestimmte Höhe sinkt. Von hier flieſst der Saft durch
ein Verbindungsrohr, welches stets mit Saft gefüllt bleiben muſs, zur
Vertheilungskammer des nächstfolgenden Apparates. Die Vertheilungskammern müssen
wegen der Gleichzeitigkeit der Vertheilung in sämmtliche Verdampfrohre stets bis
oben mit Saft gefüllt sein.
Sobald der Apparat in Betrieb gesetzt ist, suchen die Luftverdünnungen in den
verschiedenen Theilen des Apparates im Gleichgewicht mit einander zu bleiben, und es
tritt in diesem Bestreben keine Aenderung ein, so lange der in dem ersten System
wirkende Dampfdruck und die in dem letzten System hergestellte Luftverdünnung sich
nicht andern. In der Regel beträgt bei einem Dampfdruck von 1at im Cylinder des ersten Systemes und einem
Vacuum von 700mm im dritten System das Vacuum im
ersten System etwa 125mm und im zweiten etwa
380mm Quecksilbersäule.
Die Verschiedenheit im Durchmesser des Röhrenkörpers und des Saftkörpers ist gewählt,
um Spannungen im Apparate auszugleichen, welche durch Ausdehnung der Metalle in
Folge von Erwärmung hervorgerufen werden. Es werden nämlich die Röhren in der Regel
aus Kupfer und der Kessel aus Eisen hergestellt, und die breite Randfläche der
Stirnplatte wirkt wie ein schwingendes Diaphragma und gestattet so den Heizröhren
ohne Schädigung des Apparates sich auszudehnen oder zusammenzuziehen. Um durch die
Einführung der Hebelstange der Stiftenplatte (Fig. 12) nicht die
Dichtigkeit des Apparates zu gefährden, ist vor der Stopfbüchse ein Wasserverschluſs
mit einer zweiten Stopfbüchse angebracht.
Ueber das Verfahren der Melassenentzuckerung durch Zurückführung der Syrupe in die Saftextraction nach Manoury berichtete S.
Szyfer in Mironowka und zeigte übereinstimmend mit früheren anderweiten
Untersuchungen (vgl.
1888 267 132), daſs günstige Ergebnisse von der Anwendung
dieses Verfahrens nicht erlangt werden und auch gar nicht zu erhoffen sind (Deutsche Zuckerindustrie, 1888 Bd. 13 S. 569), wie dies
ja auch schon wiederholt ausgesprochen und begründet worden ist.
Den Einfluſs des Ammoniaks beim Elutionsprozeſs bestimmte J.
Seyffart in Wegeleben durch eine Reihe von Versuchen (Zeitschrift des Vereins für Rübenzucker-Industrie, 1888
Bd. 38 S. 356).
Die Beseitigung des lästigen sich nach und nach in dem Spiritus der Elutionslaugen
anhäufenden Ammoniaks wird, wie neuere dahinstrebende Patente beweisen, als ein
wünschenswerther Fortschritt auf dem beregten Gebiet angesehen. Von der unbestritten
groſsen Lästigkeit des Ammoniakdunstes beim Einfüllen frischen Melassekalkes in die
mit ammoniakalisch-spirituöser Lauge vorgefüllten Eluteure abgesehen, ist die Frage
der fabrikativen Schädlichkeit des Ammoniakgehaltes im Elutionsspiritus noch wenig
besprochen und bearbeitet worden. Die Ansichten hierüber sind getheilt, und es kann
der Einfluſs sich in verschiedener Richtung äuſsern, nämlich entweder in einer
Vermehrung des Spiritusverlustes beim Destilliren, oder
in einer Verminderung oder Vermehrung des Zuckerverlustes in den Abfluſslaugen, oder endlich in einer Begünstigung
oder Benachtheiligung der schlieſslich erreichten Reinigung des Melassekalkes.
Die Untersuchungen führten zu folgenden Schlüssen:
1) Der Ammoniakgehalt des Elutionsspiritus vergröſsert die
Spiritusverluste.
2) Der Ammoniakgehalt des Elutionsspiritus bringt bei gleichem
Alkoholgehalt keine höheren Zuckerverluste in der Lauge mit sich.
3) Der Ammoniakgehalt des Elutionsspiritus von gleichem
Alkoholgehalt verzögert etwas die Reinigung des Melassekalkes, besonders in Hinsicht
auf die Auswaschung der Kalksalze.
Hugo de Vries hat das Molekulargewicht der Raffinose durch seine
plasmolytische Methode (Vergleich der osmotischen Kraft) bestimmt (Comptes rendus, 1888 Bd. 106 S. 751) und gefunden, daſs
von drei Formeln, wie sie verschiedene Chemiker aufgestellt haben und von denen
keine sich allgemeiner Anerkennung erfreute, die von Loiseau und von Scheibler angenommene C18H32O16, 5H2O am meisten
und in der That sehr nahe mit seinen Versuchsergebnissen übereinstimmt.
Von den vielen jetzt erscheinenden Mittheilungen über Fahlberg's Saccharin (1887 264 569 und 266 518) möge hier nur die Besprechung Aufnahme finden,
welche „Die deutsche Zuckerindustrie“, 1888 Bd. 13 S. 490 brachte:
In der Sitzung der französischen Akademie für Heilkunde (académie
de médecine) vom 10. April besprach Herr Dr. Worms,
welcher die Diabetik (Zuckerkrankheit) zu seinem besonderen Studium gemacht hat, das
Saccharin. Nach Mittheilungen über dessen Entdeckung und Eigenschaften gab er an,
daſs als eine der interessantesten Verwendungen dieses Stoffes die für Diabetiker in
Aussicht genommen worden sei. Die von ihm selbst angestellten Versuche wären jedoch
durchaus nicht ermuthigend. Er habe vier in verschiedenem Grade an Diabetik
leidenden Personen Saccharin in einer Menge von 0g,10 täglich in verschiedenen Formen gegeben; nur eine einzige, welche es
seit 2 Monaten nimmt, habe keine Beschwerde gespürt; die anderen drei muſsten nach
14 Tagen davon abstehen, weil ihr Appetit sich verminderte und ernstliche
Verdauungsstörungen eintraten 5 ein empfindlicher Druck auf den Magen stellte sich
ein und hörte erst 8 Tage, nachdem kein Saccharin mehr genommen war, auf. Eine
dieser drei Personen hat nach einer Pause von 1 Monat aufs Neue Saccharin genommen,
worauf sich nach 10 Tagen die früheren Störungen wieder einstellten. Die Herren Dujardin-Beaumetz und Constantin Paul haben bei den Kranken, welchen sie Saccharin verordnet
haben, keine Störungen beobachtet, was aber natürlicherweise nicht hinreicht, die
aus den Versuchen des Herrn Dr. Worms hervorgehenden
Bedenken zu zerstreuen.
In dem uns vorliegenden Berichte (Journal
off. vom 14. April) wird noch auf die vielfachen Verwendungen aufmerksam
gemacht, in welchen man den Zucker durch das Saccharin zu verdrängen sucht: bei der
Abstumpfung des Essigs, der Versüſsung des Stärkezuckers, der Darstellung von
Syrupen u.s.w.
Wir wiederholen unseren früheren Vorschlag, dahingehend, daſs der
Bundesrath auf Grund des §. 5 des Nahrungsmittel-Gesetzes vom 14. Mai 1879 das
Verkaufen und Feilhalten von Nahrungs- und Genuſsmitteln, bei welchen Saccharin in
Anwendung gekommen, nur unter Angabe dieser Verwendung zulasse.
Das ist das, was sofort geschehen kann und wodurch jede Täuschung
der Käufer verhindert wird. Erweist sich dann das Saccharin auch bei anhaltendem
Gebrauch als der Gesundheit nicht nachträglich und als sehr verwendbar, so wird die
Frage seiner Besteuerung zu lösen sein.
Nach der Wochenschrift des Centralvereins für
Rübenzucker-Industrie in der österreichisch-ungarischen Monarchie, 1888 Bd.
26 Nr. 17, wurde im Berichte der k. k. Gewerbe-Inspectoren für das Jahr 1887 das (in
Oesterreich seit 1½ Jahren patentirte) Cementmauerwerk „System Monier“ zur Anwendung in Zuckerfabriken als
äuſserst vortheilhaft empfohlen. Dieses System besteht darin, in das betreffende
Mauerwerk, sei es eine Decke, eine senkrechte Wand oder ein Gewölbe, ein Netz aus
rechtwinkelig zu einander liegenden und an den Kreuzungsstellen mit einander
verbundenen Eisendrähten oder Eisenstäben einzubetten. Die besondere Bedeutung des
Monier-Systemes für alle Hoch- und Wasserbauten
liegt in der unanfechtbar nachgewiesenen, fast unlösbaren Verbindung, welche die
Berührungsflächen von Eisen und Cement eingehen. Die groſse Druckfestigkeit des
Cementes, vereinigt mit der groſsen Zugfestigkeit des Eisens, liefern Resultate, die
an das Unglaubliche grenzen. Wo man früher Stein- und Ziegelgewölbe von 30 bis 35cm Dicke ausführen muſste, genügen nun Monier-Gewölbe von 3 bis 8cm. Es war unmöglich, bei einer 4 Wochen alten Monier-Platte das Eisennetz vom Cemente durch Abmeiſseln zu trennen. Auf
solchen 4cm starken Monier-Gewölben stehen nun in einer Fabrik des Linzer Bezirkes die
schwersten Arbeitsmaschinen, welche einer Belastung von etwa 70 Centner auf 1qm bei 3m,50
Gewölbspannweite entsprechen.
Stammer.