Titel: | Das Telephon-Vermittelungsamt in Stockholm. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 162 |
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Das Telephon-Vermittelungsamt in
Stockholm.
Mit Abbildungen.
Telephon-Vermittelungsamt in Stockholm.
Schweden steht wie das Centralblatt für Elektrotechnik,
1888 * S. 325, mittheilt, sowohl bezüglich der Ausbreitung, welche das Telephon in
diesem Lande gefunden hat, als auch bezüglich der technischen Einrichtungen und der
Organisation des Betriebes der städtischen Telephonnetze an der Spitze sämmtlicher
europäischen Länder. Zum Belege für Ersteres wird a. a. O. mitgetheilt, daſs bereits
im J. 1885 Stockholm bei einer Einwohnerzahl, die etwa der von München nahe kam,
4832 Theilnehmer an der Telephonanlage zählte, was 22,5 Theilnehmer auf 1000
Einwohner bedeutet. Für den gleichen Zeitpunkt hatten z.B. Rom 6,4, Amsterdam 3,6,
Berlin 3,3, Brüssel 2,1, Paris 1,4, London 0,9, Wien 0,8 Abonnenten auf je 1000
Einwohner; weiter wird a. a. O. auf die Zusammenstellung über die
Telephonausbreitung, welche in Nr. 3 mitgetheilt worden ist, hingewiesen. Der zweite
Punkt wird durch die Beschreibung der Centralstation im neuen Gebäude der
Stockholmer Allmänna Telefonactiebolag, wie sie jüngst von der „Teknisk Tidskrift“ in Stockholm gegeben wurde, bewiesen.
Das neue Haus mit der Vorderfassade in der Malmskilnadsstraſse (Fig. 1) gelegen, enthält in zwei Kellern, einem
Erdgeschoſs und zwei darüber liegenden Stockwerken die sämmtlichen für den Betrieb
der
Fig. 1., Bd. 269, S. 163
Telephonanlage nöthigen Räume sowie die Einrichtungen für die
elektrische Beleuchtung des ganzen Hauses. Im unteren Keller befinden sich die
Material- und Kohlenvorrathsräume. Der obere Keller enthält den Raum des
Materialverwalters, Werkstätten und die Dampf- und Dynamomaschinenanlage. Im
Erdgeschoſs sind unmittelbar von der Straſse aus zugänglich zwei Gelasse für die
Direktion und die Kasse; ferner enthält dasselbe geräumige Werkstätten und
Materialzimmer, fünf Arbeitszimmer für die Ingenieure, Toilette u.s.w.
Fig. 2–3., Bd. 269, S. 164Fig. 2–3.Die Fig. 2 und 3 geben den Grundriſs der beiden über dem Erdgeschoſs liegenden
Stockwerke. 1 ist der Apparatensaal, welcher in das zweite Stockwerk hinaufreicht; 2
ist ein Raum für die Telephonistinnen, 3 das Zimmer der Vorsteherinnen. 5 und 6
bieten ein Reparaturenzimmer und ein Laboratorium. 7 ist das Meſszimmer für die
Untersuchung der Leitungen. 10, 11, 12, 13, 14 sind Toiletten- und Kleiderzimmer. 15
ist eine Wärmekammer für die Badanlage, deren Badezimmer mit 16 bezeichnet sind. 17
enthält die Batterien. 18 und 19 sind Arbeiterzimmer. 20 ist die Treppe, welche auf
das Dach und damit zu dem auf letzterem aufgestellten Abspannständer führt.
Fig. 4 zeigt das Innere des Apparatsaales. An den
beiden Längswänden des Raumes sind die Umschaltergestelle angeordnet. Die
Beleuchtung während des Tagesdienstes ist durch eine Reihe von Oberlichtern in der
Längsachse des Saales bewirkt.
Fig. 4., Bd. 269, S. 165
Bei Nacht erhellen in ziemlicher Höhe angebrachte Kronen mit
Glühlampen den Raum. Diese Art der Beleuchtung des Apparatsaales, so einfach und
natürlich sie erscheint, ist unter den Anlagen auf dem Festlande ebenso selten zu
finden. Bei der Wichtigkeit einer ausgiebigen und zugleich allen Anforderungen des Dienstes genügenden
Beleuchtung für den Betrieb eines Vermittelungsamtes muſs die Lösung bei der
Stockholmer Einrichtung besonders befriedigen. Der Saal ist zur Aufnahme von
Apparaten für 7000 Linien berechnet. Bis jetzt sind die Vielfachumschalter (multiple
switches; vgl. 1885 256 * 443) für 4000 Theilnehmer
aufgestellt. Die Apparate stammen aus der wohlbekannten Fabrik L. M. Ericsson und Comp. in Stockholm.
Die sämmtlichen Räume des Hauses sind mit Dampfheizung eingerichtet, welche durch
ihren Zusammenhang mit der Anlage für die elektrische Beleuchtung die Vortheile
beider billiger erreichen läſst, als dies für jede Anlage für sich genommen möglich
wäre.
Auf dem Dache des Hauses ist ein mächtiger Thurm (Fig.
1) aus Fassoneisen zum Abspannen und Einführen der Leitungen aufgestellt.
Der Thurm ist 22m,5 hoch, 16m,5 lang und 14m,3 breit und bietet auf seinen sechs obersten Wagerechten Raum für im Ganzen
6068 Isolatorglocken. Diese Art der Zusammenführung der Drähte, wie sie im Anfange
der Telephonie die einzig mögliche war, und heute noch für kleinere Anlagen
vollberechtigt ist, bringt bei gröſseren Netzen von mehr als 1000 Leitungen eine
Anzahl von Nachtheilen mit sich. Man kommt zu Gröſsenverhältnissen des Thurmes,
welche dem Gebäude auch bei der Geschicklichkeit, welche in dem Stockholmer Fall
aufgewendet ist, kaum zur Zierde gereichen, und dennoch ist das Fassungsvermögen
eines solchen Thurmes ein beschränktes, und es bleibt nichts übrig, als einem
baldigen Wechsel in der gesammten Einführung durch sehr reichliche Vorrathstheile –
in unserem Fall Raum für über 6000 zu nicht ganz 4000 in Betrieb befindlichen
Leitungen – vorzubeugen und damit einen beträchtlichen Ballast auf längere Zeit
mitzuschleppen. Ist dann im Lauf der Jahre der Raum am Thurm aufgebraucht, so ist
man gezwungen, einen neuen und gröſseren zu bauen.
Bei Anlage eines gemeinschaftlichen Thurmes für eine so beträchtliche Anzahl von
Leitungen wird man ferner aber noch in der Wahl der Richtung für jeden neu zu
erbauenden Leitungsstrang durch die bereits abgespannten Stränge mehr oder weniger
beschränkt, ein Uebelstand, welcher natürlich um so störender wirkt, je gröſser die
Anzahl der vom Thurme ausgehenden Stränge wird. Dieser Nachtheil kann namentlich da,
wo die Hausbesitzer nicht verpflichtet werden können, Träger für die Leitungen auf
ihren Dächern zu dulden, sehr unangenehm werden und zu kostspieligen Verlegungen und
Umbauten zwingen. All diesen Miſsständen kann einfach begegnet werden, indem man –
die Beibehaltung des Netzes mit Luftleitungen vorausgesetzt – die einzelnen
Leitungsstränge an dem letzten vor dem Vermittelungsamt liegenden Ständer abspannt
und die Verbindung von den Luftleitungen zum Apparatsaal durch am besten
unterirdisch angeordnete Kabel bewirkt.
Man verlegt damit gewissermaſsen das Abspanngerüst auf einen Kreis, dessen Halbmesser man
beliebig groſs wählen kann, wodurch nicht nur eine nahezu unbegrenzte
Erweiterungsmöglichkeit der Anlage, sondern auch eine nur von der Gestaltung der
Stadt beschränkte Freiheit in der Führung und Vermehrung der Leitungsstränge
erreicht werden kann. Ein weiterer Vortheil einer derartigen Anordnung liegt darin,
daſs die meist unbequemen und kostspieligen Einrichtungen für die Zuführungen vom
Abspanngerüst auf dem Dache zu den Umschaltern in dem Apparatsaal gänzlich
fortfallen, indem die Kabel von den einzelnen Ständern in gemeinsamer Führung im
Vermittelungsamt sich einfach bis zu den Vielfachumschaltern des Apparatsaales
fortsetzen.