Titel: | Zur Simand-Kohnstein'schen Methode der Säurebestimmung in Gerbbrühen; von Dr. R. Koch. |
Autor: | R. Koch |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 168 |
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Zur Simand-Kohnstein'schen Methode der
Säurebestimmung in Gerbbrühen; von Dr. R. Koch.
Zur Simand-Kohnstein'schen Methode der Säurebestimmung.
In Nr. 323 und 324 des „Gerber“ unternimmt Herr F. Simand eine
Verteidigung der von ihm und B. Kohnstein
ausgearbeiteten gewichtsanalytischen Methode zur Bestimmung der freien Säuren in
Gerbbrühen gegen einige Einwände, die ich gelegentlich der Veröffentlichung meiner
für den gleichen Zweck bestimmten titrimetrischen Methode theils wirklich erhoben
habe, theils erhoben haben soll. Bevor ich nun die Abhandlung des Herrn Simand einer näheren Betrachtung unterziehe, möchte ich
zunächst eine unrichtige Behauptung genannten Herrn Verfassers richtig stellen, weil
der mit dem Gegenstande weniger vertraute Leser dadurch veranlaſst werden könnte,
sich von vornherein ein falsches Bild von der Sachlage zu machen. Die Behauptung des
Herrn Simand,
wonach ich, „wenn
auch indirekt“, die von ihm und Kohnstein
ausgearbeitete Methode ganz allgemein als unbrauchbar hingestellt haben soll,
„weil die gefundene Säuremenge um so kleiner sei, je mehr man Magnesia zum
Ausfällen des Gerbstoffes u.s.w. verwende“, ist der Wahrheit nicht
entsprechend. Nicht deshalb, „weil eine Fehlerquelle durch die unter Umständen
wahrscheinlich stattfindende Bildung basischer schwer löslicher Salze vorhanden
sei“, hatte ich die Methode für praktische Zwecke als wenig brauchbar oder
unbrauchbar hingestellt, sondern wegen ihrer „ganz bedeutenden
Umständlichkeit“. Auſserdem hatte ich allerdings auch für den speciellen
mehr wissenschaftlichen Zweck, die Absorptionsfähigkeit der Haut für Säure aus
Gerbbrühen zu bestimmen, die Simand-Kohnstein'sche
Methode in der damaligen Art ihrer Ausführung wegen der geringeren Genauigkeit ihrer
Resultate „weniger“ geeignet gefunden, als die titrimetrische von mir
ausgearbeitete Methode, eine Behauptung, die ich heute ebenfalls noch ausführlicher
begründen werde. Ich betone hier ausdrücklich den Unterschied in der Verwendung
einer Methode für wissenschaftliche und für Zwecke der Technik, weil man je nach den
verschiedenen Zwecken oft ganz verschiedene Anforderungen an eine Methode stellen
muſs.
Ich hatte also zunächst hervorgehoben, daſs, wenn eine Methode praktischen Zwecken
dienen soll, mit eine der ersten an dieselbe zu stellenden Anforderungen
„möglichste Schnelligkeit und Einfachheit der Ausführung“ bei genügender
Genauigkeit sein muſs. Daſs dem so ist, wird mir jeder mit den Anforderungen der
Praxis vertraute Chemiker zugestehen, und wird auch Herr Simand nicht läugnen wollen. Da nun im Allgemeinen titrimetrische
Methoden, was Schnelligkeit und Einfachheit der Ausführung anlangt, den
gewichtsanalytischen Methoden weit überlegen und so recht eigentlich das Ideal aller
für praktische Zwecke bestimmten Methoden sind, so muſste nach meiner Meinung von
vornherein die Erreichung des Zieles, die freien Säuren in Gerbbrühen ihrer Menge
nach zu bestimmen, auf titrimetrischem Wege angestrebt werden. Nur dann konnte auch
der Praktiker, dem nicht so viel Zeit und sehr häufig wohl auch nicht so viel
Hilfsmittel und chemische Kenntnisse und Fertigkeiten zu Gebote stehen dürften, wie
sie eine gewichtsanalytische Methode beansprucht, wirklich einen Nutzen von der
Methode haben, wenn es ihm erreichbar gemacht wurde, sich mit möglichst einfachen
Hilfsmitteln binnen wenigen Minuten über den Säuregrad einer Brühe Aufschluſs zu
verschaffen. Jede Methode, die diesen Anforderungen nicht genügte, besaſs von
vornherein nur ein rein theoretisches Interesse. Daſs nun Herr Simand diesen Weg nicht eingeschlagen hat, sondern eine
derartig umständliche Methode ausarbeitete, wie die von ihm und B. Kohnstein veröffentlichte Methode in der That ist,
war, wenn er der Praxis mit dieser Methode wirklich nutzen wollte, seinerseits
entschieden ein Fehler. Eine Methode läſst sich ja in vielen Fällen sehr leicht ausarbeiten,
aber darin, eine praktische Methode zu finden, liegt eben oft die Schwierigkeit, die
nicht jeder zu überwinden im Stande ist. Um zur Erläuterung ein Beispiel aus der
Technik anzuführen, will ich hier nur an die Kupferbestimmungsmethode für die
Mansfelder Kupferschiefer erinnern. Methoden, den Kupfergehalt eines Erzes
festzustellen, lassen sich ja schlieſslich eine ganze Anzahl aufstellen, aber es
bedurfte vielen Scharfsinnes, ehe man dahin gelangte, eine Methode zu finden, die
eine genügende Controle des Betriebes bei der Verhüttung dieser Erze gestattete.
Wenn nun Herr Simand schreibt: „Jedem erfahrenen
Chemiker ist es ganz wohl bekannt, daſs eine gewichtsanalytische Methode in der
Regel umständlicher auszuführen ist, als eine Titrirmethode: Trotzdem wird in
den meisten Fällen von denselben eine correcte, wenn auch umständlichere
gewichtsanalytische Methode einer ‚mangelhaften‛
Titrirmethode vorgezogen, wenn auf richtige Resultate reflectirt wird“, so
dürfte das allerdings für wissenschaftliche Fragen, wo es weniger auf die Zeit, als
auf die gröſstmögliche Genauigkeit der Resultate ankommt und in sonstigen Fällen, wo
ein besonderer Nachdruck auf die „Richtigkeit“ derselben gelegt wird, völlig
zutreffend sein. Ein Praktiker dagegen, der dem Grundsatze huldigt, „Zeit ist
Geld“ und dem es oft weniger auf „absolut richtige“, als auf
„möglichst rasch erreichbare“ und nur „relativ vergleichbare“
Resultate ankommt, dürfte sich wohl folgendermaſsen aussprechen:
„Jedem erfahrenen Chemiker ist es ganz wohl bekannt, daſs eine correcte
gewichtsanalytische Methode zwar weit genauere Resultate gibt, als eine
mangelhafte Titrirmethode, es ist ihm aber ebenso wohl bekannt, daſs die
gewichtsanalytischen Methoden in der Regel weit umständlicher auszuführen sind
und wissenschaftlich weit gründlicher vor- und durchgebildete Kräfte verlangen,
als eine Titrirmethode. Er wird daher, trotzdem er durch eine correcte
gewichtsanalytische Methode zwar weit genauere Resultate erhält, als durch eine
mangelhafte Titrirmethode, doch dieser eventuell ziemlich mangelhaften, wenn nur
relativ vergleichbare Resultate liefernden Titrirmethode den Vorzug geben,
sofern sie ihn mit der gewünschten Schnelligkeit und einer für seine gerade
verfolgten Zwecke noch genügenden Genauigkeit zum Ziele führt.“ Es kommt in
vielen Dingen eben sehr auf die jeweiligen Umstände an, und man muſs sie zu
beurtheilen wissen, um sich sagen zu können, was im gerade vorliegenden Falle Noth
thut.
Wer selbst einmal Gelegenheit hatte, in der Praxis aus eigener Erfahrung die Wahrheit
des Wortes „Zeit ist Geld“ kennen zu lernen, wird mir hierin Recht geben.
Wenn Herr Simand weiter sagt: „Daſs an den bisher
bestandenen Uebelständen bei der Säurebestimmung durch Titration in den
Gerbbrühen durch die von Koch angegebene Methode
nichts geändert wurde, hat bereits J. Meerkatz in
Nr. 316 des ‚Gerber‛ nachgewiesen,“ so habe ich ja bereits in D. p. J., 1887 267 459 ff.
gezeigt, was von den Ausführungen des genannten Herrn zu halten ist, und brauche ich
hier nur auf diese Antwort zu verweisen. Wenn er ferner zugibt, daſs ich die volle
Berechtigung hätte, die von ihm und B. Kohnstein
angegebene Methode eine umständliche zu nennen, sofern ich dafür eine gleichfalls
genaue Resultate gebende Methode bei einfacher Ausführung würde vorgeschlagen haben,
so dürfte er wohl auch unter diesen Bedingungen jenen Vorwurf ruhig auf sich nehmen
können. Abgesehen davon, daſs ich die Haltlosigkeit der Einwürfe des Herrn Meerkatz an oben angezogener Stelle bereits zur Genüge
dargethan habe, dürften ihn schon bei unbefangenem Urtheil die Resultate der vier
Vergleichsanalysen, wo es mir wirklich darauf ankam, die Uebereinstimmung der
Ergebnisse beider Methoden zu prüfen, darüber belehren, daſs in der That die
Uebereinstimmung derselben eine so gute ist, wie man sie nur irgend verlangen kann,
wenn man die Fehlergrenzen der gewichtsanalytischen Methode in Betracht zieht. Er
müſste denn hier mit einem Male einen ganz anderen Maſsstab, als bei den
Beleganalysen seiner eigenen Methode anlegen und verlangen wollen, daſs die
Ergebnisse meiner Methode mit denen der seinigen auf die Milligramme übereinstimmen
müſsten. Das dürfte aber doch eine etwas ungerechtfertigte Forderung sein, denn ein
Blick auf die von ihm und Kohnstein gegebenen
Beleganalysen zeigt ja, daſs die Fehlergrenzen seiner Methode in sehr zahlreichen
Fällen um ein ganz Beträchtliches gröſser sind, als die Abweichungen, die zwischen
den Resultaten der titrimetrischen und gewichtsanalytischen Methode stattfinden.
Zur besseren Orientirung führe ich die betreffenden Zahlen hier nochmals an: In
100cc Brühe betrug die gefundene Säuremenge in
Grammen auf Essigsäure gerechnet:
Nr.
Titrimetrisch
Gewichtsanalytisch
Differenz
1
0,448
0,470
+ 0,022
2
0,446
0,440
– 0,006
3
0,455
0,419
– 0,036
4
0,209
0,205
– 0,004
Die fünfte Vergleichsanalyse ist hier nicht in Betracht zu ziehen, da ja absichtlich
die mögliche Abweichung beider Methoden an einem Beispiele vorgeführt werden sollte.
Es wurden in diesem Falle gewichtsanalytisch 0g,700 und titrimetrisch 0g,801 Essigsäure in
100cc Brühe gefunden. Wenn man nun bedenkt,
wie die nach der titrimetrischen Methode gewonnenen Zahlen unter einander
übereinstimmen, und wie die nach der Methode der Herren Simand und Kohnstein erhaltenen Resultate unter einander abweichen, so
dürfte es sich wohl Jedermann selbst sagen können, welcher Methode Schuld es ist,
wenn bisweilen gröſsere Unterschiede in den Ergebnissen beider Verfahren sich
finden. Welche Abweichungen bei der nach der Simand-Kohnstein'schen Methode gefundenen Zahlen von den durch Titration mit Natronlauge
erhaltenen richtigen Zahlen vorkommen konnten, zeigt folgende den Beleganalysen
obiger Methode entnommene kurze Zusammenstellung:
Nr. des betreffendenVersuches
Art der verwendetenSäure
Differenz zwischen derberechneten und
gefundenenSäure in g für 100cc
6
Essigsäure
+ 0,049
8
Propionsäure
+ 0,040
13
Ameisensäure
+ 0,077
17
Buttersäure
– 0,023
22
Essigsäure
+ 0,031
26
Buttersäure
+ 0,043
32
Milchsäure
+ 0,043
36
Milchsäure
+ 0,038
37
Milchsäure
+ 0,045
38
Schwefelsäure
+ 0,040
Von jedem Vergleiche mit der titrimetrischen Methode abgesehen, ergab sich schon aus
einfacher Betrachtung der Zahlen der Beleganalysen, daſs die Correctheit der Methode
keine so überaus groſse sein konnte. Wenn zur gewichtsanalytischen Ermittelung eines
mit solcher Schärfe bestimmbaren Körpers, wie es die Magnesia ist, derartige Mengen
Substanz verwendet werden, wie es bei der Methode der Herren Simand und Kohnstein geschieht, sollte man doch eigentlich eine weit
bessere Uebereinstimmung der Resultate der Beleganalysen erwarten. Wenn nun aber
ungefähr 16 Proc. derselben eine Abweichung von 0,04 bis 0g,05 Essigsäure für 100cc Brühe aufweisen, so wird vielleicht ein mit der
analytischen Chemie noch wenig Vertrauter die Methode noch für eine sehr correcte
halten können, aber ein Sachverständiger, der eine Methode mit etwas kritischerem
Auge betrachtet, dürfte unter diesen Umständen, wenigstens vom wissenschaftlichen
Standpunkte aus, oder „wenn er auf richtige Resultate reflectirt“, doch wohl
etwas anderer Ansicht sein, und ihr jedenfalls keine besonders groſse Genauigkeit
Schuld geben wollen. Den schon ziemlich hohen Gehalt von 0g,8 Essigsäure in 100cc Brühe angenommen, würde eine Unsicherheit von 0,04 bis 0g,05 Essigsäure in 100cc schon einen Fehler von 5 bis 6 Proc. des Gesammtgehaltes, und ein
Gehalt von 0,2 bis 0g,3 Essigsäure in 100cc Brühe vorausgesetzt, gar einen solchen von 13
bis 20 Proc. zur Folge haben.
Das sind ja selbstverständlich die ungünstigsten Fälle unter den angeführten
Beleganalysen, indessen muſsten diese doch bei der ziemlich groſsen Häufigkeit
derselben (der sechste Theil der Beleganalysen weist diese hohe Fehlergrenze auf)
auch in Rechnung gezogen werden. Derartig hohe Fehler sind ja bei dem verbesserten
titrimetrischen Verfahren mit Leim als Fällungsmittel des Gerbstoffes so gut wie
gänzlich ausgeschlossen. Wenn ich selbst eine Unsicherheit von 0cc,3 Ba(OH)2 in
20cc Brühe annehmen wollte, die wohl auch in
den schwierigsten Fällen
kaum vorkommen dürfte, so würde das bei dem Titer von 0g,0086 Essigsäure in 1cc Ba(OH)2 erst eine Unsicherheit von 0g,013 Essigsäure in 100cc Brühe bedeuten. Während diese Unsicherheit bei
dem titrimetrischen Verfahren schon eine sehr bedeutende ist, ist sie bei der
Methode der Herren Simand und Kohnstein schon eine
niedrige.
In den gewöhnlichen Brühen der Farben trifft man nun aber den Neutralisationspunkt
sehr leicht bis zu 0cc,1 Ba(OH)2 in 20cc Brühe
genau, die Unsicherheit beträgt also hier nur etwa 0g,004 Essigsäure in 100cc Brühe. Das
würde bei einem Gesammtgehalte von 0g,8 Essigsäure
in 100cc nur 0,5 Proc. Fehler und bei einem
Gesammtgehalte von 0g,2 Essigsäure erst 2 Proc.
bezüglich des gefundenen Gesammtgehaltes einer Brühe an freier Säure bedingen. Bei
Feststellung der Absorptionsfähigkeit der Haut für Säure aus Gerbbrühen handelt es
sich nun um Bestimmung ziemlich geringer Unterschiede in der Säuremenge. Ich führe,
um das an praktischen Beispielen zu zeigen, einige der von mir bereits in D. p. J., 1887 264 395 ff.
veröffentlichten Zahlen hier nochmals an: So verminderten in 100cc Brühe, die eine Acidität von 0g,357 Essigsäure zeigte, 4g Hautpulver diese um 0g,065 Essigsäure, 3g Hautpulver um 0g,052 Essigsäure, 1g,5 Hautpulver um 0g,030 Essigsäure und 0g,5 Hautpulver um
0g,013 Essigsäure. Ob nun die Ergebnisse einer
Methode, wo die möglichen Fehler nach den Beleganalysen der Autoren selbst die Höhe
der eventuell zu bestimmenden Unterschiede im Säuregehalte vor und nach der
Behandlung der Brühen mit Haut überschreiten würden, ein gröſseres Vertrauen in ihre
Richtigkeit verdient hätten, oder die der titrimetrischen Methode, diese Frage zu
beantworten überlasse ich dem Leser selbst. Ebenso dürfte sich nach vorangehender
Darlegung ein Jeder selbst sagen können, ob ich auf eine bloſse Vermuthung hin, wie
Herr Simand schreibt, seiner Methode in der derzeitigen
Art ihrer Ausführung Schuld gegeben habe, daſs sie keiner so hohen Genauigkeit fähig
sei, wie die titrimetrische Methode. Damit ist ja keineswegs gesagt, daſs sie
beispielsweise für den praktischen Zweck einmal den Säuregehalt einer Brühe zu
ermitteln, zu ungenau oder unzuverlässig gewesen wäre. Ich bin im Gegentheil der
Ansicht, daſs hierzu ihre Resultate vollauf genügend genau waren, und, wie schon
oben gesagt, für ihre Verwendung zu praktischen Zwecken lediglich ihre groſse
Umständlichkeit ein Hinderniſs ist. In meiner Antwort auf die Kritik des Herrn Meerkatz habe ich ja auch ausdrücklich anerkannt, daſs
sie unter Beachtung der von mir angedeuteten Fehlerquelle der Wahrheit ganz
entsprechende Resultate geben möge, und gelegentlich der ersten Veröffentlichung
meiner Methode habe ich nur gesagt, daſs wahrscheinlich die Bildung basischer Salze
eine wesentliche Fehlerquelle werden „könne“, und nicht unter allen Umständen
„sei“, sofern man nämlich die Ursachen derselben nicht vermeidet.
Die Erklärung ferner, die ich für die thatsächlich vorhandenen weiten Fehlergrenzen dieser
Methode aufgestellt hatte, damals allerdings nur auf Grund der durch die Herren Simand und Kohnstein veröffentlichten Beleganalysen
selbst, sowie der Ergebnisse von fünf vergleichenden Untersuchungen nach dieser und
meiner eigenen Methode, erscheint mir auch heute, trotz der
seitens des Herrn Simand aufgewendeten Mühe, ihre Unrichtigkeit darzuthun,
keineswegs als falsch erwiesen. Ich glaube sogar – weshalb, wird sich
später zeigen – mit ziemlicher Sicherheit das Gegentheil
annehmen zu dürfen. Zunächst möchte ich bezüglich dieses Punktes Herrn Simand einmal die Frage vorlegen, mit welchem Rechte er
aus den nach seinem jetzigen sehr wesentlich abgeänderten Verfahren erhaltenen
Resultaten schlieſsen will, daſs bei seinem früheren Verfahren die von mir als
wahrscheinlich vorhanden angedeutete Fehlerquelle der Bildung basischer Salze nicht
vorhanden gewesen wäre? Wollte er das wirklich nachweisen,
müſste er doch selbstverständlich auch nach diesem Verfahren die entsprechenden
Versuche machen. Nach der früheren Vorschrift sollte das Gemisch von Brühe
und Magnesia unter öfterem Umschütteln so lange sich selbst überlassen bleiben, bis
aller Gerb- und Farbstoff ausgefällt sein würde, eine Operation, die oft viele
Stunden in Anspruch nahm, bis die Ursache dieser Erscheinung später von mir erkannt
wurde. In Folge dessen hätte man überhaupt nie mit Sicherheit den Augenblick angeben
oder abpassen können, wo die Ausfällung des Gerb- und Farbstoffes nun gerade beendet
gewesen wäre. Jetzt dagegen bringt er eine völlig andere Art der Ausführung seiner
Methode zur Anwendung, die ja dem von mir geltend gemachten Einwurfe sehr gut
Rechnung trägt, und gerade die wesentlichste Ursache für das mögliche Eintreten
jenes von mir angedeuteten Fehlers beseitigt. Anstatt also noch wie früher zu
arbeiten, kocht er jetzt – wie ich glaube ganz zweckmäſsig – die Brühe mit der
zugesetzten Magnesia am Rückfluſskühler bloſs auf, kühlt mit kaltem Wasser möglichst
rasch ab, und filtrirt dann sofort die überschüssige Magnesia von der
Magnesiasalzlösung ab, scheinbar, und das nach meiner Ansicht mit Recht, keinen
besonderen Werth mehr auf die Entfärbung der Flüssigkeit legend. Selbstverständlich
erhält er so im Groſsen und Ganzen mit den durch Titrirung mit Natronlauge
erhaltenen Zahlen weit besser übereinstimmende Resultate, auch bei Verwendung der
verschiedensten Mengen von 0,5, 2 und 4g Magnesia.
Damit meint nun Herr Simand merkwürdigerweise den
Beweis der „totalen Unrichtigkeit“ meines Einwurfes gegen sein früheres
Verfahren erbracht zu haben, läſst bei dieser Schluſsfolgerung aber gänzlich auſser
Acht, daſs unter diesen Umständen die Anwendung
verschiedener Mengen Magnesia für die Bildung basischer Salze von sehr
untergeordneter Bedeutung ist.
Herr Simand scheint mir doch, hiernach zu urtheilen,
eine etwas unklare Vorstellung von den Bedingungen zu haben, deren Vorhandensein
vorausgesetzt werden muſs und bei seiner früheren Vorschrift mit Recht vorausgesetzt werden
konnte, wenn unter den bei seiner Methode gegebenen Umständen die Bildung basischer
Salze eintreten soll. Er würde sonst wohl nicht zu einer derartig falschen
Beweisführung gekommen sein.
Zur Abscheidung selbst so gut wie unlöslicher Niederschläge gehört bekanntlich Zeit.
Wie viel mehr wird also eine gewisse Zeit dazu gehören, aus an sich leicht
löslichen, vielleicht gar nicht mit besonders groſser Neigung zur Bildung basischer
Verbindungen ausgestatteter Salze schwer oder unlösliche basische Salze
abzuscheiden, besonders wenn das Fällungsmittel erst allmählig gebildet wird und
dieses Fällungsmittel vielleicht gar erst in gröſserem Ueberschusse eine Wirkung
ausübt. Wenn er also jetzt einen von mir aufgedeckten möglichen Fehler in der
bisherigen Ausführung seiner Methode verbessernd, ob in klarer Erkenntniſs dieser
Thatsache, oder der Bedeutung dieser Aenderung sich nicht bewuſst, will ich
dahingestellt sein lassen, da das nicht aus seiner Abhandlung zu ersehen ist, ein
sehr wesentlich verändertes Verfahren einschlägt, und mir damit den Beweis liefern
will, daſs meine bezüglich der verhältniſsmäſsig weiten Fehlergrenzen seines
früheren Verfahrens als wahrscheinlich hingestellte Erklärung eine „total
unrichtige Behauptung“ enthalte, so kann wohl ein Jeder den Werth dieser
Beweisführung ermessen. Es könnte nun bei flüchtigem Lesen des diesbezüglichen
Theiles meiner Abhandlung scheinen, als ob auch ich das wesentliche Moment für
Bildung basischer Salze nur in dem stärkeren Ueberschusse an Magnesia gesucht hätte,
aber wohl nur einem oberflächlichen Leser dürfte dieser Gedanke kommen. Ich habe
seiner Zeit bei Anführung des einzigen Versuches, den ich anstellte, um zu sehen, ob
meine Erklärung der hohen Fehlergrenzen der Simand-Kohnstein'schen Methode zutreffen könne oder nicht, einfach
angegeben, daſs ich die gewöhnliche Menge von 4g
frisch geglühter Magnesia zu nur 50cc Brühe statt
der vorschriftsgemäſsen Menge von 70cc zugesetzt
habe. Dabei setzte ich als selbstverständlich voraus, daſs neben diesem Ueberschusse
von Magnesia auch das andere für Bildung basischer Salze in Betracht kommende Moment
der Einwirkungsdauer der Magnesia, das ja durch die früher Simand-Kohnstein'sche Vorschrift keineswegs in der richtigen Weise
gewürdigt war, zur Geltung kommen könne. Daſs ich diese Voraussetzung wirklich
gemacht und nicht einseitig die möglicherweise stattfindende Bildung basischer Salze
bloſs dem gröſseren Ueberschusse an Magnesia Schuld gegeben habe, geht schon aus
meinem Verbesserungsvorschlage hervor. Ich habe darin ausdrücklich betont, daſs nach
dem Hellwerden der Flüssigkeit diese möglichst sofort von der überschüssigen
Magnesia zu trennen sei, damit den durch die freien Säuren der Gerbbrühen gebildeten
Magnesiasalzen flicht Gelegenheit geboten werde, sich in basische Salze zu
verwandeln und als solche wieder abzuscheiden. Daſs nicht nur die gröſsere Menge Magnesia, sondern auch
eine gewisse Zeit der Einwirkung dieser Magnesia bei der Bildung basischer Salze
wesentlich ist, war nach meinem Dafürhalten so selbstverständlich, daſs man das
nicht erst besonders hervorzuheben brauchte. Eine einfache Ueberlegung, welche
Vorgänge sich nach Zusatz der Magnesia in der Brühe abspielen, muſs schon dazu
führen, sich das zu sagen. Zunächst werden die vorhandenen freien Säuren mit dem
zugesetzten Magnesiumoxyd ihre Magnesiasalze bilden und so eine der Säuremenge
entsprechende Menge Magnesia in Lösung bringen. Das ist ja der sehr richtige
Grundgedanke, auf welchem die Simand-Kohnstein'sche
Methode beruht. Gleichzeitig wird das Wasser auf das Magnesiumoxyd einwirken und je
nach der vorhandenen Menge reactionsfähiger, d.h. nicht zu stark geglühter Magnesia
mehr oder weniger rasch Magnesiumhydroxyd bilden, das nun seinerseits mit den
vorhandenen Gerb- und Farbstoffen unlösliche Verbindungen eingeht, und so allmählig,
wie es sich bildet, die Flüssigkeit entfärbt. Daſs nach der früheren Vorschrift mit
dem Abfiltriren der überschüssigen Magnesia so lange gewartet werden sollte, bis
durch Ausfällung der Gerb- und Farbstoffe die Flüssigkeit hell geworden war, geschah
wohl lediglich deshalb, weil man unter diesen Umständen annehmen konnte, daſs dann
sämmtliche vorhanden gewesene freie Säure an Magnesia gebunden war. So habe ich mir
wenigstens den Zweck dieser Vorschrift erklärt. Selbstverständlich wird man, auch
nach meiner Meinung, mit einem kurzen Aufkochen des Gemisches von Brühe und Magnesia
weit rascher und besser zum Ziele gelangen. Dieser Prozeſs der Aufhellung der Brühe
nun ging, bevor ich die Ursache erkannte, erfahrungsgemäſs bald sehr rasch, bald
sehr langsam von statten. Ich habe Brühen untersucht, die schon nach vielleicht
einer halben Stunde, aber auch wieder solche, die nach zwei Tagen noch nicht
entfärbt waren, und dieser Umstand erklärt sich nach meiner Meinung am einfachsten
durch die Annahme, daſs sich erst Magnesiumhydroxyd bilden muſs, bevor die gelösten
Gerb- und Farbstoffe sich in unlösliche Magnesiaverbindungen verwandeln können, und
daſs die Bildung dieses Magnesiumhydroxydes sehr bedeutend durch die Stärke des
stattgehabten Glühens der kohlensauren Magnesia beeinfluſst wird. Daſs diese
Erklärung viel Wahrscheinlichkeit besitzt, zeigt der Umstand, daſs mir nach
Anwendung einer möglichst niederen Temperatur bei Darstellung der Magnesia aus
kohlensaurer Magnesia kein Fall wieder vorgekommen ist, wo die Brühe nicht sehr bald
nach Zusatz der entsprechenden Magnesia entfärbt worden wäre. Sobald nun die Gerb-
und Farbstoffverbindungen der Magnesia als unlösliche Verbindungen abgeschieden
sind, wird das noch ferner entstehende Magnesiumhydroxyd ausschlieſslich auf die in
Lösung befindlichen Magnesiasalze einwirken, und dann gröſsere oder geringere Mengen
Säure in Verlust gerathen. Die Menge der sich so der Bestimmung entziehenden Säure
wird höchst wahrscheinlich von der Zeit der Einwirkung, ferner von der Menge des
überschüssig gebildeten Magnesiahydroxydes und endlich auch von der durch die mehr
oder weniger vorgeschrittene Gährung bedingten Art der in den Brühen vorkommenden
Säuren abhängen, indem die Salze der verschiedenen organischen Säuren wahrscheinlich
nicht die gleiche Neigung, basischere Verbindungen zu bilden, haben werden.
Möglicher- oder wahrscheinlicherweise dürfte es sich daher sogar empfehlen, die zu derartigen Analysen zu verwendende Magnesia stark zu
glühen, einen möglichst geringen Ueberschuſs, vielleicht 1 bis 2g, davon zu verwenden, und von der mir
von vornherein sehr unwesentlich erschienenen Vorschrift, wonach die Brühen zugleich
durch Ausfällung der Gerb- und Farbstoffe aufgehellt werden sollen, ganz abzusehen,
da ja Gerb- und Farbstoffe ohnedies durch das Glühen der Verdampfungsrückstände
zerstört werden. So würde dann das die Bildung basischer Salze wahrscheinlich
verursachende Magnesiumhydroxyd sich nur in geringem Maſse und sehr langsam bilden.
Was ich hier ausspreche, sind ja zum Theil nur mehr oder weniger wahrscheinliche
Vermuthungen, die sich keineswegs sämmtlich auf besondere Versuche stützen, sondern
nur aus beiläufig gemachten Beobachtungen ergaben. Es hätte ja eigentlich für mich
und wohl auch im Allgemeinen bei der geringeren Bedeutung der Methode kein gröſseres
Interesse, viel Zeit auf den Nachweis der thatsächlichen Richtigkeit dieser
Erklärung der hohen Fehlergrenzen des früheren Simand-Kohnstein'schen Verfahrens zu verwenden. Einen Versuch indessen,
den ich kürzlich Gelegenheit nahm, im Laboratorium des Herrn Prof. v. Schroeder anzustellen, will ich hier noch anführen,
da er zeigt, daſs meine von Herrn Simand so lebhaft
bekämpfte Erklärung doch ziemlich viel Wahrscheinlichkeit für sich haben dürfte: Von
einer Sauerbrühe einer kleineren mit Fichte, Eiche und Valonen arbeitenden
Sohlledergerberei wurden je 50cc in drei trockene
Kölbchen von etwa 100cc Inhalt und desgleichen je
100cc in drei trockene Kolben von etwa 250cc Inhalt abgemessen. Sodann wurden dreimal genau
3g und dreimal genau 4g frisch geglühter Magnesia abgewogen und die
ersteren in die je 50cc Brühe enthaltenden
Kölbchen, die letzteren in die je 100cc Brühe
enthaltenden Kolben eingefüllt. In Betreff der Magnesia will ich nun zunächst
bemerken, daſs mir keine nach der Vorschrift der Herren Simand und Kohnstein gereinigte Magnesia zur Verfügung stand, wie ich sie
„selbstverständlich“ zu meinen ersten in
D. p J., 1887 264 395
ff., veröffentlichten Vergleichsanalysen verwendete. Die kurze Spanne Zeit, die ich
auf diesen Versuch verwenden konnte, erlaubte mir auch nicht, die umständliche
Operation der Reindarstellung von Magnesia vorzunehmen. Ich wendete daher nur eine
durch sorgfältiges Auswaschen mit Wasser von ihren darin löslichen Verunreinigungen
befreite „sogen. reine kohlensaure Magnesia des Handels“ an, um mir die zu
meiner Untersuchung nöthige gebrannte Magnesia daraus darzustellen. Diese gestattete
mir indessen meinen
Zweck ebenso gut zu erreichen, wie eine wirklich reine Magnesia. Das wenigstens
beweisen die sonst eigentlich etwas unnöthigen Versuche des Herrn Simand mit der unreinen Magnesia (leviss. pur. Ia.).
Diese zu obiger Untersuchung nun verwendete kohlensaure Magnesia, die ich mir in
früherer Zeit für andere Zwecke dargestellt hatte, wurde zur gröſseren Sicherheit
ihrer gleichmäſsigen Beschaffenheit durch längere Zeit fortgesetztes Verreiben im
Mörser nochmals gut gemischt. Sodann wurde sie im Platintiegel bei möglichst
niedriger Temperatur unter beständigem Umrühren in gebrannte Magnesia verwandelt und
nach nochmaligem Mischen des so dargestellten Magnesiumoxydes wurden schlieſslich
die einzelnen Theilmengen genau abgewogen. So konnte bezüglich einer
ungleichmäſsigen Vertheilung des Kalkgehaltes wohl kaum eine Befürchtung gehegt
werden. Nach Zusatz dieser sorgfältig abgewogenen Mengen Magnesia zu der
betreffenden genau gemessenen Menge Brühe wurden nun 2 Kolben mit je 100cc Brühe und 4g
Magnesia am Rückfluſskühler sofort aufgekocht und nach dem Erkalten unmittelbar
abfiltrirt. Ein Kölbchen mit 50cc Brühe und 3g Magnesia blieb nach dem Umschütteln über Mittag
etwa 2 Stunden ruhig stehen und wurde hierauf die überschüssige Magnesia abfiltrirt.
Ein Kölbchen mit 50cc Brühe und 3g Magnesia blieb 5 Stunden, und ein weiteres
Kölbchen mit 3g Magnesia und 50cc Brühe wurde 24 Stunden stehen gelassen, bevor
zur Filtration geschritten wurde. Ebenso blieb ein Kolben mit 100cc Brühe und 4g
Magnesia 24 Stunden stehen, ehe sein Inhalt der Filtration unterworfen wurde. Die
Farbe der erhaltenen Filtrate war nun entsprechend der sehr verschiedenen
Einwirkungsdauer der Magnesia eine ziemlich verschiedene. Von den durch Aufkochen am
Rückfluſskühler erhaltenen Filtraten zeigte das eine noch eine röthlich-bräunliche
Farbe, während das andere zwar schon hell war, aber doch eine mehr
bräunlich-gelblich zu nennende Farbe besaſs. Hier war augenscheinlich, nach der
Farbe der Filtrate zu urtheilen, das Verhältniſs der „reactionsfähigen“ zur
„todtgebrannten“ Magnesia in beiden Kölbchen nicht genau das gleiche
gewesen, wenn auch keine gröſsere Differenz der Resultate dadurch bedingt wurde.
Würde mir mehr Zeit zur Verfügung gestanden haben, hätte ich diese Versuche mit
einer besser gemischten Magnesia wiederholt, indessen genügen, wie sich zeigen wird,
die erhaltenen Versuchsergebnisse vollständig, um das
Vorhandensein einer bei Nichtbeachtung ihrer Ursachen nicht unbeträchtlichen
Fehlerquelle der Simand-Kohnstein'schen Methode im Gegensatze zur Behauptung des
Herrn Simand zu beweisen, und meine Erklärung derselben als zum Mindesten
sehr wahrscheinlich erkennen zu lassen.
Die übrigen Filtrate waren sämmtlich hell und zeigten nur in dem Grade der Helligkeit
bei direkter Vergleichung geringe Unterschiede. Sämmtliche Filtrate aber reagirten
weder mit Leim noch mit Eisenchlorid und essigsaurem Natron auf Gerbstoff, aber
alle, mit Lakmuspapier geprüft, ziemlich stark alkalisch. Diese Filtrate wurden nun genau nach Vorschrift
der Herren Simand und Kohnstein auf ihren Gehalt an
Magnesia untersucht, und dabei sorgfältig darauf geachtet, daſs bezüglich des
Auswaschens der Niederschläge, der Volumina der Flüssigkeiten u.s.w. dieselben
Verhältnisse für sämmtliche Analysen eingehalten wurden. Die Resultate sind in
folgender Tabelle zusammengestellt:
Nr.
Angewendete Menge desMgO und der
Brühe
Dauer der Ein-wirkung
Farbe desFiltrates
In 25ccFiltrat gef.Mg2P2O7 inGramm
In 100ccBrühe sichergebendeSäure
inGrammEssigsäure
1
3g MgO + 50cc Brühe
2 Stunden
gelblich-bräunlich
0,199
0,856
2
3g MgO + 50cc „
5 Stunden
schwachgelblich
0,174
0,752
3
3g MgO + 50cc „
24 Stunden
schwachgelblich
0,171
0,740
4
4g MgO + 100cc „
am Rückfluſs-kühler auf-gekocht
gelblich-bräunlich
0,191
0,824
5
4g MgO + 100cc „
am Rückfluſs-kühler auf-gekocht
dunkel röthlich-bräunlich
0,194
0,840
6
4g Mg + 100cc „
24 Stunden
gelblich-bräunlich
0,195
0,844
Eine weitere 7. Analyse mit einer besonders schwach geglühten Magnesia (3g MgO + 50cc
Brühe) ergab schon nach einer Einwirkungsdauer von 2 Stunden ein schwach gelblich
gefärbtes Filtrat und lieferten 25cc Filtrat auf
Magnesia untersucht 0g,170 Mg2P2O7. Das würde einem Gehalte von 0g,736 Essigsäure in 100cc Brühe entsprechen. Gern hätte ich auch noch
einen Versuch mit einer möglichst stark geglühten Magnesia ausgeführt, die mir zu
Gebote stehende Zeit war indessen zu kurz.
Vergleicht man nun die bei Untersuchung einer und derselben Brühe erhaltenen so
verschiedenen Zahlen, so sieht man sofort, daſs die Abweichungen, die die nach der
Simand-Kohnstein'schen Methode in ihrer früheren
Ausführung gefundenen Ergebnisse möglicherweise aufweisen, sehr erhebliche sein
können. Ich sagte also nicht zu viel, wenn ich behauptet habe, daſs die Bildung
basischer Salze, denn auf andere Ursachen lassen sich diese Abweichungen unter den
geschilderten Umständen wohl kaum zurückführen, bei Nichtbeachtung ihrer von mir
hervorgehobenen Ursachen zu einer wesentlichen Fehlerquelle der Simand-Kohnstein'schen Methode werden könne. Wenn Herr
Simand versuchte, die von mir früher bei den
vergleichenden Untersuchungen nach seiner und meiner Methode erhaltenen Unterschiede
dadurch scheinbar zu erklären, daſs er mir Schuld geben will, ich hätte die unreine
Magnesia des Handels (puriss. leviss. Ia.), noch dazu entgegen seiner ausdrücklichen
Angabe, als rein
betrachtet und dazu benutzt, die Vergleichsanalysen nach seiner und meiner Methode
damit auszuführen, so ist das doch eine gänzlich unbegründete Annahme, wohl nur
darauf berechnet, die Aufmerksamkeit des mit dem Gegenstande nicht so vertrauten
Lesers von der schwachen Seite seiner Beweisführung abzulenken. Ohnedies sind ja die
Abweichungen, wie ich bereits früher ausführte, in Anbetracht der hohen
Fehlergrenzen der Simand-Kohnstein'schen Methode als
ganz unwesentlich zu bezeichnen, und die sich aus den Beleganalysen nach früherem
Verfahren ergebenden Fehlergrenzen werden durch meine jetzigen Versuche, besonders
Versuch Nr. 1 und Nr. 7, in vollstem Umfange bestätigt. Hätte Herr Simand allerdings die unter Berücksichtigung der
betreffenden Verhältnisse als sehr gut zu bezeichnende Uebereinstimmung der
Resultate beider Methoden zugegeben, oder gar hervorheben wollen, so würde er ja
selbst die Ausführungen des Herrn Meerkatz betreffs
„der totalen Unbrauchbarkeit“ meiner Methode in ein etwas eigenthümliches
Licht gebracht haben. Er hat es daher vorgezogen, über diese Thatsache mit
Stillschweigen hinweg zu gehen, und hat statt dessen mit einer, wie ich gern zugebe,
immerhin anerkennenswerthen Geschicklichkeit die Aufmerksamkeit des Lesers von dem
Kernpunkte der Sache abzulenken verstanden. Das Mittel dazu bot ihm die Besprechung
einer mir zwar fälschlich Schuld gegebenen, einem nur oberflächlich orientirten
Leser aber doch glaubhaft erscheinen könnenden Behauptung und Vorführung sonst ganz
schöner, wenn auch bisweilen etwas unnöthiger und in ihren Resultaten
selbstverständlicher Versuche. Ich glaube indessen doch, daſs nach meiner heutigen
etwas ausführlicheren Darlegung und namentlich auch auf Grund der von mir soeben
beschriebenen Versuche wohl Niemand mehr im Zweifel sein wird, auf wessen Seite das
Recht ist, so daſs ich die Erörterung dieses Themas nunmehr als abgeschlossen
betrachte.
Um schlieſslich noch ein, allerdings nicht so beweiskräftiges Beispiel, wie es die
früher gegebenen waren, für die Uebereinstimmung beider Methoden anzuführen, theile
ich noch folgendes mit: Ich bat Herrn Assistent Manstetten in Tharand die von mir gewichtsanalytisch untersuchte Brühe
gleichzeitig auch titrimetrisch nach meinem Verfahren zu untersuchen. Derselbe
wendete eine Barytlösung mit dem Titer 1cc
Ba(OH)2 = 0g,0093 Essigsäure an, sowie eine Leimlösung, von der 20cc durch Zusatz einiger Tropfen
Phenolphtaleïnlösung und eines Tropfens Ba(OH)2
intensiv roth gefärbt wurden. Er erhielt folgendes Resultat:
20cc Brühe
+ 20cc Leiml. =
8,6/12,6 = 18,3cc Ba(OH)2
20cc Brühe =
18,3cc Ba(OH)2
100cc Brühe =
0,850g Essigsäure.
Von den von mir gewichtsanalytisch erhaltenen Resultaten können selbstverständlich
nur die der Analysen 1, 4, 5 und 6 in Betracht kommen. Da ich nun aber keine reine
von Kalk befreite Magnesia zu verwenden in der Lage gewesen war, so muſste der dadurch
bedingte Fehler in der Weise zu corrigiren versucht werden, daſs die Kalkmenge in
dem betreffenden Magnesiafiltrate, sowie die in der Brühe an sich enthaltene Menge
Kalk bestimmt wurde. Die in dem Magnesiafiltrate sich mehr ergebende Kalkmenge
muſste dann als durch die Säure der Brühe aus der unreinen Magnesia mit in Lösung
gebracht angesehen, und hieraus der Theil der Säure berechnet werden, der durch den
Kalk an Stelle der Magnesia neutralisirt wurde. Von der sich so ergebenden
Gesammtsumme an Säure muſste weiter die der in der Brühe an sich enthaltenen
Magnesia äquivalente Menge Essigsäure abgezogen werden. Diese Bestimmungen für die
in der Tabelle unter Nr. 1 aufgeführte Analyse durchgeführt, ergab folgendes:
1)
Kalk in 25cc Magnesiafiltrat
=
0,016g
CaO
Kalk in 100cc Magnesiafiltrat
=
0,064g
„
=
0,137g
A
2)
Kalk in 100cc Brühe an sich
=
0,037g
„
=
0,081g
A
3)
Mg2P2O7 auf 100cc Brühe
=
0,059g
„
=
0,064g
A.
Auf den aus der unreinen Magnesia stammenden Kalk würde also zu berechnen sein 0g,056 Essigsäure für 100cc Brühe, die zu dem nach Simand-Kohnstein gefundenen Resultate: 0g,856 Essigsäure hinzuzurechnen wären, während die aus dem natürlichen
Magnesiagehalt der Brühe sich ergebende Menge von 0g,064 Essigsäure abzuziehen sein würde. Das schlieſsliche Ergebniſs für
den Gehalt der Brühe an freier Säure würde auf gewichtsanalytischem Wege gefunden
also sein: 0g,848 Essigsäure gegenüber dem auf
titrimetrischem Wege durch Herrn Manstetten gefundenen
Gehalte von 0g,850 Essigsäure. Eine zweite
derartige Untersuchung, für die unter Nr. 6 aufgeführte Analyse durchgeführt,
lieferte folgendes Ergebniſs:
1)
Kalk in 25cc Magnesiafiltrat
=
0,013g
CaO
Kalk in 100cc Magnesiafiltrat
=
0,052g
„
=
0,111g
Essigsäure
2)
Kalk in 100cc Brühe an sich
=
0,037g
„
=
0,081g
„
3)
Mg2P2O7 auf 100cc Brühe
=
0,059g
„
=
0,064g
„
Hiernach ergibt sich als Schluſsresultat auf gewichtsanalytischem Wege 0g,810 Essigsäure gegenüber dem auf titrimetrischem
Wege gefundenen Gehalte von 0g,850 Essigsäure.
Hervorheben will ich hier nochmals, daſs bei dieser Analyse zwar eine um ein Drittel
geringere Menge Magnesia, diese dafür aber 24 Stunden lang eingewirkt hatte, daſs
also hier immerhin eine gröſsere, indessen noch innerhalb der durch die
Beleganalysen gegebenen Fehlergrenzen liegende Abweichung nicht überraschen darf.
Auch bei den nach der neuesten Simand'schen Vorschrift
(Aufkochen am Rückfluſskühler) ausgeführten Versuchen habe ich die Vorschrift nicht
genau eingehalten, indem ich nach dem Aufkochen nicht durch Einstellen in kaltes
Wasser rasch abkühlte, sondern durch etwa halbstündiges Stehenlassen die Flüssigkeit
Normaltemperatur annehmen lieſs. Auſserdem hatte ich zu allen diesen Analysen, wie
ich schon oben bemerkte, sehr schwach geglühte Magnesia angewendet. Es ist ja auch nicht anzunehmen,
daſs bei so zahlreichen neben und nach einander sich abspielenden Prozessen, wie sie
bei Einwirkung von Magnesia auf Gerbbrühen vor sich gehen, immer ein so
regelmäſsiger Verlauf derselben statthaben wird, daſs, bei noch so sorgfältiger
Arbeit, die gefundene Menge Mg2P2O7 nicht um einige
Milligramme abweichen könnte.
Um nun die Behauptung des Herrn Meerkatz:
„Die Prüfung nach der Procter'schen Methode gelinge
ebenso gut, wie nach der von mir angegebenen Methode“, mit einem recht
augenfälligen Beispiel zu beleuchten, will ich auch das nach dieser Methode
erhaltene Analysenergebniſs der gleichen Brühe anführen: 25cc Brühe geben bereits nach Zusatz von 7cc,8 Barythydrat einen dicken braunen
Niederschlag. Die nach dieser Methode gefundene Säuremenge würde also für 100cc Brühe 0g,290
Essigsäure betragen. Mit Lakmuspapier geprüft, war die Reaction noch ganz intensiv
sauer. Es wird also hierdurch das in der Abhandlung der Herren Simand und Kohnstein ausgesprochene Urtheil über die
Procter'sche Methode vollständig bestätigt, das
Urtheil des Herrn Meerkatz aber wohl auf das
Gründlichste widerlegt.
Endlich möchte ich nur noch auf die im Schlusse der Abhandlung des Herrn Simand enthaltenen Bemerkungen kurz antworten. Wenn er
zwar einmal die Absicht ausgesprochen hat, die Menge der von Haut aus Gerbbrühen
absorbirbaren Säure zu bestimmen, ihm aber, wahrscheinlich so gut wie mir, um seine
Worte zu gebrauchen, „im vornhinein jeder Gerber gesagt hätte, daſs Haut Säure
aufnimmt, und daſs diese Aufnahme von der Dauer der Einwirkung abhinge,“ so
möchte ich ihm dagegen die Frage vorlegen, wer ihm unter diesen Umständen das
ausschlieſsliche Recht zuspricht, die Ausführung dieser im engsten Zusammenhange mit
der Methode der Säurebestimmung stehenden Untersuchung auf Jahre hinaus für sich
allein in Anspruch zu nehmen? Vielleicht betrachtet er die Thatsache schon als einen
Eingriff in seine Rechte, daſs ich mir überhaupt erlaubt habe, eine auch praktisch
wirklich brauchbare einfache und genaue Methode der Säurebestimmung zu
veröffentlichen? Mir scheint überhaupt als ob die Herren Fachgenossen in Wien mit
einer so beiläufig gemachten Bemerkung oder Anmerkung schlieſslich das ganze Gebiet
der Gerbereichemie für sich mit Beschlag belegen zu können meinen. Mögen sie nur
ihrem Thatendrange keinen Zwang anthun, und zum Heile und Nutzen der Gerberei
möglichst viele und möglichst praktische und dieselbe fördernde Arbeiten
ausführen.
Ueber Werth oder Unwerth der wenigen von mir bereits als Anfang zu meiner Methode der
Säurebestimmung veröffentlichten Versuche über die Säureabsorption durch Haut aus
Gerbbrühen mit Herrn Simand zu streiten, halte ich für
vollkommen überflüssig.