Titel: | Zur Bildung des Erdöles. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 183 |
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Zur Bildung des Erdöles.
(Schluſs der Abhandlung S. 136 d. Bd.)
Zur Bildung des Erdöles.
Es ist vielleicht nicht unzeitgemäſs, einmal wieder von rein chemischem
Gesichtspunkte aus, den Bildungsprozeſs des Erdöles aus Thierresten näher ins Auge
zu fassen. Wir sind als Chemiker geneigt, weil wir in gleicher Richtung mehr mit
Pflanzen Stoffen operiren, diese auch als die Substrate für die Bildung des Erdöles
zu betrachten. Stellen uns aber die Paläontologen ungemessene Mengen Thiersubstanz
zur Verfügung, was sie angesichts der groſsen Masse ihrer Fossilien ruhig thun
können, so erhält damit die Frage nach Bildung des Erdöles aus thierischen Resten –
abgesehen von geognostischen Verhältnissen – zum Mindesten die gleiche Berechtigung
wie diejenige nach der Bildung aus Pflanzenresten.
Engler geht von der Annahme aus, daſs die von G. KrämerBerichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1888 Bd. 21 S. 608. gestellte
Frage, ob bei Bildung der in dem Erdöle enthaltenen Paraffine und Naphtene
verschiedene Temperatur- und Druckverhältnisse gewaltet haben, nach seinem eigenen
Vorgange zu bejahen ist, daſs ferner sowohl aus dem Charakter der das Erdöl
zusammensetzenden Stoffe, als auch aus dem Fehlen kohliger Rückstände ein bei
erheblich niederer Temperatur verlaufender Destillationsprozeſs angenommen werden
muſs, und, vielleicht noch wahrscheinlicher, daſs der Druck, unter welchem die
Kohlenwasserstoffe des Erdöles aus den thierischen Resten gebildet wurden, oftmals
ein solcher war, daſs er auch gleich wieder die Condensation der gebildeten Producte
verursachte. Es sei in dieser Beziehung an Engler's
Versuche erinnert, bei welchen es gelang, Fischtran durch Erhitzen auf 350° in
geschlossener Röhre, und zwar ohne eine zur Condensation der gebildeten Oele
dienende Verlängerung, gröſstentheils in Kohlenwasserstofföle, Wasser und
Nebenproducte zu dissociren. Wie hier im geschlossenen Rohre, so mag die
Thiersubstanz früherer geologischer Epochen, von undurchlässigen Schichtungen
umgeben, in geschlossenem Behälter jenem erhöhten Drucke unterlegen haben.
Angesichts der über Erdöllagern abgelagerten Sedimentärschichten fehlt es nicht an
positiven Anhaltspunkten für einen solchen Druck, worauf auch schon Hoefer hinweist. Die mit Erdöl angefüllten
Orthoceratitenkammern bei Packenham sind solche Behälter in kleinem Maſsstabe. Es
erscheint auch nicht ausgeschlossen., daſs in einzelnen Fällen noch der Druck des
über den Schichtungen stehenden Meerwassers mitgewirkt hat, wofür die von Fraas beobachteten Korallenbänke von Djebel Zeit mit
ihren Ausschwitzungen von Erdöl einen Anhaltspunkt darzubieten scheinen.
Das Fehlen einer Reihe von chemischen Verbindungen, welche wie z.B. Acroleïn,
Allylverbindungen, Fettsäuren mit niederem Kohlenstoffgehalte als Producte der Fettzersetzung
anscheinend vorhanden sein müſsten, kann nicht wundernehmen, wenn man in Rücksicht
zieht, daſs bei schon Jahrtausende langer Berührung des Erdöles mit Wasser jene in
Wasser löslichen Substanzen längst ausgelaugt sein müssen, abgesehen davon, daſs das
Glycerin, wie weiter unten ausgeführt ist, sehr wohl schon vor der Umwandlung in Erdöl abgespalten und fortgeführt worden sein kann.
Eine Untersuchung von rohem Erdöle in dieser Richtung von zweifellos primärer
Fundstätte wäre von höchstem Interesse.
Auffällig dagegen scheint auf den ersten Blick das angebliche Fehlen des Stickstoffes
in den Erdölen. Dieses Fehlen wäre aber, wenn auch nicht ganz in gleichem Grade, so
aber immerhin doch auch als auffällig zu bezeichnen, wenn das Erdöl aus
Pflanzenresten entstanden sein sollte, denn wenn diese letzteren auch erheblich
weniger Stickstoff enthalten, so wissen wir doch, daſs in den Producten ihrer
trockenen Destillation nicht unerhebliche Mengen Stickstoffverbindungen enthalten
sind. Abgesehen von den im eigentlichen Theere enthaltenen Basen, stammt ja doch
fast der gesammte Stickstoff unseres Ammoniaks und seiner Salze aus Kohle, also aus
solchen Pflanzenresten. Aber der Stickstoff kann durchaus nicht als sämmtlichen
Erdölen fehlend aufgeführt werden, er ist vielmehr in einer Reihe solcher Oele
positiv nachgewiesen worden, so durch Peckham in
mehreren amerikanischen Oelen, von St. Claire-Deville
und von Boussingault im Elsässer Rohöle, von letzterem
Forscher auch in einem Erdöle aus China (Ho Tsing), von Delesse im Bergtheere von Trinidad u.s.w., Feodorowicz hat Ammoniak in dem Erdöle von Siary (Galizien) und Carnegie Krystalle von Ammoniumcarbonat in den
Gasquellen von Pittsburg wahrgenommen.
Im Anschlusse hieran sei aber noch auf einen Punkt hingewiesen, der in allen
bisherigen Betrachtungen dieser Frage zu wenig Beachtung gefunden haben dürfte, der
aber bei näherer Berücksichtigung es als natürlich erscheinen läſst, daſs das
Auffinden des Stickstoffes in den rohen Erdölen zu den Ausnahmen gehört. – Wenn auch
feststeht, daſs in der chemischen Natur der die Thierstoffe und die Pflanzenstoffe
zusammensetzenden chemischen Verbindungen ein ganz scharfer genereller Unterschied
nicht besteht, daſs die Pflanzen z.B. ebensowohl Stickstoff haltige Substanzen,
Fette u.s.w. als für ihr Leben und für ihre Fortpflanzung wesentliche Bestandtheile
führen, wie die Thiere, so ist doch klar, daſs es sich bei den organischen Stoffen
der Thierwelt viel mehr um die Anwesenheit zweier gewissermaſsen gegensätzlicher
Stoffe handelt, als bei den Pflanzen; denn während diese ihrer Hauptmasse nach eine
gewisse Einheitlichkeit zeigen, bestehen jene ihrer Hauptmasse nach aus
concurrirenden Theilen Stickstoff haltiger Muskelsubstanz und Stickstoff freiem
Fette, zumal die hier in erster Reihe in Betracht kommenden Seethiere. Die
Dauerhaftigkeit dieser beiden Substanzen ist aber eine völlig verschiedene; die Stickstoff haltigen
Stoffe unterliegen rasch der Fäulniſs und dem Zerfalle, die Fette nicht. Es ist
gewiſs nicht unberechtigt, anzunehmen, daſs bei den angehäuften Thierleichen der
Vorwelt die Zersetzung jeweils in zwei Hauptphasen vor sich ging: daſs zuerst die
Stickstoff haltigen Stoffe zerfielen, der Stickstoff dabei sich als solcher oder in
Gestalt von Ammoniak und seinen Verbindungen, auch vielleicht in noch complicirteren
Formen, verflüchtigte oder auch noch durch Wasser weggeführt wurde, daſs also das
Fett zurückblieb (wobei nicht ausgeschlossen ist, daſs in einzelnen Fällen schon das
Fett in secundäre Lagerstätten transportirt wurde) und erst in späterer Zeit durch
Druck und Wärme, vielleicht auch durch ersteren im Wesentlichen allein seine
Umwandlung in Erdöl erfuhr. Es sei in dieser Beziehung an die Untersuchungen Gregory'sAnn. Chem. Pharm., Bd. 61 S.
362., insbesondere aber Wetherill'sJahresbericht für Chemie, 1855 S. 517. Journal für praktische Chemie, Bd. 68 S. 26
nach Transact. of the Americ. Philosoph.
Soc. XI. erinnert. Dieser fand in fossilen
Knochen des Bison Americanus 86,3 Proc. fette Säuren nebst etwas färbender Substanz,
10,1 Proc. Kalk mit einer Spur Phosphorsäuresalz und 3,6 Proc. „flockige
organische Substanz“ und constatirte in einer groſsen Zahl von Fällen der
Beerdigung von Leichnamen, welche alle von fetten Menschen herrührten, in nassem
Boden, daſs der Verwesungsprozeſs einen wachsartigen Stoff, „Adipocire“ oder
Fettwachs, zurückläſst, der im Wesentlichen (97 bis 98 Proc.) aus Fettsäuren
besteht. Ein ähnliches Resultat erhielt er bei einem schon zehn Jahre verscharrt
gewesenen Schafe. In keinem Falle findet er aber Ammoniak in der rückständigen
Masse. Schon vor ihm hatte Gregory als Rest eines
Schweines, welches 15 Jahre vorher eingescharrt worden war, ein Adipocire als
Rückstand aufgefunden, welches zu ¼ aus Stearinsäure und ¾ aus Palmitinsäure
(„Margarinsäure“) und Oelsäure bestand, selbst die Knochen waren in
diesem Falle schon verschwunden. Direkte Versuche Wetherill's ergaben endlich noch, daſs wenn man Thiersubstanz (ein
Ochsenherz) der Fäulniſs bezieh. Verwesung künstlich unterwirft, die
Stickstoffsubstanz ebenfalls verschwindet und lediglich das Fett im Zustande des
Adipocires zurückbleibt. Diese Fälle genügen, um die Dauerhaftigkeit thierischer
Fettsubstanz, gleichgültig ob das Glycerin schon abgespalten ist oder flicht, zu
erweisen.
Denken wir uns nun Sedimentärgestein von solchen Fettmassen, den Resten verfaulter
Thierleiber, durchsetzt und sie nachträglich unter starken Druck bezieh. auch noch
in Wärme gebracht, so ist damit eine Erklärung der Bildung des Erdöles gegeben. –
Möglich, daſs das Ammoniak des Erdöles von Siary und das Ammoniumcarbonat der
Erdgasquellen von Pittsburg ausnahmsweise erhalten gebliebene Reste der
Stickstoffsubstanz vorweltlicher Thiere sind; eine nothwendige Folge der Bildung aus Thierresten ist
ein Stickstoffgehalt des Erdöles jedenfalls nicht.
Mit der Theorie der Bildung des Erdöles aus organischen Stoffen nicht in Einklang hat man bisher bringen können das
Fehlen kohliger Reste in dem Erdöle selbst oder doch in genetischer Beziehung damit.
Dieser Umstand spricht jedoch ungleich mehr zu Ungunsten der Bildung aus
vegetablischen als der aus animalischen Substanzen. Nehmen wir die Cellulose (C6H10O5) als Repräsentanten der ersteren an, so haben wir
darin 44,4 Proc. Kohlenstoff, 6,2 Proc. Wasserstoff und 49,4 Proc. Sauerstoff.
Lassen wir von diesen Elementarstoffen auch nur einen kleinen Theil unter Bildung
von Wasser zusammentreten, so hinterbleibt ein Rest, der so arm an Wasserstoff und
so reich an Kohlenstoff ist, daſs ohne Kohlenstoffausscheidung an eine Bildung
gesättigter Kohlenwasserstoffe oder auch nur der Reihe CnH2n nicht mehr zu denken ist. Aus
allgemeinen Gründen aber ist es wahrscheinlich, daſs je höher der Druck und je
niedriger entsprechend die Temperatur, um so mehr Wasser und um so weniger
Kohlensäure bei der Dissociation gebildet werden. Je mehr Wasser aber aus der
Holzsubstanz ausgetrieben wird, um so mehr Kohle muſs nothwendigerweise
zurückbleiben. Daſs trotzdem aus Cellulose Kohlenwasserstoffe sich bilden können,
bleibt damit selbstverständlich unbestritten, nur erscheint es ausgeschlossen, daſs
sie entstehen, ohne daſs kohlige oder Kohlenstoff reiche Reste als Residuen
hinterbleiben.
Ganz anders bei den Thierfetten oder den durch Glycerinabspaltung daraus entstandenen
Fettsäuren. Es enthalten:
Tristearin
Tripalmitin
Trioleïn
Stearin-säure
Palmitin-saüre
Oelsäure
C
76,6
75,9
77,4
76,1
75,0
76,6
Proc.
H
12,4
12,2
11,8
12,7
12,5
12,1
„
O
11,0
11,9
10,8
11,2
12,5
11,3
„
Auch der Thran hält sich in seiner Elementarzusammensetzung ungefähr innerhalb obiger
Grenzen. Eliminirt man aus diesen Fetten bezieh. besser den Fettsäuren den gesammten
Sauerstoff mit dem dazu nöthigen Wasserstoffe als Wasser, so hinterbleiben
Kohlenstoff und Wasserstoff immer noch in einem Verhältnisse (rund 87 Proc.
Kohlenstoff und 13 Proc. Wasserstoff), welches der Gesammtzusammensetzung unserer
rohen Endöle nicht bloſs nicht ferne, sondern vielmehr auffallend nahe steht. Es sei
in dieser Beziehung auf die Analysen Markownikojff's
und Ogloblin'sBerichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1874 Bd. 16. verwiesen, welche in
Erdöl von Baku fanden:
I
II
III
C
86,65
87,01
86,89
Proc.
H
13,35
13,22
13,18
„
ferner auf die zahlreichen Analysen St. Claire-DevillesCompt. rend., Bd. 66 S. 442. Bd. 68 S. 485.
Bd. 69 S. 1007. Siehe auch Jahresberichte für
Chemie, 1869 S. 1126., welcher u.a. fand in
Erdöl von:
C
H
O
Pechelbronn (Elsaſs)
85,7
12,0
2,3
Proc.
Schwabweiler (Elsaſs)
86,2
13,3
0,5
„
Oedesse (Hannover)
80,4
12,8
6,9
„
Wietze (Hannover)
86,2
11,4
2,4
„
Ostgalizien
82,2
12,1
5,7
„
Westgalizien
85,3
12,6
2,1
„
Westcanada
84,2
13,4
2,3
„
Westcanada
84,3
13,5
2,0
„
Westvirginien
83,2
13,2
3,6
„
Westvirginien
83,6
12,9
3,5
„
Walachei
83,0
12,2
4,8
„
Piemont
86,4
12,2
1,4
„
Zante
82,6
11,8
5,6
„
Birmah
83,8
12,7
3,5
„
Bringt man in diesen Analysenresultaten den Sauerstoff mit dem für Bildung von Wasser
dazu gehörigen Wasserstoffe in Abzug und berechnet dann die verbleibenden Reste von
Kohlenstoff und Wasserstoff auf Procente, so wird man fast immer zu Zahlen kommen,
welche 87 Proc. Kohlenstoff und 13 Proc. Wasserstoff nicht ferne stehen.
Aus diesen Betrachtungen erklärt sich nun aber auch, weshalb wir in Verbindung mit
den Erdöllagern keine kohligen Reste wahrnehmen. Die Zersetzung der Fette bezieh.
der Fettsäure unter sehr hohem Drucke erfolgt eben ohne die Bildung solcher
Rückstände, wobei an die oben Erwähnte überraschende Wahrnehmung erinnert sei, daſs
die Umwandlung von Fettstoffen im geschmolzenen Glasrohre unter Druck oftmals vor
sich ging, ohne daſs eine irgend erhebliche Bildung von kohligen Rückständen
stattfand.
Endlich kann sich Engler der Auffassung, daſs das Erdöl
aus Pflanzenresten entstanden sei, auch aus dem allgemeinen Grunde nicht
anschlieſsen, weil es bekannt ist, daſs in dem marinen Leben die Pflanzen nur eine
ganz untergeordnete Rolle spielen; sie sind auf die Ufer angewiesen, denn schon bei
Tiefen von 30 bis 40m schwinden ihre
Existenzbedingungen und nur in der Nähe der Küsten können sich deshalb – von
Versenkungen abgesehen – gröſsere Anhäufungen von Pflanzenresten bilden. Die
Sargassum-Algen, welche als schwimmende Inseln auf dem Meere herumtreiben, treten im
Ganzen so sporadisch auf, daſs ihr Vorkommen als ein verschwindend geringes
gegenüber der marinen Thierwelt angesehen werden muſs.