Titel: | Siemens und Halske's elektrischer Göpel zur Förderung auf einfallender Strecke im Salzwerke Neu-Stassfurt. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 420 |
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Siemens und Halske's elektrischer Göpel zur
Förderung auf einfallender Strecke im Salzwerke Neu-Staſsfurt.
Elektrischer Göpel von Siemens und Halske.
Zu Anfang des Jahres 1885 entschloſs sich die Gewerkschaft des Salzbergwerkes
Neu-Staſsfurt, ihr Kalisalzlager in 360m Tiefe des
Hammacher-Schachtes nach dem Einfallen mittels eines Gesenkes unter 40° Neigung zu
untersuchen und zur Förderung einen Göpel mit elektrischer Betriebskraft
aufzustellen.
Die Ausführung dieser Anlage wurde Siemens und Halske im
Anschlusse an die früher von ihnen in 300m Tiefe
des Agathe-Schachtes desselben Werkes zur Streckenförderung angelegte, zur Zeit etwa
1500m lange elektrische Grubenbahn,
übertragen.
Von der durch eine über Tage vorhandene Dampfmaschine betriebenen, den Strom
erzeugenden, treibenden Maschine beträgt die wagerechte Entfernung bis zum Schachte
etwa 155m. Da die Tiefe des nach dem unter Tage
befindlichen Theiles der Anlage führenden Schachtes 360m beträgt und die zum Betriebe des Göpels dienende getriebene elektrische
Maschine noch 40m vom unteren Schachtende entfernt
ist, so war im Ganzen eine 555m lange elektrische
Doppelleitung für die Hin- und Zurückführung des elektrischen Stromes nöthig. Von
dieser Leitung wurde der über Tage befindliche Theil aus blankem Kupferdrahte, der
durch den Schacht hinabgeführte und unter Tage befindliche Theil aus gut umhülltem
und in einer Holzlutte gegen Beschädigung geschütztem Kabel hergestellt.
Die Förderung auf der projectirten schiefen Ebene wurde für die 8stündige Schicht auf
100 beladene, im Bruttogewichte 1200k schwere und
800k Material fassende Wagen festgestellt,
wobei noch bestimmt wurde, daſs bei 100m Tiefe auf
der zweigeleisigen, etwa 155m langen schiefen
Ebene alle 4 Minuten ein voller Wagen herauf und gleichzeitig daneben ein leerer
Wagen hinunter fahren sollte. Da man 1 Minute zum Ab- und Anhängen der Wagen für
nöthig erachtete, so blieben für die wirkliche Fahrzeit nur 3 Minuten, woraus sich
die Fahrgeschwindigkeit auf 0m,864 für die Secunde
ergab.
Die in der Secunde zu leistende Gesammtarbeit berechnete sich in runder Zahl auf
450mk.
Es ist dies die vom Elektromotor, d.h. der getriebenen Dynamomaschine, durch die
Seiltrommel zu leistende Nutzarbeit, welche durch die mechanischen Widerstände des
Göpelwerkes, der Transmission, des Elektromotors und der treibenden Dynamomaschine,
sowie durch die elektrischen Verluste, welche in jeder elektrischen Anlage
unvermeidlich sind, bis zur Dampfmaschine hin um etwa das 2½fache vergröſsert wird,
so daſs also von der Arbeit der Dampfmaschine nur 40 Proc. auf die Seiltrommel, d.h.
auf das Zugseil der Wagen, übertragen werden. In Folge dieser unvermeidlichen
Arbeitsverluste muſs die Dampfmaschine ungefähr eine Nutzarbeit von 15 für
diesen elektrischen Göpelbetrieb leisten, während der Nutzeffect der rein
elektrischen Anlage wenigstens 53 Proc. beträgt, indem 25 Proc. Effectverlust durch
das Triebwerk des Göpels herbeigeführt werden.
Das Göpelwerk, welches mit den über zwei Seilrollen geführten und auf der Trommel in
entgegengesetzten Richtungen sich aufwickelnden Drahtseilen gleichzeitig auf der
schiefen Ebene einen vollen Wagen heraufzieht und einen leeren hinunterlaufen läſst,
bietet auf der Trommel dem Seile einen Wickelkreis von 1240mm Durchmesser und bei der stattfindenden
Seilgeschwindigkeit von 0m,864 in der Secunde
dreht die Trommelachse sich mit 13,3 Umläufen in der Minute.
Die Bewegung wird vom Elektromotor mit etwa 1000 Umdrehungen in der Minute
herbeigeführt und mittels eines 160mm breiten
Riemens bei 3m Entfernung der Riemenscheibenmitten
von der 250mm haltenden Riemenscheibe des
Elektromotors auf das doppelte Zahnradvorgelege des Göpels durch eine 750mm im Durchmesser haltende Riemenscheibe, also mit
dreifach vermindernder Uebersetzung übertragen. Die weitere Verminderung der
Umdrehungsgeschwindigkeit bis auf die 13,3 Umläufe der Seiltrommel wird alsdann noch
durch das doppelte Zahnradvorgelege bewirkt.
Die Riemenübertragung vom Elektromotor zum Göpel, gegen welche wohl Bedenken
aufkommen könnten, hat sich gerade in diesem Falle sehr gut bewährt, indem dadurch
ein stoſsfreier, sanfter Anzug der beladenen Wagen, worauf sehr viel ankommt, damit
die Wagen nicht aus den Schienen geworfen werden, und eine merkliche Schonung des
Zahnradvorgeleges herbeigeführt wurde.
Durch ein am Umfange einer neben der Seiltrommel angebrachten Bremsscheibe wirksames
Bremsband, welches durch einen Fuſshebel angezogen werden kann, wird nach Abstellen
des Elektromotors die Seiltrommel gehemmt, während durch eine auf der ersten
Vorgelegewelle sitzende Bremse, deren Band mittels Handhebel wirksam gemacht wird,
die Umdrehungsgeschwindigkeit des Göpels geregelt werden kann.
Die stromerzeugende Dynamomaschine (Type D0) ist mit
gemischter Bewickelung der Schenkel versehen und regelt daher bei veränderlicher
Belastung ihre Geschwindigkeit selbsthätig auf gleiche Umdrehungszahl. Es werden von
derselben ungefähr bei 370 Volt Spannung 22 Ampère Strom nach dem Elektromotor
gesendet, wovon 5 bis 6 Proc. in der Leitung verloren gehen; vom Elektromotor (Type
D1), dessen Magnetschenkel aus dem oben
angeführten Grunde ebenfalls mit gemischter Bewickelung versehen sind, werden bis zu
75 Proc. der übertragenen elektrischen Energie als Kraftleistung abgegeben. Beide
Maschinentypen haben auch bei dem Betriebe der bereits erwähnten elektrischen Bahn
zur Streckenförderung im Neu-Staſsfurter Agathe-Schachte sich bestens bewährt. Um
beim An- und Abstellen, sowie bei dem damit verknüpften Umsteuern des Elektromotors
den elektrischen Strom allmählig zu- und abnehmen zu lassen und so ein zu starkes
Ansteigen desselben und die dadurch drohende Erhitzung der elektrischen Maschinen zu
verhüten, sind neben dem Elektromotor in einem kastenartigen Gehäuse elektrische
Widerstände angebracht, welche gleichzeitig mit der Bethätigung des Steuerhebels
ein- oder ausgeschaltet werden, um die Stromzuführung nach dem Elektromotor zu
regeln. Die Umsteuerung des Elektromotors wird auf sehr einfache Art dadurch
erreicht, daſs zwei diametral gestellte Contactbürstenpaare vorhanden sind, die mittels des
zum Umsteuern dienenden Hebels abwechselnd vom Commutator abgehoben und angelegt
werden, um die Drehungseinrichtung des Motors in die entgegengesetzte
umzuwandeln.
Dieser elektrische Göpel ist vom Anfange November 1885 bis Ende März 1887 ohne irgend
eine Störung in Betrieb gewesen. Das Abteufen der einfallenden Strecke, wozu diese
Anlage bestimmt war, wurde bis auf nahezu 132m
Tiefe bewerkstelligt und in dieser Tiefe wurden alsdann noch verschiedene
Untersuchungen ausgeführt. Die Einstellung des Betriebes erfolgte nur deshalb, weil
die Untersuchungsarbeiten vorläufig ihren Zweck erreicht hatten. (Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1888 S. 154.)