Titel: | Das Mannesmann'sche Walzverfahren. |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 503 |
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Das Mannesmann'sche Walzverfahren.
(Fortsetzung des Berichtes S. 454 d.
Bd.)
Mit Abbildungen.
Das Mannesmann'sche Walzverfahren.
Die Fertigstellung jedes gewünschten Profiles in einem Durchgange ist der zweite
wesentliche Punkt des neuen Verfahrens. Es soll auf diese Weise die ganze volle
Dehnbarkeit des weiſswarmen Blockes ausgenutzt werden, indem die von den Scheiben
bezieh. Walzen erfaſste Masse mit groſser Geschwindigkeit zum fertigen Rohre oder
Stabe ausgestreckt wird. Bei dem bisherigen Walzverfahren passirt ein Querschnitt
des Werkstückes nach dem anderen die Walzen und muſs jeder Querschnitt so lange
warten, bis wieder an ihn die Reihe kommt, auch verliert der Stab, je länger und
dünner er wird, Wärme und Dehnbarkeit in höherem Maſse, und erschwert diese
Abkühlung das Walzen. Dieser Uebelstand soll durch das neue Verfahren beseitigt
werden; leider sind der praktischen Verwendung enge Grenzen gezogen. Bei HerstellungHerstellung von Röhren, hohlen Wellen und dickerem Rundeisen kann dieser Vortheil ganz
zur Geltung kommen, nicht aber in all den Fällen, in welchen durch nothwendige
Querschnittsverjüngung eine zu groſse Winkelgeschwindigkeit des Stabes bedingt wird,
und in den Fällen, in welchen der Kraftbedarf wegen der groſsen
Querschnittsverminderung durch Walzen, Walznasen und Druckeisen ein unerreichbar
hoher wird.
Röhren können bei geringer Neigung der Arbeitsflächen erzielt werden. Die
Querschnitts Verminderung geschieht durch das Hohlwerden von innen; der äuſsere
Durchmesser und mit ihm die Umfangsgeschwindigkeit werden durch die
Querschnittsverminderung nicht hervorragend geändert.
Ein kurzes Beispiel möge dies klarlegen. Es soll, anlehnend an den soeben
vorgeführten Fall, aus einem Rundstabe von 50mm
Durchmesser ein Rohr von 46mm Durchmesser gewalzt
werden. Die Scheiben haben, wie vorhin, 320mm
Durchmesser = 1000mm Umfang und machen eine
Umdrehung in der Secunde. Das theilweise Gleiten soll ebenfalls nicht berücksichtigt
werden. Dann ist
in Punkt 1
in Punkt 16
der Durchmesser des Werkstückes
50
46mm
der Umfang des Werkstückes
157
144
die Umfangsgeschwindigkeit der Scheiben
62,8
1000
62,8
1000
––––
–––––
die Umdrehungsanzahl des Rohres
157
144
= 0,4
= 7
Bei einer Umdrehung des Werkstückes in Punkt 1 hat das austretende Rohr
\frac{7}{0,4}=17,5 Umdrehungen gegen
\frac{100}{0,4}=250 Umdrehungen des Drahtes von 3mm,2 Durchmesser.
Ohne Zweifel hat der günstige Umstand, daſs beim Röhren walzen die groſse
Querschnittsverminderung keinen so störenden Einfluſs auf die
Umdrehungsgeschwindigkeit des austretenden Stabes ausübt, den Erfinder veranlaſst,
das direkte Ausstrecken fester Querschnitte bei groſsen Querschnitts Verminderungen
in Vorschlag zu bringen.
Der Erfinder spricht von groſsen Umdrehungsgeschwindigkeiten der Scheiben; nehmen wir
bescheiden nur 120, d. i. zwei Umdrehungen in der Secunde; dann hat der austretende
Draht bei oben angeführtem Beispiele in der Secunde 200 Umdrehungen.
Was fängt man wohl mit einem hellrothwarmen Drahte an, der mit doch sicher 4 bis 5m Längengeschwindigkeit und 200 Umdrehungen in der
Secunde aus den Walzen tritt? Anfassen, Aufwickeln ist nicht möglich. Jedes
Hinderniſs würde den Draht zu einem unentwirrbaren Knäuel gestalten oder ihn im
Hüttenraume umherschleudern; eine Führung müſste weit über 100m lang sein, der warm nachschieſsende Draht würde
das kältere Ende in der Führung nicht bewältigen. Kurz, es ergeben sich
Unzuträglichkeiten, die vorher überwunden sein müssen, ehe das neue Verfahren zum
Drahtwalzen angewendet werden kann.
Auf ebenso groſse Schwierigkeiten stöſst das neue Verfahren durch den groſsen Kraft
verbrauch bei Anwendung von Walznasen und Druckeisen bei groſser
Querschnittsverminderung. Aus der Patentschrift kann man ersehen, daſs beim Walzen
von Façoneisen der in den Walzen runde Block durch sogen. Walznasen hindurchgepreſst
und so dem Druckeisen vorbereitet werden soll, so daſs dem letzteren nur übrig
bleibt, die genaue Form herzustellen. Druckeisen nennt der Erfinder ein
Fertigkaliber (genau wie das gewöhnliche Zieheisen beim Ziehen von Façondraht), aber
drehbar gelagert, mit groſser Widerstandsfähigkeit gegen den zu ertragenden Druck.
Walznasen sind Uebergangsstücke, welche in ihrer äuſseren Form den Querschnitt des
zu erzielenden Façoneisens zu einem gröſsten Querschnittskreise ergänzen, deren
innere Formen aber den runden Block in den Walzen umfassen und am anderen Ende,
dicht vor dem Druckeisen, das verlangte Profil haben. Die Voranbewegung des Blockes
in den Walzen soll nun den Block durch den inneren freien Raum der Walznasen pressen
und ihm die Form geben, welche das Druckeisen zu vollenden hat. Die Walznasen sind
am Druckeisen befestigt und mit diesem drehbar. Die drehende Bewegung des
Werkstückes theilt sich den Walznasen und durch diese dem Druckeisen mit.
Ich habe bereits die aus genauen Versuchen erzielten Annahmen in Rechnung gezogen,
daſs zum Fortstrecken von 1cbmm Eisen im warmen
Zustande ein Druck von 10k erforderlich ist. Im
vorliegenden Falle tritt allerdings der Block in weiſswarmem Zustande in die
Walznasen ein; jedoch dürfte die Annahme von 10k
für 1cbmm hier nicht zu hoch sein, weil hier die
gleitende Reibung zwischen Werkstück und Walznasen zu überwinden ist, gegenüber dem
bei weitem vortheilhafteren Ausstrecken zwischen gewöhnlichen Walzen.
Nehmen wir nun zur Klarstellung wieder einen bestimmten Fall, und zwar ein ⌶-Eisen von sehr bescheidenen Abmessungen. Es soll ein
⌶-Eisen 200mm hoch
mit 4000qmm Querschnitt gewalzt werden. Die
Ergänzungsstücke (Walznasen) ergeben einen kreisförmigen Querschnitt von 220mm Durchmesser beim Austritte aus den Walzen. Die
radiale Verjüngung des Blockes in den Walzen, durch welche die Kraft der
Voranbewegung, also die Pressung in den Walznasen, bedingt wird, zu nur 40mm angenommen, ergibt einen Blockdurchmesser von
300mm = 70600qmm. Soll in 1 Secunde nur 10mm
Blocklänge verarbeitet werden; wird ferner der Arbeitsweg gleich dem halben Radius =
75mm angenommen, so ist das zur Verarbeitung
bereite Metall 70600 – 4000 = 66600 . 10 = 666000cbmm und die zum Ausstrecken erforderliche Kraft gleich 6660 .
Daſs die groſse Umdrehungsgeschwindigkeit des austretenden Stabes beim geringsten
Widerstände ein Verdrehen desselben zur Folge haben müſste, sei hier nur beiläufig
erwähnt.
Ein Hauptübelstand bei dem Verfahren, mit Walznasen und Druckeisen zu arbeiten, ist
folgender: Wenn der Block die Walzen verlassen hat, das letzte Material in die
Walznasen gepreſst ist, dann hat der Stab keine Veranlassung, weiter fortzufahren.
Der Stab bleibt mit dem Putzen zwischen den Walznasen sitzen. Dieser geringfügige
Umstand stürzt den ganzen phantasievollen Aufbau von „allen erdenklichen Arten
von Profilen“, und es bleibt nur das Rohr von zweifelhafter Dichtigkeit, die
hohle Welle und auſserdem das Rundeisen, welches ebenso leicht hohl wird, wie die
Schraubenbolzen auf den englischen Schrägwalzmaschinen. Da dem bestehenden
Walzwerksbetriebe auf diese Weise kein Umsturz droht, so können wir wohl das
Auswalzen von hohlen Zahnstangen, hohlen Schienen, hohlen Schwellen, hohlen
Zahnrädern, Kugeln und Kugelabschnitten neidlos dem Erfinder überlassen.
Die dritte Neuerung: „mit denselben Walzen unter Auswechselung minimaler Theile
verschiedene Dimensionen aller erdenklichen Arten von Profileisen und Röhren zu
walzen“, würde ebenfalls von Bedeutung sein, wenn der praktischen Ausführung
nicht ebenfalls so enge Grenzen gezogen wären.
Daſs Röhren, hohle und massive Rundstäbe u.s.w. in denselben Walzen hergestellt
werden können, ist auſser Zweifel. Im Laufe der Patentbeschreibung braucht der
Erfinder übrigens so vielerlei Walzen, daſs er den hervorgehobenen Vorzug seines
Verfahrens wieder abschwächt.
Ferner sind die auszuwechselnden Theile bei der Herstellung der verschiedenen Profile
durchaus nicht minimal, sondern Walznasen und Druckeisen, deren Befestigung in den
meisten Fällen schwierig herzustellen und welche erheblichem Verschleiſse ausgesetzt
sind, so daſs die Vortheile des geringeren Walzenwechselns mehr als aufgewogen werden. Auſserdem
sind die gesammten Walzeinrichtungen in der Anschaffung, im Vergleiche zu den
bisherigen, sehr kostspielig.
Das in der Patentschrift aufgeführte sechste Walzverfahren ist von den vorher
behandelten grundsätzlich verschieden, weshalb ich Abstand genommen habe, es näher
zu beleuchten. Sollte dieses Verfahren der praktischen Verwendung näher rücken, dann
wird noch Zeit genug dafür sein.
In einer an die vorstehenden Vorträge anknüpfenden Zuschrift glaubt Herr Lismann einige der entwickelten Anschauungen
richtigstellen zu müssen. Die Zuschrift lautet:
Herr Balcke geht von der Voraussetzung aus, daſs das zu
einem nahtlosen Rohre nöthige Rundmetall denselben Aufwand von Wärme, Kraft und
Handarbeit beansprucht, als der zu einem geschweiſsten Rohre nöthige Blechstreifen.
Es fällt aber bei dem Schrägwalzverfahren dieser Aufwand ganz weg, da ein
gegossener, massiver oder hohler Stahlblock direkt vom Gusse mit der Guſshitze in
ein fertiges Rohr verarbeitet werden kann, der etwaige gröſsere Kraftaufwand dürfte
hierdurch bei Weitem überboten werden.
Bezüglich der Qualität unterliegt es keiner Frage, daſs ein Rohr, ohne Naht aus
gleichartigem Metalle hergestellt, das bessere ist, insbesondere wenn, wie bei
vorliegendem Walzprozesse, die als tangentiale Streckwirkung auftretende Kraft zum
gröſseren Theile zum Verdichten des Materiales aufgewendet wird; daher auch der
groſse Kraftbedarf.
Auf diese Einwendungen des Herrn Lismann erwidert Herr
Balcke, daſs er in seinem Vortrage nur eine
Vergleichung der erforderlichen Kraft beim Auswalzen von Röhren nach dem neuen und
alten Verfahren aufgestellt habe, und gesteht zu, daſs, wenn die Gieſswärme benutzt
werden könne, gewiſs ein groſser Theil der Mehrkosten des neuen Verfahrens
aufgewogen werde; dies dürfte aber nur unter der Voraussetzung geschehen, daſs ein
Martinofen bezieh. Converter so gleichmäſsiges Material liefert, daſs dessen
Verarbeitung zum fertigen Rohre in einer Hitze zulässig ist. In den weitaus meisten
Fällen dürfte das Auswalzen von Rundstäben und das Wiedererwärmen derselben geboten
und dann der Preis des Rundstabes wenig von dem des Streifens verschieden sein; der
unbestrittene groſse Kraftaufwand würde also seine Schluſsbemerkung, daſs mit dem
neuen Verfahren nicht billiger, als mit dem alten, gearbeitet werden könne,
rechtfertigen.
Auch stimmt Balcke der Ansicht Lismann's nicht bei, daſs: „die als tangentiale Streckwirkung
auftretende Kraft zum gröſseren Theile zum Verdichten des Materiales aufgewendet
wird.“ Dieses Verdichten der Oberfläche findet beim Kaltwalzen durch Gleiten
zwischen Scheiben und massiven Stäben statt, und zwar unter Druck; bei Stahlstäben
kann man sogar dadurch einen ganz bedeutenden Härtegrad der Oberfläche erzielen. Weil aber beim
Auswalzen von Röhren das Gleiten nach Möglichkeit zu vermeiden ist, um die volle
Wirkung der Kraft zu erreichen, so wird nur der unvermeidliche geringe Rest des
Gleitens ein Glätten der Oberfläche des Rohres bewirken. Dieses Glätten ist in
demselben Sinne ein Verdichten des Materiales, wie das Poliren mittels Polirstahles
bei Kleineisen- und Stahlarbeiten, kann aber keinerlei Einwirkung auf das innere
Gefüge des Werkstückes haben, weil der Gegendruck fehlt.
Der Berichterstatter ist der Meinung, daſs die der Balcke'schen Berechnung des Kraftbedarfes zu Grunde liegende Annahme, zum
Fortstrecken von 1cbmm Eisen sei 10k Druck erforderlich, im vorliegenden Falle nicht
zulässig ist. Diese Erfahrungszahl mag für das bisher übliche Walzverfahren gelten,
bei dem, wie Hollenberg nachgewiesen hat (Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1882 S.
449), eine verwickelte Verschiebung des Materiales, bedingt durch die Reibung an den
Walzen und unter dem Einflüsse des Druckes derselben, also unter zwei die
Beweglichkeit der Theile des auszuwalzenden Stabes erschwerenden Umständen,
stattfindet. Im vorliegenden Falle, wo es sich – auch nach der Anschauung des Herrn
Balcke – vorwiegend um ein Ausziehen des Stabes handelt, werden andere, dem Verfahren gewiſs viel
günstigere Annahmen – einfaches Ausziehen des warmen Materiales in Spiralform –
gemacht werden müssen. Bei den zahlreichen, das Endergebniſs beeinflussenden
Factoren werden sich diese Verhältnisse nur durch sorgfältig angestellte
Beobachtungen und Versuche in der Praxis feststellen lassen. Wir möchten deshalb der
Balcke'schen Berechnung nicht beistimmen, sondern
die etwaigen Versuchsergebnisse abwarten.
Wir halten übrigens die Verwendung von Nasen und dergleichen Formgebungsmitteln auch
aus dem Grunde für äuſserst beschränkt, da es sehr schwierig sein wird, die Drehung
des diese Werkzeuge haltenden Theiles mit der Drehung des aus den Walzen tretenden
Stabes in Einklang zu bringen. Dies müſste durch mechanische Bewegungsübertragung
oder durch die Steifheit des Stabes selbst geschehen. Die erstere Art ist wegen der
durch Wärmegrad und Druckverhältnisse sehr veränderlichen Geschwindigkeit mit vielen
Schwierigkeiten verbunden. Bei dem zweiten Verfahren würde die durch nur
einigermaſsen beträchtlichen Widerstand der Walznasen hervorgebrachte Reibung den
noch warmen Stab verdrehen, stauchen und somit jedes Weiterarbeiten
ausschlieſsen.
In der vorgenannten Zeitschrift des Vereines deutscher
Ingenieure wird S. 206 ein Vortrag des Herrn Prof. Ritter, leider nur sehr abgekürzt, wiedergegeben. Wir können wegen des
leitenden Gedankens dieses Vortrages auf die BesprechungBesprchung in Nr. 10 des Centralblattes der
Bauverwaltung verweisen, in welcher Herr J.
Hofmann den Inhalt der Balcke'schen und Ritter'schen Erklärungen des Walzvorganges kurz
zusammenfaſst und
erweitert, wie folgt. Eine Erklärung des Walzverfahrens mit Scheiben ist in der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure vom 28.
Januar und 25. Februar 1888 von Herrn Balcke, eine
solche des Walzverfahrens mit Walzen von Herrn Geh. Regierungsrath Ritter in Aachen in derselben Zeitschrift vom 3. März
1888 gegeben. Der ersteren Erklärung liegt der Gedanke zu Grunde, daſs ein Stab, der
zwischen zwei Punkten seiner Achse, von einem zum anderen fortschreitend, mit
beschleunigter Bewegung der Theilchen, schraubenförmig gewunden wird, in seinem
Kerne aufreiſst (d.h. eine Röhre bildet), weil parallele Fasern, die gezogen werden,
sich stets, wie ja Dehnungsversuche zeigen, zu nähern suchen. Da nun einerseits die
Anhaftung des Materiales an den Walzen beliebig groſs gemacht werden kann durch
Aufrauhen oder Riffeln der Walzenoberfläche, andererseits der Kern des
Arbeitsstückes, also einer glühenden Eisenmasse, stets weicher ist als der mit den
kalten Walzen in Berührung tretende Umfang, so läſst sich die von Herrn Balcke aufgestellte Theorie wohl verfechten.
Nach der Erklärung des Herrn Prof. Ritter findet
lediglich ein Schälen statt, d.h. es wird durch die von allen Seiten auf das
Arbeitsstück einwirkenden Walzen eine cylindrische Haut von dem weichen Blocke
abgezogen. „Durch conische oder conoidische Walzenformen kann ein stetiger
Uebergang der weichen cylindrischen Masse in die Röhrenform bewerkstelligt
werden. Die Mantelschicht wird von den (vier) Walzen gepackt und längs der
Achsenrichtung fortgezogen, während der Kern einstweilen zurückbleibt und erst
später langsam nachfolgen kann, in dem Maſse, wie die Dicke der ganzen Masse in
Folge der fortgesetzten Abschiebung der Mantelschicht allmählig sich vermindert.
Der Ueberrest der stets sich vermindernden Kernmasse bildet nachher, wenn das
fertige Rohr die Walzen verläſst, den Boden des am rechtseitigen Ende
geschlossenen Rohres.“ Diese Theorie ist für die Einleitung der Walzarbeit
jedenfalls zutreffend, aber sie ist nicht erschöpfend; denn damit läſst sich nicht
erklären, wie vorn und hinten offene Röhren ohne Dorn
gewalzt werden können.
In Nachstehendem ist versucht, beiden Erklärungsweisen gerecht zu werden. Fig. 5 zeigt in Aufriſs, Grundriſs und Schnitten ein
Schrägwalzwerk. Der Block habe die Lage acefdb; die
Walzen, von denen im Grundrisse nur die oberste gezeichnet ist, berühren denselben
nach Schraubenlinie 1i. Der Block sei vollständig
biegsam (weiſsglühendes Eisen), ein Gleiten finde nicht statt. Dann wird er, wenn er
eine volle Umdrehung gemacht hat, am hinteren Ende um das Stück 01 und am vorderen Ende um das Stück 6k vorgeschoben erscheinen, d.h. der Cylinder cdba ist durch die Walzen verarbeitet worden, und das
Ergebniſs dieser Verarbeitung ist der Cylinder eghf.
Die im Grundrisse vorher als Gerade erscheinende Mantellinie 0146 bildet jetzt die Schraubenlinie 1k.
Das Beispiel ist nun so gewählt, daſs der Inhalt des Cylinders eghf gleich ist dem des Cylinders acdb. Es läge also nach der Theorie des Herrn Balcke gerade der Grenzfall vor, bei welchem ein
Aufreiſsen des Kernes noch nicht eintreten würde.
Fig. 5., Bd. 269, S. 509
In Wirklichkeit findet aber bei den gewählten
Maſsverhältnissen und Neigungen der Walzen wohl sicher eine Röhrenbildung statt, die
also nicht anders als durch ein Herunterschälen einer cylindrischen Haut von dem
weichem Blocke zu erklären ist. Wird der Block, wie Fig.
6 zeigt, zwischen die Walzen gebracht, so unterliegt er gleichzeitig der
Einwirkung der Walzen, welche ihn drehen und vorschieben wollen, und der Einwirkung
der Unterlage F, d.h. seiner Führung, welche je nach
ihrer Beschaffenheit mit mehr oder weniger Reibung den Block festzuhalten sucht. Der
Block wird daher in seinem hinteren, in der Führung liegenden Theile weder die
fortschreitende, noch die drehende Bewegung annehmen können, welche der Bewegung der
Walzpunkte 1 entspricht, und es werden zwischen den
Berührungspunkten 1 der Walzen nur die äuſseren
Schichten der Bewegung der Walzen folgen, die inneren Schichten dagegen der
verzögerten Bewegung des in der Führung F liegenden
Blocktheiles. Die Fasern
werden sich also schraubenförmig in einer Weise schichten, wie es in der Ebene des
Blockquerschnittes der Fig. 6 angedeutet ist.
Je weiter der vom Blocke abgeschälte Kegel G
vorschreitet, desto gröſser wird der Unterschied der Umfangsgeschwindigkeit zwischen
den vorderen und den hinteren bezieh. äuſseren und inneren Theilen; die Ringstärke
des abgeschälten Stückes wird also immer dünner, bis sie schlieſslich als Röhre mit
auſsen glatter, innen unregelmäſsiger Wandung austritt. Ist der Block so weit
zwischen die Walzen eingetreten, daſs er von denselben allein geführt wird, so muſs
er in seinem hinteren Theile die Geschwindigkeit der Walzenpunkte 1 annehmen; die nach dem Kerne zu liegenden Theile des
Blockes aber, welche vorher durch die Führung F
verzögert wurden, werden jetzt durch die Einwirkung der vorderen Walzentheilchen
beschleunigt. Die Fasern nehmen eine Schichtung an, wie sie in Fig. 7 dargestellt ist, so daſs das vorher gerade
Blockende im Kerne nach innen gezogen wird. Bei weiterem Fortschreiten wird durch
die von den vorderen Walzentheilchen beeinfluſsten inneren Fasern die Höhlung L immer gröſser, bis sie sich schlieſslich mit der
vorderen Höhlung zur offenen Röhre, Fig. 8,
vereinigt.
Fig. 6., Bd. 269, S. 510Fig. 7., Bd. 269, S. 510Fig. 8., Bd. 269, S. 510Fig. 9., Bd. 269, S. 510Fig. 10., Bd. 269, S. 510Fig. 11., Bd. 269, S. 510Gibt man den Walzen einen stärkeren Anlauf, Fig.
9, so findet zunächst die Röhrenbildung in der oben geschilderten Weise
statt. Gegen den Schluſs der Arbeit aber werden die von den vorderen Walzentheilchen
beeinfluſsten inneren Fasern die Höhlung L nicht
genügend vertiefen können, weil die gröſsere Masse des von der Seite nachgestauchten
Materiales die Röhre schlieſst. Soll diese Stauchung verhindert werden, so muſs
derselbe Widerstand eingeschaltet werden, den die Führung F ausübte, d.h. es muſs ein Dorn D,
Fig. 10, die inneren Fasern verzögern. Soll der Dorn
nicht nur dazu dienen, eine an beiden Enden offene Röhre zu erzielen, sondern soll
er gleichzeitig die
Innenwand glätten, so muſs demselben ein kegelförmiger Kopf gegeben werden. Die
Dicke und Festigkeit der Rohrwand richtet sich dann auſserdem danach, ob der Dorn
feststeht oder sich in einem Spurlager drehen kann oder unmittelbar durch ein
besonderes Vorgelege angetrieben wird, in welch letzterem Falle er auch geriffelt
sein kann (Nordamerikanisches Patent Nr. 361957).
In welcher Weise aus einem Blocke weite glatte Röhren gewalzt werden können, ist aus
Fig. 11 ersichtlich. Hier haben die Walzen Anlauf
nach beiden Seiten. Während die hinteren Hälften den Block schälen, also die rohe
Röhre bilden, weiten, glätten und verdichten die vorderen Walzenhälften über einem
Dorne D die fertige Röhre. Die gleiche Arbeit kann
mittels Scheiben geleistet werden (Nordamerikanische Patente Nr. 361961 und
361963).
(Fortsetzung folgt.)