Titel: | Kleinmotoren mit verdünnter Luft (Saugeluftmotoren). |
Fundstelle: | Band 269, Jahrgang 1888, S. 545 |
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Kleinmotoren mit verdünnter Luft
(Saugeluftmotoren).
Mit Abbildungen auf Tafel
28.
Kleinmotoren mit verdünnter Luft.
In der Sitzung der Société industrielle vom 26. Oktober
1887 zu Mühlhausen machte Emil Dollfus Mittheilung über
die in Paris befindlichen Anlagen zum Betriebe der Kleinmotoren mit verdünnter Luft
(Saugeluftmotoren), aus der wir nach den Verhandlungen des Vereines Nachstehendes
auszüglich wiedergeben.
Die Versuche zur Verwendung verdünnter Luft wurden von Petit im J. 1874 begonnen, und von anderer Seite 1881 wieder aufgenommen.
Im J. 1886 wurde durch eine Actiengesellschaft in der Straſse Beaubourg in der Nähe
des Boulevard Sebastopol eine Betriebsstelle eröffnet, welche zunächst an 200
Abnehmer Betriebskraft lieferte, ihren Betrieb jedoch späterhin bedeutend
ausdehnte.
Der Grundgedanke dieser Anlage ist einfach der, in einem zugleich als Regulator
dienenden Behälter und in dem an diesen anschlieſsenden Rohrnetze eine
Luftverdünnung bis zu 75 Proc. entsprechend einem Barometerstande von 190mm Quecksilber, zu erzielen. Die Luftleere, für
die praktische Verwendung im Mittel nicht über 67 Proc. betragend, wird durch eine
den Luftcompressionsmaschinen ähnliche Luftpumpe erzielt, welche im vorliegenden
Falle umgekehrt wirkt, als die Compressionspumpen, d. i. auf Luftverdünnung. An das
Rohrnetz werden geeignete Maschinen angeschlossen, um die Kraft an der
Verbrauchsstelle nutzbar zu machen. Es kommen demnach drei Theile in Betracht: die
Kraftstelle, die Leitung und die Hausmotoren.
1) Die Kraftstelle. Der wesentlichste Theil derselben
ist die Saugepumpe, welche die Luftverdünnung hervorbringt, und welche mit aller
Vorsicht bezüglich Dichtheit construirt werden muſs. Die Pumpe wirkt auf den
erwähnten Behälter von 3m,50 Höhe und 1m,25 Durchmesser. Die ausgepumpte Luft entweicht
durch einen Blechschornstein. Die Ausströmungsklappen liegen an der tiefsten Stelle
des Cylinders, um ein Abflieſsen des zur Kühlung dienenden Einspritzwassers zu
erleichtern.
Die Verdichtung der Luft, welche vor sich geht, wenn man die verdünnte Luft der
Leitung wieder in Luft von atmosphärischer Spannung übergehen läſst, führt eine
merkliche Wärmezunahme herbei, welche die Wirkung der Maschine beeinträchtigt. Um
den schädlichen Einfluſs derselben zu beseitigen, wendet man entweder eine Umhüllung
mit kaltem Wasser, oder aber Einspritzen von kaltem Wasser in den Cylinder an. Das
erste Verfahren führt zu groſsen und theueren Cylindern, auch erreicht die Abkühlung
nur schwer den inneren Theil des Cylinders; man gibt daher dem Einspritzverfahren
den Vorzug, welches sich bei verdünnter Luft, wie im vorliegenden Falle, ohne
Schwierigkeit durchführen läſst.
Die Pumpe steht mit der Corliſs-Dampfmaschine, welche
mit 36 Umdrehungen, einem Anfangsdrucke von 4k,5, ⅕ Füllung 90
entwickelt, in unmittelbarer Verbindung und hat eine Nutzwirkung von 93
Proc.
Da die von den Abnehmern beanspruchte Kraft sehr wechselt, so bedarf die Maschine
einer sorgfältigen Regelung, die mittels eines gewöhnlichen Kugelregulators, der mit
einem an der Luftleere angebrachten Kolben in Verbindung steht, bewirkt wird. Der
Dampfzutritt wird verstärkt, sobald ein gewisser Grad (etwa 67 Proc.) der
Luftverdünnung nicht mehr vorhanden ist.
Die Gröſse der Maschineneinrichtung muſs natürlich auf den Fall berechnet sein, daſs
alle Abnehmer gleichzeitig ihre Maschinen betreiben können, und ergab sich für
diesen Fall 35 als gröſster Kraftbedarf.
Durch Versuche ist festgestellt, daſs 1cbm Luft
beim Eintritte in die Leitung eine Arbeit von 13530mk hervorbringt. Die Verluste setzen sich in folgender Weise zusammen: Der
Luftpumpencylinder macht 93 Proc. nutzbar, die Saugeluftmotoren liefern 60 Proc. der
Verlust in der Leitung beträgt 5 Proc. und beim Uebergange auf der
Atmosphärenspannung in die Spannung der Verdünnung annähernd 15 Proc. Das
Endergebniſs ist mithin eine Nutzleistung von 0,93 × 0,60 × 0,95 × 0,85 = 45 Proc.
Es ist daher die Nutzleistung von 1cbm = 13530 +
0,45 = 6088mk.
Man muſs mithin, um N Pferdekraft (= N 75mk) nutzbar zu
machen \frac{N\,.\,75^{cbm}}{6088} Luft von Atmosphärenspannung
(A) auspumpen. Ist die Spannung in der Leitung
=\frac{A}{n}, so beträgt das Volumen des Luftcylinders
\frac{N\,.\,75}{6088}\,n.
Da in der Pariser Anlage n = 4 ist, so geben
1704l
in
der
Secunde
35
1225
„
„
„
25
„
980
„
„
„
20
„
735
„
„
„
15
„
Die Spannungsverhältnisse der Leitung werden durch Metallmanometer, an der Leitung
und am Behälter, durch ein Quecksilbermanometer und durch einen selbsthätigen
Registrirapparat angegeben.
2) Die Leitung. Die Leitung verzweigt sich vom Behälter
aus nach den Bedarfsstellen hin, welche einzeln durch Hähne abzusperren sind. Es
sind zur Hauptleitung Guſsröhren nach Art der Gasröhren von 6 bis 10mm Wandstärke und von 250mm bis zu 100mm
lichter Weite abnehmend verwendet worden. Die Hausleitungsröhren sind von Blei und
freiliegend geführt, um etwaige Reparaturen leicht bewirken zu können.
Die Länge der Leitungen konnte bei der ursprünglichen Maschinengröſse 1,5 bis 2km nicht wohl übersteigen, da darüber hinaus die
Verluste durch Undichtheiten zu beträchtlich würden. Die Gesellschaft der
Unternehmer war deshalb auf die Errichtung einer Reihe von Kraftstellen angewiesen. (Bei der späteren
Vergröſserung der Betriebskraft ist man mit dem Rohrnetze erheblich weiter
gegangen.)
3) Die Hausmotoren. Die Hausmotoren sind zur Umwandelung
der verdünnten Luft in eine verwendbare Kraftbewegung bestimmt und werden als schwingende, als rotirende
oder als stehende Maschinen verwendet.
Wegen der vielen Undichtheiten ist die erstere Constructionsweise zur Zeit verlassen,
und sind von den beiden anderen Motoren vorwiegend die letzteren in Gebrauch, welche
zum Schlusse eingehender beschrieben werden sollen. Wesentlich ist bei denselben
geringer Raumbedarf, geräuschloser Gang, da sie in bewohnten Räumen aufgestellt
werden sollen, und einfache Bauart, um die Beaufsichtigung beim Betriebe zu
erleichtern und schlieſslich sorgfältige Ausführung, zur Vermeidung von
Reparaturen.
Der rotirende Motor hat einige Aehnlichkeit mit den rotirenden Dampfmaschinen und ist
für kleine Leistungen von 3, 6 und 12mk
eingerichtet, während der stehende Motor 24, 40 und 80mk hält, entsprechend ⅓, ½ und 1 . Man kann die durchschnittliche
Nutzleistung von 1cbm Luft zu 7749mk rechnen, mithin liefern 10l in der Secunde annähernd 1 (77mk,5) wenn die Maschine 30 Doppelhübe in der
Minute macht. Nachstehende Tabelle gibt eine Uebersicht über die
Leistung der stehenden Maschinen
Leistung
Volldruck1
⅜ Expansion1
Zahl der Um-drehungen
½
5 2,5 1,25
7,5 3,75 1,88
30 60120
½
3,5 1,670,5 + 0,33
5,02,5 1,25
30 60120
Der rotirende Motor ist einfachwirkend, wird jedoch, da er einen rascheren Gang
zuläſst, nicht gröſser als der stehende Motor. Ueber die Betriebsverhältnisse gibt
nachstehende Tabelle Auskunft.
Leistung der rotirenden Motoren
Leistung
Verbrauchin Liter
Zahl der Umdrehungenin der Minute
12mk
5,0 2,5 1,25 0,645
30 60120240
6mk
2,5 1,25 0,645 0,32
30 60120240
3mk
1,25 0,645 0,32 0,16
30 60120240
Um den Verbrauch festzustellen, hat jeder Motor einen Zählapparat für die
Umdrehungszahl, nach dessen Angaben die Verrechnung der Entschädigung für die
Kraftlieferung erfolgt.
4) Die geschäftliche Seite. Die Zahl der Abnehmer ist
sehr rasch gewachsen, da der Anschluſs dadurch sehr erleichtert wird, daſs die
Gesellschaft den Hausmotor gegen einen sehr billigen Miethsatz liefert und fällt dem
Miether als erste Auslage nur die Anschluſsleitung, d.h. ein Bleirohr von 10 bis
20mm, meist unter 10m Länge bleibend, zur Last. Die Legung besorgt die
Gesellschaft gegen die bei den Gasleitungen üblichen Sätze. Die Zählapparate werden
dreimal monatlich notirt und die entsprechenden Kostenantheile eingezogen. Es sind
gegen 100 Maschinen in Betrieb und liegen für weitere 200 Maschinen Gesuche vor,
welche indeſs zur Zeit nicht berücksichtigt werden können. Am meisten finden die
Motoren von 50mk Verwendung.
Als Beispiel für die vortheilhafte Verwendung der Motoren wird folgendes
angeführt:
Ein Bürstenfabrikant beschäftigte 5 Arbeiter an Fuſstretsägen; nachdem der
Unternehmer mit einem Motor von 0,5 ausgerüstet ist, verrichten dieselben
Arbeiter die Arbeit von 8 Mann. Betriebskosten des Motors 3 Franks. 3 Arbeiter
würden kosten 15 Franks, Ueberschuſs 12 Franks im Tage. Ein Kammmacher gebrauchte
zum Betriebe seiner Maschinen einen Handlanger zu 0,5 Franks für 1 Stunde (= 5
Franks für den Tag). Bei dem nunmehr beschafften Motor ist die Arbeit regelmäſsiger
und kostet nur 2,5 Franks im Tage.
Nachstehende Tabelle gibt einige Betriebskosten an.
Verwendung
Leistung inMeterkilo-gramm
Für1000 Um-drehungen
Miethe desMotors fürdie Stunde
Kleine Drehbänke für Zahnärzte,
Graveure, Nähmaschinen
3
0,006
0,093
Maschinen zum Sticken, kleine Metallbänke
6
0,010
0,152
Metalldrehbänke, Mühlen (gröſsere)
12
0,014
0,197
Maschinen zum Schrauben, Reiben, Schaben, Hacken,
Sägen (für 3 Menschenkraft)
24
0,035
0,268
Motor von reichlich ½
40
0,055
0,417
„ „ „ 1
80
0,070
0,531
Was die Höhe der Betriebskosten anbetrifft, so ist der Saugeluftmaschine wohl nur die
Gasmaschine an die Seite zu stellen. Erstere Maschinen sind insofern vorzuziehen, da
sie zugleich als Luftreiniger dienen und keine Explosion befürchten lassen. Eine
Vergleichung der Kosten ergibt für Paris für die Gasmaschine 2,40 Franks, gegen 2,12
Franks für den Motor mit verdünnter Luft. Da die Zahlen nur örtliche Bedeutung
haben, lassen wir die Aufstellung der einzelnen Posten auſser Acht.
Eine Beschreibung der Saugeluftmaschine, wie sich dieselbe aus den Versuchen zu einer
bewährten festen Form ausgebildet hat, bringt Portefeuille
économique des machines in der Nr. 386 vom Februar 1888. Wir entnehmen derselben, daſs
die vorhin erwähnte Gesellschaft nunmehr zwei weitere Maschinen angeschafft und
neben die erste aufgestellt hat, so daſs sie über nahezu 300 verfügt. Die
Leitung erstreckt sich gegenwärtig auf mehr als 3km und versorgt zur Zeit 105 Abnehmer mit einem Kraftbedarfe von nahezu
200 , während die Anlage für 150 Abnehmer ausreicht. Die Gesellschaft
benutzt vorwiegend die stehende Saugeluftmaschine nach Petit
und Boudenoot für Leistungen von 25, 50 und 100mk, wie sie von Sarallier und Pradel gebaut
werden.
Die Maschine ist auf Taf. 28 Fig. 1 bis 5 dargestellt. Sie besteht
aus dem Fuſse A, dem Cylinder B, dem Kolben C. Der Deckel D ist als Gestell ausgebildet, in welchem sich die
Welle, die Vertheilungsschieber, sowie der Regulator bewegen. Der Fuſs ist in zwei
Abtheilungen a und b
getheilt, von welchen die Abtheilung a stets mit der
Rohrleitung für die Saugeluft in Verbindung steht, während b atmosphärische Luft enthält. Der Anschluſs an die Rohrleitung geschieht
mittels der Oeffnungen c und c1, von denen man eine, wie sie sich der
Oertlichkeit nach am besten zum Anschlusse eignet, benutzt und die andere mit einem
Flansche verschlieſst. Der Raum a steht mit dem
Cylinder B mittels der Kanäle d und d1 in
Verbindung, welche durch den Vertheilungsschieber e
abwechselnd mit den beiden Seiten des Kolbens C mittels
der Kanäle f und f1 in Verbindung gesetzt werden. Die Vertheilung wird
durch das Excenter G und den Schieber e bewirkt und geht in folgender Weise vor sich: Die
gewöhnliche Luft durchstreicht den Apparat i, gelangt
durch j in den Kanal k,
welcher wiederum abwechselnd mit den Kanälen f und f1 des Cylinders B in Verbindung gesetzt wird, und somit die Bewegung
des Kolbens bewirkt. Zu Ende eines jeden Kolbenhubes wird die atmosphärische Luft,
welche auf den Kolben gewirkt hat, in den Schieberraum l entlassen, welcher mit dem Saugeraume a des
Fuſses in Verbindung steht. Der Schieber wird durch den Ueberdruck der
atmosphärischen Luft angedrückt, und ist durch zwei Leisten h und h1
gegen zufälliges Abheben gesichert. Um eine möglichst gleichmäſsige Wärme zu
erzielen, ist der Cylinder mit Rippen versehen, welche den Wärmeverlust der Luft bei
der Ausdehnung derselben ausgleichen, indem sie sich bei der Berührung mit der Luft
erwärmen. Aus diesem Grunde sind auch Plungerkolben verwendet, welche eine groſse
ableitende Oberfläche darbieten. Der Kolben C besteht
aus einem Stücke, und hat Lederstulpendichtung, welche durch 2 Guſsringe gehalten
wird. Ebenso sind die übrigen Dichtungen durch Lederstulpen bewirkt. Der obere Theil
des Kolbens hat 2 Oelbehälter m und m1, welche durch die
Oeffnungen n und n1 die ringförmige Nuth o mit Schmieröl versehen. Die Einrichtung der Welle, der Riemenscheibe
u.s.w. ist aus der Figur deutlich zu ersehen. Der Regulator t wirkt mittels des Hebels v und der Stange
w auf den Kolben u auf
die Lufteinlaſsvorrichtung i. Unter dem Einflüsse des
Regulators kann der Kolben, welcher vier Oeffnungen x
x1
x2
x3 hat, deren Weite
durch Erfahrung festgestellt ist, verschiedene Höhenlagen annehmen. Die Luft gelangt
durch diese Oeffnungen in den Kanal j, je nach der
Stellung des Ventiles y, und wirkt, wie beschrieben,
auf den Treibkolben. Auf diese Weise ist eine vollständige Regelung des Ganges
ermöglicht. Das Ventil y dient zugleich als
Absperrventil.
Zur Benutzung während der kalten Jahreszeit ist die Zulaſsvorrichtung mit einer
Wärmevorrichtung R versehen, welche auf irgend eine
Weise geheizt wird (Fig. 4 und 5). Der erwähnte
Zählapparat zeigt bis zu 10 Millionen.