Titel: | Fortschritte in der Bierbrauerei. |
Autor: | C. J. Lintner |
Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 135 |
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Fortschritte in der Bierbrauerei.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 269 S.
78.)
Mit Abbildungen.
Lintner, über Fortschritte in der Bierbrauerei.
III. Gährung.
Ueber den Unterschied zwischen Pasteur's und Hansen's
Standpunkt in der Hefenfrage veröffentlicht Alfred
Jörgensen eine interessante literar-historische Studie in der Zeitschrift für das gesammte Brauwesen, 1888 Bd. 11 S.
58. Der Natur der Sache nach müssen wir uns hier begnügen, auf den lesenswerthen
Aufsatz hinzuweisen.
In einem Aufsatze „Reinhefe in der Brauerei“ beschreibt Dr. H. Elion (Zeitschrift für das gesammte
Brauwesen, 1888 Bd. 11 S. 33) einige Apparate für die Hefereinzucht aus dem
Laboratorium der Heinekenbrouwerij in Rotterdam. Zum
Sterilisiren der Pasteur'schen Kolben bedient sich Elion eines kleinen senkrechten Dampfkessels aus
Eisenblech, welcher auf zwei Siebplatten Raum für 20 Pasteur'sche Literkolben bietet und mit einem durch Gewichte zu
beschwerenden Deckel geschlossen werden kann. Unten im Kessel wird Dampf eingeführt
und oben ein Hahn so weit geschlossen, bis die gewünschte Temperatur erreicht ist.
Ein Hahn unten dient zum Ablassen des Condensationswassers. Manometer, Thermometer,
eine Signalpfeife,
die das Ueberschreiten des Druckes kundgibt, sind Hilfsmittel, durch die mit
Leichtigkeit eine bestimmte Temperatur, gewöhnlich 103 bis 104°, im Inneren des
Kessels constant erhalten werden kann.
Für die Gewinnung gröſserer Quantitäten Reinhefe ist die Verwendung Pasteurscher Literkolben zu umständlich. Pasteur und Hansen
verwendeten deshalb auch schon gröſsere Gefäſse, Glasflaschen von 4 bis 5l, verzinnte Kupfergefäſse bis zu 15l Inhalt, die Pasteur
mit Schaugläsern versehen hatte. Elion verwendet nun
gläserne Ballons von etwa 5l Inhalt, die ähnlich
wie die Pasteur'schen Kolben montirt sind. In einem
einfachen aus Holz verfertigten Sterilisator werden gleichzeitig drei derartige
Ballons, je mit 0hl,5 Würze gefüllt, durch Dampf
sterilisirt. Für die Herstellung einiger Kilogramm reiner Hefe leisteten diese
Ballons stets hervorragende Dienste, wenn sie auch für den täglichen Bedarf in der
Brauerei durch andere Apparate ersetzt sind.
Nach einem kurzen Hinweise auf den von Pasteur im J.
1874 in der Tourtel'schen Brauerei in Tantonville und
den von Hansen und Kühle
construirten Hefereinzuchtapparat, beschreibt Elion den
in der dortigen Brauerei in Gebrauch stehenden, weichem der Hansen'sche als Muster diente, indem an dem letzteren von Elion gemeinschaftlich mit dem Leiter der dortigen
Brauerei, Herrn Feltmann, einige Abänderungen
angebracht wurden.
In der Heinekenbrouwerij sind in Betrieb ein
Sterilisator und zwei Gährapparate von verzinntem Kupferbleche. Der Sterilisator
Fig. 1, 1m,2
hoch, 0m,6 Durchmesser, wird mit einem Deckel
luſtdicht verschlossen und hat einen Mantel, in dessen Inneres abwechselnd Dampf und
kaltes Wasser geführt werden kann zum Kochen bezieh. Kühlen der Würze im Kessel.
Sicherheitsventil A bestimmt den Druck des Dampfes, das
Condensationswasser bezieh. Kühlwasser flieſst durch B
ab. Zwei Ventile C und D
gestatten, filtrirte Luft in die Würze oder über dieselbe in den Kessel einzuführen,
das gebogene Rohr E ist für den Abzug der im Kessel
entwickelten Dämpfe bestimmt, die mittels Hahn F ganz
oder theilweise abgesperrt werden können. Ein empfindliches Manometer und
Thermometer lassen Druck und Temperatur im Kessel beobachten, die Würze kann durch
den Dreiwegehahn G abgelassen werden. Die Wirkung ist
folgende: Der Kessel wird zu zwei Drittel mit Würze vom Kühlschiffe gefüllt und
diese, nachdem der Deckel geschlossen, gekocht. Jetzt wird gekühlt und gelüftet,
während mittels reiner Luft für Ueberdruck im Kessel gesorgt wird.
Der Gährapparat, aus Fig. 2 ersichtlich, hat ebenfalls
zwei Ventile C und D zur
Lüftung, ein Abzugrohr E für die Kohlensäure,
Manometer, Thermometer, weiter noch Schaugläser, Rührapparat, Dreiwegehähne G, H und L zum Einlassen
bezieh. Ablassen von Würze, Bier, Hefe und ist mit einem geschlitzten Ringe umgeben,
um durch Wasserberieselung die gährende Flüssigkeit auf der richtigen Temperatur
halten zu können.
Nachdem der Apparat mittels Dampf sterilisirt ist, wird die sterilisirte Würze
hineingepreſst und diese mit Reinhefe aus dem Laboratorium angestellt. Ist die
Gährung zu Ende, wird das Bier abgepreſst, der Apparat wieder mit Würze gefüllt,
gerührt und dann bis auf einen kleinen Rest abgefüllt. Die so erhaltene Würze sammt
Hefe wird im Groſsbetriebe weiter geführt, der Rest mit neuer Würze angestellt
genügt, den Apparat in Thätigkeit zu halten. Wie man sieht, sind sämmtliche Hähne
zum Ein- oder Auslassen von Würze und Hefe Dreiwegehähne. Es ist dies sehr
wesentlich und dient, Verunreinigungen der Hefe vorzubeugen, die gerade bei den
Hähnen leicht möglich sind.
Fig. 1., Bd. 270, S. 137Fig. 2., Bd. 270, S. 137Beim Ueberfüllen der Würze vom Sterilisator in den Gährapparat sind die
Dreiwegehähne G des Sterilisators und H des Gährapparates durch ein Rohr verbunden, und so
gestellt, daſs beide Apparate abgeschlossen sind. Durch die freien Oeffnungen der
Hähne wird Dampf durch das Verbindungsrohr getrieben und somit Hähne und Leitung
vollkommen sterilisirt. Ohne den Dampf abzuschlieſsen, werden beide Hähne
gleichzeitig so gedreht, daſs die Verbindung mit dem Inneren des Apparates
hergestellt wird.
Die den Apparaten zugeführte Luft wird durch sterilisirte Baumwolle filtrirt.
Was nun die Resultate betrifft, die mit den bis jetzt dort gezüchteten Reinhefen
erzielt sind, so bestätigen dieselben, daſs es unter den für den Brauereibetrieb
geeigneten Hefen scharf zu unterscheidende Varietäten gibt, die selbstredend ihre
Rasseneigenthümlichkeiten unter den verschiedensten Verhältnissen deutlich bewahren.
Es wurden z.B. während geraumer Zeit zwei Varietäten je in einem Apparate cultivirt,
die nachher bei der Bottichgährung im Groſsbetriebe nicht nur in den verschiedensten
Würzen gewisse Merkmale, als Geruch, Geschmack u.s.w., beibehielten, sondern, zum
Vergleiche mit derselben Würze angestellt, äuſserlich gleich zu erkennen waren und
stets eine deutliche Attenuationsdifferenz nach der Hauptgährung zeigten. Eine
dieser Varietäten wird seit einem Jahre hindurch fortgepflanzt, ohne daſs bis jetzt
von einer Aenderung des Charakters etwas zu spüren ist. Diese Hefe hat überall, wo
sie hinkam, hervorragend befriedigende Resultate ergeben, und soweit die Hefe in der
Fremde controlirt werden konnte, hat sie den ursprünglichen Charakter ganz
unverkennbar beibehalten.
Die Frage von der Constanz der Heferassen wurde von P. Lindner (Wochenschrift für
Brauerei, 1888 Bd. 5 S. 57) von einem neuen Gesichtspunkte (1888 267 412) in Angriff genommen, indem als ein besonders
geeigneter Prüfstein für dieselbe eine durch viele Generationen fortgesetzte Kultur
unter veränderten Ernährungsbedingungen erschien. Als Versuchsflüssigkeiten wurden
eine Rohrzucker-Asparaginlösung und eine saure Malzroggenschrotmaische gewählt.
Indem die Kulturen in jener im Eisschranke vorgenommen wurden (bei 4 bis 6° R.), in
dieser bei Temperaturen von 20° R. wurden ähnliche Gegensätze geschaffen, wie sie in
der Bierbrauerei und in der Brennerei bestehen, also einerseits niedere Temperatur,
klare Flüssigkeit von neutraler Reaction (Bierwürze ist nur schwach sauer),
Amidernährung; andererseits hohe Temperatur, Treber haltige stark saure Maische,
Eiweiſsernährung.
Das Resultat der Versuche war, daſs die Charaktereigenthümlichkeiten der unter so
verschiedenen Bedingungen cultivirten Hefen sich unverändert erhalten hatten.
Reinke (Wochenschrift für
Brauerei, 1888 Bd. 5 S. 83) beobachtete eine Reihe von Fällen, in welchen
durch das Auftreten von Sarcina eine Entfärbung des Bieres herbeigeführt wurde. Man
zögere daher nicht, solche Biere, bei welchen nach mehrwöchentlicher Lagerung sich
eine verdächtige Entfärbung zeigt, mikroskopisch zu prüfen.
IV. Bier.
Münchener und Berliner Weiſsbier, E. Wein (Allgemeine Brauer- und Hopfenzeitung, 1888 Bd. 28 S.
2).
Es wurden drei Bier- und zwei Bockproben aus drei Münchener Weiſsbierbrauereien und
ein Berliner Weiſsbier, wie es in einigen Münchener Restaurationen zum Consum
gelangt, analysirt. Die Analyse ergab:
SpecifischesGewicht
Wasser inProc.
AlkoholGew.-Proc.
Maltose inProc.
Dextrin inProc.
Stickstoff inProc.
Asche inProc.
Auf 100cc Bierverbrauchtcc
Norm-Alkali
Extract inProc.
Extract derStammwürze
Vergährungs-Grad
1) Berliner Weiſs- bier
1,0118
92,97
2,82
0,92
2,10
0,051
0,124
2,6
4,21
9,65
56,3
2) Münchener Weiſs- biervon M. Schramm.
1,0162
90,52
3,75
2,04
2,13
0,056
0,143
1,65
5,73
12,95
55,7
„ G. Schneider und Sohn
1,0159
90,81
3,57
1,53
2,64
0,061
0,112
1,90
5,62
12,49
55,0
„ Röckl
1,0140
91,11
3,72
1,36
2,23
0,048
0,108
1,75
5,17
12,34
58,1
3) Münchener Weiſs- bierbockvon M. Schramm.
1,0277
86,55
4,49
3,65
3,48
0,094
0,228
2,00
8,96
17,62
49,1
„ G. Schneider und Sohn
1,0208
89,15
3,89
2,33
2,97
0,073
0,113
2,05
6,96
14,45
51,9
Ueber die diuretische Wirkung des Bieres veröffentlichte Dr.
Rintoro Mori, kaiserl. niponischer Stabsarzt, eine ausführliche Abhandlung
in der Zeitschrift für das gesammte Brauwesen, 1888 Bd.
11 S. 19 ff.
Verfasser konnte mit Sicherheit die diuretische Wirkung des Bieres auf die Gegenwart
des Alkohols zurückführen. Schlieſslich versucht Verfasser eine befriedigende
Theorie dieser Wirkung aufzustellen.
Ueber einige rechnerische Beziehungen, welche sich aus den
Ballingschen Attenuationsformeln ergeben und über Sammermeyer's
Vergährungsgradanzeiger im Besonderen; von Dr. G.
Holzner (Zeitschrift für das gesammte
Brauwesen, 1888 Bd. 11 S. 138). Verfasser entwickelt einige sehr kurze
Formeln, welche dem Praktiker gestatten, eine annähernde Bieranalyse zu machen.
Nämlich:
\varepsilon=c-\frac{1}{q}(c-\eta) oder annähernd
\varepsilon=c-0,8\,(c-\eta)=\eta+0,2\,(c-\eta)
A=\frac{1}{2\,q}\,(c-\eta) oder annähernd
A=0,4\,(c-\eta)
V=\frac{100\,(c-\eta)}{c}
V_1=\frac{100\,(c-\varepsilon)}{c}=\frac{100\,(c-\eta)}{c\,q}=\frac{V}{q}
In den vorstehenden Formeln bedeutet c den procentischen
Extractgehalt der angestellten, η den scheinbaren
Extractrest der gegohrenen Würze und s den wirklichen
Extractrest, ferner V den scheinbaren und V1 den wirklichen
Vergährungsgrad. (Den Quotienten \frac{c-\eta}{c-\varepsilon} hat
Balling Attenuationsquotienten genannt und mit q bezeichnet. Reischauer
hat gezeigt, daſs nach Balling q = 1,220 + 0,001 c ist.)
Es sei z.B. c = 14 Proc. B.
der procentische Extractgehalt der angestellten Würze, η = 6,8
Proc. B. die scheinbare Extractanzeige nach der Hauptgährung so ist annähernd
ε
=
8,24
Proc
(wirklicher Extract)
A
=
2,88
„
(Gewichtsprocente Alkohol)
V
=
51,4
„
(scheinbarer Vergährungsgrad)
V
1
=
41,12
„
(wirklicher Vergährungsgrad).
Die genaue Rechnung ergibt ε =
8,21, dann A = 3,02, ferner V = 51,4 und V1
= 41,4.
Ferner wird die von dem Brautechniker Ad. Sammermeyer in
München, Steinheilstraſse 7 II, ausgearbeitete graphische Tabelle zu einer sehr
bequemen und hinreichend genauen Bestimmung des wirklichen und scheinbaren
Vergährungsgrad es beschrieben.
Ueber die Anwendung von flüssiger Kohlensäure in der
Brauerei (Wochenschrift für Brauerei, 1888 Bd.
58 S. 216).
In der Versuchs- und Staatsbrauerei Weihenstephan kamen
folgende Versuche zur Ausführung:
1) Spunden mit flüssiger Kohlensäure. Ein Faſs von 24hl, sieben Wochen altes Bier enthaltend, wurde 96 Stunden mit flüssiger
Kohlensäure unter einem Drucke von 0,4 bis 0at,6,
bei einer Kellertemperatur von 3° R. gespundet. Beim Abfassen mit einem Parallelbier
verglichen, konnte, was Glanz und Feinheit anbetrifft, kaum ein Unterschied gemacht
werden, doch war das mit flüssiger Kohlensäure gespundete stärker moussirend. Der
Verbrauch war eine Flasche von 8k Kohlensäure.
2) Abfassen vom Mutterfasse mit flüssiger Kohlensäure. Die Dauer des Bierlaufens
betrug ¾ Stunden. Der Druck entsprach 0,3 bis 0at,3 Das Bier wurde durch den Einfluſs der Kohlensäure feiner und hatte,
nachdem es bei ziemlich hoher Temperatur lief, noch einen angenehmen erquickenden
Geschmack. Das Bier war sehr fein und stark moussirend.
3) Mehrtägiger Ausschank mit flüssiger Kohlensäure. Ein Faſs mit 40l lief in einer Kellertemperatur von etwa 9° etwas
über vier Tage. Die Temperatur des Bieres war anfangs 3,5, zum Schlusse 10,5° R. Das
Bier schmeckte bis zum Schlusse angenehm.
4) Klären mit flüssiger Kohlensäure. Trübes Bier, letztes vom Fasse, wurde mit
flüssiger Kohlensäure bei einer Temperatur von 5° gespundet. Der Druck entsprach 0,3
bis 0at,4. Am fünften Tage war das Bier fein und
hatte viel Feuer.
Ebenso gelang das Abfüllen in Flaschen mittels flüssiger Kohlensäure, sowie das
Filtriren des Bieres durch Filtrirapparate vollkommen. Die Anwendung flüssiger
Kohlensäure im Brauereibetriebe dürfte demnach in vielen Fällen empfehlenswerth
sein. Beim Ausschänke von Bier ohne Kohlensäure soll sich erfahrungsgemäſs für 1hl ein Verlust von 4 bis 5l im Werthe von etwa 1 M. ergeben. Beim Ausschänke
mit Kohlensäure
fällt dieser Verlust weg, während die Kosten für die Kohlensäure 40 Pf. betragen
sollen.
C. J. Lintner.