Titel: | Ueber den sogen. „freien Kohlenstoff“ im Steinkohlentheere; von Dr. H. Köhler. |
Autor: | H. Köhler |
Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 234 |
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Ueber den sogen. „freien Kohlenstoff“ im
Steinkohlentheere; von Dr. H. Köhler.
Ueber den sogen. „freien Kohlenstoff“ im
Steinkohlentheere.
I. Bildung und Natur des freien
Kohlenstoffes.
Wenn man den Steinkohlentheer mit einem passenden Lösungsmittel so lange extrahirt,
bis letzteres davon nichts mehr auszuziehen vermag, so bleibt schlieſslich ein
braunschwarzes, zartes Pulver zurück von sammetartigem Glänze, der sogen. „freie
Kohlenstoff“ des Steinkohlentheeres. Ueber die Bildung und Natur dieser
Substanz, welche, wie wir später sehen werden, keineswegs als Kohlenstoff in rein
chemischem Sinne anzusprechen ist, gehen die Meinungen der Fachleute weit aus
einander.
Die einen betrachten den freien Kohlenstoff als das Product einer mechanischen
Zertheilung der Steinkohle, hervorgerufen durch die in Folge der Gasentwickelung
eintretende Zerklüftung. Der auf diese Weise entstehende Kohlenstaub wird von dem entweichenden
Gase, namentlich bei Anwendung von Exhaustoren, mechanisch mit fortgeführt und
bildet so die Ursache des Dickwerdens des Theeres. Ein anderer Theil nimmt an, daſs
derselbe von der Zersetzung der Dämpfe schwerer Kohlenwasserstoffe an den glühenden
Retortenwänden herrühre. So hat KunathJournal für Gasbeleuchtung, 1885 Bd. 28 S. 910.
Chemiker Zeitung, 1885 S. 1893.
gefunden, daſs die Theerverdickung in der Hauptsache als Folge einer Ueberhitzung
des Rohgases beim Bestreichen der glühenden Retortenwandungen angesehen werden muſs,
und auch, theilweise wenigstens, als das Resultat einer unvollständigen Verbrennung,
welche durch den beim Changiren eingebrachten und während der Destillation frei
werdenden Sauerstoff herbeigeführt wird. Auch KrämerLunge: Industrie des Steinkohlentheeres, III.
Aufl. S. 637. schlieſst sich dieser Ansicht an und spricht dem
mechanisch mit übergerissenen Kohlenstaube nur einen kleinen Antheil an der Bildung
des freien Kohlenstoffes zu.
Welche von den obigen Anschauungen die richtige ist, muſste sich zweifellos aus der
Zusammensetzung des sogen. freien Kohlenstoffes ergeben. Ist derselbe als Flugstaub
zu betrachten, so muſs dies ein ziemlich beträchtlicher Aschengehalt darthun, ist er
aber ein Product der Zersetzung hochsiedender gasförmiger Kohlenwasserstoffe, so
muſs er möglichst frei von anorganischen Bestandtheilen sein. Nun hat Behrens1873 208 368. schon früher bei der
Untersuchung des Steinkohlentheerpeches gefunden, daſs der nach der Extraction
desselben mit Benzol zurückbleibende Kohlenstoff die Zusammensetzung
I
II
Kohlenstoff
90,836 Proc.
91,120 Proc.
Wasserstoff
3,058
3,129
Asche
0,398
0,872
zeigt. Schon hieraus würde man zu 'schlieſsen berechtigt sein,
daſs von bloſsem Kohlenstaube nicht die Rede sein kann, weil sonst der Aschengehalt
des Productes erheblich höher sein müſste. Gelegentlich einer früheren Untersuchung
hatte ich den freien Kohlenstoff, wie er direkt aus dem Theere abgeschieden worden
war, untersucht und bin zu ähnlichen Resultaten gelangt. Damit wird der Einwand
hinfällig, daſs die Natur des von Behrens analysirten
Productes durch die vorhergegangene Destillation beeinfluſst worden sei. Ich fand
bei mehreren Aschenbestimmungen von freiem Kohlenstoffe, aus verschiedenen Theeren
herrührend, im Mittel
Asche = 0,412 Proc.
Es ist nicht leicht anzunehmen, daſs der Flugstaub einer Steinkohle, welche selbst im
Durchschnitte einen ungleich höheren Aschengehalt aufzuweisen hat, nur so minimale
Mengen von Asche enthalten sollte. Andererseits dürfte aber auch der freie
Kohlenstoff des Steinkohlentheeres keine Asche hinterlassen, wenn er lediglich das
Product der pyrogenen Zersetzung hochmolekularer Kohlenwasserstoffe wäre. Es ist
somit wohl als unzweifelhaft richtig anzusehen, daſs sowohl mechanische, als auch
chemische Einflüsse bei der Bildung desselben betheiligt sind – letztere freilich in
vorwiegendem Maſse – daſs also die von Krämer
ausgesprochene Ansicht durchaus zutreffend ist. Dies geht auch schon aus den
physikalischen Eigenschaften des Productes hervor; es bildet ein feines, unfühlbares
Pulver, welches, unter dem Mikroskope betrachtet, absolut amorphen Charakter zeigt.
Wäre dasselbe als Kohlenstaub anzusehen, so könnte von einer so ungemein feinen
Vertheilung wohl nicht die Rede sein, und es müſsten sich unter dem Mikroskope
Bruchflächen, Kanten und Ecken entdecken lassen.
Auch die schon von Krämer beobachteten Schwankungen im
Kohlenstoffgehalte des Theeres derselben Provenienz je nach der Jahreszeit sprechen
zu Gunsten des pyrogenen Ursprunges des sogen. freien Kohlenstoffes. Im Sommer, wenn
weniger Gas verbraucht wird, der Betrieb der Gasfabriken also ein nicht so forcirter
ist, enthält der Theer im Allgemeinen weniger freien Kohlenstoff, als in den
Wintermonaten, wo in Folge des gröſseren Consums an Gas viele Fabriken ihre Kohlen
weit mehr ausnützen. Krämer constatirte beim Theere aus
einer und derselben Gasfabrik Schwankungen von 3 bis 4 Proc. Ich selbst fand, daſs
der Theer von zwei Gasfabriken I und II im
I
II
Februar
25,0 Proc.
19,9 Proc.
Mai
20,7
15,8
freien Kohlenstoff enthielt. Aus dem gleichen Grunde zeigen
auch die Theere von kleinen und namentlich Privatgasanstalten (siehe in der weiter
unten folgenden Tabelle die Theere von Heilbronn, Rottweil und Oos) in der Regel
einen viel kleineren Gehalt an freiem Kohlenstoffe, weil dieselben nicht so forcirt
zu arbeiten brauchen und meistens keine Generatorfeuerung besitzen, die Vergasung
also bei wesentlich niedrigerer Temperatur stattfindet.
II. Beziehungen zwischen dem Gehalte
an freiem Kohlenstoffe und den Eigenschaften des Theeres.
Was zunächst das specifische Gewicht des Steinkohlentheeres anbelangt, so steht
dasselbe nach meinen vielfachen Bestimmungen mit Theeren der verschiedensten
Gasanstalten in einem sehr einfachen Verhältnisse zu dessen Gehalt an freiem
Kohlenstoffe. Zur Erklärung der nachfolgenden Tabelle, welche dieses Verhältniſs
deutlich zur Anschauung bringt, muſs ich vorausschicken, daſs sowohl die Zahlen für
die specifischen Gewichte, als auch jene für den Gehalt an freiem Kohlenstoffe das
Mittel sind aus einer Reihe von Bestimmungen bei Theeren derselben Arbeitsperiode
(Sommer 1885). Unter sich verglichen zeigten dieselben im Kohlenstoffgehalte Differenzen bis zu
5 Proc; während das Verhältniſs zwischen specifischem Gewichte und freiem
Kohlenstoffe nur in zwei Fällen in so geringfügiger Weise von der sich aus der
Tabelle ergebenden Kegel abwich, daſs dies bei der Durchschnittsberechnung gar nicht
zur Geltung kam.
Die Bestimmung des specifischen Gewichtes geschah in der Weise, daſs man den Theer
durch längeres Stehen in einem geschlossenen Cylinder bei 50 bis 60° zuerst
entwässerte und dann aus der untersten Schicht genau 100cc sorgfaltig abwog. Zur Isolirung des freien Kohlenstoffes verwandte ich
ein Gemisch aus gleichen Theilen Eisessig und Toluol, welches sich schon früher als
bestes Lösungsmittel für die flüchtigen Bestandtheile des Steinkohlentheeres bewährt
hatte. Etwa 10g Theer wurden mit der fünffachen
Menge dieses Gemisches im Kölbchen zum Sieden erhitzt und die heiſse Flüssigkeit auf
ein Filter gegeben, welches zur Ermöglichung einer genauen Wägung mit einem gleich
groſsen Filter tarirt war. Beide Filter wurden vor dem Filtriren in einander
geschoben, so daſs sie sowohl während des Filtrirens, als auch der sämmtlichen
übrigen Operationen die gleiche Behandlung erfuhren. Nachdem das Eisessiggemisch
abgelaufen war, wurde mit heiſsem Benzol so lange nachgewaschen, bis das Filtrat
farblos ablief. Die bei 115 bis 120° bis zu constantem Gewichte getrockneten Filter
wurden alsdann gegen einander abgewogen. Folgende Tabelle gibt die Resultate der so
ausgeführten Bestimmungen:
Herkunft des Teeres
SpecifischesGewicht
Procent freierKohlenstoff
Gaswerk
Heidelberg „ Darmstadt „ Baden-Baden „ Bockenheim „ Frankfurt
(Ost) „ Bamberg „ Neustadt a.
H. „ Cannstadt „ Rottweil
(Pulverfabrik) „ Karlsruhe „ Ulm „ Heilbronn
(Zuckerfabrik) „ Oos (Bahnhof)
1,2201,2051,1951,1901,1801,1751,1721,1641,1611,1551,1501,1501,115
23,7520,9319,9218,2415,7015,1515,0714,0514,0013,5012,4412,42 5,00
Mittel
1,155
15,40
Es ist aus dieser Tabelle ersichtlich, daſs das specifische Gewicht des
Steinkohlentheeres in einem gewissen Verhältnisse steht zu seinem Gehalte an freiem
Kohlenstoffe, und zwar steigt es bei hohem und fällt bei niedrigem
Kohlenstoffgehalte. Nun sind ja freilich die Differenzen in vorstehender Tabelle
keine regelmäſsigen, und sie können es auch gar nicht sein, wenn man bedenkt, daſs
auch die anderen Bestandtheile des Theeres von Einfluſs auf sein specifisches
Gewicht sind. Man hat sogar früher allgemein angenommen, daſs dasselbe
ausschlieſslich von dem
gröſseren oder geringeren Gehalte an Benzol und leichten Oelen abhängt. Nach den
obigen Auseinandersetzungen und beim Vergleiche der über Theere verschiedener
Herkunft existirenden Analysen dürfte es indessen kaum mehr zweifelhaft sein, daſs
der freie Kohlenstoff in erster Linie das specifische Gewicht des Theeres
beeinfluſst.
Es ist leicht begreiflich, daſs auch die Consistenz des Theeres wesentlich von seinem
Gehalte an freiem Kohlenstoffe abhängt; während z.B. der Theer mit 23 Proc.
Kohlenstoff sehr zähflüssig und äuſserst träge beweglich ist, hat derjenige mit 5
Proc. die Beschaffenheit eines dicken Oeles. Dies hängt übrigens gleichfalls
theilweise mit der Natur seiner flüchtigen Bestandtheile zusammen. Bei der
Einzelverarbeitung dieser Theere hat sich nämlich im Allgemeinen die Erfahrung
ergeben, daſs diejenigen mit geringem Kohlenstoffgehalte reicher an Benzol und
leichten Oelen, dagegen die mit hohem Gehalte an freiem Kohlenstoffe reicher an
Naphtalin und schweren Oelen sind. Hieraus erklärt sich auch die Richtigkeit der
bisweilen vertretenen Ansicht, daſs ein Theer um so werthvoller ist, je specifisch
leichter, d.h. dünner er ist, natürlich nur, sofern er aus Steinkohlen auf die
übliche Weise hergestellt ist.
III. Einfluſs des freien Kohlenstoffes
auf die Verarbeitung des Steinkohlentheeres.
Was die Verarbeitung des Steinkohlentheeres anbelangt, so ist der Gehalt desselben an
freiem Kohlenstoffe vom gröſsten Einflüsse auf den Verlauf der Destillation. Jeder
Theerdestillateur kennt die lästige Erscheinung des Uebersteigens mancher
Theersorten beim Destilliren. Man hat seither dieses miſsliche Vorkommniſs auf den
Wassergehalt des Theeres zurückgeführt, wenigstens ist mir keine gegentheilige
Meinung bekannt geworden und auch Lunge'sA. a. O vortreffliches Werk führt nur die erstgenannte Ansicht an.
In vielen Fällen mag dieselbe wohl ihre Berechtigung haben, allein nach meinen
vielfachen Beobachtungen ist in weitaus den meisten, wenn nicht in allen Fällen der
freie Kohlenstoff' die Ursache dieser gefürchteten Erscheinung. Theere mit hohem
Gehalte an freiem Kohlenstoffe zeigen, auch wenn sie sonst ziemlich Wasser frei
sind, durchweg Neigung zum Uebersteigen. Es erklärt sich dies daraus, daſs die sich
beim Erhitzen entwickelnden Gas- und Dampfbläschen an den festen Kohlentheilchen
adhäriren und in Folge dessen nicht sofort entweichen können; dadurch wird aber im
Augenblicke das Volumen des Theeres derartig vergröſsert, daſs er in der Blase nicht
mehr Platz findet und durch den Kühler übertritt. Daſs dies fast stets nur während
der Vorlaufsperiode passirt, in welcher also noch Wasser mit übergeht, hat seinen
Grund darin, daſs gerade auch in dieser Zeit die meisten gelösten permanenten Gase
entweichen. Daſs
andererseits die Calamität des Uebersteigens verhältniſsmäſsig viel seltener
vorkommt, als der Bezug Kohlenstoff reicher Theere, erklärt sich leicht aus der
Thatsache, daſs wohl fast alle Theerdestillationen ein ziemlich constantes Gemisch verschiedener Theere verarbeiten, so daſs die
schlechten durch die guten verbessert werden, wie dies der Durchschnitt in der
Tabelle des vorigen Capitels recht deutlich zeigt.
Ich habe zum Beweise der Richtigkeit der vorstehend vertretenen Ansicht einen
normalen Theer einmal mit 10 Proc. Wasser und das andere Mal mit 10 Proc.
gewöhnlichem Kienruſse gut verarbeiten lassen und im Kleinen (je 1k) das Verhalten der beiden Proben studirt. Die
mit Wasser versetzte Probe trennte sich beim Anheizen bald in zwei Schichten und
lieſs sich bei Innehaltung der gewöhnlichen Vorsichtsmaſsregeln, obzwar unter
heftigerem Stoſsen als der ursprüngliche Theer, glatt bis zum Abtreiben des letzten
Wassers destilliren; dagegen zeigte die mit Ruſs versetzte Probe schon bald nach dem
Anwärmen Neigung zum Blasigwerden und stieg schlieſslich, obgleich ich es auch hier
an der nöthigen Vorsicht nicht hatte fehlen lassen, mit allen im Groſsen
beobachteten Erscheinungen aus der Retorte über. Diese beiden Versuche beweisen zur
Genüge, daſs es in der That der freie Kohlenstoff ist, der in erster Linie das
Uebersteigen mancher Theersorten verursacht. Schottische Theerdestillateure scheinen
schon früher die Beobachtung gemacht zu haben, daſs das Wasser in der That
unschuldig hieran ist, denn sie setzten, um eine bessere Ausbeute und Qualität an
Vorlauf und Naphta zu erzielen, ihrem Theere vor der Destillation ein Fünftel seines
Volumens an Wasser zuLunge, a. a. O. S. 172., was sie
sicherlich nicht gethan hätten, wenn sie dadurch die Gefahr des Uebersteigens
vergröſsert hätten. Damit soll aber keineswegs in Abrede gestellt werden, daſs auch
mancher normale, aber stark Wasser haltige Theer übersteigt; in den meisten Fällen
wird hier aber nur die Unachtsamkeit des Arbeiters die Ursache sein.
Aber noch in anderer Weise macht sich ein hoher Gehalt an freiem Kohlenstoffe bei der
Destillation in unangenehmer Weise bemerkbar. Bekanntlich kann das nach dem
Abtreiben des Theeres rückständige Pech der hohen Feuersgefahr wegen nicht sofort in
die Pechkammern abgelassen werden. Die wenigen Stunden der Ruhe genügen indessen,
wie ich mich öfters zu überzeugen Gelegenheit hatte, schon, um die Abscheidung
eines, wenn auch nicht sehr beträchtlichen, Theiles des Kohlenstoffes auf dem Boden
der Blase zu veranlassen. Diese Abscheidungen, welche beim Ablassen des Peches in
der Blase zurückbleiben, lösen sich in frischem Theere nicht wieder auf, brennen an
und bilden schlieſslich, ähnlich, wie dies Lunge
beschrieben hat, eine feste Kruste, welche beim Feuern auf die Blase denselben
zerstörenden Einfluſs ausübt, wie der Kesselstein auf die vom Feuer getroffenen Wandflächen der
Dampfkessel. Auf alle Fälle ist bei stark Kohlenstoft: haltigen Theeren ein viel
häufigeres Klopfen der Kessel erforderlich als bei normalen- auch wächst die Gefahr
des Verstopfens der Ablaſshähne mit dem Gehalte des Theeres an freiem Kohlenstoffe.
Aus alledem ist ersichtlich, daſs dies Product der trockenen Destillation der
Steinkohle für den Theerdestillateur ein äuſserst unliebsamer Gast ist, den er mit
Recht mehr fürchten sollte, als das unschuldige Wasser, welches ja mit Leichtigkeit
vor der Destillation entfernt werden kann.
IV. Schluſsbemerkung.
Die Kenntniſs des Kohlengehaltes eines Gastheeres gestattet bis zu einem gewissen
Grade die Beurtheilung seines Verarbeitungswerthes. Es ist im Allgemeinen richtig,
daſs Theere von geringem Kohlengehalte, also auch geringem specifischen Gewichte,
reicher an Benzol und leichten Kohlenwasserstoffen sind, als solche von hohem
Kohlengehalte. Aber dieser Satz ist nur bis zu einer gewissen Grenze zulässig, die
schon unterhalb der „Kohlezahl“ für einen normalen Gastheer liegt. Von hier
ab können Theere von ganz gleicher „Kohlezahl“ entweder mehr Anthracen und
schwere, oder mehr Benzol und leichte Kohlenwasserstoffe liefern, wahrscheinlich je
nach der Art ihrer Erzeugung, oder der Natur der angewandten Kohle. Steigt jedoch
die Kohlezahl um ein Beträchtliches über die normale, so ist unter allen Umständen
auf eine schlechte Ausbeute an werthvollen Producten, sowohl hoch als
niedrigsiedender, zu rechnen- desto gröſser wird dagegen der Destillationsrückstand,
d.h. die Ausbeute an Pech, dem geringwertigsten Nebenproducte der Theerdestillation.
Man kann also wohl mit einigem Rechte behaupten, daſs das Pechrendement eines
Theeres gewissermaſsen dessen Verarbeitungswerth bestimmt.
Wie ich mich vielfach zu überzeugen Gelegenheit hatte, kann man dasselbe indessen aus
der Kohlezahl des zu verarbeitenden Theeres mit ziemlicher Sicherheit berechnen,
vorausgesetzt, daſs man den Gehalt des Peches vom gewünschten Härtegrade an freiem
Kohlenstoffe kennt. Ist K der Kohlegehalt des Peches
und k derjenige des betreffenden Theeres, so hat man
die einfache Gleichung
K : 100 = k : x.
Gutes, mittelhartes Pech, wie es wohl die meisten unserer
Theerdestillationen durchschnittlich erzeugen, enthält nach meinen mehrfachen
Bestimmungen etwa 28 Proc. freie Kohle. Nehmen wir die aus weiter oben stehender
Tabelle sich ergebende Durchschnittskohlezahl von etwa 16 Proc. als normal an, so
ergibt sich für ein Pech im Gehalte von 28 Proc. freien Kohlenstoffes bei normalem
Theere die Ausbeute
x=\frac{100\,\times\,16}{28}=57\
\mbox{Proc}.,
was genau mit der im Groſsen erhaltenen Zahl von 56 bis 58
Proc. übereinstimmt.
Natürlicher Weise erzeugen nicht alle Fabriken und zu jeder Zeit ein Pech von
gleicher Beschaffenheit; es braucht daher nicht besonders hervorgehoben zu werden,
daſs man für jede Kategorie die Kohlezahl erst feststellen muſs, bevor man die
Pechausbeute eines Theeres berechnen kann. Es geschieht dies ganz in der Weise, wie
es für die Bestimmung des freien Kohlenstoffes im Steinkohlentheere beschrieben
worden ist. Die zuverlässige Beurtheilung eines
Gastheeres durch Probedestillation ist bekanntlich nur dann möglich, wenn man
dieselbe mit gröſseren Quantitäten (500 bis 100k)
ausführt; Probedestillationen mit einem oder mehreren Kilogrammen liefern stets,
namentlich in Bezug auf die leicht flüchtigen Kohlenwasserstoffe, durchaus
unzuverlässige Resultate. In den meisten Fällen dürfte aber ein Versuch in gröſserem
Maſsstabe zu zeitraubend sein, und in vielen Fällen wird sich die dazu erforderliche
Apparatur nicht vorfinden. Hier dürfte die Bestimmung des freien Kohlenstoffes das
zuverlässigste und zugleich bequemste Mittel sein, um den Werth eines Gastheeres
annähernd beurtheilen zu können.
Ob die in Vorstehendem besprochenen Thatsachen und Anschauungen auch für die Theere
aus deutschen Koksöfen Geltung haben, entzieht sich vorerst der Beurtheilung, da
über dieselben bislang noch zu wenig Beobachtungen in dieser Richtung vorliegen.
Offenbach a. M. im September 1888.