Titel: | Neues Verfahren zur Bereitung von Bleiweiss. |
Autor: | Fr. Bauer |
Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 332 |
Download: | XML |
Neues Verfahren zur Bereitung von Bleiweiſs.D. R. P. Nr. 42307 von Dr. Julius Löwe in Frankfurt a. M.
Neues Verfahren zur Bereitung von Bleiweiſs.
Ueber die Bereitung kaum eines Körpers der chemischen Technik sind im Laufe dieses
Jahrhunderts so viel Publicationen in wissenschaftlichen Zeitschriften erfolgt und
so viele Patente in den europäischen Staaten genommen worden, als über diejenige des
Bleiweiſses. Der hohe, unübertroffene Werth, welchen das Bleiweiſs als Deck- und
Anstrichfarbe für viele Verwendungen besitzt, macht dasselbe zu einem viel
gebrauchten, gesuchten und für den Anfertiger lohnenden Handelsartikel und erklärt
die zahlreichen Bemühungen, die man auf eine vereinfachte und sichere Darstellung
desselben im Groſsen seit langer Zeit allerwärts verwendet hat. Allein, ungeachtet
der vielen gelösten Patente ist die Darstellung des Bleiweiſses nicht gerade
wesentlich in gewünschtem Sinne gefördert worden, denn viele derselben haben sich
als unpraktisch oder resultatlos erwiesen oder wieder andere ein Product geliefert,
welches zum Anstreichen nicht ausreichend genügte, da ihm die erforderliche
Deckkraft fehlte. Ganz erheblich sind die Summen, welche in diesen Bestrebungen
erfolglos aufgewendet wurden. Einen schlagenden Beleg dazu liefert die Mittheilung,
daſs bei dem im Jahr 1833 in England genommenen Patente von Torassa allein ein Kapital von 100000 Pfd. St. in Verlust kam. Nicht
minder groſs sind die Summen, welche seit dieser Zeit nach und nach in Versuchen zur
Lösung des Problemes aufgingen. Nach solchen negativen Erfahrungen konnte man leicht
in Versuchung kommen, an einer einfachen Lösung der Frage zu zweifeln und mit
pessimistischer Auffassung auch das Löwe'sche Patent
übergehen, hätte nicht der in der chemischen Wissenschaft bekannte und geachtete
Name des Patentinhabers die Pflicht auferlegt, an dasselbe prüfend heranzutreten.
Nach gewonnener Einsicht stellte sich auch bald die Ueberzeugung fest, daſs Löwe die analytischen Ergebnisse über das beste
Bleiweiſs mit gutem Erfolge synthetisch in seinem Patente verwerthet und ein
Verfahren zur Bereitung von Bleiweiſs oder vielleicht richtiger von Kremser Weiſs
beschrieben hat, welches durch seine manipuelle Einfachheit und die Kürze seiner
Bereitungszeit bei bester Qualität allerdings als ein wesentlicher, lange gesuchter
Fortschritt in der Bleiweiſsbereitung zu betrachten ist und sicher umgestaltend in
dieser Branche mit der Zeit wirken wird.
Die mancherlei bis jetzt üblichen Bereitungsarten dieses erwähnten Artikels dürfen
wir vielleicht als bekannt voraussetzen und uns gestatten, über die gebräuchlichsten und
besten derselben uns nur so weit kurz zu äuſsern, als es zum Verständnisse der
Neuheit und der Vorzüge des Patentes nothwendig und zu einem Vergleiche auffordert.
Der allergröſste Theil des Bleiweiſses, welcher als Handelswaare auf den Markt
kommt, wird bekanntlich nach zwei Verfahren aus metallischem Blei dargestellt,
nämlich nach dem Loogensysteme (holländische Methode) oder nach dem Kammersysteme
(deutsche Methode), die anderen Bereitungsarten des Bleiweiſses kommen gegen diese
kaum in Betracht, weil sie je nach der Oertlichkeit nur vereinzelt und für kleine
Quantitäten angewendet werden, auch durch die Minderwerthigkeit ihres Productes in
Folge mangelnder Deckkraft weniger gesucht und begehrt sind und deshalb auch zu
geringerem Preise Angebot finden. Das Loogensystem oder die holländische Methode
liefert nach Angabe der Praktiker heute noch immer die beste Qualität von Bleiweiſs
und findet aus diesem Grunde vielfache Anwendung. Nach dieser Methode werden
bekanntlich gerollte dünne Bleiplatten in irdene Töpfe oder asphaltirte Holzkasten,
welche Essig enthalten, eingesetzt und diese zwischen Mist oder Lohe luftig
gebettet, durch die verdampfende Essigflüssigkeit und zutretende Luft wird das
Bleimetall corrodirt und durch die Erhitzung und Vergährung des Schichtmateriales
die zur Bleiweiſsbildung nöthige Kohlensäure gebildet, welcher Prozeſs zu seiner
Durchführung mindestens 4 bis 6 Wochen erfordert. Die ganze Fabrikation ist sehr
unbequem und umständlich, und auſserdem kostspielig durch die Anwendung des Mistes
oder der Lohe, der irdenen Töpfe und dem gänzlichen Verluste der zur Anwendung
gekommenen Essigsäure.
Bei dem Kammersysteme oder der deutschen Methode hingegen wird das Bleimetall in
ausgewalzten dünnen Platten in möglichst dicht geschlossenen Kammern aufgehängt, auf
deren Boden Essigsäure oder solche haltende Flüssigkeiten ausgeschüttet sind und
durch Einführung stets erneuter Luft, Kohlensäure und heiſser Wasserdämpfe die
Umsetzung des metallischen Bleies in Bleiweiſs hier bewerkstelligt. Auch dieses
Verfahren nimmt wohl keine kürzere Zeit als obiges in Anspruch, um einen groſsen
Theil des Bleimetalles in Bleiweiſs umzuwandeln.
Bei beiden Verfahren kommt, abgesehen von anderen Unbequemlichkeiten, als
wesentlicher Factor die lange Zeit der Bereitung in Betracht und auſserdem macht
sich der sehr erhebliche Uebelstand hier geltend, daſs man nach beiden die
Fabrikation und deren Verlauf nie in der Hand hat und bei aller aufgewendeten
Umsicht und Aufsicht es nie mit Sicherheit vermeiden kann, daſs minderwerthige
Zwischenproducte sich bilden, die theilweise von dem fertigen Producte mühsam
getrennt nur auf Glätte oder Bleizucker zu verarbeiten sind, und somit die Ausbeute
an bezwecktem Producte wesentlich erniedrigen. Mag auch die Erfahrung in dieser
Fabrikation manche Schwierigkeit abschwächen, zu vermeiden sind Zufälligkeiten dieser oder
jener Art hier niemals und doch ist es fast eine Existenzfrage jeder Fabrikation,
solche so viel als möglich auszuschlieſsen, um den immer mit Mühe zu erkämpfenden
Verlauf möglichst glatt zu gestalten. Auſserdem ist nicht zu übersehen, daſs nach
beiden genannten Methoden ein ganz erheblicher Verlust an Essigsäure eintritt, der
nach W. Stein's Angaben auch bei dem Kammersysteme
nicht gering ist, wenn für jeden Centner Blei gegen 3 Centner Essig verloren gehen
sollen (Wagner's Jahresbericht, 1855 S. 124). Mag man
auch im Laufe der Zeit in Folge besserer Dichtung der Kammern den Verlust vielleicht
vermindert haben, erheblich und unvermeidlich aber ist er nach Anlage des Systemes
immer.
Bei dem Patente von Löwe wird das Bleiweiſs nicht aus
metallischem Blei, sondern aus in Wasser löslichen Bleisalzen, wie z.B. essigsaurem
oder salpetersaurem Blei und zwar in 2 Operationen bereitet, während das Loogen- wie
Kammersystem mehrere verlaufende Prozesse, wie die Bildung von Bleioxyd, Bleizucker,
einfach kohlensaures Blei und basisch kohlensaures Blei (Bleiweiſs) in einer
Operation vereinigt und aus diesem Grunde zu mannigfachen Störungen in der
Fabrikation Veranlassung gibt. Die erste Operation nach Löwe bezweckt die Darstellung von stets gleich constituirtem neutralem
oder einfach kohlensaurem Blei von der procentischen Zusammensetzung 83,5 Bleioxyd
und 16,5 Kohlensäure, indem man Auflösungen genannter Bleisalze kalt oder mäſsig
warm mit einer Mischung von kohlensaurem Natrium mit doppelt kohlensaurem Natrium
ausfällt, und zwar in dem Verhältnisse von ⅘ der ersteren und ⅕ des letzteren. Die
Präcipitation erfolgt hier glatt und vollständig und liefert einerseits das sich als
Niederschlag leicht absetzende einfach kohlensaure Blei und andererseits als
Nebenproduct in der Lösung das essigsaure oder salpetersaure Natrium, je nach
Verwendung der einen oder anderen Bleiverbindungen, welche werthvolle Salze durch
Verdampfung gewonnen werden. Der nach Operation 1 erhaltene abgewaschene
Niederschlag von einfach kohlensaurem Blei wird nun mittels Operation 2 in basisch
kohlensaures Blei (Bleiweiſs) dadurch übergeführt, daſs man denselben mit Lösungen
basischer Bleisalze, z.B. basisch essigsaurem Blei (Bleiessig), in schwachem
Ueberschusse vermischt und durcharbeitet. Die Bildung von Bleiweiſs erfolgt dabei
unmittelbar, welcher Vorgang an dem Merkmale sichtbar wird, daſs der mehr körnige
Niederschlag von einfach kohlensaurem Blei eine mehr schleimige Beschaffenheit
annimmt. Als Beweis, daſs der Bleiessig in schwachem Ueberschusse vorhanden, dient
die alkalische Reaction der Lösung oder die Fällbarkeit einer gezogenen Probe
derselben mit Aetzsublimat. Nach kurzem Stehen wird die geklärte Flüssigkeit von dem
Bleiweiſse abgezogen, sie enthält den regenerirten Bleizucker und kann durch
Zuführung von Bleiglätte wieder für eine neue Operation in Bleiessig überführt
werden. – Das abgewaschene, ausgepreſste und getrocknete Bleiweiſs besitzt eine reine
weiſse Farbe, Perlglanz und nach übereinstimmenden Urtheilen von Malern und
Anstreichern, welchen Proben des in Oel verriebenen Productes zur Prüfung übergeben
wurden, eine hohe Deckkraft. Die Anstriche besitzen einen schönen Glanz, als wenn
sie mit einer dünnen Lackschicht überzogen wären und überbieten den der besten
Bleiweiſssorten. Das Löwe'sche Bleiweiſs wird zur
Darstellung der Glanzpapiere für Cartonageartikel dem jetzt hier ausschlieſslich
verwendeten Kremserweiſs, in Folge seiner vorzüglichen Qualität, sicher eine starke
Concurrenz machen. Seine chemische Zusammensetzung ist stets gleichmäſsig und zwar
enthält es: Bleioxyd = 86,20 Proc. Kohlensäure = 11,30 Proc. und Wasser = 2,50 Proc.
entsprechend der Formel 2PbCO3 = Pb(OH)2, so daſs also auf 2 Mol. einfach kohlensaures Blei
1 Mol. Bleihydroxyd kommt. Die ausschlieſsliche Bereitung auf nassem Wege beugt der
gesundheitsschädlichen Wirkung der Verstäubung vor, wie solche bei dem Producte des
Loogen- und Kammersystemes schwer zu umgehen ist, wenn auch die Ablösung des
Bleiweiſses von den rückständigen Bleitafeln hier mittels Maschinen auf nassem Wege
erfolgt. Jedenfalls kommt diese Operation, sowie das Mahlen, Schlämmen u. dgl. des
Productes beim Verfahren nach Löwe in Wegfall.
Ueberhaupt verlangt das patentirte Verfahren zur Bereitung von Bleiweiſs wenig
umfangreiche Fabriklokalitäten und sehr einfache maschinelle Einrichtungen;
hölzerne, dichtgefugte Oblongen oder hölzerne Bütten dienen zur Fällung und Mischung
für Operationen 1 und 2 und ist man bei solcher Ausrüstung im Stande, in einem Tage
zu leisten, wozu bei den anderen Systemen ein Aufwand von Wochen erforderlich ist.
Dabei muſs noch in Berücksichtigung gezogen werden, daſs bei dem patentirten
Verfahren die ganze Menge des in Anwendung gebrachten Bleisalzes in Form von
Bleiweiſs ohne Verlust an Säuren u. dgl. gewonnen wird, während bei dem Loogen- und
Kammersysteme für diesen Zweck unverwerthbare Zwischenproducte sich einstellen.
Das Präcipitationsverfahren im Allgemeinen ist vielleicht nicht mit Unrecht bei
manchem Praktiker in Miſskredit gekommen, da die nach demselben erhaltenen Producte
nicht die erforderliche Deckkraft besaſsen, wie dieses bei der Methode von Clichy erfahrungsgemäſs zutrifft; allein es wäre
falsch, auf der Behauptung zu beharren, daſs nach dem Präcipitationsverfahren
überhaupt kein gutes Bleiweiſs zu erzielen sei, denn das patentirte Verfahren Löwe's liefert dafür den vollständigen Gegenbeweis. Da
das beste Bleiweiſs heute immer noch auf dem Wege der Corrosion gewonnen wird, war
sicherlich die Annahme entschuldbar, daſs nur durch sie ein taugliches Bleiweiſs zu
erzielen sei, allein die Corrosion ist auch nur für die Bildung von Bleiweiſs eine
Präcipitation, da ohne Gegenwart von Wasser sich überhaupt kein Bleiweiſs erzeugen
kann und es an sich ganz gleichgültig ist, ob man vom metallischen Blei oder einem Bleisalze
ausgeht, denn sobald sich aus dem metallischen Blei Bleioxyd und essigsaures Blei
gebildet hat, verläuft der Prozeſs auf dem Wege der Präcipitation bei Gegenwart von
mehr oder weniger Wasser, immer vorausgesetzt bei ausreichender Menge des
letzteren.
Die Frage, ob der Prozeſs der Bleiweiſsbildung im Groſsen sich ebenso glatt nach dem
Patente von Löwe vollziehen dürfte, wie bei der
erfolgreichen Darstellung von einigen Kilogramm, erscheint unzweifelhaft, sobald man
sich nur die Einfachheit der Vorgänge vergegenwärtigt. Die Fällung der Bleisalze
durch angegebene Mischungen von kohlensaurem Natrium und doppelt kohlensaurem
Natrium in Operation 1 ist an sich so einfach, und kommt in ähnlicher Art so
vielfach bereits in der Technik vor, daſs ein Miſslingen ausgeschlossen ist, und die
Operation 2, die Ueberführung des einfach kohlensauren Bleies in Bleiweiſs durch
Vermischen mit Bleiessig, ist noch einfacher als Operation 1. Wenn man überhaupt Löwe's Verfahren prüft und die nöthigen Operationen
durchführt, ist man überrascht von der Einfachheit der Art der Bleiweiſsbildung.
Der Verfasser dieses fand Gelegenheit, oben mitgetheilter Neuerung näher zu treten,
da ihm von befreundeter Seite der Auftrag ertheilt wurde, eine Skizze zur Errichtung
einer Fabrik auf Grund des Löwe'schen Patentes zu
entwerfen.
Fr. Bauer, Ingenieur.