Titel: | Fr. Siemens' Auftriebmotor. |
Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 500 |
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Fr. Siemens' Auftriebmotor.
Mit Abbildung auf Tafel
28.
Siemens' Auftriebmotor.
Der wiederholt in die Praxis übersetzte Gedanke, durch den Auftrieb einer erhitzten
Flüssigkeit eine in letztere eingetauchte Turbine zu bethätigen, hat durch eine
Ausführung von Fr. Siemens in Dresden (* D. R. P. Kl.
46 Nr. 43 628 vom 16. Oktober 1887) eine neue interessante Lösung erfahren, welche
zur Einführung dieser Motoren als Kleinkraftmaschinen vielleicht veranlassen dürfte
(Fig. 3
Taf. 28).
Die Triebkraft dieses Motors gründet sich auf den Gewichtsunterschied zweier
Flüssigkeitssäulen, von welchen die eine massiv und die andere mit Dampfblasen
durchsetzt ist. Die Flüssigkeitssäulen sind oben und unten derart verbunden, daſs
ein dauernder Umlauf entsteht, daſs also die massive und daher schwerere Säule
abwärts und die mit Dampfblasen durchsetzte leichte Säule aufwärts strebt. Der
Unterschied im Gewichte beider Säulen bildet die Triebkraft der Maschine, welche
dadurch nutzbar gemacht wird, daſs in die umlaufende Flüssigkeit eine Turbine oder
ein sonstiger Wassermotor eingeschaltet ist. In dem durchschnitten dargestellten
Apparate wird Wasser als das treibende Element benutzt, obgleich bei etwas
veränderter Construction auch andere schwere und verdampfbare Flüssigkeiten sehr
wohl Verwendung finden könnten. Wie aus der Zeichnung ersichtlich, besteht der
Apparat in der Hauptsache aus drei in einander gesteckten Röhren rr1
r2, von denen die äuſsere r nach oben und unten je in einen gröſseren Behälter
v und s ausläuft. Das
mittlere Rohr r1 ist
oben offen und endigt in den unteren Theil des oberen Behälters v, während dasselbe unten ebenfalls in einen etwas
kleineren, geschlossenen Behälter s1 ausläuft. Das innerste, nach unten etwas
erweiterte Rohr r2 ragt
nach oben etwas hervor, bleibt aber unten und oben offen. Während die Rohre r und r1 oben im Behälter v
frei einmünden, stehen diese Rohre unten mittels der in den Behältern s und s1 eingebauten Turbine t
in Verbindung.
Das innerste Rohr r2
dient als Heizrohr und Schornstein zugleich, zu welchem Zwecke unten in der
Erweiterung dieses Rohres ein mit Leuchtgas betriebener Heizapparat b eingesetzt ist.
Nachdem der ganze Apparat bis zur Mitte des oberen Behälters v mit Wasser gefüllt wurde, wird das Gas in den Brenner b durch Oeffnung des Hahnes h eingelassen und durch eine Oeffnung angezündet. Sobald nun das Wasser in
dem engen concentrischen Raume zwischen den Röhren r1 und r2 erhitzt wird, findet bereits ein Umlauf des
Wassers innerhalb des Apparates statt, welcher noch wesentlich erhöht wird, sobald
das Wasser in dem inneren concentrischen Raume zum Kochen kommt. In Folge der
Entwicklung von Dampfblasen und der Verwandlung des Wassers in Schaum wird das
specifische Gewicht auf mehr als die Hälfte des ursprünglichen Gewichtes vermindert.
Der entwickelte Dampf entweicht oben im Behälter o, zu
welchem Zwecke derselbe eine gewisse Weite und Höhe haben muſs, damit der von unten
eintretende Schaum zur verhältniſsmäſsigen Ruhe kommen kann, wodurch allein eine
Ausscheidung der kleinen Dampf blasen bewirkt wird. Zu demselben Zwecke sind in dem
Behälter noch einige enge Siebe angebracht, wodurch die Trennung des Wassers und
Dampfes noch ferner gefördert und ein Auswerfen des Wassers verhindert wird. In dem
äuſseren weiteren concentrischen Raume kann also das massive, von Dampfblasen
gänzlich befreite Wasser wieder abwärts flieſsen und bildet demnach eine schwere
Säule, welche direkt mit mehr als der Hälfte ihres Druckes auf die Turbine zur
Wirkung kommt.
Es ist zu berücksichtigen, daſs das obere, im Behälter v
auf den Kochpunkt, also auf 100° C. abgekühlte Wasser nach seinem Niedergange und
Durchgange durch die unten liegende Turbine einem der inneren leichten Säule
entsprechenden Drucke ausgesetzt ist, welcher einer höheren Kochtemperatur
entspricht. Das Wasser müſste also erst bis auf die dem jeweiligen Drucke
entsprechende Kochtemperatur gebracht werden, um kochen zu können, was einen
verhältniſsmäſsig groſsen Wärmeaufwand erfordern würde. Zur theil weisen oder unter
Umständen fast gänzlichen Beseitigung dieses Wärmemangels des niedergegangenen
Wassers dient nun der Wärmeaustausch zwischen den entgegengesetzt laufenden
Flüssigkeitsströmen in den beiden concentrischen Räumen der Rohre r und r1. Die Wand des mittleren Rohres r1 überträgt die Wärme
der aufsteigenden, nach Maſsgabe der nach oben geringer werdenden Kochtemperatur
abzukühlenden Säule auf die niederwärts gehende, unten beinahe bis auf die
Kochtemperatur des unteren Theiles der inneren Flüssigkeitssäule erhitzte
absteigende Säule. Das Wasser tritt so vorgewärmt durch die Turbine in den untersten
Theil des erweiterten mittleren Rohres r1 fast mit der vollen, dem dortigen Drucke
entsprechenden Kochtemperatur. Der Dampf kann sich somit gleich unten entwickeln,
während ohne diese Vorwärmung des nach unten flieſsenden Wassers die Dampfbildung
erst im obersten Theile der aufsteigenden Säule stattfinden könnte, in welchem Falle
nur ein sehr geringer Theil der Druckhöhe für den wirksamen Umlauf ausgenutzt werden
könnte.
Die möglichst hohe und gleichmäſsige Druckausnutzung bildet eine Grundbedingung für
die Krafterzeugung dieses Motores, und deshalb ist auch der möglichst vollkommene
Wärmeaustausch zwischen den entgegengesetzt laufenden Flüssigkeitsströmen das
wichtigste Erforderniſs. Ohne den Wärmeaustausch zwischen den auf und ab steigenden
Flüssigkeitssäulen wäre ein praktischer Motor nur denkbar, wenn man lauter kurze,
durch Siebe getrennte, über einander gestellte Umläufe der Flüssigkeit derart
anordnete, daſs der Dampf, unten entwickelt, immer von einem zum anderen Kreislaufe,
in jedem einzelnen wirkend, in die Höhe stieg, um erst aus dem obersten Kreislaufe
zu entweichen. Die eingeschalteten Siebe würden dazu dienen, die Flüssigkeit
jedesmal zur Umkehr zu zwingen, aber den Dampf durchlassen, um in jedem folgenden
Umlaufe die gleiche Wirkung zu üben. Ein solcher Motor wäre aber schon deswegen sehr
umständlich, weil jedes einzelne der über einander gestellten Systeme seine
besondere Turbine haben müſste.
Die Heizung könnte auch um das äuſsere Rohr r gelegt
werden, in welchem Falle die beiden concentrischen Räume ihre Rollen wechseln
würden. Bei innerer Heizung ist es, wie auf der Zeichnung dargestellt, zweckmäſsig,
um das äuſsere Rohr noch einen Mantel oder eine Umhüllung n zu legen, um dasselbe vor Abkühlung zu schützen. Das verdampfte Wasser
wird dauernd oder zeitweise oben durch Stutzen k
nachgefüllt. Der oben entweichende Dampf kann condensirt werden.
Es wird nöthig sein, die aufsteigende Flüssigkeitssäule namentlich in ihrem unteren
Theile möglichst eng zu gestalten, weil nur dann eine wirkliche Schaumbildung
eintritt, welche nöthig ist, damit die Dampfblasen der Flüssigkeit nicht voraneilen.
Wie ersichtlich, ist auf der Zeichnung der enge concentrische Raum der aufsteigenden
Säule nach oben etwas erweitert.
Sobald die Schaumbildung voll eingetreten ist, darf man die Querschnitte erweitern,
ohne eine erhebliche Rückbildung zu befürchten. Dadurch, daſs richtiger Schaum
gebildet wird, vermengt sich die Flüssigkeit mit dem Dampfe derart, daſs es sogar
schwer wird, beide wieder zu trennen, wie sich ja aus der Nothwendigkeit des groſsen
Behälters v und der darin enthaltenen Siebe ergibt.
Ohne diese Vorsicht würde ein groſser Theil der Dampfblasen wieder ganz oder
theilweise mit heruntergeführt und dadurch der Druckunterschied der beiden
Flüssigkeitssäulen, sowie die Triebkraft des Motors auſserordentlich geschmälert
werden.