Titel: | Die elektrische Beleuchtungsanlage im zweiten deutschen Theater in Prag. |
Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 559 |
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Die elektrische Beleuchtungsanlage im zweiten
deutschen Theater in Prag.
Beleuchtungsanlage im zweiten deutschen Theater in
Prag.
Den Technischen Blättern, 1888 * S. 26, sind die
nachfolgenden Mittheilungen über die von Siemens und
Halske in Wien ausgeführte Anlage zur elektrischen Beleuchtung des zweiten
deutschen Theaters in Prag entnommen.
A) Die Lampen. Die gesammte Auſsen- und Innenbeleuchtung
des Theaters umfaſst derzeit:
a) für die Zufahrtstraſsen 2 Bogenlampen zu je 2000 Normalkerzen oberhalb der
Unterfahrt an der der Bredauergasse zugekehrten Hauptfaçade;
b) für den Zuhörerraum und seine Nebenräume 262 Glühlampen, und zwar 184 Glühlampen
zu 16 Normalkerzen für Nobelbalkon, Stehparterre, Plafondpfeiler, Brüstungen und
Luster und 78 Glühlampen zu 16 Normalkerzen für Hauptvestibule, Hauptfoyer,
Logenstiegen und Kasse;
c) für die Bühnen: 95 Glühlampen zu 50 Normalkerzen der Beleuchtungsläden (7
Beleuchtungsläden zu 13 Stück, 1 Beleuchtungsladen auf der Hinterbühne 4 Stück); 180
Glühlampen zu 16 Normalkerzen der Rivalta (60 grün, 60 roth, 60 weiſs); 56
Glühlampen zu 16 Normalkerzen der Coulissen (zu je 7 Stuck); endlich 26 Glühlampen
zu 10 Normalkerzen für die übrige Bühne;
d) für die Effect- und Sceneriebeleuchtung sind ferner vorgesehen:
3 Anschlüsse auf der I. Arbeitsgalerie für in Summa 30 Glühlampen zu 16 Normalkerzen;
1 Anschluſs auf der Hinterbühne für 30 Glühlampen zu 16 Normalkerzen; 4 Anschlusse
auf dem Bühnenpodium für je 7 Lampen zu 16 Normalkerzen und mehrere Anschlusse für
Effectbogenlampen auf den Arbeitsgalerien und dem Bühnenpodium.
Die beiden Bogenlampen für die Auſsenbeleuchtung sind Differentiallampen, System Siemens und Halske, für 9 Ampère und 46 Volt
Klemmenspannung, haben 2000 Normalkerzen Leuchtkraft (unter dem günstigsten Winkel
gemessen) und besitzen eine zehnstündige Brenndauer.
Die Effectbogenlampen sind von Hand aus zu reguliren, für verschiedene Stromstärken
und Leuchtkraft zu verwenden und mit farbigen Glastafeln und Reflectoren
ausgestattet.
Die zur Verwendung gelangenden Glühlampen (System Siemens und
Halske) von 50, 16 und 10 deutschen Normalkerzen Leuchtkraft (in der
Richtung senkrecht zur Ebene des Kohlenfadens gemessen) haben bei 100 Volt
Klemmenspannung einen Stromverbrauch von 1,5 bezieh. 0,51 und 0,39 Ampère; die
durchschnittliche Brenndauer derselben wurde bei normaler Beanspruchung von Siemens und Halske mit 1200 Stunden garantirt.
B) Die Dynamomaschinen. Den Strom für alle genannten
Lampen liefern zwei gleich groſse und gleich leistungsfähige Dynamos. Dieselben sind
Nebenschluſsmaschinen mit Trommelanker, haben eine normale Tourenzahl von etwa 650
in der Minute, etwa 105 Volt Klemmenspannung und bei normaler Lampenzahl etwa 150
Ampère Stromstärken.
Fig. 1., Bd. 270, S. 560Bei diesen Maschinen (Modell H von Siemens und
Halske) sind nach Fig. 1 auf einer
guſseisernen Grundplatte zwei Lagerböcke aufgebolzt, welche die Trommel tragen, und
zwischen denen die beiden cylindrischen, mit der Grundplatte aus einem Stücke
gegossenen Magnetschenkel sich erheben. Die ausgedrehten Polenden dieser
Magnetschenkel umschlieſsen die Trommel möglichst dicht. Die Magnetschenkel zeichnen
sich durch einen sehr starken Querschnitt aus, dessen Durchmesser ungefähr dem
Durchmesser der Trommel gleichkommt.
Der massive und einheitliche, durch keine Verschraubungen oder anderweitigen
Verbindungen unterbrochene Aufbau des Magnetsystemes ist für die Bildung eines
kräftigen magnetischen Feldes äuſserst vortheilhaft, die gewählte Ankerconstruction
aber gewährleistet die gehörige Ausnutzung dieses Feldes; daher bietet das Modell H
einen hohen Nutzeffect und eine bemerkenswerthe Leistungsfähigkeit im Vergleiche zu
seinem Gewichte. Der sarke und gedrängte Bau schlieſst jedes Zittern aus.
Eine Besonderheit des Modelles H ist der zweckmäſsig geformte und leicht zu
beaufsichtigende Luftcommutator. Er besteht aus verhältniſsmäſsig wenigen
Abtheilungen, welche durch Luftzwischenräume von einander isolirt sind. Diese
Abtheilungen, worauf die Bürsten schleifen, sind mit einem Ende an Metallstücke
angeschraubt, welche ihrerseits mit der Ankerwickelung entsprechend in Verbindung
stehen. Man kann also mit leichter Mühe die Abtheilungen, wenn sie abgenutzt sind,
durch neue ersetzen, während man bei anderen Anordnungen den ganzen Commutator
erneuern muſs, was zeitraubend und mühsam ist. Die Commutatoren mit Luftisolation
lassen sich ferner leichter als bei geschlossenen Commutatoren die Zwischenräume
zwischen den Kupfersegmenten reinigen, wodurch ein Ausbrennen einzelner
Wickelungsabtheilungen des Ankers, das bei geschlossenen Commutatoren zuweilen durch
Eindringen von Kupferspänen in die Isolirschichten herbeigeführt wird, so gut wie
ausgeschlossen ist.
Gleichzeitig sind die Bürstenhalter Fig. 2 durch
Beseitigung aller Gelenke vereinfacht und für die Ueberleitung starker Ströme
geeignet gemacht. Auf jeder Seite des Commutators sind mehrere Bürsten neben
einander angeordnet, damit leicht eine Auswechselung während des Betriebes
stattfinden kann. Diese Anordnung trägt auch dazu bei, daſs jede sowohl den
Commutator als auch die Gleichförmigkeit des Stromes schädigende Funkenbildung
verhindert wird.
Fig. 2., Bd. 270, S. 561Die als Oelfilter eingerichteten Schmiergefäſse gestatten, das durch die
Lager ziemlich schnell hindurchgeführte Oel sehr oft zu benutzen und ermöglichen
eine nicht unbedeutende Ersparniſs an Oel; das Oel wird in einem Unter den Lagern
angebrachten Behälter aufgefangen und wieder in den Schmierfilter gegossen, welcher
dasselbe gereinigt den Lagern abermals zuführt.
Die Maschinen sind, der sicheren Isolation halber, auf Holzfundamenten, und um den
Riemen stets gehörig straff gespannt zu Erhalten (um dessen Schlagen und Gleiten zu
verhindern) auf sogen. Gleitschienen zur Aufstellung gebracht. Auf letzteren können
die Maschinen selbst während des Betriebes verschoben werden, falls aus den oben
angeführten Gründen ein Anspannen ihres Treibriemens nöthig würde.
C) Der Motor. Die Lichtmaschinen werden durch eine
Hochdruck-Compound-Receiver-Maschine mit zwei neben einander liegenden Cylindern und
dazwischen liegendem Schwungrade mittels eines Vorgeleges getrieben. Bei einer
Kesselspannung von 8at Ueberdruck leistet diese
von der Ersten Brünner Maschinenfabrik ausgeführte
Maschine 75 bis 100 indicirte Der Hochdruckcylinder hat eine vom Regulator
beeinfluſste zwangläufige Collmann-, der
Niederdruckcylinder eine verstellbare Mayer'sche
Steuerung. Da sowohl die Rohrleitung als auch der Receiver derart angeordnet sind, daſs jede
Cylinderseite ausschaltbar ist, kann im Nothfalle sowohl der Hoch- als
Niederdruckcylinder allein in Betrieb gesetzt werden.
Die drei Röhrenkessel besitzen je 54qm
wasserbenetzte und 6qm,4 überhitzte Heizfläche,
und sind für eine Betriebsspannung von 8at
Ueberdruck mit Heiser'scher Halbgasfeuerung ausgeführt;
stets zwei liefern Dampf für oberwähnte Maschinen und für die Beheizung des
Theaters, während der dritte in Bereitschaft steht.
Bei der im Kesselhause zur Ausführung gebrachten Wasserreinigungsstation
(Wasserreinigungskörper Patent Sedlaczek) kann von dem
Behälter aus der Zufluſs des Wasserleitungswassers in die Reinigungskörper nach
Maſsgabe der Kesselspeisung regulirt werden, und im Falle eines Gebrechens an der
Wasserleitung können die Kessel auch unmittelbar aus einem Behälter gespeist
werden.
Die Dampfpumpe, welche 1l bei jedem Hube leistet,
kann sowohl das gereinigte Speisewasser unmittelbar in die Kessel, als auch die
Reagensflüssigkeit in den Wasserreinigungsapparat befördern. Als Ersatz bei etwaigem
Versagen der Dampfpumpe ist auch ein Injector in die Speiseleitung
eingeschaltet.
Schlieſslich hat im Kesselhause ein Speisewasservorwärmer, welcher eine Heizfläche
von 15qm besitzt, seine Aufstellung gefunden.
Die Transmission im Maschinenhause gestattet, jede Lichtmaschine während des
Betriebes jederzeit leicht aus- und einzuschalten. Das Maschinen- und Kesselhaus, in
welchem die zum Betriebe der elektrischen Beleuchtung nöthigen Kessel, Dampf- und
Dynamomaschinen zur Aufstellung gelangt sind, liegt zur Rechten des Bühnenhauses in
vertiefter Anordnung.
D) Die Leitungen und Regulirwiderstände. Der Strom wird
von den Dynamo zu den Lampen durch zwei getrennte Leitungsnetze zugeführt.
In die beiden Stromkreise sind die Lampen so vertheilt, daſs stets die zweite Lampe,
oder bei mehrarmigen Beleuchtungskörpern der zweite derselben dem zweiten
Stromkreise angehört. Die Lampen des groſsen Lusters sind zu gleichen Theilen auf
beide Stromkreise vertheilt. Sämmtliche Lampen sind parallel geschaltet (System der
Gegenschaltung).
Die beiden Hauptleitungen gehen von dem im Maschinenhause angebrachten Schaltbrette
aus und führen zu dem sogen. Centralvertheilungspunkte beim Beleuchter an der
Prosceniumsmauer, von wo die Hauptnebenleitungen zur Speisung sämmtlicher Glüh- und
Bogenlampen abzweigen.
Die beiden Leitungsnetze bestehen aus zweckentsprechend isolirten Bleikabeln mit
Leitungsdrähten von nahezu chemisch reinem Kupfer und sind auf Porzellanklemmen oder
in Holzleisten montirt. Gegen Ueberhitzung sind diese Leitungsdrähte durch
Bleisicherungen geschützt und so die bei zufälligem oder durch Unvorsichtigkeit
herbeigeführtem kurzen Schlusse drohende Feuersgefahr beseitigt. Diese Sicherungen
bestehen in der Hauptsache aus der Leitungsfähigkeit der Drähte entsprechend
abgemessenen Bleistreifen, welche an gewissen Stellen die hier unterbrochenen
Kupferdrähte leitend verbinden. Da dieser Bleistreifen bei der für den Draht
zulässigen Maximalstromstärke zum Schmelzen kommt, so unterbricht er bei
Ueberschreitung dieser Grenze von selbst die zu schützende Stromleitung.
Die in Anwendung gebrachten Siemens'schen
Bleisicherungen haben die sehr zweckmäſsige und zuverlässige Einrichtung, daſs nur
ein richtiger mit einem dem zu schützenden Leitungstheile entsprechenden
Bleistreifen versehener Gypsknopf in die Sicherung eingesetzt werden kann; daher
kann nie durch Einsetzen eines zu starken Gypsknopfes die Sicherung fraglich
gemacht, oder durch Einsetzen eines zu schwachen Gypsknopfes schon bei einer noch
zulässigen Stromverstärkung in Folge des Durchbrennens die Leitung unnöthiger Weise
unterbrochen werden.
An einzelnen Stellen der Bühne und Arbeitsgalerie finden sich sogen. Auslässe für die
beweglichen Beleuchtungskörper. Durch sie kann jederzeit leicht ein transportabler
Beleuchtungskörper mit beweglichem Zuleitungskabel mittels eines Stöpsels mit den
Anschlüssen in Verbindung gebracht werden.
Ein plötzlicher oder allmählicher Uebergang vom Volllichte zum Dunkel an einzelnen
Lampengruppen wird in die betreffenden Hauptleitungen eingeschalteter
Regulirwiderstände herbeigeführt. Die Regulirwiderstände bestehen aus einem
Drahtgewebe von verzinkten Eisendrähten und sind in einem besonderen ventilir- und
versperrbaren Raume in der Nähe der Prosceniumsmauer untergebracht. Die einzelnen
Stufen dieser Widerstände (Drahtbandlängen), welche so berechnet sind, daſs beim
Dämpfen der Lampen absolut kein ruckweiser Uebergang der Lichtstärken der Lampen
bemerkbar ist, lassen sich mittels einer Kurbel, die auf einen der im Kreise herum
angebrachten Contacte gestellt werden kann, entweder einzeln von Hand aus oder je
nach Bedarf und Bequemlichkeit mittels einer gemeinsamen Welle mit Handrad, welche
mehrere solcher Kurbeln durch Zahnradübersetzungen gleichzeitig in Thätigkeit setzt,
in die betreffenden Stromkreise ein und aus schalten.
Eine solche Regulirung ist den scenischen Anforderungen entsprechend durchgeführt für
die gesammten Lampen des Zuschauerraumes, für die ganze Und jede Hälfte der Rivalta,
für die rothen und grünen Lampen derselben, für jedes Paar Coulissenständer und für
jeden einzelnen der acht Beleuchtungsläden.
An dem oben erwähnten, auf der rechten Seite der Bühne an der Prosceniumsmauer neben
der auf die Unterbühne führenden Central- und Controlpunkte sind sämmtliche
Hauptbleisicherungen und Hauptausschalter, sowie die gesammten Regulirapparate
aufgestellt; eine von diesem Punkte ausgehende Sprachrohr- und Klingelanlage
verbindet den auf einer etwa 7m über das Podium
sich erhebenden Galerie postirten Beleuchter mit dem Maschinisten; von demselben
Punkte aus übersieht der Beleuchter die Bühne und kann im Bedürfniſsfalle sich mit
dem Regisseur verständigen: kurz von diesem Punkte aus ist es ermöglicht, die
gesammte elektrische Anlage zu dirigiren und zu überwachen.
E) Die Controlapparate. An dem Schaltbrette im
Maschinenhause befinden sich auſser den beiden Regulirwiderständen für die
Dynamomaschinen, welche zum Zwecke der Regulirung der Klemmenspannung in den
Nebenschluſs geschaltet sind, sechs Hauptschalter, durch welche die zwei
Hauptstromkreise beliebig mit den beiden Dynamo in Verbindung gebracht werden
können. Dieselben zeichnen sich besonders durch rasches Ein- und Ausspringen der
Contacte aus, wodurch jede Ueberhitzung und Schmelzung der Contactflächen verhütet
wird. Ferner sind hier die zur Controle der Maschinen nöthigen Meſsapparate
aufgestellt. Für jede Maschine ist ein Spannungsanzeiger vorhanden, welcher ein
unmittelbares Ablesen der Spannung an der betreffenden Maschine (bezieh. an den
Controlpunkten der beiden Hauptstromleitungen) gestattet- dieselben enthalten einen
stabförmigen Elektromagnet, dessen obere Polfläche durch eine schiefe Ebene gebildet
wird, über welcher mittels Schneiden der zum Oscilliren eingerichtete und mit einem
herabhängenden Zeiger versehene Anker liegt. Die Bewickelung dieses Elektromagnetes
wurde, um die Beeinflussung des Widerstandes durch die Temperatur möglichst zu
vermindern, aus Neusilberdraht hergestellt.
Neben jeden Spannungsanzeiger ist noch eine sogen. Controlglühlampe geschaltet.
Zur Controlirung der jeweiligen Stromabgabe der Maschinen bezieh. der in jeder
Hauptleitung vorhandenen Stromstärke dienen zwei sogen. hydrostatische
Stromanzeiger, welche ebenfalls am Schaltbrette ihren Platz fanden.
Der als hydrostatisches Manometer eingerichtete Stromanzeiger enthält einen
zweischenkeligen Elektromagnet, vor dessen beiden Polen sich ein flaches,
kreisförmiges, der Büchse eines Aneroid-Barometers ähnliches Gefäſs befindet, das
mit einer aus gewelltem Bleche bestehenden, elastischen Vorderwand verseilen, mit
einer Flüssigkeit gefüllt und mit einem Standrohre verbunden ist. Auf der
elastischen Vorderwand des Flüssigkeitsgefäſses sitzt eine als Anker für den
Elektromagnet dienende Eisenscheibe, durch deren Anziehung die elastische Wand
einwärts gezogen und die im Gefäſse befindliche Flüssigkeit nach Maſsgabe der
vorhandenen Stromstärke in das Standrohr gepreſst wird.