Titel: | Ueber die chemischen Vorgänge beim Ammoniaksodaprozesse. |
Fundstelle: | Band 270, Jahrgang 1888, S. 566 |
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Ueber die chemischen Vorgänge beim
Ammoniaksodaprozesse.
Ueber die chemischen Vorgänge beim
Ammoniaksodaprozesse.
H. Schreib veröffentlicht in der Zeitschrift für angewandte Chemie, 1888 S. 283, seine Untersuchungen über
die chemischen Vorgänge beim Ammoniaksodaprozesse und speciell bei der sogen.
Carbonisation, d. i. die Umsetzung des Kochsalzes durch Ammoniumbicarbonat in
Natriumbicarbonat und Salmiak.
Diese Operation ist jedenfalls in chemischer Beziehung die wichtigste im ganzen
Prozesse; die übrigen Theile desselben treten in dieser Hinsicht zurück, wenn auch
die rein technischen Schwierigkeiten an anderen Stellen bedeutender auftreten
mögen.
Die genannte Umsetzung wird bekanntlich ausgedrückt durch die einfache Formel
NaCl + NH4HCO3 = NaHCO3 + NH4Cl.
Für die Praxis müſste man die Umsetzung richtiger durch eine andere Formel
ausdrücken, da nicht Ammoniumbicarbonat direkt der Lösung zugesetzt wird, sondern
Ammoniak als Gas, welches dann im weiteren Verlaufe durch eingeleitete Kohlensäure
zuerst in Carbonat und dann in Bicarbonat umgewandelt wird; die Formel wäre
also:
NH3 + NaCl + CO2 + H2O = NaHCO3 + NH4Cl.
Wie man sich leicht durch Experimente überzeugen kann, tritt in nicht zu verdünnten
Lösungen die Ausfällung des Natriumbicarbonates auch unter den verschiedensten
Verhältnissen von Ammoniak und Kochsalz zu einander stets ein, aber es wird je
nachdem nur ein mehr oder weniger kleiner Theil des Natriumchlorides zersetzt. Will
man eine möglichst quantitative Umsetzung des angewendeten Kochsalzes, so muſs die
Concentration und das Verhältniſs der beiden Stoffe zu einander sehr sorgfältig
gewählt werden.
In der Praxis ist es nun wohl durchweg der Fall, daſs eine möglichst starke
Ausnutzung des Kochsalzes gewünscht wird, nur zuweilen ist eine Einschränkung dieses
Bestrebens geboten, so z.B. durch die Rücksichtnahme auf die Zeitdauer der
Carbonisation, Ammoniakverluste u. dgl., wobei jedoch immer der jeweilige Salzpreis
in Betracht kommt.
Was nun die Umsetzung selbst betrifft, so ist eine vollständige Ausfällung des
Natriums als Bicarbonat nicht möglich, wenigstens nicht aus wässeriger Lösung. Wie
weit in der Lösung selbst die Umsetzung in Natriumbicarbonat vor sich geht, ist
schwer zu sagen. Nach einer Mittheilung bei LungeLunge, Handbuch der Soda-Industrie, S.
669. hat Solvay zwar behauptet, daſs er
alles Kochsalz umsetze, indeſs bemerkt Lunge dazu, daſs
alle Anderen dem widersprechen. Dieser letzteren Ansicht tritt auch Schreib bei; es ist ihm nie gelungen, eine vollständige
Ausfällung zu erreichen. Obwohl er eine Menge der verschiedensten Versuche
anstellte, konnte er eine höhere Ausfällung als ⅘ des Natriums nicht erzielen. Ob
das nach vollendeter Carbonisation in der Lösung noch verbleibende Alkalibicarbonat
als Ammonium- oder Natrium Verbindung vorhanden ist, dürfte schwer zu entscheiden
sein. Schreib nimmt das Erstere an, da in der Lösung
das Natrium als stärkere Basis auch mit der stärkeren Säure verbunden sein wird.
Hinsichtlich der Höhe der Ausfällung sei bemerkt, daſs dieselbe hauptsächlich bedingt
wird durch das Verhältniſs von Ammoniak und Kochsalz zu einander, nebenbei kommt
noch die Temperatur in Betracht. Der Einfluſs des Druckes, unter welchem die
Umsetzung vor sich geht, scheint nach Schreib nur
unbedeutend zu sein.
Zunächst ist es von Wichtigkeit, auf die anfänglich herzustellenden ammoniakalischen
Chlornatriumlösungen einzugehen. In 1l
concentrirter Kochsalzlösung sind bekanntlich bei 15° 3178,8 Chlornatrium enthalten;
diese Löslichkeit wird aber durch die Gegenwart von Ammoniak beeinträchtigt. Um den
Einfluſs des letzteren darzustellen, hat Schreib aus
verschiedenen Bestimmungen eine Tabelle berechnet, welche hier folgt. Es sei
bemerkt, daſs dieselbe zwar nicht auf wissenschaftliche Genauigkeit Anspruch machen
kann, indeſs wird man immerhin ein klares Bild über den Einfluſs des Ammoniaks auf
die Löslichkeit des Chlornatriums erhalten.
NH3Proc.*
NaClProc.
NH3Proc.
NaClProc.
3,5
29,5
8,0
26,8
4,0
29,2
8,5
26,4
4,5
28,9
9,0
26,1
5,0
28,6
9,5
25,7
5,5
28,3
10,0
25,4
6,0
28,0
10,5
25,1
6,5
27,7
11,0
24,8
7,0
27,4
11,5
24,4
7,5
27,1
12,0
24,1
* Die Procente in dieser und auch in den folgenden Tabellen sind
als sogen. Volumenprocente zu verstehen; es wird dadurch direkt die Gewichtsmenge
der Salze u.s.w. in Grammen auf 100cc
angezeigt.
Die Lösungen, auf welche sich diese Tabelle bezieht, sind solche, die mit
Chlornatrium völlig gesättigt sind, also davon so viel enthalten, wie der
Ammoniakgehalt der Lösung zuläſst. Es ist bei diesen gesättigten Lösungen nur eine
einzige möglich, in der das molekulare Verhältniſs von Ammoniak und Natriumchlorid
wie 1 : 1 ist; dieselbe hat einen Gehalt von 7,8 Proc. Ammoniak und 26,8 Proc.
Chlornatrium. Diejenigen Lösungen, in denen die Menge des Ammoniaks mehr als 7,8
Proc. beträgt, enthalten dasselbe im molekularen Ueberschusse zum Kochsalze,
anderenfalls ist letzteres in gröſserer Menge vorhanden. Dies gilt, wie gesagt, nur
für gesättigte Lösungen; man kann natürlich noch auſserdem ammoniakalische
Chlornatriumlösungen mit molekularem Verhältnisse von Ammoniak und Kochsalz wie 1 :
1 herstellen, dieselben haben dann aber nicht den Gehalt an Kochsalz, den sie bei
ihrem Ammoniakgehalte aufnehmen können; es sind das also verdünnte Lösungen.
Wir haben nach obigen Betrachtungen zwei Reihen von ammoniakalischen
Kochsalzlösungen, nämlich:
1) Concentrirte Lösungen, das sind solche, die so viel Kochsalz enthalten, als beim
vorhandenen Ammoniakgehalte aufgenommen wird.
2) Verdünnte Lösungen, die weniger Kochsalz enthalten, als sie bei ihrem
Ammoniakgehalte zu lösen vermögen.
Da in jeder der beiden Reihen eine Menge Abstufungen möglich sind, so ist ersichtlich, daſs
der Ammoniaksodatechniker unter einer Unzahl Lösungen zu wählen hat. Um die
richtigste Lösung für die gegebenen Verhältnisse auszusuchen, ist es nöthig, den
Einfluſs der verschiedenen Concentrationen auf die Ausfällung des Bicarbonates
festzustellen.
Die Versuche, deren Resultate die unten folgende Tabelle enthält, sind fast sämmtlich
doppelt ausgeführt, und es sind dabei stets dieselben Bedingungen eingehalten. Dies
ist durchaus nöthig, da man sonst mit Lösungen von ein und derselben Concentration
verschiedene Resultate erhalten wird. Es muſs stets bis zur völligen Erschöpfung
carbonisirt und dieselbe Temperatur eingehalten werden, durch letztere wird die
Löslichkeit des Bicarbonates beeinfluſst. Bei den vorliegenden Versuchen ist die
Temperatur ziemlich hoch gehalten (bei 18°), um das Ausfallen von Chlorammonium zu
verhüten, dadurch würde bei der von Schreib gewählten
Bestimmung der Umsetzung das Resultat stark beeinfluſst sein.
Zu den Versuchen ist jedesmal 0l,5 der
ammoniakalischen Kochsalzlösung verwendet, die Carbonisation geschah in Woulff'schen Flaschen, die Kohlensäure wurde aus einem
Kipp'schen Apparate entwickelt. Hierbei waren
Vorsichtsmaſsregeln getroffen, daſs aus letzterem weder Feuchtigkeit noch Salzsäure
in die als Carbonisatoren dienenden Flaschen gelangen konnten, um zu verhüten, daſs
die Carbonisirflüssigkeit verdünnt wurde bezieh. daſs sich Ammoniumchlorid
bildete.
Die Menge des ausgefällten Bicarbonates kann nicht direkt bestimmt werden, da
dasselbe ganz mit der Mutterlauge durchtränkt ist. Diese müſste vorher entfernt
werden, was nur durch Auswaschen möglich ist. Hierbei läſst sich aber nicht
vermeiden, daſs ein Theil des bereits ausgefällten Bicarbonates wieder in Lösung
geht. Schreib hat daher zur Feststellung der
stattgefundenen Umsetzung den folgenden Weg gewählt.
10cc der vom Bicarbonate abfiltrirten Flüssigkeit
wurden in der Platinschale eingedampft, bei 105° getrocknet und gewogen, hierauf
geglüht und wieder gewogen. Auf diese Weise wurde bei der ersten Wägung die
Gesammtmenge an Salzen, bei der zweiten der Gehalt an Chlornatrium bestimmt, die
Differenz zwischen den beiden Wägungen ist Chlorammonium. Die so gefundenen
Resultate sind, wie mehrfache Controlbestimmungen ergeben haben, vollständig genau;
sämmtliche in der Tabelle enthaltenen Bestimmungen sind doppelt ausgeführt, die
Zahlen stellen das Mittel dar.
Jedes Molekül des gefundenen Chlorammoniums entspricht einem Molekül Kochsalz,
welches in Natriumbicarbonat umgewandelt ist; es kann darnach also die Menge des
ausgefällten Bicarbonates leicht berechnet werden.
Aus dem Verhältnisse des direkt gefundenen Chlornatriums zu der dem gefundenen Chlorammonium
äquivalenten Menge Chlornatrium plus direkt gefundenes Chlornatrium wird dann die
Gröſse der Umsetzung berechnet, also z.B.
Gefunden direkt =
16,110,2
Proc.„
NH4ClNaCl
16,1 NH4Cl
= 17,5
Proc.
NaCl
+ 10,2
„
„
direkt gefunden
–––––––––––––––––––
27,7
Proc.
NaCl
17,5 : 27,7 = x : 100.
x = 63,1.
Es sind also 63,1 Proc. des ursprünglich angewendeten Chlornatriums als Bicarbonat
ausgefällt.
Bei einigen Versuchen ist auch das Bicarbonat ausgewaschen und gewogen; die Resultate
sind nicht ganz zuverlässig, da das Auswaschen in diesem Falle eine Operation ist,
welche sich nicht so gleichmäſsig ausführen läſst, daſs nicht gröſsere Differenzen
vorkommen. Das gefundene Bicarbonat ist in der folgenden Tabelle als Natriumcarbonat
von 100 Proc. berechnet aufgeführt.
Concentrirte Lösungen.
Ursprüngliche Lösung
Carbonisirte Lösung
Nr.
° B.
NH3Proc.
NaClProc.
° B.
NH3Proc.
NaClProc.
NH4ClProc.
Grad derUmsetzung
Na2CO3Grammeim Liter
1
22,4
3,4
29,6
21,4
0,6
20,1
9,1
33,1
90,0
2
21,0
4,5
29,1
20,2
1,0
17,9
10,8
40,0
–
3
20,8
4,9
28,6
–
–
14,8
14,9
52,3
–
4
19,1
5,9
27,9
–
–
11,0
16,8
62,5
–
5
19,0
6,1
27,6
17,2
0,7
11,0
16,4
62,0
–
6
19,0
6,3
27,4
17,1
1,2
10,9
16,4
62,5
138
7
18,9
6,6
27,3
–
1,3
10,2
16,1
63,1
146
8
18,7
6,8
27,4
–
–
9,9
19,0
67,6
156
9
18,4
7,2
27,2
–
1,3
9,3
17,9
67,8
154
10
17,4
8,9
25,8
–
–
7,4
18,8
73,6
168
11
14,4
11,5
24,3
–
1,3
7,3
18,5
73,6
145
12
13,4
13,2
23,5
–
2,9
9,5
14,2
62,0
132
In vorstehender Tabelle ist der Gehalt der carbonisirten Lösungen an NH3 wie auch das specifische Gewicht nicht immer
angegeben,; diese beiden Angaben sind ja auch für die Beurtheilung nicht von Belang.
Bei hohem Ammoniakgehalte der ursprünglichen Lösung ist in der carbonisirten Lösung
immer verhältniſsmäſsig viel Alkalicarbonat bezieh. Bicarbonat vorhanden.
Die Tabelle bedarf keiner weiteren Erläuterung, der Einfluſs der verschiedenen Mengen
von Ammoniak und Kochsalz ist deutlich zu ersehen. Natürlich sind die gefundenen
Resultate nicht direkt auf die Praxis übertragbar, da die Bedingungen, unter denen
sich der Prozeſs im Groſsen vollzieht, ganz andere sind als bei Versuchen im
Kleinen, indessen wird der richtige Weg doch deutlich angezeigt, Lösungen mit sehr
hohem oder niedrigem Ammoniakgehalte können nicht in Betracht kommen. Bei niedrigem
Ammoniakgehalte vollzieht sich zwar die Carbonisation sehr schnell, man kann
häufigere Fällungen in den Absorptionsapparaten vornehmen, die Ausbeute ist jedoch
gering, es geht viel Salz verloren, und man hat verhältniſsmäſsig groſse
Flüssigkeitsmengen zu destilliren.
Bei Anwendung eines hohen Ammoniakgehaltes hat man den Vortheil, daſs die Ausbeute
gröſser und der Salzverlust geringer ist, gegenüber steht der Mehrverbrauch an
Ammoniak, die Carbonisation dauert länger und der Betrieb ist schwieriger, da durch
mitgerissenes Ammoniumcarbonat bezieh. -bicarbonat leicht Verstopfungen in den
Rohrleitungen eintreten. Es wird daher immer Sache des Praktikers sein, für seine
örtlichen Verhältnisse unter Berücksichtigung der Preise von Kochsalz, Ammoniak,
Kohlen u. dgl. die richtigste Concentration auszuwählen, eine allgemeine Norm läſst
sich nicht aufstellen.
Es sei hier nur erwähnt, daſs die Grenze für die in der Praxis angewendeten Lösungen
bei den Nr. 3 bis 9 der Tabelle liegen; Lösungen wie die Nr. 6 und 7 dürften für
viele Verhältnisse die richtigsten sein.
Wie schon bemerkt, fallen die Resultate in der Praxis nicht so aus wie im Kleinen.
Namentlich ist eine so starke Carbonisation, wie bei verschiedenen Proben in der
Tabelle angegeben ist, im Betriebe nicht immer zu erreichen.
Von den verdünnten Lösungen seien nur die drei folgenden Versuche angeführt:
Verdünnte Lösungen.
Ursprüngliche Lösung
Carbonisirte Lösung
Nr.
° B.
NH3
NaCl
° B.
NH3
NaCl
NH4Cl
Grad derUmsetzung
Na2CO3Grammeim Liter
4
15,8
5,9
22,9
–
–
7,4
15,2
69,1
–
8
13,6
6,8
20,5
–
–
5,9
14,7
70,3
–
9
14,8
7,2
22,6
–
–
6,9
15,3
70,5
–
Hinsichtlich ihres Ammoniakgehaltes entsprechen die drei angeführten Lösungen den
correspondirenden Nummern in der Tabelle B, es kann also der Einfluſs des
Salzgehaltes durch direkten Vergleich gefunden werden. Wir sehen, daſs der Grad der
Umsetzung ein etwas höherer ist als bei den concentrirten Lösungen; dieser Vortheil
wird aber aufgewogen durch die weit schwierigere Carbonisation bei verdünnten
Lösungen, ferner ist die Ausbeute geringer. Dadurch wird an Kohlen, Arbeitskosten u.
dgl. mehr verbraucht, als die Ersparniſs an Salz beträgt. In der Praxis werden
verdünnte Lösungen nicht angewandt.
Die höchste aus obigen Tabellen ersichtliche Umsetzung des Salzes beträgt demnach
73,6 Proc. in der Praxis wird dieser Grad wohl selten erreicht. Diese Umsetzung
bedeutet, wie schon erwähnt, die Menge des dem ausgefällten Bicarbonate äquivalenten
Chlornatriums. Es ist ja möglich, daſs auſserdem sich noch in der Lösung
Natriumbicarbonat gebildet hat, welches nicht mit ausgefallen ist. Dieses würde bei
der von Schreib angewendeten Bestimmungsmethode nicht
gefunden worden sein. Die wirkliche Umsetzung kann also höher gewesen sein, als in
der Tabelle angegeben ist. Uebrigens ist die Entscheidung dieser Frage für die
Praxis ziemlich gleichgültig.
Es ist selbstverständlich nicht möglich, eine dem umgesetzten Chlornatrium
entsprechende Menge Natriumbicarbonat zu gewinnen. Das ausgefällte Bicarbonat muſs
von der Mutterlauge durch Auswaschen befreit werden, wobei stets Bicarbonat in
Lösung geht. Der auf diese Weise eintretende Verlust ist in der Praxis sehr
verschieden, je nach Art des Betriebes. Bei Versuchen im Kleinen fand Schreib einen Verlust von nur 5 Proc. des Salzes
(procentisch berechnet auf das erhaltene Natriumcarbonat), in der Praxis gelingt es
indeſs nicht, beim Auswaschen mit so geringem Verluste zu arbeiten, derselbe wird
immer 10 Proc. und mehr betragen.
Der starke Verlust an Kochsalz ist entschieden als ein Hauptfehler des
Ammoniaksodaprozesses anzusehen. Derselbe macht sich namentlich fühlbar bei
denjenigen Fabriken, welche ihr Salz von weither beziehen müssen, während die auf
dem Salze stehenden Betriebe weniger betroffen werden; indeſs ist der Verlust für
diese immerhin groſs genug. Man kann rechnen, daſs in der Praxis zu 100k Soda von 97 bis 99 Proc. mindestens 200k Salz verbraucht werden. Die Theorie verlangt nur
110k Natriumchlorid, also unter
Berücksichtigung der Unreinheiten des gewöhnlichen Salzes etwa 115k. Der genannte Verbrauch von 200k ist übrigens sehr niedrig gegriffen, für
gewöhnlich kann man 220k rechnen, und es gibt auch
Fabriken, die noch mehr gebrauchen. Das liegt indeſs an der Art des Betriebes, die
Zahl 220 kann überall leicht erreicht werden. Nach Obigem ist also ein Verlust von
100k Salz als durchschnittlich anzunehmen.
Da dieser Verlust für Fabriken, welche hohe Fracht auf Salz zu tragen haben, immerhin
etwa 1,20 M. auf 100k Salz beträgt, so ist es von
hohem Werthe, Verfahren aufzufinden, welche ohne zu groſse Schwierigkeiten eine
Ersparniſs an Salz ermöglichen. Man kann hierzu zwei Wege einschlagen, indem man
einerseits den Verbrauch an Salz direkt einzuschränken, andererseits dasselbe aus
der abfallenden Lösung wiederzugewinnen sucht. Dies letztere Verfahren ist, wenn man
nicht zugleich auch sonstige Zwecke verfolgt, entschieden zu theuer; es muſs daher
der andere Weg betreten werden, nämlich durch besondere Concentration die Ausfällung
des Natriumbicarbonates zu vermehren.
Nach GünsburgLunge, Handbuch der Soda-Industrie, S.
669. soll man darauf hinarbeiten, eine möglichst gesättigte Salmiaklösung zu
erhalten, welche dann ein möglichstes Minimum von Natriumverbindungen enthalten
wird. Er empfiehlt eine Lösung, in der bei gewöhnlicher Temperatur auf 58,5 Th.
Kochsalz 18,72 Th. Ammoniak enthalten sind; es entspricht das einem Verhältnisse von
etwas mehr als 1 Aeq. NH3: 1 Aeq. NaCl. Nimmt man
eine an Salz concentrirte Lösung in diesen Verhältnissen, so würde dieselbe
enthalten müssen im Liter 261g NaCl und 83g NH3.
Der Gedanke, daſs man stets auf eine an Salzen möglichst gesättigte Lösung
hinarbeiten müsse, um dadurch das Bicarbonat möglichst unlöslich zu machen, ist
unzweifelhaft richtig; dieses Ziel wird aber mit der von Günsburg vorgeschlagenen Lösung nicht erreicht. Schreib hat eine derartige Lösung hergestellt und carbonisirt, dabei aber
gefunden, daſs dieselbe nach der Carbonisation noch Kochsalz zu lösen vermochte,
also keine an Salzen concentrirte Lösung darstellte. Dies führte den Verfasser zu
weiteren Versuchen.
Concentrirte ammoniakalische Chlornatriumlösungen, welche kein Salz mehr zu lösen
vermögen, sind nach beendigter Carbonisation (bezieh. schon in einem gewissen Stande
derselben) wieder im Stande, mehr oder weniger groſse Mengen davon aufzunehmen. Die
Bedingungen, unter denen die Lösung des Kochsalzes erfolgt, sind nach der
Carbonisation ganz verändert, die vorher vorhandenen Salze sind in andere
Verbindungen umgewandelt. An Stelle des Kochsalzes und Ammoniaks ist Chlorammonium
und kohlensaures bezieh. doppeltkohlensaures Ammoniak getreten, ein groſser Theil
des Natriums bezieh. des Ammoniaks ist als Bicarbonat ausgefällt. Schreib hat gefunden, daſs eine fertig carbonisirte
Lösung stets noch eine gewisse Menge Kochsalz löst; die Lösung tritt aber auch schon
vor beendeter Carbonisation ein, wie es scheint, schon sofort nach erfolgter Bildung
von Ammoniumchlorid und Ausfällung von Natriumbicarbonat.
Behandelt man eine carbonisirte Lösung, welche noch viel Ammonbicarbonat enthält, mit
Chlornatrium, so tritt bei geeigneter Temperatur direkt eine Abscheidung von
Natriumbicarbonat ein. In die Lösung eingehängte Salzstücke werden in ganz kurzer
Zeit mit Natriumbicarbonat incrustirt. Dieser Vorgang gibt einen werthvollen
Fingerzeig, in welcher Weise eine höhere Ausbeute zu erhalten ist.
Es ist nicht möglich, eine ammoniakalische Kochsalzlösung von vornherein so stark mit
Salz zu sättigen, daſs nach Schluſs der Carbonisation eine an Salzen gesättigte
Lösung vorhanden ist 5 letzteres ist aber zu einer möglichst vollständigen
Ausfällung des Bicarbonates nöthig. Der gewünschte Zweck läſst sich jedoch
erreichen, wenn man der zu carbonisirenden Lösung von Anfang an einen Ueberschuſs an
Ammoniak gibt (im Verhältnisse zum Kochsalze) und eine diesem Ueberschusse
entsprechende Menge Chlornatrium in festem Zustande während der Carbonisation der
Lösung zusetzt. Bei fortschreitender Behandlung mit Kohlensäure löst sich dann in
dem Maſse, wie sich Natriumbicarbonat ausscheidet, Kochsalz in der Flüssigkeit auf,
es wird eine immerwährende Concentration an Salzen bewirkt, wodurch die möglichste
Unlöslichkeit des Natrium bicarbonates erreicht werden muſs. Die Versuche, welche
Schreib in dieser Richtung anstellte, haben auch
ein der Theorie entsprechendes Resultat ergeben; es ist ihm gelungen, eine Umsetzung
von etwa 80 Proc. des angewendeten Kochsalzes zu erzielen. Hinzu tritt hierbei noch
der Vortheil, daſs die Carbonisation, welche bei dem gewöhnlichen Verfahren mit
zunehmender Ausfällung des Bicarbonates immer langsamer vor sich geht, in einer
stets concentrirt bleibenden Lösung viel leichter und schneller sich vollzieht, die
Kohlensäure wird besser verwerthet. Ferner gibt jede Fällung eine höhere Ausbeute,
da durch die stärkere Concentration eine weit gröſsere Menge Salz in Lösung geht und
von dieser gröſseren Menge ein höherer Procentsatz zersetzt wird. Hierdurch werden
die Apparate, die Maschinenkraft, wie überhaupt die ganze Anlage besser ausgenutzt,
auch sind die zu destillirenden Flüssigkeitsmengen kleiner.
Die Anwendung des Verfahrens ist in der Praxis leicht und ohne gröſsere Anlagekosten
auszuführen. Eine einfache Vorrichtung, welche die leichte Einführung des Salzes in
die Carbonisatoren gestattet, findet sich abgebildet im Wagner'schen Jahresberichte 1886 * S. 281.
Schreib ist es gelungen, noch ein anderes Verfahren
aufzufinden, durch welches es ermöglicht wird, den Salzverlust auf ein Minimum zu
beschränken.
Es wurde eine vom Bicarbonate abfiltrirte Lösung mit Salz gesättigt und dann
Ammoniakgas hineingeleitet. Die so hergestellte Flüssigkeit wurde zum zweiten Male
carbonisirt, um festzustellen, wie weit durch diese doppelte Behandlung die
Umsetzung gebracht werden konnte. Es entstand hierbei, als ungefähr sämmtliches
Ammoniak in einfaches Carbonat verwandelt war, ein auffallend groſser Niederschlag
von Ammonchlorid. In der abfiltrirten Flüssigkeit, welche vorher eine gröſsere Menge
Salmiak als Kochsalz enthalten hatte, war jetzt das umgekehrte Verhältniſs
eingetreten. Die Fortführung der Carbonisation in der vom Ammonchlorid getrennten
Flüssigkeit ergab dann die Ausfällung von Natriumcarbonat. Weitere Versuche zeigten,
daſs sich auf diese Erscheinung ein Verfahren gründen läſst, welches die stetige
Regenerirung der im Ammoniaksodaprozesse abfallenden Salmiak-Kochsalzlaugen
gestattet, so daſs dieselben stets von Neuem in den Betrieb eingeführt werden
können.
Leitet man nämlich Ammoncarbonat in Gasform bezieh. Ammoniak und Kohlensäure in die
vom Bicarbonate abfiltrirten Endlaugen und bringt zugleich festes Kochsalz mit
denselben in Berührung, wobei die Temperatur am besten etwas hoch gehalten wird, so
scheidet sich nach der Abkühlung Chlorammonium in groſser Menge aus, während
Ammoncarbonat und
Kochsalz in Lösung bleiben. Die so erhaltene Flüssigkeit ist nach der Trennung vom
ausgeschiedenen Salmiak direkt wieder zur Carbonisation fertig, wie aus folgendem
Beispiele ersichtlich ist:
Die Endlauge von der Carbonisation enthielt:
9,4
Proc.
NaCl
19,8
„
NH4Cl
Dieselbe Lauge ergab nach der Behandlung mit NaCl und (NH4)2CO3:
23,1
Proc.
NaCl
5,9
„
NH4Cl
18,5
„
(NH4)2CO3.
Wie man sieht, ist die Zusammensetzung dieser Lösung derart, daſs sie ohne Weiteres
in den Prozeſs wieder eingeführt werden kann.