Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Autor: | Stammer |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 128 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
(Patentklasse 89. Fortsetzung des Berichtes Bd.
271 S. 266.)
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Im Anschlusse an seine früheren Angaben (1888 269 376)
macht Parcus darauf aufmerksam (Chemiker-Zeitung, 1888 Bd. 12 Nr. 80 S. 1316), daſs bei Untersuchung von Zucker in wässeriger Lösung der
Einfluſs der Verdünnung folgendes Verfahren verlange:
Man löst 10g Zucker in Wasser zu 50cc und filtrirt. Vom Filtrate läſst man 25cc zu 50cc der
siedenden Soldain'schen Lösung flieſsen, erhitzt noch 5
Minuten und filtrirt.
Ist Bleiessigklärung erforderlich, so löst man 20g
der Substanz in Wasser unter Bleiessigzusatz zu 50cc, filtrirt, nimmt 25cc der Lösung,
bringt sie in ein 50cc-Kölbchen, fällt das Blei
mit kohlensaurem Natron, füllt auf, filtrirt wieder und verwendet 25cc zur Untersuchung wie oben. Der Verfasser macht
darauf aufmerksam, daſs hierbei alkalische Zucker fast
immer (abweichend von dem Verhalten zu Fehling'scher
Lösung) eine Trübung beim Kochen geben, welche vom Kalke herrührt, der nur
ungenügend von den Natronsalzen gefällt wird, weshalb man erst dann auf eine
Reduction schlieſsen dürfe, wenn man sich durch Abfiltriren der gekochten
Flüssigkeit durch ein Filter von dem Vorhandensein von Kupferoxydul überzeugt
habe.
Bei Gelegenheit seiner sehr eingehenden und nach allen Richtungen vollständigen
Untersuchungen über den Bau und die Entwickelung der Rübennematoden (Heterodera Schachtii)
fand Dr. A. Strubell (Bibliotheca zoologica, herausgegeben von Dr. Leuckart und Dr. Chun, Cassel 1888, Heft 2,
abgekürzt in der Zeitschrift des Vereins für
Rübenzuckerindustrie, 1888 Bd. 38 S. 1099 ff., mit vielen Abb.) u.a., daſs
die Eier der Nematoden in einem Gemische von Glycerin und Wasser, in einer dreiprocentigen Kochsalzlösung, sowie in einer
schwachen Pikrin- und Chromsäurelösung schon nach kurzer Zeit absterben (S. 1111 des
oben angeführten Auszuges). Ferner beobachtete der Genannte, daſs die Nematoden
selbst in dreiprocentiger Kochsalzlösung gedeihen, in fünfprocentiger aber nach zwei
Tagen absterben. Letztere Beobachtung ist auch von Willot gemacht worden (Comptes rendus, Bd.
107 Nr. 11 vom 10. September 1888), welcher bemüht ist, sich die Priorität für diese
letztere Entdeckung zu wahren, indem er die Ansicht ausspricht, daſs dieselbe den
Weg zur Vertilgung der den Rübenbau so sehr gefährdenden Schmarotzer andeute. Dabei
ist jedoch nicht zu übersehen, daſs die Tödtung der Nematoden mittels einer so
starken Salzlösung jedenfalls sehr groſse Bedenken in landwirthschaftlicher Hinsicht
haben würde, während die Beobachtungen Strubell's über
die Tödtung der Eier, welche von keinem der beiden Genannten in ihren etwaigen
praktischen Folgen gewürdigt wird, wohl eher eine besondere Beachtung verdienen
dürfte.
Seitdem die Beobachtung gemacht worden ist, daſs zuweilen die scheinbare Reinheit der
letzten Absüſser des Scheideschlammes höher als 100 ist und Lippmann als Ursache dieser Erscheinung nachgewiesen hat, daſs die
ausgelaugte polarisirende Substanz nicht Zucker, sondern das viel stärker
rechtsdrehende Galactan war, erscheint es gerechtfertigt, die Frage aufzuwerfen, ob
es überhaupt richtig ist, den Zucker aus dem Schlamme so
weit als möglich auszulaugen.
Dieselbe Frage hatte sich auch der Leiter einer schlesischen Fabrik vorgelegt, dem es
zweifelhaft schien, ob der Schlamm, welcher daselbst gewonnen wurde, ausschlieſslich
Zucker als polarisirende Substanz enthalte, und es wurden zur Aufklärung Proben von
unausgelaugtem und ausgelaugtem Schlamme von A. Herzfeld untersucht (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1888
Bd. 38 S. 1231). Dieselben zeigten nach dem Neutralisiren mit Essigsäure 5,7 bezieh.
3,0 Proc. Zucker.
Jede der etwa 4k betragenden Proben wurde in
Antheilen von je 2k in 5l destillirtem Wasser suspendirt, mit Kohlensäure
aussaturirt, 1 Stunde mit Dampf gekocht, filtrirt, der Rückstand nochmals mit Wasser
tüchtig ausgekocht und die vereinigten Filtrate mit schwacher Alkalität in einem
kleinen Vacuum eingedampft. Auf diese Weise wurden aus beiden Schlammproben
Füllmassen gewonnen, welche mit folgendem Resultate analysirt wurden:
1. Füllmasse aus
unausgelaugtem Schlamm.
Zuckergehalt, polarisirt
65,45
Proc.
Zuckergehalt nach Clerget
65,45
„
Wasser
15,89
„
Alkali-Asche
3,46
„
Kalk-Asche
3,88
„
Organischer Nichtzucker
11,32
„
Quotient 77,8.
2. Füllmasse aus
ausgelaugtem Schlamm.
Zucker, polarisirt
59,85
Proc.
Zuckergehalt nach der Raffinoseformel
58,70
„
Raffinose, berechnet
0,60
„
Wasser
13,97
„
Alkali-Asche
3,90
„
Kalk-Asche
5,90
„
Organischer Nichtzucker
16,93
„
Quotient 69,9.
Diese Zahlen sind äuſserst lehrreich, indem sie zeigen, daſs es gerechtfertigt ist,
Schlamm von der vorliegenden Zusammensetzung so weit als irgend möglich auszulaugen,
da nennenswerthe Mengen activer Nichtzuckerstoffe darin
nicht vorhanden sind. Es geht dieses daraus hervor, daſs im ersten Falle
die Clerget'sche Formel genau so viel Zucker ergibt,
wie die direkte Polarisation; im zweiten Falle berechnet sich zwar nach der
Raffinoseformel eine geringe Abweichung gegenüber der direkten Polarisation, die
Menge des vorhandenen activen Nichtzuckers mit 0,6 Proc., auf 58,7 Proc. Zucker ist
jedoch äuſserst gering und würde noch niedriger erscheinen, wenn man die Resultate,
statt unter der willkürlichen Auffassung, daſs neben Zucker Raffinose zugegen sei,
in der Annahme berechnet hätte, daſs das noch stärker rechtsdrehende Galactan
vorhanden sei.
Es liegt also kein Grund vor, den Zucker aus dem vorliegenden Schlamme nicht so weit
als möglich auszulaugen, aus Furcht, fremde, optisch active Substanzen statt Zucker
zu gewinnen.
Die Frage, ob durch die jetzt übliche Auswahl hochpolarisirender Rüben zur Samenzucht
neben Zucker Raffinose in der Nachzucht unverhältniſsmäſsig
angehäuft werde, hatte eine gewisse Berechtigung von dem Augenblicke an, wo
man die groſse Verbreitung der Raffinose in den Producten der Zuckerfabrikation
erkannte und sich ferner bewuſst wurde, daſs auch die Alkoholmethode Raffinose neben Zucker nicht
erkennen läſst. Eine genügende Antwort hat sich darauf bis jetzt mangels
einschlägiger Untersuchungen nicht ertheilen lassen.
Um diese Verhältnisse näher zu prüfen, untersuchte A.
Herzfeld (Zeitschrift des Vereins für
Rübenzuckerindustrie, 1888 Bd. 38 S. 1197) Rüben von den hervorragendsten
deutschen Samenzüchtereien.
Da zur Auswahl der Samenrüben an allen drei Orten bislang die Alkoholmethode benutzt
worden war, muſste folgerichtig die Raffinose im alkoholischen Extracte bestimmt
werden. Raffinose, welche zufällig in irgend einer Form sich in den Rüben befinden
könnte, ohne in den alkoholischen Extract zu gehen, kann auf die übliche
Auswahlmethode der Samenrüben von keinem Einflüsse sein, da ihre Polarisation dabei
nicht in Betracht gezogen wird. Zur Untersuchung wurde so verfahren, daſs zunächst
Rübenbrei hergestellt (aus 2 bis 3 Rüben) und dieser Brei mit 96procentigem Alkohol
ausgezogen wurde. Die alkoholischen Extracte wurden darauf mit schwacher Alkalität,
die durch Zusatz von wenig Soda erzielt wurde, zu Füllmassen eingedampft und diese
Füllmassen mit Hilfe der Inversionsmethode auf Raffinose untersucht, indem zur
Klärung für die direkte Polarisation Bleiessig angewendet wurde. Folgende Tabelle
gibt die erhaltenen Resultate wieder.
Tabelle über den Gehalt der
Alkohol-Füllmassen aus Samenrüben an Zucker nach der direkten Polarisation und
Polarisation nach Clerget.
Lfd. Nr.
Datumdes Ein-ganges
Rüben-polari-sation
GradeBrix desSaftes
Polarisa-tion derFüllmasse
Zucker-gehaltnachClerget
Differenz zwischendirekter undindirekter
Polarisa-tion der Füllmasse
145
3./9.
17,15
21,5
74,2
73,8
0,4
161
14./9.
14,65
17,2
62,5
62,7
– 0,2
162
14./9.
17,6
22,3
74,05
73,9
0,15
163
14./9.
15,4
21,7
65,55
65,2
0,35
164
15./9.
17,7
21,9
64,4
64,2
0,2
165
24./9.
14,6
17,2
71,35
70,9
0,45
176
5./10.
16,6
20,5
78,95
78,7
0,25
177
5./10.
15,55
18,7
76,75
76,7
0,05
178
5./10.
17,0
19,5
85,6
85,2
0,4
179
5./10.
15,0
17,9
73,25
72,8
0,45
181
8./10.
16,1
20,7
85,4
85,5
– 0,1
195
24./10.
14,0
18,5
80,1
79,8
0,3
196
24./10.
15,9
21,2
79,5
79,1
0,4
Beim Vergleiche der Zahlen für die direkte Polarisation und Zuckerbestimmung durch
Inversion, welche für die Füllmassen erhalten wurden, sieht man ohne Weiteres, daſs
in allen Fällen die Unterschiede die Grenzen der Versuchsfehler nicht überschreiten,
mit anderen Worten, daſs Raffinose in nachweisbaren Mengen in den Füllmassen nicht
vorhanden ist, dieselbe also auch bei der Auswahl der
Samenrüben durch Alkoholpolarisation in den vorliegenden Fällen keinen
Einfluſs ausgeübt haben, somit auch nicht unbewuſst angehäuft worden sein kann.
Unabhängig davon ist die Frage, ob überhaupt Raffinose bezieh. andere
hochpolarisirende Nichtzucker in den Rüben vorhanden waren; das scheint bis zu einem
gewissen Grade der Fall zu sein, denn bei der Untersuchung des durch Pressen
gewonnenen, nicht mit Bleiessig geklärten Saftes ergab die Inversionspolarisation
gröſsere Abweichungen von der direkten Polarisation, ob dieselben aber gerade durch
die Anwesenheit von Raffinose oder die anderer bekannter Nichtzucker hervorgerufen
worden ist, kann zur Zeit nicht entschieden werden.
Ausdrücklich sei noch bemerkt, daſs unter den untersuchten Rüben sich auch solche
befanden, welche aus Original-Vilmorin-Samen gezogen waren, dieselben zeigten sich
ebenso arm bezieh. frei von Raffinose als diejenigen Klein-Wanzlebener,
Quedlinburger und anderer Abstammung.
Auch v. Lippmann hat die Untersuchungen über Raffinose fortgesetzt (Deutsche Zuckerindustrie, 1888 Bd. 13 S. 1484). Es ist gesagt worden, daſs
die Raffinose bei gewissen Verfahren durch die Einwirkung der in groſsem
Ueberschusse angewandten alkalischen Erden aus anderen Verbindungen abgespaltet
werde und daſs auch die von Lippmann vor einigen Jahren
beschriebene Darstellung der Raffinose mittels Strontian erfolgt sei und deshalb
keine sichere Schluſsfolgerung zulasse. Obwohl nun Loiseau,
Leplay, Pellet und Andere von der Behauptung, die Raffinose sei ein
Zersetzungsproduct des Zuckers oder des Invertzuckers, längst zurückgekommen sind,
im Uebrigen aber niemand auch nur das Geringste über die Natur jener Stoffe
anzugeben vermochte, aus denen die Raffinose angeblich abgespalten werden soll, –
obwohl endlich das Vorkommen der Raffinose in Weizen, Gerste, Manna und
Baumwollsamen (aus denen sie direkt ausgezogen werden kann) jenen Einwand nicht
unterstützt, schien es dennoch von Belang, denselben zu widerlegen und positive
Gegenbeweise beizubringen.
Versuche, die Raffinose aus dem Rübensafte selbst auf andere Weise zu isoliren,
boten, wegen der schwierigen Trennung von der groſsen Menge des Rohrzuckers, wenig
Aussicht auf Erfolg, vielmehr empfahl es sich, Producte der
Fabrikation zu untersuchen, in denen eine Anhäufung der Raffinose
stattgefunden haben konnte, selbstverständlich nur solche, bei deren Gewinnung
keinerlei überschüssiges Alkali zur Wirkung gekommen war, also z.B. Syrupe und
Nachproducte gewöhnlicher Rübenzuckerfabriken ohne Melasseentzuckerung durch Kalk
oder Strontian. Als besonders aussichtsreiches Material boten sich hierbei die
Zucker und Abläufe des Osmoseverfahrens.
Ein Osmosezucker bildete demnach das Ausgangsmaterial zu den nun folgenden
beschriebenen Versuchen. Derselbe bestand aus äuſserst feinen spitzigen Nadeln und
würde, seinem Aeuſseren nach, wohl von jedermann für ein Product des Strontian- oder
Ausscheidungsverfahrens erklärt worden sein; der Natur dieser letzteren näherte er
sich auch durch seine
scheinbare Zusammensetzung, indem die direkte Analyse 97,4 Polarisation, 1,8 Wasser
und 0,6 Asche ergab, also nur 0,2 Proc. für organische Stoffe übrig lieſs. Die
Untersuchung nach der von Herzfeld verbesserten
Inversionsmethode ergab indeſs die Gegenwart von 2,8 Proc. Raffinose, und genau
dieselbe Zahl lieferte das Preuſs'sche
Reductionsverfahren, dessen Werth als Controlemittel sehr hoch anzuschlagen ist; die
Bestimmung nach der Schleimsäuremethode führte zur Ziffer 2,72. Daſs diese drei
Methoden nur zufälliger Weise das nämliche Resultat ergeben hätten, und trotzdem
nicht Raffinose, sondern ein anderer hochpolarisirender Stoff vorhanden gewesen sei,
ist unmöglich anzunehmen, besonders in Hinsicht auf die äuſseren Eigenschaften des
vorliegenden Zuckers; es hätte hiernach ohne weiteres Bedenken zur Isolirung der
Raffinose mittels Strontian geschritten werden können. Um indeſs jeden hierdurch
etwa wieder hervorgerufenen Einwand von vornherein zu beseitigen und da es nicht auf
eine quantitative Gewinnung ankam, wurde die Extraction mit absolutem Methylalkohol
nach Scheibler's Vorschrift ausgeführt (s. dessen
Zeitschrift, Bd. 17 S. 233, woselbst gleichfalls auf den Raffinosegehalt von
Osmosezucker hingewiesen wird) und hierbei, unter Befolgung der a. a. O. gegebenen
näheren Anleitung, ohne Schwierigkeit reine Raffinose erhalten.
Das Vorkommen der Raffinose in den Rüben selbst, für das auch schon die Analogie
anderer raffinosehaltiger Gewächse spricht, dürfte nun, Obigem zu Folge, nicht mehr
länger bezweifelt werden; selbstverständlich soll hiermit weder gesagt sein, daſs
alle Rüben, noch daſs alle stets gleich viel Raffinose enthalten, vielmehr werden
diese Verhältnisse sicherlich, ebenso wie bei zahlreichen anderen Bestandtheilen der
Rübe, sehr wechselnde sein. Jedenfalls kann aber jedes beliebige, aus Rübe allein
gewonnene Product Raffinose enthalten, und die Feststellung eines Gehaltes an
Raffinose ist demnach noch kein Beweis, daſs das betreffende Product mittels
bestimmter Arbeitsweisen (Ausscheidungs-, Strontianverfahren u.s.w.) gewonnen sein
muſs und nicht aus reinem Rübensafte herstammen kann.
Ueber Candisfabrikation; von Dr. Joh. Bock (Oesterreichische Zeitschrift für
Zuckerindustrie, 1888 Bd. 17 S. 628). Das beste, reinste und
wohlschmeckendste aller Zuckerproducte ist jedenfalls der Candis; derselbe gibt
schon durch seine äuſsere Form, die groſsen, klaren, durchsichtigen Krystalle, die
sicherste Gewähr der vollkommensten Reinheit, der sorgfältigsten Raffination, denn
beinahe jede Spur anderer Beimengungen oder Unreinheiten, aus dem verarbeiteten
Rohzucker herrührend, verändert die Krystallform und macht das Aeuſsere des Candis
unansehnlich. Aus diesem Grunde ist es nothwendig, zur Darstellung von Candis von
vornherein schon möglichst gute Rohzucker zur Verwendung zu bringen. Dieselben
werden, wie gewöhnlich, geschmolzen, über groſse Mengen Knochenkohle filtrirt und
dann im Vacuum auf schwache Fadenprobe vorverdampft. Da im Vacuum bei der starken, wallenden Bewegung
beim Verkochen die Bestimmung des genauen specifischen Gewichtes unmöglich ist, und
auch die Siedetemperatur bei dem verminderten Luftdrucke groſsen Schwankungen
unterworfen ist, so daſs man auch aus der Siedetemperaturbestimmung keinen genauen
Schluſs auf die Concentration des Klärsels ziehen kann, so verdampft man auch heute
noch vielfach die letzten Wassertheile in einer offenen Pfanne mit Doppelboden und
direkten Dampfschlangen. Diese Anordnung ermöglicht die genaue Bestimmung der
Concentration, worauf gerade bei der Candiserzeugung sehr viel Sorgfalt zu legen
ist. Der Siedepunkt der genügend eingekochten Candiskläre liegt zwischen 112 und
115° C; sobald diese Temperatur erreicht ist, wird der Sud in die sogen.
Candispotten mittels Füllbecken ausgefüllt. Die Pötten sind die bekannten, nach
unten conischen runden Gefäſse aus Kupfer, in denen die langsame Krystallisation
erfolgt; in letzter Zeit sind vielfache Neuerungen in der Form der Gefäſse
aufgetaucht (s. z.B. 1887 266 * 131 und * 370), welche
neuerdings so groſs angefertigt werden, daſs ein ganzer Sud in ein einziges
Krystallisationsgefäſs geht. Natürlich bleiben derartige Gefäſse in der Stove fest
stehen, und geschieht das später erwähnte Ablassen des Stürzels durch ein Ventil am
Boden dieses Gefäſses.
Die Candispotten werden vor dem Füllen mit den Fäden, an welchen die Krystalle
anwachsen sollen, durchzogen, indem entweder die Wandungen der Pötten entsprechend
durchbohrt sind, so daſs durch diese Oeffnungen die Fäden gezogen werden, oder es
werden, namentlich in die gröſseren Krystallisationsgefäſse, mit Fäden überzogene
Rahmen aus Kupfer- oder Eisenblech eingesetzt. Die in den Wandungen der Pötten
vorhandenen Oeffnungen werden entweder jede einzeln mit Thon oder Lehm sorgfältig
verschmiert oder der ganze Umfang der Pötten wird mit Papier überklebt, so daſs kein
Klärsel nach auſsen austreten kann. Das Füllen der Pötten, welche schon vorher in
der Stove ordentlich aufgestellt waren, muſs möglichst rasch geschehen, damit keine
Abkühlung des Klärsels eintreten kann. Ist die Stove, in welcher zweckmäſsig gerade
ein Sud geht, gefüllt, so wird dieselbe sofort gut verschlossen; da die Candiskläre
mit so hoher Temperatur ausgefüllt wurde (112° C), so gibt diese Füllmasse
vollkommen genügend Wärme ab, um die ganze Stove auf die nöthige Temperatur zu
erwärmen. Die langsame Abkühlung dauert nun etwa 8 bis 10 Tage, nach dieser Zeit
wird die Temperatur auf etwa 35 bis 30° C. heruntergekommen sein, die Stove wird
geöffnet und die Pötten herausgenommen. Durch die Abkühlung der heiſs concentrirten
Zuckerlösung ist nun ein groſser Theil des Zuckers auskrystallisirt, und zwar der
Hauptmenge nach an den eingezogenen Fäden, aber auch in Form von Krusten an den
Wandungen und an der Oberfläche; diese obere dünne Kruste wird nun durchgebrochen und die
Pötten werden umgestürzt, so daſs der noch darin befindliche Syrup, das Stürzel
genannt, abläuft. Er geht dabei durch ein Sieb, welches die etwa mit herausfallenden
Krystalle zurückhält. Der ganze Krystallisationsinhalt des Gefäſses wird nun noch
etwas mit lauwarmem Wasser zur Entfernung der letzten Syruptheilchen abgespült, dann
in Trockenstuben getrocknet, sortirt und verpackt. Es geht nun das Bestreben des
Candiskochers dahin, möglichst wenig Randstücke zu haben, da dieselben immer
unansehnlicher und auch nicht ganz so gut und rein sind als die an den Fäden
sitzenden Krystalle; ein derartiges Hilfsmittel ist z.B. dies, daſs die kupfernen
Pötten wohl sehr sauber gewaschen werden müssen, aber es darf die Oberfläche nicht
metallisch glänzend gereinigt werden, denn die ganz reine Metallfläche strahlt die
Wärme schneller aus, in Folge dessen wird auch die der Wandung benachbarte Schicht
des Klärsels etwas rascher abgekühlt, und daher an dieser Stelle die stärkere
Ausscheidung von Zucker erfolgen, also eine stärkere Krustenbildung eintreten; wenn
die Oberfläche der Krystallisationsgefäſse nicht metallisch glänzend gehalten wird,
so überzieht sich dieselbe bald mit einer dünnen Oxydschicht, und diese bildet in
dem Falle eine Art Wärmeschutzmasse, jedenfalls genügend, um die Wärmeausstrahlung
auf das mindest nothwendige Maſs herabzudrücken.
Man erhält auf diese Weise etwa 48 bis 52 Proc. vom angewandten Zucker in Form von
Candis, also eine ziemlich geringe Ausbeute; während nun früher der ablaufende Syrup
nicht mehr zur Candisfabrikation Verwendung fand, sondern auf andere raffinirte
Waare verarbeitet wurde, hat man jetzt die Bedingungen gefunden, unter welchen eine
öftere Benutzung des Stürzsyrups möglich ist. Da dieser Syrup gewissermaſsen die
Mutterlauge darstellt, so sind in demselben alle Verunreinigungen enthalten, welche
in dem verarbeiteten Rohzucker waren; dieselben sind nun in der halben Menge des
ursprünglichen Zuckers, da ja etwa 50 Proc. Candis daraus entnommen sind, und dieser
doch als chemisch reiner Zucker zu betrachten ist, enthalten und daher doppelt
störend und schädlich. Bei der Verarbeitung von Colonialzucker finden wir also in
dem Stürzel den gesammten Invertzucker, den Hauptbestandtheil der fremden
Beimengungen des Colonialzuckers; bei Verarbeitung von Rübenrohzucker hauptsächlich
die in demselben enthaltenen Salze. Nun haben namentlich letztere die unangenehme
Eigenschaft, sich bei genügender Concentration, wie ja dieselbe auch bei dem
Verkochen auf Candisprobe eintritt, gleichzeitig mit dem Zucker auszuscheiden,
wodurch ein etwas unreiner, aber schon recht unangenehm schmeckender salziger Candis
entsteht. Es ist also Erforderniſs, diejenigen Salze, welche schwer löslich sind und
sich daher vor allen anderen mit dem Zucker ausscheiden, zu vermeiden, das ist
hauptsächlich schwefelsaures Kali; die anderen etwa im Rübenrohzucker vorkommenden
Salze sind in dem
selbst in der concentrirten Candiskläre noch immer enthaltenen Wasser genügend
leicht löslich, so daſs deren gleichzeitige Ausscheidung bei der Candisdarstellung
nicht zu befürchten ist. Es ist also hier der Weg angezeigt, auf welchem eine
nochmalige Benutzung des Stürzsyrups ermöglicht ist, und zwar arbeitet man
zweckmäſsig auf folgende Weise. Das von der ersten Krystallisation herrührende
Stürzel wird als Lösungsmittel für das nun zur Verarbeitung gelangende Quantum
Zucker verwandt, und zwar wird so viel Zucker hineingetragen, als bei der ersten
Arbeit an reinem Candis auskrystallisirt ist, indem selbstverständlich der Rohzucker
nur mit seinem Gehalte an chemisch reinem Zucker in Rechnung zu stellen ist. Dieses
Lösen oder Schmelzen geschieht natürlich unter Zusatz von etwas Wasser; die so
erhaltene Kläre wird filtrirt, vorverdampft, in der offenen Pfanne fertig gekocht
und in die Stove gefüllt. Diese Wiederbenutzung des Stürzels kann man, je nach der
Güte des verarbeiteten Rohzuckers, drei- bis viermal wiederholen; es ist wohl
einleuchtend, daſs sich in dem Syrup allmählich alle Verunreinigungen des Rohzuckers
ansammeln, da ja in dem Candis nur chemisch reiner Zucker entfernt wird und die
Salze und Nichtzuckerstoffe zurückbleiben. Auſserdem tritt aber durch die
Wiederbenutzung des Klärsels der Einfluſs des öfteren Erhitzens der concentrirten
Zuckerlösung stärker auf; da durch das Erhitzen immer ein Theil des Zuckers seine
Krystallisationsfähigkeit verliert, so ist schon aus diesem Grunde der noch öfteren
Verwendung des Stürzels, auch wenn man ursprünglich fast reinen Zucker verwandt
hätte, ein genaues Ziel gesteckt. Es äuſsert sich dieser Einfluſs ungemein scharf,
indem sofort die einzelnen Krystalle viel kleiner und unansehnlicher werden, der
Candis wird „kleinsteinig“ und dadurch minderwerthig.
Es ist nur zu wünschen und zu hoffen, daſs nun, wie bei vielen anderen
Verbrauchsstoffen, so auch beim Zucker sich allmählich das Bestreben Bahn breche,
nur das Beste und Vorzüglichste zu verwenden, und das ist in diesem Falle der
Candis.
Ueber die Bestimmung des Rohrzuckergehaltes von Likören,
Conditorwaaren und Schocolade berichtet F.
Rathgen (Zeitschrift für analytische Chemie,
1888 Bd. 27 S. 433. Auszüglich in Oesterreichische
Zeitschrift für Zuckerindustrie, 1888 Bd. 17 S. 717). Verfasser hat
Versuche über die Zweckmäſsigkeit der verschiedenen zur Bestimmung des Rohrzuckers
in genannten Fabrikaten üblichen Methoden angestellt und folgende in Kürze
zusammengefaſste Verfahrungsweisen als die entsprechendsten gefunden.
I. Untersuchung von Likören.
Zeigt ein Likör keine reducirende Wirkung beim Erwärmen mit alkalischer Kupferlösung,
so kann derselbe direkt polarisirt werden, da der Alkohol keinen Einfluſs auf das
optische Drehungsvermögen des Rohrzuckers hat. Ist der Likör gefärbt, so klärt man
vorher mit Blutkohle. Da man bei Likören gewöhnlich die Anzahl Gramme Zucker im
Liter anzugeben pflegt, so erhält man, wenn A die auf
200mm Rohrlänge bezogene Ablenkung und r die Anzahl der Gramme in 1l bedeutet:
r = 2,6048. A.
Dieses Ergebniſs läſst sich auch durch eine Eindampfprobe controliren; es wird hierzu
eine abgemessene Menge des Likörs in einer Platinschale am Wasserbade eingedampft
und der Rückstand bis zur Gewichtsconstanz getrocknet.
Enthält jedoch ein Likör, wie dies meistens der Fall ist, Invertzucker, so muſs das
Clerget'sche Inversionsverfahren angewendet werden.
Da jedoch, wie Verfasser gefunden hat, die Linksdrehung einer Invertzuckerlösung um
so kleiner wird, je mehr der Alkoholgehalt zunimmt, so ist es nöthig, diesen zu
entfernen.
50cc des Likörs werden auf dem Wasserbade etwa zur
Hälfte eingedampft, bei saurer Reaction mit wenig Ammoniak neutralisirt, wenn nöthig
geklärtAls Klärungsmittel dient wässeriges Thonerdehydrat, hergestellt durch Fällung
einer Lösung von schwefelsaurer Thonerde mit Ammoniak, Auswaschen und
Vertheilung des Niederschlages im Wasser bis zur Syrupdicke. 2 bis 3 Minuten
langes Schütteln bewirkt klare Lösung. Gefärbte Liköre werden mit Blutkohle
geklärt., noch kurz digerirt, filtrirt, der Rückstand
ausgewaschen und das Filtrat auf 100cc gebracht;
50cc werden zur direkten Polarisation mit
einer Pipette entnommen, und die im Kölbchen noch übrigen 50cc werden invertirt.
Bezeichnet A die Ablenkung vor der Inversion, B die Ablenkung nach derselben und V das verwendete Volumen des Likörs, so erhält man die
Anzahl Gramme Rohrzucker im Liter:
r=\frac{26048\,(A-B)}{(142,4-1/2\,t)\,.\,V)}.
Hält man die Temperatur genau auf 20°, so vereinfacht sich die Formel:
r=196,7\,\frac{A-B}{V}.
Man erhält auf diese Weise den zur Zeit der Untersuchung noch vorhandenen Rohrzucker.
Soll dagegen der ganze ursprünglich den Fabrikaten zugesetzte Rohrzucker, von dem
bereits ein Theil in Invertzucker übergeführt wurde, bestimmt werden, so läſst sich
derselbe (vorausgesetzt, daſs anfangs kein Invertzucker in der Waare enthalten war)
nach folgender Formel berechnen:
r_1=\frac{26048\,B}{(42,4-1/2\,t)\,V}
\mbox{für}\ t=20^{\circ}\ .\ .\ .\
r_1=804\,\frac{B}{V},
wobei B die für die invertirte
Lösung gefundene Linksdrehung und V die Anzahl der
Cubikcentimeter Likör bedeutet, welche auf 100cc
Lösung gebracht wurden.
Auch hier läſst sich das durch die Polarisation erhaltene Resultat durch die
Eindampfprobe controliren.
II. Conditorwaaren.
Besteht das zu untersuchende Fabrikat zum gröſsten Theile aus Rohrzucker, so kann man
dasselbe direkt in den Polarisationskolben bringen; sind jedoch viel unlösliche
Bestandtheile vorhanden, so muſs vorher filtrirt und gut ausgewaschen werden.
Bei Raffinadezeltchen, die aus Rohrzucker und einem Zusätze von ätherischen Oelen
oder Farbstoffen bestehen, werden 26g,048 im
Wasser gelöst, mit 10cc aufgeschlemmtem
Thonerdehydrat versetzt, auf 100cc aufgefüllt,
geschüttelt, filtrirt und polarisirt.
Von Schaumwaaren (Gemenge von Rohrzucker mit Eiweiſs oder Gelatine und einer
Geschmackszuthat), die invertzuckerfrei sind, werden 13g,024 im Wasser gelöst und mit Thonerdehydrat und ½g Blutkohle geklärt und auf 100cc aufgefüllt.
Wurmzeltchen, die Santonin enthalten, werden von diesem optisch activen, jedoch in
kaltem Wasser unlöslichen Körper durch Filtration getrennt. Die 13g,024 Substanz enthaltende Lösung wird mit
Thonerdehydrat geklärt und auf 100cc gebracht.
Zur Untersuchung von Dessertbonbons muſs wegen des Invertzuckergehaltes die
Inversionsmethode angewendet werden.
Dragées, Punschnüsse: 13g,024 werden* zerkleinert,
mit Wasser stehen gelassen, filtrirt, ausgewaschen, mit Thonerdehydrat und ½g Blutkohle geklärt, auf 100cc gebracht und filtrirt.
Gummibonbons und Caramellen können auf polarimetrischem Wege nicht untersucht werden,
erstere wegen des Gummigehaltes, letztere wegen des Gehaltes an Stärkezucker.
Cakes: 26g,048 werden mit 30 bis 40cc Alkohol (70 Vol.-Proc.) durch ½ Stunde am
Wasserbade erwärmt, filtrirtDurch ein Filter aus Nesseltuch., mit Alkohol ausgewaschen und
letzterer durch theilweises Abdampfen entfernt. Sodann setzt man etwas
Thonerdehydrat und ½g Blutkohle zu, digerirt kurze
Zeit, filtrirt, wäscht mit heiſsem Wasser aus und füllt auf 100cc auf. Wegen des Invertzuckergehaltes wird die
Inversionsmethode angewendet.
Marzipan (Rohrzucker und zerquetschte Mandeln): 13g,024 werden mit Wasser zerrieben, mit etwa 30cc wässerigem Thonerdehydrat geschüttelt, filtrirt und mit kaltem Wasser
gewaschen, bis das Filtrat 200cc beträgt.
Candirte Früchte, Pasten, Gelées, Fruchtsyrupe: Bei Herstellung der Lösung wird zuerst die freie
Fruchtsäure durch Ammoniak neutralisirt.
Candirte Früchte werden in Scheiben zerschnitten, mit Ammoniak haltigem Wasser stehen
gelassen und auf einem Filter von Nesseltuch ausgewaschen.
Pasten und Gelees werden mit ammoniakalischem Wasser zerrieben.
Bei Syrupen verdünnt man 25cc auf 100cc. Die Klärung geschieht stets durch
Thonerdehydrat und Blutkohle.
III. Schocolade.
13g,024 geraspelte Schocolade werden mit Alkohol
angefeuchtet, 30cc Wasser zugefügt, 15 Minuten am
Wasserbade erwärmt und auf Nesseltuch mit heiſsem Wasser gewaschen; das trübe
Filtrat wird mit 5cc Bleiessig geschüttelt, nach
kurzem Stehen einige Tropfen Alaunlösung und etwas Thonerdehydrat zugefügt, auf
100cc aufgefüllt, geschüttelt und durch ein
Faltenfilter filtrirt.
Im Anschlusse an die Mittheilung in D. p. J., 1888 270 271, ist folgendes über das
Saccharin anzuführen.
1) Beobachtungen über das
Saccharin.
Von G. Bruylants (Professor an der
Universität Löwen, Sucrerie belge, 1888 Bd. 17 Nr.
24).
Es wird angenommen, daſs das Saccharin als solches in den Kreislauf des lebenden
Körpers aufgenommen, daſs es durch den Urin vollkommen ausgeschieden wird und sich
in keiner anderen Abscheidung findet. Um hierüber Gewiſsheit zu erlangen, wurde eine
Reihe von Versuchen angestellt, welche folgendes ergaben:
1) 20, 18, 16 und 12 Proc. des eingenommenen Saccharins fehlten im Urin, waren also
vom Körper absorbirt worden.
2) Die Milch eines Schafes, welches Saccharin erhalten hatte, enthielt das erste Mal
kein Saccharin, das zweite Mal Spuren, das letzte Mal etwas mehr. Der Nachweis wurde
durch die Schmitt'sche Reaction geführt.
3) Die Beeinflussung der Gährung durch verschiedene Zusätze von Saccharin zu
Biermaische ergab, daſs 1 Proc. Saccharin die alkoholische Gährung nicht verhindert,
aber verlangsamt, und daſs 0,013 Proc. ohne jede Wirkung ist.
4) Die saure (Milchsäure- und Essigsäure-) Gährung wird durch 0,25 Proc. nicht
beeinfluſst, das Bier wird dadurch nicht verhindert, vollkommen sauer zu werden.
5) Die faulige Gährung wird durch 2,5 Proc. Saccharin vollkommen verhindert.
6) Auf die Verdauungsvorgänge ist das Saccharin ohne jede Wirkung, und wenn Störungen
von anderer Seite beobachtet worden sind, so können dieselben nur indirekt
hervorgerufen sein.
7) Das Saccharin in Bier. In der Zeit von November bis
März wurden 86 Proben belgischer Biere untersucht und in dreien Saccharin gefunden.
Von Mitte Mai bis Ende Juni zeigten von 19 anderen Proben vier einen Gehalt von
Saccharin.
Der Saccharinzusatz zum Biere ist in keiner Weise zu rechtfertigen. Mit den
antiseptischen Eigenschaften keinenfalls, denn zu 1hl Bier im Preise von 15 Francs müſste man 250g Saccharin im Preise von 30 Francs zusetzen, um die Entwickelung des
Milchsäurefermentes zu verhindern.
Alljährlich verbraucht die Bierbrauerei zu gewissen Zeiten sehr bedeutende Mengen
Glycerin; ohne Zweifel wird Saccharin an dessen Stelle treten, und da es vor jenem
Vorzüge besitzt, wird man das Saccharin nicht allein zur Versüſsung, sondern auch
wirklich an Stelle eines gröſseren oder geringeren Antheiles Rohmaterial anwenden.
Verfasser hat vor Kurzem ein Bier untersucht, welches 4,1 Proc. Alkohol und 1,82
Proc. Extract mit 0,34 Glucose enthielt. Es war voll und milde, von normaler Süſse
und enthielt im Liter 30 bis 40mg Saccharin. Hätte
man dieselbe Süſse mit Maltose erzielen wollen, würden 10 bis 12g davon erforderlich gewesen sein und der Extract
wäre auf 3 Proc. gekommen.
Wenn es auch erwiesen ist, daſs das Saccharin keine irgendwie augenblicklich
schädliche Einwirkungen ausübt, so ist dies doch nicht hinreichend, um seine
Einführung in die öffentliche Ernährung zu befürworten. Einmal ist es noch nicht
sicher, welches die Folgen eines länger fortgesetzten Gebrauches sind, und dann ist
auch abgesehen davon der Ersatz eines Nahrungsmittels von bestimmtem Preise durch
einen billigeren Stoff ohne irgend welchen Nährwerth als ein strafbarer Betrug zu
bezeichnen. Der Saccharinzusatz zu Nahrungsmitteln bezweckt, einem Producte von
geringer Beschaffenheit ein gutes Aussehen zu geben, d.h. also über die Natur der
Waare zu täuschen.
2) Das Saccharin als Arzneimittel
vor der Académie de médecine.
(Journal des fab. de sucre,
10. Oktober 1888 Bd. 29 Nr. 41.)
Zahlreiche Versuchsreihen haben zu folgenden Schlüssen geführt:
Das Saccharin ist nicht als Nahrungsstoff, wohl aber als Arzneimittel zu betrachten.
In dieser Beziehung besitzt dasselbe eigenthümliche antiseptische Eigenschaften,
welche aus seiner Anwendung bei der antiseptischen Behandlung der Krankheiten des
Mundes, des Magens und vielleicht der Harnwege Nutzen erwarten lassen.
3) Das Saccharin auf der Brüsseler
Ausstellung.
(Journal des fab. de sucre,
1888 Nr. 43.)
Die Ausstellung der Saccharinmischungen zeigte, in welchem Maſse
dieser Pseudo-Zucker sich in einer Menge von Waaren einzuführen auf dem Punkte
steht, und gleicherweise der öffentlichen Gesundheit, wie der Steuerkasse gefährlich
zu werden droht. Es sind sowohl Arznei- wie Nahrungsmittel ausgestellt, wie
Pastillen, Syrupe, Salze, Pulver, Essenzen, Weine, Himbeersaft, Kirschsaft,
eingesottene Ananas, Pfirsiche, Aepfel, Stachelbeeren, Pflaumen, Kirschen, Alles mit
Saccharin; dazu kommen alle Arten von Zuckerbäckerwaaren, Kuchen mit den
verschiedensten Obstzusätzen, Bisquits, Kleberbrod u.s.w. u.s.w.
4) Verbot der Einführung des
Saccharins.
Portugal (Verordnung vom 9.
August 1888).
1) Es ist verboten, Saccharin allein oder mit einem anderen
Erzeugnisse vermischt, sowie Nahrungsmittel mit einem Gehalte von Saccharin
einzuführen.
2) Eine Ausnahme findet statt für Apotheken, welche derartige
Producte auf besondere Erlaubniſs der Regierung nach Anhörung des Oberzollrathes
beziehen dürfen. (Durch Zeitschrift des Vereins für
Zuckerindustrie, Bd. 38 S. 1095.)
Frankreich (Dekret vom 1.
December 1888).
1) Die Einführung von Saccharin und saccharinirten Stoffen ist in
Frankreich und Algerien verboten.
2) Die Minister...... sind mit der Ausführung beauftragt u.s.w.
(Durch Sucrerie indigène, Bd. 32 Nr. 23.)
Stammer.