Titel: | Quantitative Bestimmung des Anilins und Monomethylanilins. |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 180 |
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Quantitative Bestimmung des Anilins und
Monomethylanilins.
Quantitative Bestimmung des Anilins und
Monomethylanilins.
Im Nachfolgenden sei ein Verfahren zur quantitativen Bestimmung von Anilin und
Monomethylanilin mitgetheilt, welches Fr. Reverdin und
Ch. de la Harpe ausgearbeitet und in der Chemikerzeitung, 1889 Bd. 13 S. 387 und 408,
veröffentlicht haben. Zur quantitativen Bestimmung des Monomethylanilins C6H5.NH.CH3 sind in der Industrie zwei Methoden im Gebrauche.
Die eine beruht auf der Temperaturerhöhung, welche Essigsäureanhydrid beim
Zusammenbringen mit dem zu untersuchenden Gemische hervorbringt, und ist nur
anwendbar bei anilinfreien Gemischen von Mono- und Dimethylanilin. Die andere, von
E. Nölting und J. Boas
BoassonBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1877 Bd. 10 S. 795. herrührend, beruht auf der Ueberführung des
Monomethylanilins in Methylphenylnitrosamin C6H5.N(NO).CH3 und ist
anwendbar auch bei Gegenwart von Anilin.
Bekannter Weise kann die erste Methode nur angewendet werden, wenn das Gemisch nur
wenig Monomethylanilin enthält. Bestimmt man die Temperaturerhöhung, welche
Essigsäureanhydrid beim Zusammenbringen mit einem Gemische hervorbringt, das nur
einige Procent Monomethylanilin enthält, so bekommt man einen Coëfficienten, welcher nicht
mehr anwendbar ist bei monomethylreichen Gemischen, wie man aus folgenden Beispielen
schlieſsen kann:
Bei einem Gemische, welches 2,82 Proc. Monomethylanilin enthält, beobachteten die
Verfasser eine Temperaturerhöhung von 0,815° für 1 Proc. Mono, und als derselbe
Coëfficient angewendet wurde bei einem 9,36procentigen Gehalte an Mono, erhielten
sie ein gut übereinstimmendes Resultat, nämlich 9,57 Proc. Dagegen zeigte ein
Gemisch mit 29,55 Proc. Mono eine Temperaturerhöhung, welche einem Gehalte von 37,42
Proc. Mono entspräche. Sobald dieser Uebelstand festgestellt war, wurde die
Nitrosaminmethode, wie sie in den chemischen Handbüchern angeführt ist (G. Schultz, Chemie des Steinkohlentheeres, Bd. 1 S.
408) geprüft. Nach derselben löst man das zu untersuchende Gemisch, z.B. 10g in 20cc
Salzsäure und 125cc Wasser, und läſst in die gut
gekühlte Lösung allmählich eine Lösung von 128,5 Natriumnitrit flieſsen. Das
gebildete Methylphenylnitrosamin wird mit Aether ausgeschüttelt. Sein Gewicht, mit
0,786 multiplicirt, gibt die in dem Gemische enthaltene Menge Monomethylanilin an.
Nachdem die Verfasser diese Methode zu wiederholten Malen angewandt hatten, wurde
das so erhaltene Nitrosamin im Wasserdampfstrome in der Absicht, dasselbe rein
darzustellen, destillirt.
Die Verfasser erhielten das reine Phenylmethylnitrosamin
C6H5.N(NO).CH3
als hellgelbes Oel, wie es schon beschrieben ist, aber
auſserdem beobachteten sie, daſs dasselbe bei + 2° C, und manchmal selbst bei
höherer Temperatur zu einer Masse schöner verfilzter Nadeln erstarrt. Hierbei
entwickelt sich eine solche Wärmemenge, daſs die Temperatur bis auf + 14° C. steigt.
Das Phenylmethylnitrosamin schmilzt nachher gegen 12 bis 15°.
Nach dem oben beschriebenen Verjagen des Phenylmethylnitrosamins im Wasserdampfstrome
blieb in dem Destillationskolben eine stark gelb gefärbte Flüssigkeit zurück, welche
beim Erkalten eine relativ groſse Menge schöner gelber Nadeln ausschied. Dieselben
schmelzen bei 102 bis 103° C. und sind höchst wahrscheinlich das von O. Fischer und E.
HeppBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1886 Bd. 19 S. 2992. beschriebene Nitrophenylmethylnitrosamin
C6H4(NO2)N(NO).CH3.
Demnach muſs sich in der vorliegenden Reaction durch einen
Ueberschuſs von Natriumnitrit zunächst Nitrosonitrosamin bilden, welches sich
nachher zu Nitronitrosamin oxydirt.
Da zu wiederholten Malen in diesen Versuchen das Auftreten dieses Körpers, sowie des
p-Nitrodimethylanilins C6H4(NO2)N(CH3)2 – lange schwefelgelbe Nadeln,
Schmelzpunkt 163° C. (schon von SchraubeBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1875 Bd. 8 S. 620.,
WeberBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1877 Bd. 10 S. 761. und WursterBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1879 Bd. 12 S. 529. beschrieben) – beobachtet war, lieſs man
einen Ueberschuſs von Natriumnitrit auf eine gut gekühlte salzsaure Lösung von
reinem Monomethylanilin einwirken. Das Reactionsproduct wurde mit Aether ausgezogen
und der Destillation unterworfen. Hierbei wurde kein Phenylmethylnitrosamin mehr
erhalten, dagegen eine groſse Menge Nitronitrosamin. Gleichzeitig bildet sich
während der Reaction eine geringe Menge eines röthlichen Oeles, welches man noch
nicht näher untersucht hat. Bei dieser Gelegenheit bedienten sich Reverdin und de la Harpe
einer Reaction, welche erlaubte, das Nitrosonitrosamin von seinem Oxydationsproducte
zu unterscheiden. Dieselbe ist ohne Zweifel allgemein anwendbar, um
Paranitrosoderivate von Nitrosaminen oder Nitroaminen zu erkennen. Man läſst
Gallussäure auf die zu untersuchende Substanz in 50procentiger Essigsäurelösung
während einiger Stunden auf dem Wasserbade einwirken. In diesem Falle zeigt das
Nitrosonitrosamin, wenn auch langsam, die gefärbte Gallocyanreaction, während das
Nitronitrosamin unwirksam bleibt und die Flüssigkeit rein gelb erhält. Die Bildung
des Nitrophenylmethylnitrosamins C6H5(NO2)N(NO).CH3, dessen Molekulargewicht 181 ist, während
dasjenige des Phenylmethylnitrosamins 136 beträgt, ist selbstverständlich ein Grund
für die Unrichtigkeit der vorliegenden Methode zur Bestimmung des
Monomethylanilins.
Diese Thatsachen haben die Verfasser bewogen, ein anderes Verfahren aufzusuchen,
welches gestattet, sowohl das Anilin als auch das Monomethylanilin quantitativ zu
bestimmen.
Zunächst wurde versucht, das Anilin aus einem Gemische der drei Basen abzusondern,
unter der Voraussetzung, daſs man, da die Anilinsalze natürlich beständiger sind als
diejenigen des Mono- und Dimethylanilins, ein Anilinsalz auffinden könne, welches
sich bei Gegenwart derselben Salze der anderen Basen während der
Wasserdampfdestillation nicht zersetzen würde. Nach zahlreichen Versuchen wurde
dieser Weg als unbrauchbar erkannt; doch scheint es interessant, einige der
angestellten Versuche zu erwähnen. Das essigsaure, bernsteinsaure, weinsaure,
citronensaure, normal-oxalsäure Anilin zerfällt vollständig oder theilweise während
der Wasserdampfdestillation in seine Componenten, während das saure Oxalsäure Anilin
sich nur äuſserst wenig zersetzt, denn in dem übergegangenen Destillationswasser
findet man nur Spuren von Anilin mit Hilfe der empfindlichen Chlorkalkreaction. Da
das Oxalsäure Dimethylanilin sich, wenn auch nur langsam, durch die Wasserdämpfe
zersetzt, so war zu erwarten, daſs bei der Destillation eines Gemisches von
oxalsaurem Anilin und Dimethylanilin nur letzteres übergehen würde. Dem ist aber
nicht so. Destillirt man im Wasserdampfstrome ein Gemisch von 5g Anilin, 5g
Dimethylanilin, 8g Oxalsäure, so bekommt man ein Destillat,
welches eine bemerkenswerthe Menge Anilin enthält. Ebenso verhält sich das Sulfat:
ein Gemisch von 1g,84 Anilin, 15g Dimethylanilin, 8cc,6 30procentiger Schwefelsäure ergab eine Flüssigkeit, welche
verhältniſsmäſsig viel Anilin enthielt. Das Dimethylanilin verdrängt demnach eine
gewisse Menge Anilin.
Hierauf wurde versucht, das Anilin direkt in einem Gemische der drei Basen zu
bestimmen, was, wie man weiter unten sehen wird, zu einem guten Resultate führte,
indem dasselbe in Diazobenzol verwandelt und dann letzteres mit Hilfe einer
titrirten Lösung von R-Salz (Natriumsalz einer β-Naphtoldisulfosäure) bestimmt wurde. Es blieb also noch übrig, ein Mittel zu
finden zur Bestimmung des Monomethylanilins in einem Gemische von bekanntem
Anilingehalte. Die Verfasser haben gefunden, daſs man ganz genaue Resultate erhält,
wenn man das Gemisch mit einem bekannten Gewichte Essigsäureanhydrid behandelt und
den Ueberschuſs desselben mittels titrirter Natronlauge bestimmt. Die Reaction muſs
unter gewissen Umständen, die weiter unten angegeben sind, vollführt werden.
Erhitzt man Anilin oder Dimethylanilin mit Essigsäureanhydrid oder Eisessig, so
treten Nebenwirkungen auf, welche die Methode fehlerhaft machen würden. Man muſs
deshalb während der Reaction das Erhitzen unterlassen. Erhitzt man Anilin mit einem
starken Ueberschusse Säureanhydrid (1 Th. Anilin auf 2 Th. Anhydrid) während 2
Stunden zum Sieden, so beobachtet man, daſs die verbrauchte Säuremenge viel stärker
ist als diejenige, welche nöthig wäre zur Bildung des Monoacetanilids. Vermuthlich
bildet sich in diesem Falle Diacetanilid, was wahrscheinlich ist, da GumpertJournal für praktische Chemie. 1888 Bd. 32 S.
294. erklärt, dieses Product erhalten zu haben durch Erhitzen
eines Gemenges Anilin und Essigsäureanhydrid auf 130° unter Druck. Selbst
Dimethylanilin, längere Zeit mit Eisessig allein in starkem Ueberschusse (5 Th.
Säure auf 1 Th. Dimethylanilin) erhitzt, ergibt eine ziemlich starke Menge, 10 bis
15 Proc., einer Base, indem sich die Flüssigkeit gleichzeitig blauviolett färbt.
Diese Base besitzt alle charakteristischen Eigenschaften des
Tetramethyldiamidodiphenylmethans \mbox{CH}_2\left<
{\mbox{C}_6\mbox{H}_4\mbox{N}(\mbox{CH}_3)_2}\atop{\mbox{C}_6\mbox{H}_4\mbox{N}(\mbox{CH}_3)_2}
\right., welches in zahlreichen Reactionen des Dimethylanilins
auftritt. Man isolirt diese Substanz, indem man das Reactionsproduct alkalisch
macht, den Ueberschuſs von Dimethylanilin mit Wasserdampf verjagt und den
Destillationsrückstand mit Aether auszieht. Sie ist unlöslich in Wasser, leicht
löslich in Säuren, Benzol, Chloroform, Aether und Alkohol, krystallisirt aus reinem
und verdünntem Alkohol in kleinen weiſsen Blättchen, welche bei 86 bis 87°
schmelzen. Die Lösungen der Salze lassen durch Alkalien die Base ausfällen und geben
durch Oxydation mit Schwefelsäure und Kaliumbichromat einen starken Geruch nach
Chinon. Manganbioxyd und Bleibioxyd bringen in der essigsauren Lösung eine intensive
blauviolette Färbung hervor. In salzsaurer oder schwefelsaurer Lösung tritt dieselbe
Färbung ebenfalls hervor, geht aber bald in gelbbraun über. Endlich färbt sich ein
mit Jodlösung getränktes Filtrirpapier smaragdgrün, wenn man sehr wenig einer
alkoholischen Lösung dieser Base darauf bringt. Alle diese Reactionen
charakterisiren genügend das Tetramethyldiamidodiphenylmethan (Döbner u.a.Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1879 Bd. 12 S. 811.).
Essigsäureanhydrid im Ueberschusse führt schon in kurzer Zeit bei gewöhnlicher
Temperatur Anilin und Monomethylanilin quantitativ in Monoacetanilid und
Methylacetanilid über, während das Dimethylanilin erst nach längerer Zeit und dann
nur sehr wenig Tetramethyldiamidodiphenylmethan gibt.
Hierauf beruht also die Methode zur quantitativen Bestimmung des Anilins und
Monomethylanilins, welche wir anwenden.
Bestimmung des Anilins. Man löst 7 bis 8g des zu untersuchenden Gemisches in 28 bis 30cc Salzsäure und verdünnt mit Wasser auf 100cc. Andererseits bereitet man eine titrirte Lösung
von Salz R, welche davon in 1l eine mit ungefähr
10g Naphtol äquivalente Menge enthält.
Man nimmt 10cc der Lösung der Basen, verdünnt mit
etwas Wasser und Eis, fügt zur Diazotirung so viel Natriumnitrit hinzu, als wenn man
nur Anilin allein hätte, und gieſst nach und nach das Reactionsproduct in eine
abgemessene, mit einem Ueberschusse von Natriumcarbonat versetzte Menge
R-Salzlösung. Der gebildete Farbstoff wird mit Kochsalz gefällt, filtrirt und das
Filtrat durch Hinzufügen von Diazobenzol bezieh. R-Salz auf einen Ueberschuſs des
einen oder anderen dieser Körper geprüft. Durch wiederholte Versuche stellt man das
Volumen R-Salzlösung fest, welches nöthig ist, das aus den 10cc Basengemischlösung entstandene Diazobenzol zu
binden. Ein Gemisch, welches 10,76 Proc. Anilin enthielt, gab folgende Resultate:
10,24 bis 10,40 Proc.
Bestimmung des Monomethylanilins. Man wiegt in einem
Kölbchen, das mit einem Rückfluſskühler verbunden und auf dem Wasserbade erhitzt
werden kann, 1 bis 2g des zu analysirenden
Gemisches und fügt so rasch wie möglich eine bekannte, etwa dem doppelten Gewichte
des Gemisches entsprechende Menge Essigsäureanhydrid hinzu (zur gröſseren
Leichtigkeit befindet sich das Essigsäureanhydrid in einem Tropfflaschenen, das vor
und nach dem Hinzugeben des Anhydrides gewogen wird, so daſs man genau das
angewandte Gewicht kennt). Man verbindet das Kölbchen mit dem Kühler und überläſst
das Gemisch der Einwirkung während etwa ½ Stunde bei gewöhnlicher Temperatur.
Hierauf fügt man ungefähr 50cc Wasser hinzu und
erhitzt dann ¾ Stunden auf dem Wasserbade, damit sich der Ueberschuſs des
Essigsäureanhydrids vollständig zersetze. Man kühlt ab, bringt die Flüssigkeit auf
ein bekanntes Volumen
und titrirt die darin enthaltene Essigsäure mit einer titrirten Natronlösung. Es
wurde Phenolphtaleïn als Indicator angewandt. Durch Rechnung findet man dann die
Menge Monomethylanilin, welche der verbrauchten Menge Essigsäureanhydrid entspricht,
nachdem man natürlich die von dem, in dem Gemische enthaltenen Anilin zur
Acetylirung verbrauchte Menge abgezogen hat.
Als Beispiel sei folgende Analyse angeführt:
Angewandtes Gemisch
1g,6264
Essigsäureanhydrid
3g,2486
Ueberschuſs
„
3g,0702
durch Titration gefunden.
Da das Gemisch nach der Bestimmung mittels dieser Methode 10,30 Proc., also 0g,1675 Anilin enthält, so hat man, um die von dem
Anilin verbrauchte Menge Essigsäureanhydrid zu finden, folgende Proportion:
93 : 51 = 0,1675 : x
also
x = 0,0919.
Man zieht dieses Gewicht von dem Gesammtgewichte des Anhydrides ab:
3,2486
– 0,0919
–––––––––
Rest = 3,1567
Man subtrahirt nun von diesem Reste den durch die Titration bestimmten Ueberschuſs
Essigsäureanhydrid, demnach
3,1567
– 3,0702
–––––––
0,0865
Hiernach stellt man, um zu bestimmen, welcher Quantität Monomethylanilin die 0g,0865 Anhydrid entsprechen, die Proportion
auf:
51 : 107 = 0,0865 : x
woraus
x = 0,1815, also 11,16 Proc.
Monomethylanilin.
Das analysirte Gemisch, welches mit Hilfe der reinen Basen dargestellt war, enthielt
folgende Mengen:
Gefunden
Anilin
10,42
Proc.
10,30
Proc.
durch
Bestimmung mit R-Salz
Monomethylanilin
10,97
„
11,16
„
„
Titriren mit Essigsäure
Dimethylanilin
78,61
„
78,54
„
„
Differenz
––––––––––––––––––––––––––
100,00
100,00
Aus diesem Beispiele ersieht man, daſs vorliegende Methode an Genauigkeit nichts zu
wünschen übrig läſst.
Das reine Dimethylanilin, welches zu den erforderlichen Versuchen gedient hat, siedet
constant bei 192 bis 193° und brachte mit dem Essigsäureanhydrid keine
Temperaturerhöhung hervor. Das Monomethylanilin wurde durch Verseifen von reinem
Methylacetanilid dargestellt, und das reine Anilin wurde durch wiederholtes Destilliren
des reinen käuflichen Anilins bereitet.