Titel: | Ueber die zweckmässigste Querschnittsform der Schrumpfringe. |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 218 |
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Ueber die zweckmäſsigste Querschnittsform der
Schrumpfringe.
Mit Abbildungen.
Ueber die zweckmäſsigste Querschnittsform der
Schrumpfringe.
Im Maschinenbaue werden im warmen Zustande aufgezogene schmiedeeiserne Ringe, sogen.
Schrumpfringe, häufig zu dem Zwecke benutzt, um die Naben von gröſseren
Schwungrädern, Seiltrommeln, Riemenscheiben, Turbinenrädern u.s.w., die zur
Vermeidung der schädlichen Guſsspannungen aus zwei oder mehreren Theilen gegossen
werden, zusammenzuhalten. Auch macht man mit Hilfe solcher Schrumpfringe die
gesprungenen Naben der Räder von Eisenbahnfahrzeugen wieder betriebsfähig.
Diese Ringe werden in der Praxis beinahe ausschlieſslich mit rechteckigem
Querschnitte hergestellt, man findet aber sowohl schmale und hohe, als auch breite
und dünne Ringe, sowie auch solche mit quadratischem Querschnitte in Anwendung, je
nachdem der Constructeur die eine oder die andere Form nach seiner „Ansicht“
für die bessere hält, und es wird jede Querschnittsform ihren Vertheidiger
finden.
Ein zwischen Maschinenbauern über diesen Gegenstand stattgefundener Meinungsaustausch
hat den Verfasser veranlaſst, die Frage eingehender zu behandeln und dieselbe durch
die Beantwortung der folgenden Punkte zu lösen:
1) Welche ist die theoretisch richtige Querschnittsform der Schrumpfringe und
2) in wie weit läſst sich die Ausführung der Ringe nach dieser Form praktisch
verwirklichen.
Um den ersten Theil der gestellten Frage zu beantworten, ist zunächst zu bestimmen,
welcher Art die Inanspruchnahme derartiger Ringe
ist.
Ein im warmen Zustande auf einen cylindrischen Körper aufgezogener Ring wird nach dem
Abkühlen – wenn derselbe die Kreisform behält – in jedem Punkte seiner Innenfläche
auf den Cylinder einen Druck in radialer Richtung ausüben; durch den entstehenden
Gegendruck wird daher der Ring in jedem Punkte seiner Innenfläche durch radial nach
Auſsen wirkende Kräfte beansprucht, also genau so wie eine nach beiden Seiten offene
cylindrische Röhre mit innerem Drucke.
Zur Untersuchung der im Schrumpfringe entstehenden Spannungen sind daher jene Formeln
der Mechanik anwendbar, die für die, nach beiden Seiten zu offene Röhre mit innerem
Drucke gelten und die hier kurz wiederholt werden sollen.
Es sei in einem beliebigen Punkte der Rohrwand (Fig.
1):
Fig. 1., Bd. 272, S. 219
s
x
die
Spannung
parallel zur Rohrachse,
s
y
„
„
in der Richtung der Tangente,
s
z
„
„
in der Richtung des Radius,
so ist nach Grashof:
s_x=0
. . . . . . . . . . 1)
s_y=\frac{p\,r^2}{R^2-r^2}\,\left(1+\frac{R^2}{z^2}\right)
. . . . . . . . . . 2)
s_z=\frac{p\,r^2}{R^2-r^2}\,\left(1-\frac{R^2}{z^2}\right)
. . . . . . . . . . 3)
In diesen Formeln bedeutet:
p den Druck in Kilogramm auf die Flächeneinheit der inneren
Wandfläche,
r den inneren Radius der Röhre,
R den äuſseren Radius der Röhre,
z die Entfernung des betreffenden Punktes von der Rohrachse.
Sind die Werthe von sz, sy oder sz positiv, so bedeuten sie, den bei der
Ableitung der Formeln gemachten Voraussetzungen entsprechend Zugsspannungen; sind sie dagegen negativ, so
bedeuten sie Druckspannungen.
Aus der Gleichung 1) folgt, daſs parallel zur Rohrachse keine Spannung vorhanden ist;
aus der Gleichung 2), daſs der Werth von sy für jeden Werth für z positiv und am gröſsten ist, wenn z am kleinsten, d.h. wenn z = r; schlieſslich aus der Gleichung 3)
folgt, daſs der Werth von sz für jeden Werth von z negativ und auch
am gröſsten, wenn z = r ist.
In jedem Punkte der Rohrwandung herrscht daher in
tangentialer Richtung eine Zugspannung und in radialer Richtung eine
Druckspannung.
Beide sind an der inneren Wandfläche am gröſsten und nehmen
gegen die äuſsere Wandfläche ab.
Die gröſste Deformation wird daher in der tangentialen Richtung eintreten, bei der
Berechnung der Wandstärke muſs deshalb die Beanspruchung in der tangentialen
Richtung berücksichtigt werden.
Dies vorausgesendet, kann man mit Hilfe der Gleichung 2) die Wandstärke
berechnen.
Wir sahen daſs:
s_{y\
max.}=\frac{p\,r^2}{R^2-r^2}\,\left(1+\frac{R^2}{r^2}\right)
Bezeichnen wir die Wandstärke mit δ, so ist
R = r +
δ,
somit
s_{y\
max.}=p\,\left[1+\frac{2\,r^2}{\delta\,(2\,r+\delta)}\right] . . . . .
. . . . . 4)
Diese Gleichung gibt den gröſsten Werth der in der Rohrwandung herrschenden
Zugspannung, die unter allen Umständen gleich oder kleiner sein muſs als die gröſste
zulässige Beanspruchung des Materiales der Röhre.
Bezeichnen wir die zulässige Beanspruchung des Materiales für die Querschnittseinheit
mit s, so muſs
s = sy
max.
also
s=p\,\left(1+\frac{2\,r^2}{\delta\,(2\,r+\delta)}\right)
hieraus
\delta=r\,\left(\sqrt{\frac{s+p}{s-p}-1\right)} . . . . . .
. . . . 5)
Die Gröſse p ist bei einer Röhre mit innerem Drucke
durch die Anzahl Atmosphären unmittelbar gegeben, bei einem Schrumpfringe muſs
dieselbe erst bestimmt werden.
Auf den Ring wirkt erstens: die Reactionspressung, hervorgebracht durch das
Schrumpfen des Ringes, und zweitens jene Kraft, welche den cylindrischen Körper
(Radnabe u. dgl.) zu zersprengen sucht (Fliehkraft u. dgl.). Bezeichnen wir die
Summe dieser Kräfte mit P und die Breite des Ringes mit
b, so ist
p=\frac{P}{2\,r\,\pi\,.\,b} . . . . . . . . .
. 6)
Diesen Werth von p in die Gleichung 5) eingesetzt,
erhalten wir
\delta=r\left(\sqrt{\frac{2\,r\,s\,\pi+\frac{P}{b}}{2\,r\,s\,\pi-\frac{P}{b}}}-1\right)
. . . . . . . . . . 7)
Bestimmen wir noch für zusammengehörige Werthe von b und
δ den Cubikinhalt des Ringes, den wir mit V bezeichnen wollen, so ist
V = b π (R2 – r2)
R = r + δ
V = b π (2rδ
+ δ2)
den Werth von δ aus der Gleichung
7) eingesetzt:
V=\pi\,b\,r^2\,\left[2\,\left(\sqrt{\frac{2\,r\,s\,\pi+\frac{P}{b}}{2\,r\,s\,\pi-\frac{P}{b}}}-1\right)+\left(\sqrt{\frac{2\,r\,s\,\pi+\frac{P}{b}}{2\,r\,s\,\pi-\frac{P}{b}}}-1\right)^2\right]
8)
Die Gleichungen 6), 7) und 8) bestimmen drei Curven, die, wenn P, r und s als constant
angenommen werden, den Zusammenhang zwischen
b und p
b und δ
b und V
darstellen, wenn wir daher die Gröſse b auf die x Achse auftragen, so werden die drei Curven von der zugehörigen
Ordinate die Gröſsen p, δ und V abschneiden.
Die Gleichung 6) ist die Gleichung einer gleichseitigen Hyperbel, nämlich:
p\,b=\frac{P}{2\,r\,\pi}\ \mbox{constant}.
Die Gleichung 7) stellt eine Curve dritten Grades vor, mit zwei Asymptoten. Für b = ∞ ist δ = 0, die eine
Asymptote fällt daher mit der x Achse zusammen.
Für
2\,r\,s\,\pi=\frac{P}{b}
ist
δ = ∞,
die Gleichung der zweiten Asymptote ist daher:
b=\frac{P}{2\,r\,s\,\pi}
Dieselbe ist also eine im Abstande \frac{P}{2\,r\,s\,\pi} vom
Coordinatenanfangspunkte mit der y Achse parallel laufende Gerade.
Diese letzte Gleichung gibt zugleich die minimale Breite des Ringes, denn bei dieser
Breite müſste die Stärke des Ringes unendlich groſs werden, um die gewünschte
Festigkeit zu erhalten; bei noch geringerer Breite würde δ imaginär werden, d.h. bei noch geringerer Breite könnte die Bedingung,
daſs die gröſste Beanspruchung des Materiales = s sei,
nicht erfüllt werden.
Die Gleichung 8) stellt auch eine Curve dritten Grades vor, mit ebenfalls zwei
Asymptoten.
Für:
2\,r\,s\,\pi=\frac{P}{b}
wird
V = ∞.
Die Gleichung der einen Asymptote ist daher:
b=\frac{P}{2\,r\,s\,\pi}
Die zur y Achse parallelen Asymptoten der Curve für δ
und der für V fallen somit zusammen.
Die Gleichung der zweiten Asymptote erhalten wir für
b = ∞,
diesen Werth in die Gleichung 8) eingesetzt erhalten wir
V = ∞.0,
d.h. eine unbestimmte Gröſse, die aber einen bestimmten Werth
besitzen kann, und auf die übliche Weise bestimmt werden soll.
Setzen wir in der Gleichung 8): b=\frac{1}{\beta}
V=\pi\,r^2\,\frac{2\,\left(\sqrt{\frac{2\,r\,s\,\pi+\beta\,P}{2\,r\,s\,\pi-\beta\,P}}-1\right)+\left(\sqrt{\frac{2\,r\,s\,\pi+\beta\,P}{2\,r\,s\,\pi-\beta\,P}}-1\right)^2}{\beta}
Diese Gleichung nimmt für den Werth β = 0 die Form
\frac{0}{0} an. Zähler und Nenner noch β differentiirt und im Differentialquotient β = 0 substituirt erhalten wir
V_{\beta=0}=V_{b=\infty}=\frac{r\,P}{s}
Die Gleichung der zweiten Asymptote ist daher
V=\frac{r\,P}{s}
d.h. eine zur x Achse parallele Gerade im Abstande
\frac{r\,P}{s}.
Diese letzte Gleichung gibt das Volumen eines unendlich breiten und unendlich dünnen
Ringes mit dem inneren Radius = r, welcher, durch die
Kraft P beansprucht, für die Flächeneinheit des
Wandquerschnittes die Spannung s erleidet.
Nehmen wir für die Gröſsen P, r und s beliebige Werthe an, z.B.
P =
10000k
r =
50mm
s =
5k,
und zeichnen die drei Curven auf (Fig. 2), so sehen wir, daſs mit der Zunahme der Breite b die Werthe p, δ und V im Anfange rapid, dann nahezu proportional abnehmen,
es wird daher der Cubikinhalt der Ringe – bei gleicher Festigkeit – um so kleiner
sein, je gröſser deren Breite ist.
In der Fig. 2 sind die Querschnitte dreier Ringe durch
Schraffirung angedeutet,
aus den dazugeschriebenen Werthen des Cubikinhaltes ist zu sehen, daſs z.B. der
Inhalt des 10mm breiten Ringes nahezu 2½ mal so
groſs ist wie der Inhalt des Ringes mit 50mm
Breite, bei ganz gleicher Festigkeit.
Fig. 2., Bd. 272, S. 223Würde man aus einem Flacheisen von 56mm
Breite und 10mm Dicke zwei Ringe anfertigen und
den einen mit der schmalen Kante, den zweiten mit der breiten Fläche auf den vorhin
angenommenen Cylinder aufziehen, so würde die gröſste Beanspruchung des ersteren
Ringes bei 274cc Inhalt 5k,0 für 1qmm
sein, während die Beanspruchung des zweiten flachen Ringes bei 193cc,5 nur 3k,1
sein würde. Die Sicherheit des hohen schmalen Ringes würde daher 8, die des breiten
dünnen Ringes 13 sein, trotzdem, daſs der letztere Ring 1,3mal weniger Material
erfordert als der erstere.
Nachdem bei gleichbleibender Festigkeit jene Querschnittsform die beste ist, welche
den geringsten Materialaufwand erfordert, ist der theoretisch richtigste Querschnitt
jener mit unendlich groſser Breite und unendlich kleiner Wandstärke. Die theoretisch
richtige Querschnittsform läſst sich also praktisch nicht verwenden.
Der Verlauf der Curve der Rauminhalte zeigt aber, daſs über einen gewissen Werth der
Breite hinaus die Zunahme der Breite nur eine verschwindend kleine Abnahme des
Rauminhaltes verursacht, dieser Werth der Breite wäre daher vom praktischen Standpunkte der richtigste.
In unserem Beispiele liegt dieser Werth der Breite etwa bei 60mm.
Aber selbst die Verwendung von Ringen dieser Breite ist nicht immer zulässig. Es
würden nämlich die Radnaben zu lang ausfallen, ferner ist die genaue Bearbeitung der
breiten dünnen Ringe schwierig, und das genaue Aufliegen derselben nicht so leicht
zu erreichen.
Vom praktischen Standpunkte sind daher die Schrumpfringe so breit zu wählen, als es
ohne constructive Schwierigkeiten möglich ist, und sind schmale Ringe, bei welchen
die Widerstandsfähigkeit des Materiales nicht genügend ausgenutzt ist, ohne
zwingende Gründe nicht zu verwenden.
Eugen Cserháti,
Maschineningenieur.
Budapest, den 4.
April 1889.