Titel: | Fortschritte und Neuerungen auf dem Gebiete der Fabrikation von Stärke, Dextrin, Traubenzucker u.s.w. |
Autor: | J. Bröſsler |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 522 |
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Fortschritte und Neuerungen auf dem Gebiete der
Fabrikation von Stärke, Dextrin, Traubenzucker u.s.w.
Neuerungen auf dem Gebiete der Fabrikation von Stärke.
a) Kartoffelstärke.
Die auf der 37. bezieh. 7. ordentlichen Generalversammlung des Vereins der Stärke-Interessenten Deutschlands am 22.
Februar 1889 in Berlin behandelten Fragen betreffend die Industrie der
Kartoffelstärke u.s.w. bieten viel des Interessanten. In dem Folgenden wollen wir
das Wichtigste erwähnen.
Die Hauptthätigkeit des genannten Vereins offenbarte sich auf wirthschaftlichem
Gebiete und insbesondere wirkte dieselbe in günstiger Weise auf die Preisbildung,
ohne daſs etwa versucht wurde, in künstlicher Weise die den Preis bildenden Momente
zu verschieben.
Die allgemeine wirthschaftliche Lage der Fabrikation war in diesem Jahre eine
günstige, da man ohne alte Vorräthe in die neue
Campagne eingehen konnte.
Die Preise für die fertigen Fabrikate waren durchaus lohnende.
Die amtlichen Berichte über die Kartoffelernte werden als unzuverlässig bezeichnet,
da dieselben schon im Laufe des Sommers, lange Zeit vor
der Ernte eingefordert werden. Erfahrungsgemäſs kann man selbst 4 Wochen vor der
Ernte noch kein Urtheil über dieselbe abgeben, da sich selbst in diesem letzten
Abschnitte vor der Ernte durch ungünstige Witterungsverhältnisse sehr bedeutende
Schwankungen ergeben können (bis zu 50 Proc., wenn man die Mittelernte zu 100 Proc.
annimmt). Trotz gegentheiliger Berichte war die diesjährige Ernte eine
auſserordentlich schlechte. Daſs aber die Stärkefabriken trotzdem zumeist über
genügendes Kartoffelquantum verfügen konnten, kam daher, daſs die Brennereien einen
groſsen Theil ihrer Kartoffeln verkauften. Sehr viele Brennereien gehen mit der
Absicht um, Stärkefabriken zu bauen.
(Es ist uns bekannt, daſs in der Provinz Posen eine groſse Anzahl groſser Fabriken
gebaut werden; ob dieselben aber über das genügende Kartoffelquantum werden verfügen
können, ist sehr fraglich. D. Ref.)
Das ungemein groſse Kartoffelangebot ging aus der allgemeinen Nothlage hervor, in
welcher die meisten Kartoffelbauer sich befanden durch den groſsen Frost, der schon
im November eingetreten ist, noch bevor die Kartoffeln wintermäſsig geborgen werden
konnten.
Mit dem Beginne der Berichterstattung von Seite des Vereins ist ein erhebliches
Steigen der Preise eingetreten; jedoch bestehen groſse Differenzen in den gezahlten
Preisen. Diese Verschiedenheit erklärt sich aus der verschiedenen Qualität
insbesondere der feuchten Stärke.
Ueber die „Qualitätsunterschiede der feuchten Stärke in praktischer und chemischer
Hinsicht und die Ursachen ihrer Entstehung“ hat Herr Dr. Saare einen sehr interessanten Vortrag gehalten, aus
welchem wir das Wesentliche mittheilen wollen.
Saare hat 15 verschiedene Proben, zum Theil aus
Fabriken, zum Theil aus dem Handel stammend, a) auf den Wassergehalt und b) auf
verschiedene Verunreinigungen untersucht.
Die Verunreinigungen können sein: Faserreste, Sand und Reste von Fruchtwasser.
Die Faserreste gelangen durch mangelhaftes Sieben in die
Stärke und werden durch ungenügendes Waschen nicht wieder entfernt.
Durch Nachlässigkeit beim Ausstechen der abgesetzten Stärke aus den Cementbottichen gelangt Sand in die Stärke, welcher durch ungenügendes Sieben
nicht wieder entfernt wurde.
Je weniger die Stärke mit frischem Wasser gewaschen wird, desto mehr Fruchtwasserreste müssen in derselben verbleiben.
Die Fasertheile, Stippen und mineralischen Bestandtheile, welche zusammen die vorhandene Nichtstärke darstellen, wurden in der Weise bestimmt,
daſs eine gewogene Menge Stärke mit einer gemessenen Menge Malzauszug verzuckert
wurde. Die Flüssigkeit wurde sodann aufgekocht, stark verdünnt, darnach dekantirt
und die so erhaltenen Rückstände auf einem gewogenen Filter gesammelt, gewogen und
von dem gefundenen Gewichte die Quantität des durch Kochen aus der angewandten Menge
Malzauszug „Fällbaren“ abgezogen.
Die Bestimmung der löslichen Theile wurde in der Weise durchgeführt, daſs eine
gewogene Menge Stärke mit einer bestimmten Menge Wassers gut durchgerührt und die
Flüssigkeit sodann filtrirt wurde. In einem Theile des Filtrates wurde dann die
Menge der gelösten Substanz bestimmt. Obwohl unter den zur Untersuchung gelangten
Proben nicht die schlechtesten Sorten feuchter Stärke vorhanden waren, wurde doch
constatirt, daſs der Wassergehalt der einzelnen Proben zwischen weiten Grenzen
schwankte und zwar zwischen 47,5 bis 52 Proc. Als mittlerer Wassergehalt wurden 48,5
Proc. gefunden.
Im Allgemeinen waren die Stärkeproben am wasserhaltigsten, wenn sie gefroren waren,
obwohl dies nicht durchgängig der Fall war. Die Verunreinigungen sind quantitativ
ziemlich gering gefunden worden. In der schlechtesten der Proben waren an
Verunreinigungen 1,5 Proc. vorhanden. Im Mittel wurden 0,5 Proc. gefunden, bei
einzelnen sogar nur 0,1 Proc. Auf Sand kamen 0,1 bis
0,3 Proc. oder im Mittel 0,22 Proc.
Auf Fasertheile noch weniger, 0,3 bis 0,01 oder 0,15
Proc. im Mittel.
Auf die im Wasser löslichen Verunreinigungen kamen 0,2 bis 0,08 Proc. oder im Mittel
0,12 Proc.
Von den genannten, quantitativ sehr geringen Verunreinigungen sind es namentlich die
sogen. Stippen, welche für gewisse Fabrikationszweige,
welche feuchte Stärke verarbeiten, sehr störend sind. Die Stippen bestehen theils
aus Kohlenstaub, theils aus schwarzen Theilen, die sich an den Kartoffeln
festsetzen, wenn dieselben in Torfdüngung gebaut werden; auch dunkle Fasertheile und
Sand können Stippen bilden. Aus einer und derselben Fabrik wurden 3 Proben innerhalb
1½ Monaten untersucht, in welchen der Wassergehalt nur um 1 Proc. differirte, die
Verunreinigungen hingegen zwischen 0,2 bis 1,4 Proc. schwankten.
Um zu verhüten, daſs Sand in die fertige Stärke gelange, nimmt man jene Stärke,
welche sich zunächst der Achse des Rührwerkes im Waschbottiche ablagert, für sich weg. Man vermischt sie nicht mit der anderen
Stärke, sondern führt sie nochmals in den Betrieb ein und läſst dieselbe die sogen.
Schlammrinnen passiren.
Damit nicht Fasertheile in der fertigen Stärke
vorkommen, müssen vor Allem die Siebe richtig
functioniren, d.h. ihre Schuldigkeit thun; geschieht dies nicht, so setzen sich die
mitgegangenen Fasertheile beim späteren Aufrühren der Rohstärke mit frischem Wasser
und Absitzenlassen an der Oberfläche der Stärke ab und werden von da als
Schlammstärke entfernt. Je mehr Fasern in der Stärke enthalten sind, desto gröſser
ist die Menge der erhaltenen sogen. Schabestärke und desto geringer die Quantität
der besseren Waare.
Fruchtwasserreste bleiben in der Stärke, wenn dieselbe
nicht genug °ft oder mit einer ungenügenden Wassermenge gewaschen wurde. Allerdings
darf man nicht zu oft mit frischem Wasser aufrühren, weil sich dann die Stärke
schlecht absetzt und zu viel Wasser enthält, wenn dieselbe in feuchtem Zustande
verkauft wird.
Im Allgemeinen läſst sich behaupten, daſs mit je verdünnterem Fruchtwasser gearbeitet wird, desto besser, fester und wasserärmer setzt
sich die Stärke ab.
Ferner wurde durch Versuche und vergleichende Untersuchungen in der Praxis
constatirt, daſs mit zunehmendem Fasergehalte der Wassergehalt oder die Lockerheit
der Stärke erheblich steigt. Ist auſser Faser auch noch Fruchtwasser vorhanden, so
wird der Einfluſs der Faser noch erhöht.
Inwiefern Sorte, Bodenart und Düngung auf die Beschaffenheit der feuchten Stärke von
Einfluſs sind, konnte bis jetzt noch nicht durch umfassende Untersuchungen
festgestellt werden.
Saare hat vergleichsweise faule und gesunde Kartoffeln derselben Sorte
und Herkunft untersucht. Abgesehen davon, daſs bei den faulen Kartoffeln schon in
der Kartoffelwäsche ein groſser Verlust eintritt (durchschnittlich 34 bis 40 Proc),
entsteht eine groſse Menge Schlamm auf dem Raffinirsiebe und man erhält ein dunkles,
später gährendes Fruchtwasser. Die Stärke setzt sich ganz locker, fast schwimmend ab
und enthält (nach dem Absitzen) 67 bis 70,5 Proc. Wasser, während die abgesetzte
Stärke, aus gesunden Kartoffeln erhalten, 50 bis 50,2 Proc. und im Mittel 48,5 Proc.
enthält. Auch fand er in dem Fruchtwasser fauler Kartoffeln bestimmte Hefepilze,
welche ein Blasigwerden der Stärke verursachten, und auch Bakterien.
Durch Zusatz von 1g Schwefelsäure für 1l wurde zwar der Wassergehalt der abgesetzten
Stärke nicht verringert, jedoch wurde eine bessere Trennung der Faserschicht
erzielt, welche an der Oberfläche verblieb; nach Entfernung dieser Schicht zeigte
die Stärke, wenn auch nicht eine schöne weiſse Farbe, so doch ein hellgraues,
annehmbares Aussehen.
Doppeltschwefligsaurer Kalk, in genügender Quantität zugesetzt, gibt bessere
Resultate.
(Ueber die Quantität des zuzusetzenden doppeltschwefligsauren Kalkes wurden keine
ziffermäſsigen Angaben gemacht. Da aber dieser Gegenstand von besonderer Wichtigkeit für die Fabrikation
fehlerhaft gewordener Kartoffeln ist, so will ich demnächst meine eigenen
Erfahrungen darüber hier veröffentlichen.)
Ueber die Feinheit der Siebe beim Raffiniren und Schlammarbeiten gelangten auch
wichtige Angaben aus der Praxis zur öffentlichen Discussion.
Nach Dr. Saare existiren auſserordentlich viele
Ansichten darüber. Im Allgemeinen kann man wohl annehmen, daſs, je feiner das
Raffinirsieb ist, eine um so bessere Reinigung erzielt werde. Es hat dies doch auch
seine Grenze.
Bei zu groſser Feinheit des Raffinirsiebes, z.B. bei Nr. 180 des Messingdrahtgewebes,
geht die Stärke nicht mehr durch die Maschen des Gewebes, sondern gleitet über das
Gewebe hinweg. Diese Beobachtung soll sehr oft gemacht worden sein.
Es scheint, daſs auch die Sorte von groſsem Einflüsse auf die Durchgangsfähigkeit der
Stärkekörner durch die feinen Gewebsmaschen ist. Wahrscheinlich enthalten manche
Sorten gröſsere und manche kleinere Stärkekörner. Auf Grund vielfacher Erfahrung
kann man für Raffinirzwecke Messinggewebe Nr. 100 nehmen oder Seidengaze Nr. 16
(besser gesagt, Seidengaze bis Nr. 16). Stärke von
unreifen Kartoffeln, wo also die Stärkekörner nicht die gehörige Ausbildung erhalten
konnten, ist kleinkörniger, und es wird also möglich sein, bei Verarbeitung solcher
Kartoffeln noch feinere Siebe zu benutzen.
Auch Pülpe-Untersuchungen hat Saare ausgeführt und zwar
mit 22 Proben. Er fand allerdings mehrere Proben genügend rein ausgearbeitet, in den
meisten Fällen jedoch war nicht alle auswaschbare Stärke aus der Pulpe gewonnen
worden. Die Proben wurden in der Weise untersucht, daſs eine gewogene Quantität
zuerst über einem groben Siebe, dann über einem feinen Siebe ausgewaschen wurde, und
nach gehörigem Absitzen wurde die ausgewaschene Stärke gewogen. Die so gewonnene
Stärke bedeutet jene Quantität, welche durch die Siebe aus dem Reibsel nicht ausgewaschen wurde.
Die auf diese Weise vollständig ausgewaschene (von der auswaschbaren Stärke befreite)
Pulpe wurde auf chemischem Wege auf Stärke untersucht. Aus dem Procentgehalte der
absolut trockenen Pulpe an Stärke ergibt sich, ob genügend Zellen aufgeschlossen
wurden oder nicht.
Diesbezüglich stellt Dr. Saare folgende Normen auf: Die
auswaschbare Stärke darf nicht mehr als 5 Proc. der
gesammten in der Pulpe enthaltenen Stärke, die gebundene nicht mehr als 50 bis 60 Proc. der absolut trockenen, völlig
ausgewaschenen Pulpe betragen.
Unter den zur Untersuchung gelangten Proben gab es solche, bei denen der Gehalt an
auswaschbarer Stärke nur 0,02 Proc. in der Pulpe selbst betrug, also ½ Proc. der
Gesammtstärke, welche darinnen enthalten ist.
Damit wäre der Beweis geliefert, daſs die Auswaschung in der Praxis bis fast auf 0
Stärkegehalt der Pulpe getrieben werden könne. Hingegen gab es auch Proben, in
welchen die auswaschbare Stärke 7,9 Proc. ausmachte, also 46 Proc. der in der Pulpe
enthaltenen Gesammtstärke waren auswaschbar.
Aus den Zahlen über die Stärkegehalte der vollständig ausgewaschenen, absolut
trockenen Pulpe ersieht man, was die Reiben geleistet
haben. Ueberschreitet der Stärkegehalt 50 bis 60 Proc., so sind nicht genug Zellen
zerrissen worden und es haben in Folge dessen entweder Reibe oder Mahlgang schlecht
gearbeitet. Ob nun die Reibe oder der Mahlgang schlecht functionirte, läſst sich
leicht feststellen, indem man einmal das Reibsel vor
dem Eintreten in den Mahlgang und dann nach dem Verlassen des Mahlganges untersucht.
Sind die Resultate beider Untersuchungen gleich, so hat der Mahlgang nichts
geleistet. Ob die Reibe genügend gut arbeitet, läſst sich leicht ermitteln.
Füzitö, Mai 1889.
J.
Bröſsler.
(Fortsetzung folgt.)