Titel: | Ein neuer Prozess zur Soda- und Potaschegewinnung. |
Autor: | P. Behrend |
Fundstelle: | Band 272, Jahrgang 1889, S. 568 |
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Ein neuer Prozeſs zur Soda- und
Potaschegewinnung.
Ein neuer Prozeſs zur Soda- und Potaschegewinnung.
Durch eine Reihe von Experimenten hatte W. Staveley
festgestellt, daſs Cresolnatrium durch Kohlensäure leicht in kohlensaures Natron und
Cresol zerlegt werden kann, und gründete hierauf ein neues Verfahren zur Darstellung
von Soda bezieh. Aetznatron, welches allerdings noch nicht praktisch Verwendung
gefunden; das Verfahren ist jedoch gesetzlich geschützt. Nach Staveley soll wie folgt verfahren werden:
Frisch gebrannter Kalk wird gelöscht, mit Wasser zu Kalkmilch angerührt, und wenn
diese erkaltet, rohes Phenol – am besten eignen sich die von 190 bis 250°
destillirenden Producte – hinzugegeben. Den Mengenverhältnissen nach auf etwa 500k Kalk, mit Wasser zu 2000l angerührt gegen 2000l Phenol. Es entsteht eine Lösung von etwa 4000l Phenolcalcium. Gelöschter Kalk und Phenole
mischen sich im Verhältnisse ihrer Aequivalentgewichte, aber eine gewisse Menge
Kalk, je nach Beschaffenheit des angewandten Materials, verbindet sich nicht mit
Phenol, sondern es bleibt etwas freier Kalk und ebenso freies Phenol. Diese Lösung
des Phenolcalciums wird zu 4000l einer heiſsen, 95
Proc. schwefelsaures Natrium enthaltenden Lösung in einem offenen mit Rührwerk versehenen Kessel
allmählich hinzugegeben; wenn in 1½ Stunden unter stetem Umrühren der Kalk
eingetragen, wird das Rühren noch 1 Stunde fortgesetzt und die Temperatur auf 30 bis
40° gehalten. Das Phenolcalcium wird hierbei zersetzt, es bildet sich Phenolnatrium
und schwefelsaurer Kalk, man läſst absitzen, der gebildete Gyps fällt zu Boden und
Phenolnatrium bleibt in Lösung. 70 bis 75 Proc. der Phenolnatriumlösung können
decantirt werden, der Rest von Gyps und Phenolnatrium wird in Filtrirapparaten
filtrirt, bezieh. ausgepreſst. Der Gyps wird mit 3000l heiſsem Wasser gewaschen und das Waschwasser dann wieder zum Lösen von
schwefelsaurem Natrium bei der nächsten Operation verwandt. Die Lösung von
Phenolnatrium wird in hohen cylindrischen Gefäſsen mit Kalkofengasen behandelt, bis
sie vollständig carbonisirt ist. Nach einigen Stunden schwimmen die Phenole als
ölige Schicht auf der Oberfläche, die untere Lösung enthält kohlensaures Natron. Die
Phenole läſst man in geeignete Gefäſse abflieſsen, und können dieselben von neuem
gebraucht werden. Die Sodalösung, welche noch etwa 1 Proc. Phenole enthält, wird
eingedampft, die sich ausscheidende Soda in gewöhnlicher Weise abgenommen. Da die
Sodalösung noch Phenol enthält, ginge dieses beim Calciniren verloren, durch Zusatz
von caustischem Natron in die Verdampfungspfanne wird dieser Verlust vermieden. Die
freien Phenole sind dann in Phenolate übergegangen, die sich beim Kochen nicht
zersetzen und nach dem Auskrystallisiren der Soda in der Mutterlauge bleiben. Diese
Mutterlaugen, enthaltend Soda, schwefelsaures Natron, Phenolate, Chlornatrium und
andere Verunreinigungen des ursprünglich angewandten schwefelsauren Natriums, werden
in den Kessel, in dem die Zersetzung des Phenolcalciums bewirkt wird, zugegeben,
wodurch die Anwendung eines Ueberschusses von Kalk und Phenolen ermöglicht und die
Wahrscheinlichkeit einer vollständigen Zersetzung des Phenolcalciums erhöht wird.
Der Kalküberschuſs bildet kohlensauren Kalk und die Phenole Phenolnatrium. Die
Gegenwart von freiem Kalke gegen Ende der Zerlegung verzögert das Absetzen und
Filtriren.
Die Lösung der Soda kann auch, statt eingedampft, in Bicarbonat verwandelt werden,
und zwar auf folgende Art. Man fügt zu der Lösung so viel schwefelsaures Natrium als
sich bei 34° löst und behandelt diese Mischung mit Kalkofengasen, erhält die
Temperatur auf 34°, dann scheidet sich Natriumbicarbonat als krystallinisches Pulver
ab. Die Sodalösung könnte auch ohne Zusatz von schwefelsaurem Natrium carbonisirt
werden, dabei bildet sich jedoch auch Sesquicarbonat, welches schwer von dem
Bicarbonate zu trennen ist. Sobald sich kein Bicarbonat mehr ausscheidet, wird das
Einströmen der Kalkofengase unterbrochen, das krystallisirte Bicarbonat
herausgenommen, mit wenig Wasser gewaschen und calcinirt, wobei, falls das
Calciniren in einem geschlossenen Ofen vorgenommen wird, die sich entwickelnde
Kohlensäure noch gewonnen werden kann.
Aus der Mutterlauge, welche beim Ueberführen in Bicarbonat in dem Kessel bleibt,
scheidet sich eine geringe Menge Phenole aus, die durch Decantation abgehoben werden
können; oder sie bleiben in der Mutterlauge, welche im geschlossenen Kochkessel
concentrirt wird, das Destillat, welches geringe Mengen Phenole enthält, wird dann
zum Löschen des Kalkes verwandt. Die concentrirten Mutterlaugen, enthaltend
kohlensaures und schwefelsaures Natron, werden dem kohlensauren Natron zugegeben,
welches in doppeltkohlensaures übergeführt werden soll, oder zu den Phenolaten vor
der Carbonisation gesetzt. Falls die Umsetzung des schwefelsauren Natriums in
Phenolnatrium nicht vollständig ist, wird es nöthig, das überschüssige schwefelsaure
Natrium aus den Mutterlaugen von Zeit zu Zeit auskrystallisiren zu lassen, das Salz
kann dann wieder zu Beginn des Prozesses verwerthet werden.
Bei Anwendung des Prozesses zur Darstellung von kohlensaurem Kali sind die
Mengenverhältnisse folgende:
1500k 90procentiges schwefelsaures Kali werden in
etwa 6500l Wasser gelöst und die Lösung auf 80 bis
90° erhitzt. Eine Mischung von etwa 1600l
Kalkmilch, enthaltend etwa 500k CaO, und 1600l destillirte Phenole läſst man unter beständigem
Rühren allmählich eintreten. Der Verlauf ist derselbe wie der bei der
Sodadarstellung beschriebene. Das Resultat wäre bei Annahme einer 95procentigen
Ausbeute: 1000k Potasche und 1600l Phenole, 66k
unzerlegtes schwefelsaures Kali, 1000k
schwefelsaurer Kalk oder 1260k Gyps mit
Verunreinigungen von Chlorkalium u.s.w. aus dem schwefelsauren Kali herstammend.
Statt eine Mischung von Kalkmilch und Phenolen herzustellen, kann auch die Kalkmilch
direkt zu der Lösung des schwefelsauren Natriums bezieh. Kaliums zugesetzt und die
Phenole dann für sich unter Umrühren eingetragen werden. Dies dürfte nach Stavely's Versuchen die beste Methode sein, oder man
läſst Kalkmilch und Phenole gleichzeitig in gesondertem Strome eintreten. Statt der
Phenole lieſse sich auch Phenolöl anwenden, selbstverständlich richtet sich die
erforderliche Menge nach dem Phenolgehalte des Oeles. Der Gebrauch von Phenolöl
bringt jedoch Nachtheil mit sich, denn es schwimmt auf der Oberfläche der
Phenolnatriumlösung in dem „Zerleger“ etwas Oel und ein Theil des
Gypsniederschlages bleibt mit Oel und Phenolnatrium untermischt. Es dürfte sich
daher empfehlen, nur so viel Phenolöle anzuwenden, als der Verlust an Phenol im
Laufe des Prozesses beträgt; der Preis der erforderlichen Phenole würde sich dann um
60 bis 70 Proc. vermindern.
Für eine Fabrikation von etwa 120t Soda die Woche
ergibt sich nach Stavely folgender Plan: Vier
Fünf-Tonnen-Ladungen würden in je 24 Stunden zerlegt und für jede Ladung wäre
erforderlich: 10000l destillirte Kresole, 10000l gesiebte Kalkmilch, etwa 2000l einer Lösung von schwefelsaurem Natrium,
enthaltend 7½t 95procentiges Salz. Diese Lösungen würden in zwei
„Zerlegern“ von etwa 4m Durchmesser und
3m Tiefe je zur Hälfte verarbeitet und die
Operation so eingerichtet, daſs jedesmal nach Beendigung einer Charge,
Absitzenlassen und Decantiren der Phenolate, der Gypsniederschlag mit den
zurückgehaltenen Phenolaten in dem Kessel bleibt. Eine neue Ladung schwefelsaures
Salz wird zugegeben, mit dem Gypse durchgerührt, nachdem der Gyps sich gesetzt, wird
die klare Lösung des Salzes und der Phenolate decantirt, in den anderen Kessel
gepumpt und hier mit einer neuen Ladung Phenolcalcium umgesetzt. Der gebildete Gyps
ward auf Filtern oder Filterpressen gewaschen, wie oben angegeben, und zwar mit etwa
der 1½ fachen Menge seines Gewichtes Glaubersalz-Lösung und etwa der 2 fachen Menge
heiſsem Wasser.
Es wären erforderlich: Phenolkessel von 70 bis 90000l Rauminhalt, alte Dampfkessel würden dazu sehr geeignet sein. Zwei
Pfannen für die Kalkmilch, jede etwa 15000l
fassend, mit Rührwerk und Sieben versehen, zwei Pfannen zur Aufnahme des
Phenolcalciums von etwa je 10000l Inhalt, zwei zum
Lösen des schwefelsauren Salzes von je 20000l
Inhalt, drei mit Rührwerk versehene Zerleger, sechs Carbonisatoren von etwa 2m,5 Durchmesser und 6m Tiefe. Filterlager mit Saugvorrichtungen oder zwei Filterpressen nach
Johnson, welche innerhalb 24 Stunden 30t Gypsschlamm waschen könnten, Verdampfungspfannen
für 100000l in 24 Stunden, Calciniröfen zum
Calciniren von 20t Salz in 24 Stunden, zwei
Luftpumpen je 1000 bis 1500cbm Gas in der Stunde
pumpend; ferner Dampfkessel und Pumpen für die verschiedenen Lösungen, und
wünschenswerth wären auch für den Fall von Störungen Reservekessel für Phenolnatrium
und Soda.
Die wichtigste Frage bei dem Prozesse ist der Verlust an Phenolen, derselbe kann
zweifach sein. Es können Phenole in der Sodalösung gelöst bleiben und beim Einkochen
mit dem Wasserdampfe fortgehen, doch nur theilweise, denn auch beim Eindampfen zur
Trockne bleiben noch Spuren Phenole zurück. Zur Vermeidung dieses Verlustes soll der
bereits erwähnte Zusatz von kaustischem Alkali zur Bildung von Phenolaten
hinreichen; die Phenolate bleiben dann in der Mutterlauge, die von neuem im ersteh
Theile des Prozesses verwerthet wird; es würde sich dann nur darum handeln, daſs die
abgehobenen Salze nach dem Trocknen noch Spuren Phenolate enthalten. Oder: die
Sodalösung kann vortheilhaft in Apparaten concentrirt werden, bei denen die Hitze
der Condensation ausgenutzt und die im Destillate sich findenden Phenole zum Löschen
des Kalkes oder zur Lösung des schwefelsauren Natrons verwendet werden.
Der zweite Verlust an Phenol, und dieser ist der wichtigste, wird dadurch eintreten,
daſs der Gypsniederschlag Phenolnatrium mitreiſst; durch das Anrühren dieses
Niederschlages mit der 1½ fachen Menge heiſser schwefelsaurer Natronlösung und
Waschen auf den Filtern mit der doppelten Menge Wasser kann auch dieser Verlust sehr
herabgesetzt werden. Stavely schätzt den Gesammtverlust
an Phenolen auf etwa 100l für 1t fabricirte Soda und ist der Meinung, derselbe
könne schlieſslich auf 50l herabgedrückt
werden.
Ueber die Kosten sagt Stavely: Das erforderliche Phenol
könnte von Bairds in Gartscherrie für etwa 15 Pf. das
Liter bezogen werden – diese Firma könnte allein 2 Millionen Liter jährlich liefern
–; kämen Phenolöle nach oben erwähnter Art zur Anwendung, so stellte sich der Preis
auf etwa 8 Pf. das Liter.
Der Leblanc-Sodaprozeſs erfordert für 1t Soda 2t Kohlen
im Werthe von 9 M. und Kalkstein für 4,5 M., das Verfahren von Stavely 560k Kalk für
6 M. und 100l Phenole für etwa 8,5 M., in Summa
also 13,5 und 14,5 M. Beim Leblanc-Prozesse dient die
Hitze der Schmelzöfen zur Verdampfung der Sodalösungen, hier wären 4 bis 5t Wasser zu verdampfen, es würden aber auch
wahrscheinlich 10 Proc. mehr Salz als bei dem Leblanc-Prozesse erhalten werden, wodurch die Kosten der Extrafeuerung sich
decken. Die Kosten des Calcinirens sind in beiden Fällen dieselben, ebenso die
Kosten der Zerlegung und folgenden Auslaugung und die theilweise Carbonisirung nach
Leblanc und die Kosten der Zerlegung, Filtration
und Carbonisirung des neuen Verfahrens. Der Leblanc-Prozeſs biete noch den Vortheil der etwaigen Wiedergewinnung des
Schwefels aus den Rückständen, jedoch auch hier könnte vielleicht aus dem Gypse noch
Nutzen zu ziehen sein. Derselbe könnte nach dem Trocknen als Desinfectionspulver
Verwendung finden, in welchem Falle das Waschen mit Natronlösung ausreichend und das
weitere Waschen, wie oben angegeben, unnöthig wäre. Vielleicht wäre auch gemäſs der
Reaction: MgCO3 + CaSO4 = MgSO4 + CaCO3 eine Ausnützung ausführbar. Statt Kalk schlägt Stavely calcinirten Dolomit vor, der Niederschlag würde dann
Magnesiahydrat und Gyps enthalten, und wenn in Wasser suspendirt, bei der
Carbonisirung schwefelsaure Magnesia und kohlensauren Kalk liefern. Die
schwefelsaure Magnesialösung könnte mit Kochsalzlösung gemischt und umgesetzt und
aus der Mischung durch Auskrystallisiren schwefelsaures Natron erhalten werden,
welches dann gemäſs obigen Verfahrens in Soda übergeführt wird; das Chlormagnesium
könnte nach Peschiney-Weldon zur Chlordarstellung
gebraucht werden. Das zurückbleibende Magnesiumhydrat, mit obigem Gypsniederschlage
gemischt, fände von neuem Verwendung, wodurch die Anwendung von Dolomit nur auf den
Ersatz der bei der Operation mechanisch verloren gehenden Magnesia beschränkt würde.
Auch würde statt des schwefelsauren Natrons das Abwasser der Kupferwerke anwendbar
sein, welches hauptsächlich aus Eisenchlorid, Chlornatrium und schwefelsaurem Natron
besteht (Journal of the Society of Chemical
Industrie, December 1888).
P.
Behrend.