Titel: | Richtigstellung der in bisheriger Fassung unrichtigen mechanischen Wärmetheorie und Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Aetherbewegungen; von v. Miller-Hauenfels. |
Autor: | v. Miller-Hauenfels |
Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 204 |
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Richtigstellung der in bisheriger Fassung
unrichtigen mechanischen Wärmetheorie und Grundzüge einer allgemeinen Theorie der
Aetherbewegungen; von v. Miller-Hauenfels.Wien 1889. Verlag von Manz.
Miller-Hauenfels' Theorie der Aetherbewegungen.
Verfasser erklärt es in der wie vorstehend betitelten Studie als eine willkürliche
Annahme, daſs die innere Wärme bloſs von dem Anfangsund Endzustande eines Körpers
abhänge, indem er die Unzulässigkeit speciell bei den Gasen durch Gegenüberstellen
der Resultate nachweist, welche entweder aus der Theorie gefolgert oder durch das
Experiment gewonnen wurden. Bei der Aufstellung eines neuen Ausdrucks für die innere
Wärme bemerkt der Verfasser, daſs wir bei der Erwärmung des constanten Volumens
eines Gases zweierlei wahrnehmen: Erstens eine Erwärmung unserer Hand und zweitens ein Wachsen der
Spannung. Dann fährt er fort: „Da hier deutlich zweierlei Wirkungen auf dasselbe
Sinnesorgan (das Gemeingefühl, zugleich Tastsinn) erfolgen, so werden wir auch
nothwendig annehmen müssen, daſs jede derselben ihren besonderen Energieaufwand
erfordere.“ Verfasser nimmt daher an, daſs stets ein und dieselben Nerven
Temperatur und Druck empfinden, während dies von medicinischer Seite nicht als
allgemein gültig betrachtet wird. Diesen Einwand ahnt der Verfasser selbst, da er am
Schlusse des ersten Theils in einem Anhange darauf zurück kommt, indem er trotz
dieses Einwandes die doppelte Energieannahme zu rechtfertigen sucht.
In der allgemein mathematischen Ausdrucksweise für das Wärmeincrement ist die
Temperatur vernachlässigt, weil bei ihrer Aufstellung die bisherige Voraussetzung
einer allgemein gültigen Abhängigkeit zwischen Temperatur, Druck und Volumen; zu
Grunde gelegt wurde. Diese Vernachlässigung sei unstatthaft, weil sie in einem
besonderen Falle mit der Erfahrung im Widerspruche stehe, auch werde man unter
obiger Annahme auf allgemein nicht integrabele Werthe geführt.
Vorläufig sieht der Verfasser von jeder Annahme über den Bau der Moleküle und deren
inneren, uns unsichtbaren Bewegungsweise ab und faſst die durch die Wärme an den
Körpern hervorgebrachten Erscheinungen einfach nur als das Ergebniſs anziehender und
abstoſsender Kräfte auf. Nunmehr werden die Unterschiede zwischen der Massen- und
Molekularanziehung hervorgehoben und darauf der Nachweis geliefert, daſs die
Molekularanziehung und ihre Unterarten, insbesondere die Krystallisation ebenfalls
dem Gesetze für Centralkräfte unterliegen.
Die eigenartige Aufstellung der allgemeinen Temperaturgleichung fühlt selbst der
Verfasser, indem er sagt: Allfällige Zweifel gegen die Richtigkeit dieser Formel
werden dadurch behoben, daſs sich dieselbe später aus der allgemeinen Wärmegleichung
ableiten lasse. Letztere erleidet je nach dem Aggregatzustande gewisse Kürzungen.
Absichtlich wurde die sogen. absolute Temperatur vermieden, weil dieser Begriff nur
für Gase zulässig sei und in diesem Falle als Verdampfungstemperatur eines als
vollkommen gedachten Gases zu bezeichnen wäre.
Bei den Gasen ergibt sich die Abweichung von dem Mariotte'schen Gesetze als eine Zusammenwirkung dreier Kräfte, der Massen-
und Molekularanziehung und der Cohäsionskraft.
Die Ausdehnungscurven, d.h. die Beziehung zwischen Volumen und Temperatur, bestehen
nach des Verfassers Ableitungen bei Gasen und Flüssigkeiten aus Hyperbelzweigen, bei
starren Körpern jedoch aus einem Parabelstück. – Bei dem Versuche, ein Bild von der
Temperaturfunction in den drei Aggregatzuständen zu erhalten, dehnt der Verfasser
das Dulong-Petit'sche Gesetz der constanten Atomwärme
bei starren Körpern zunächst auf Gase aus und findet hier als Constante 3,431,
welche Zahl mit Rücksicht auf die von ihm aufgestellte Formel für die specifische Wärme bei
constantem Drucke der Wahrheit näher komme als die Zahl 6,... welche für starre
Körper gefunden worden ist. Auch bei den Flüssigkeiten gelte das Gesetz der
constanten Atomwärme, das sich aber direkt nicht erkennen lasse, weil das zweite
Glied in der soeben erwähnten Formel zu sehr vorherrsche. Es bestehe demnach kaum
mehr ein Zweifel, daſs das Gesetz der constanten Atomwärme ein wirkliches
Naturgesetz sei, und es sei sehr wahrscheinlich, daſs die Temperaturfunction einen
für alle Körper und alle Aggregatzustände gemeinsamen Bau besitze. Die Ursache des
eigenthümlichen Verhaltens bei Aenderung des Aggregatzustandes, wie es sich in
Ueberschmelzung u.s.w. zu erkennen gibt, ist in dem Bestreben zu suchen, dem
Temperaturgesetze um jeden Preis gerecht zu werden.
Nachdem noch einmal ausdrücklich hervorgehoben worden ist, daſs die Cohäsion bei
jedem der drei Aggregatzustände einen positiven Werth besitze, wird die Frage
ventilirt, ob denn in der Schöpfung nicht auch ein „Etwas“ existiren könnte,
bei welchem die Cohäsion negativ wäre. Ein solches Gebilde, welches sich im Weltall
körper- und umfanglos verbreiten muſs, ist in dem Aether repräsentirt. Nunmehr wird
der feste Boden der naturwissenschaftlichen Erkenntniſs völlig verlassen. Der
zweite, gröſsere Theil des Buches ist lediglich eine mathematischphilosophische
Ausarbeitung der Grundzüge einer allgemeinen Theorie der Aetherbewegungen. So
interessant auch dieser Theil ist, so würde hier ein näheres Daraufeingehen zu weit
führen, zumal es sich schlieſslich doch nur um ein „Glauben oder
Nichtglauben“ handeln kann. Momentan müssen wir unsere gröſsere
Aufmerksamkeit noch dem ersten Theil des Buchs zuwenden. Erst wenn hier eine völlige
Einigung stattgefunden hat, sind wir berechtigt, weiter zu gehen, um dem rascheren
Gedankenfluge des Verfassers zu folgen.
So oft wir auch den ersten Theil des Buchs betrachten, immer kommen wir wieder auf
die erste Hypothese zurück und können uns mit derselben bis jetzt noch nicht ganz
befreunden, zumal die oft eigenartige Ableitung specieller Formeln an einigen
Stellen den Eindruck macht, als ob das Resultat nur erreicht worden wäre, weil es
schon vorher bekannt war. – Wenn wir demnach nicht vollständig mit dem Verfasser
einverstanden sind, so sei damit sein Verdienst in keiner Weise geschmälert, die
mechanische Wärmetheorie von einer neuen, allgemeineren Seite aus betrachtet zu
haben, was für die Theorie selbst nur fruchtbringend ist, indem dadurch neue
Gedanken angeregt werden.