Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Fundstelle: | Band 273, Jahrgang 1889, S. 513 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
Patentklasse 89.
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Bekanntlich hatte N. Rillieux im J. 1878 am 20. Februar
ein Reichspatent (Nr. 3852) auf einen „Vacuumverdampfapparat unter Anwendung von mehr als drei Körpern für
Zuckersäfte und anderen Flüssigkeiten“, sowie (vom 14. Januar ab) im J. 1881
das Reichspatent Nr. 15569 (abgedruckt mit den 11 Patentansprüchen in Stammer's Lehrbuch der
Zuckerfabrikation, 2. Aufl. S. 825 ff.) auf „Neuerungen an
Vacuumkochapparaten für Zuckersäfte und andere Flüssigkeiten“ erhalten.
In Folge der vielfachen Belästigungen, welche den Zuckerfabrikanten hierdurch
erwuchsen, erhob F. Walkhoff in Magdeburg die
Nichtigkeitsklage in Betreff der wesentlichsten obiger Patentansprüche, und das
kaiserl. Patentamt hat durch Entscheidung vom 29. November 1888 das latent Nr. 3852
eingeschränkt, sowie das Patent Nr. 15569 in Bezug auf die Ansprüche 2 und 3
vernichtet.
N. Rillieux hat gegen dieses Urtheil beim Reichsgericht
Berufung Angelegt, und zwar in Bezug auf die Einschränkung des Patentes Nr. 3852 und
auf die Vernichtung des Anspruches 2 des Patentes Nr. 15569.
In der Sitzung vom 1. Juni 1889 hat jedoch das Reichsgericht, erster Civilsenat, die Entscheidung des Patentamtes vom W. November 1888
bestätigt
und die Kosten des
Berufungsverfahrens dem Berufungskläger auferlegt.
Hierdurch ist, auch nach dem Zugeständnisse Rillieux',
endgültig entschieden, daſs dessen Patentansprüche auf die Verwendung gespannter
Dämpfe, sowie auf die alternirende Brüdenentnahme zu Verkochzwecken nicht als
patentfähig im Sinne der deutschen Patentgesetzgebung zu erachten sind.
Indem hier auf die Besprechung des sogen. Rillieux-Verfahrens in Stammer's oben genannten
Lehrbuch S. 776, 825 und 834 verwiesen wird, mag noch mitgetheilt werden, daſs F. Walkhoff in einem Rundschreiben vom Juli 1889 den
Wortlaut der Entscheidung des Reichsgerichtes mit der Begründung veröffentlicht und
genau angegeben hat, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Patente auf die einzelnen
Formen der Mehrverdampfkörper bezieh. die mehrfache Benützung der Wärme ertheilt
worden sind. Es wird nun endgültig die Zuckerindustrie nicht weiter durch Ausnutzung
von zu Unrecht ertheilten Patenten beunruhigt werden, und es können nun nicht mehr,
wie in den letzten Jahren, die Verdienste anderer Erfinder herabgewürdigt und die
Urheberschaft für Verdampfeinrichtungen unrechtmäſsiger Weise in Anspruch genommen
werden.
J. Hyros in Böhm.-Brod berichtete über den neuen Kasalovsky'schen Vacuumverkochapparat für continuirlichen Betrieb (Oesterreichisch-Ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie, Bd. 18 Heft 2
* S. 203). Dieser Apparat besteht aus zwei oder mehreren Abtheilungen, selbständigen
Vacuums, und ist zu dem Zwecke abgetheilt, um bei Brüdendampf-Beheizung eine
continuirliche Verkochung bezieh. eine ununterbrochene Entnahme der Dämpfe aus den
Verdampfapparaten zu bewirken, also eine höhere Wirkung der letzteren zu erzielen.
Gleichzeitig gewährt die ununterbrochene Verkochung auch den Vortheil einer
rationellen Ausnützung der Heizfläche des Vacuumapparates.
Wie allgemein bekannt ist, muſs man im gewöhnlichen Vacuum zuerst auf Kornbildung
verkochen, was in der Weise geschieht, daſs man den unteren Theil des Vacuums mit
Dicksaft füllt und so lange mit dem untersten Theile der Heizfläche kocht, bis sich
das nöthige Korn gebildet hat. Dabei wird, wie begreiflich, der gröſste Theil der
Heizfläche durch längere Zeit gänzlich auſser Betrieb gelassen.
Beim Kasalovsky'schen Vacuum ist dies nicht der Fall, da
sich stets in einer der Abtheilungen ein mit Korn durchsetzter Saft vorfindet, so
daſs ein bestimmtes Quantum von diesem in den unteren Theil der eben entleerten
Abtheilungen abgelassen werden kann, und es auf diese Weise möglich ist, beide
Heizkammern bezieh. die ganze Heizfläche der betreffenden Abtheilung sofort in
Thätigkeit zu setzen, wenn man zuvor noch frischen Dicksaft nachgezogen hat.
Es ist klar, daſs man mit einem solchen Vacuum unter sonst gleichen Umständen eine gröſsere
Leistung zu erreichen vermag, bezieh. daſs man bei derselben Leistung mit Dampf
niedrigerer Temperatur, welcher billiger zu beschaffen ist als der einer höheren
Temperatur, sein Auskommen findet.
Das Kasalovsky'sche Vacuum mit continuirlichem Betriebe
gewährt in Hinsicht auf die Art der Verkochung bezieh. der Kornbildung wenigstens
dieselben Vortheile wie andere groſse Vacuums, die ebenfalls, wie dieses, darauf
berechnet sind, den Sud weit längere Zeit hindurch andauern zu lassen, als es bei
den alten Apparaten der Fall ist, wo mangels Heizfläche und Raum der Sud in einigen
Stunden bei Anwendung von hochgespanntem Dampfe beendigt sein muſs.
Dieses Vacuum bietet nach dem Berichterstatter folgende Vorzüge:
1) Eine continuirliche Verwerthung der von den Verdampfapparaten kommenden
Brüdendämpfe zur Beheizung des Verkochapparates durch die ununterbrochene
Verkochung, daher eine günstigere Wirkung und eine gleichmäſsigere Arbeit der
Verdampfanlage;
2) eine ökonomische Ausnützung der Brüdendämpfe mittels des Strahlapparates, da
Dämpfe niedriger Ordnung vorwiegend Verwendung finden;
3) eine rationellere Benützung der Heizfläche und eine leichtere Wartung der
Kocharbeit durch das Ueberziehen des mit Korn durchsetzten Saftes aus einer
Abtheilung in die andere;
4) die leicht mögliche Vergröſserung des Vacuums durch Zustellung einer oder mehrerer
Abtheilungen zu den vorhandenen zu dem Zwecke, um entweder von Retourdämpfen auf
Brüdendämpfe zu übergehen oder um die Leistung zu erhöhen;
5) die kurze, daher sichere Lagerung der Heizrohre, die kleinen Dampfkammern (gegen
Bruch), die Versteifung des ganzen Körpers durch die Scheidewände, als auch die
rasche Entleerung des Sudes;
6) wegen abtheilungsweisen Ablassens kleinerer Raum- bezieh. Pfannenbedarf für die
entleerte Füllmasse, oder die Möglichkeit, mit einem kleinen Kühler
auszureichen.
Ein anderes Vacuum ist von Samuel Morris Lillie in Philadelphia construirt worden (* D. R. P. Nr.
46377).
Diese Erfindung betrifft eine Vereinigung mehrerer, eine besondere Construction
besitzender Verdampfer zu einem Mehrkörpersysteme, ferner eine Reihe von
Oberflächenheizern, welche in Verbindung mit dem Mehrkörpersysteme angeordnet sind
und in der Weise arbeiten, daſs ein Theil der von den verschiedenen Verdampfern
ausgehenden Dämpfe zum Heizen entweder einer einzigen, von dem kältesten zu dem
wärmsten Heizer übergehenden Flüssigkeit oder mehrerer in den verschiedenen Heizern
untergebrachten Flüssigkeiten dient.
Die Patentansprüche lauten:
Ein Verdampfapparat, bei welchem nachstehende Einrichtungen gleichzeitig vorhanden
sind:
a) Zwei oder mehr Verdampfer 1, 2..., von welchen jeder
eine Sammelkammer P an seinem Boden, eine mit Rohren
und einer für diese Rohre dienenden Zuführungsvorrichtung G und Dampfabführungsrohren ausgestattete Heizkammer und ein die
Verdampfer verbindendes Dampfrohr erhalten hat, um ein Mehrkörpersystem zu
bilden;
b) die Anordnung von Rohren, welche die Kammer P des
einen Verdampfers mit der Zuführungsvorrichtung G
desselben und des nächsten Verdampfers verbinden, zu dem Zwecke, durch eine Pumpe
oder gleichwerthige Mittel die Flüssigkeit entweder nach demselben oder nach dem
nächsten Verdampfer überzuführen;
c) Oberflächenheizer, von welchen einer zu jedem Verdampfer gehört, und welche mit
einander durch Flüssigkeitsrohre verbunden sind und mit Dampf von den verschiedenen
Verdampfern versehen werden, in Combination mit einem Zuführungsrohre an dem ersten
und einem Enleerungsrohre an dem letzten Heizer.
Das neue Seyferth'sche Reinigungsverfahren für Rohzucker, das sogen. Paraffinerieverfahren,
beruht (v. Lippmann, Chemiker-Zeitung, Bd. 13 Nr. 61 S.
995) nach einer Beschreibung, die Dr. Cunze, der
Direktor der Zuckerfabrik Waghäusel, gelegentlich der
Prüfung desselben gab, auf der Anwendung von Paraffinöl (vom Siedepunkte 220 bis
250°). Rohzuckerfüllmasse wird in der Centrifuge nach dem Abschleudern des Syrups
direkt mit einem breiten Strahle Paraffinöl ausgedeckt, welches den den Krystallen
noch anhaftenden Syrup so vollständig verdrängt, daſs eine Nachdecke mit Wasser
(Sprühregen unter Druck) entweder ganz unnöthig ist oder sich auf ein Minimum
beschränken läſst. Syrup und Oel laufen gemeinsam in einen Behälter, in welchem das
specifisch viel leichtere Oel rasch nach oben steigt, von dem schweren und darin
ganz unlöslichen Syrupe abgezogen wird und sofort wieder zu neuer Verwendung bereit
ist.
Den Zucker erhält man binnen 20 bis 30 Minuten in Gestalt fast weiſser und trockener
Waare, und zwar entspricht sein Gewicht fast quantitativ jenem des in der
ursprünglichen Füllmasse enthaltenen Krystallzuckers. Die Füllmasse wird also nicht
in mehr oder minder syruphaltigen Rohzucker und in Syrup zerlegt, sondern direkt in
Syrup und fast reinen Krystallzucker. Diesem haftet jedoch etwas Paraffinöl an,
dessen übler Geruch die sämmtlichen Rohproducte des Verfahrens zum direkten Consum
ungeeignet macht. Durch Auflösen und Kochen des Zuckers, also beim
Raffinationsprozesse, verliert sich aber dieser Geruch vollständig. Nach genauen
Versuchen mit entsprechenden Füllmassen und laut Berechnung, gemäſs den in Waghäusel
herrschenden Verhältnissen, würde die neue Methode für 100k Rohzuckerfüllmasse etwa 2,48 M., oder für 100k Rübe etwa 40 bis 50 Pf. Mehrertrag geben, wenn
man in beiden Fällen bestimmte, zu einer gewissen Zeit gültig gewesene Preise zu
Grunde legt.
Der zur Raffination bestimmte Rohzucker kann ebenfalls, trocken oder gemaischt
(eventuell mit durch Auflösen festen Paraffines verdicktem Oele), in Centrifugen
gefüllt und mit Paraffinöl ausgewaschen werden, wobei gleichfalls ein hoher
Prozentsatz fast reinen Krystallzuckers gewonnen wird, der als Einwurf für die
Verfeinerungsarbeit dient; der nöthige Deckzucker kann auf dem nämlichen Wege
hergestellt werden. Die Analyse zeigte, daſs von den Aschenbestandtheilen
vorzugsweise die Alkalisalze entfernt werden, indem z.B. das Verhältniſs derselben
zu den Kalksalzen von 100 : 5,6 auf 100 : 39,1 stieg. Dies ist jedoch deshalb
unbedenklich, weil die Knochenkohle gerade für die Kalksalze ein hohes
Absorptionsvermögen besitzt, und daher schlieſslich trotzdem aschenarme Füllmassen
gewonnen werden. Laut Versuch und genauer Berechnung liefern in Waghäusel 100 MC.
Rohzucker von 95,8 Proc. Pol. bisher 65,24 Proc. weiſser Waare, 28 Proc.
Nachproducte und 6 Proc. Melasse, während die neue Methode 86,22 Proc., 4,85 Proc.
und 8,25 Proc. der nämlichen Producte ergibt, so daſs statt 25 Proc. nur mehr 4
Proc. des Einwurfes wieder in den Arbeitskreislauf zurückgehen. Der reine Nutzen für
100k Rohzucker berechnet sich hiernach auf
1,26 M. bis 1,70 M.
Hiernach und durch den günstigen Ausfall gröſserer Versuche (mit einigen 100 Centner
Zucker) bewogen, hat die Zuckerfabrik Waghäusel die
sofortige Einführung des Seyferth'schen Verfahrens im
Groſsen beschlossen. Bei den dortigen Verhältnissen wird dies für die
Rohzuckerfabrik etwa 5 bis 6000 M., für die Raffinerie 100000 M. kosten. Die
Befürchtungen, daſs der Paraffingeruch des Zuckers nicht zu vertreiben sei, daſs das
flüchtige Paraffinöl groſse Verluste durch Verdunstung bedingen und feuergefährlich
sein werde, sowie daſs sich das Verfahren für geringere Rohzucker und Nachproducte
überhaupt nicht eigne, sollen nach den bisherigen Versuchen unbegründet sein; doch
bedürfen diese Momente jedenfalls noch der genaueren Prüfung im Groſsbetriebe.
Das Steffen'sche Auslaugeverfahren dagegen (vgl. 1888 269 377)
zerlegt Rohzucker oder Füllmassen gleichfalls durch Auswaschen in weiſse Waare und
Syrup, bedient sich jedoch hierzu bloſs wässeriger Zuckerlösungen verschiedener
Reinheit unter Anwendung des Gegenstromprinzipes. In Rübenzuckerfabriken wird direkt
die Füllmasse ausgewaschen, in Raffinerien aber auſserdem noch der Rohzucker
vorgereinigt und dann entweder dem üblichen Verfeinerungsprozesse zugeführt, oder in
Form von Füllmasse nochmals dem Waschverfahren unterworfen. Zur Ausführung dieses
letzteren dienen sogen. Wannen, welche 8 bis 10 Centner fassen, den beim
Strontianitverfahren gebräuchlichen Nutschen nachgebildet und einzeln oder zusammen
mit Luftpumpen verbunden sind. Die Füllmassen bezieh. die Rohzucker (letztere
eventuell eingemischt) werden in dünner Schicht in die Wanne gebracht und dann
systematisch mit 16 bis 32 einzelnen Antheilen Syrup von immer steigender Reinheit ausgewaschen,
indem man jede derselben für sich aufbringt, sie mit Hilfe der Luftleere die Masse
durchdringen läſst und dann wieder für sich auffängt. Bei vollem Betriebe wäre der
Idealzustand erreicht, wenn die ersten Lösungen als Melasse abflössen, die
folgenden, von langsam steigender Reinheit, bei der nächsten Arbeit als Vordecken
Verwendung finden könnten, und die letzten Lösungen aus reiner, neu in Betrieb
genommener Deckkläre beständen, so daſs schlieſslich weiſser, mit reiner Deckkläre
durchtränkter Krystallzucker zurückbliebe. In der Praxis kann dies natürlich nicht
erreicht werden. Weder besteht der ausgewaschene Zucker (das sogen. Waschgut) bloſs
aus feuchtem Zucker, noch findet die Trennung vom Syrupe so quantitativ statt, daſs
als anderes Endproduct wirkliche Melasse erzielt wird. Man erhält vielmehr Syrupe
von 70 und mehr Quotient, aus denen noch 1 bis 2 Nachproducte gekocht werden können,
und Waschgut von sehr hoher, aber nicht absoluter Reinheit. Die Dauer des
Waschprozesses beträgt 12 bis 16 Stunden und mehr, wobei jedoch sehr viel auf die
Güte und gleichförmige Beschaffenheit des Rohmaterials ankommt.
Was die Verarbeitung von Rübenfüllmassen anbelangt, so hat das Verfahren noch die
Feuerprobe zu bestehen, insbesondere liegen über das Verhalten geringer Füllmassen
(ohne Einwurf hergestellt) keine genügenden Erfahrungen vor. Für den Betrieb hat es
sich indessen als sehr wichtig herausgestellt, möglichst gleichmäſsig
zusammengesetzte und in gleichbleibender Korngröſse gekochte Füllmassen anzuwenden,
da das Auswaschen, das sonst leicht und ohne besondere Schwierigkeit erfolgt,
anderenfalls unangenehmen Störungen ausgesetzt ist. Für den Raffineriebetrieb gilt
dasselbe bezüglich der Rohzucker; je gleichmäſsiger deren Korn und deren
Zusammensetzung ist, desto glatter geht das Auswaschen von statten, während die
Behandlung ungleichförmiger Mischungen schwierig, zuweilen selbst unmöglich, oder
mindestens unrationell ist. Bis zu gewissem Grade kann man sich indessen durch
vorheriges Einmaischen der Rohzucker, sowie durch Sieben oder Sortiren helfen.
Das Auswaschverfahren ist bereits in einer Anzahl von Raffinerien eingeführt, war
jedoch in der eben zu Ende gehenden Campagne meist nur kurze Zeit in Betrieb, theils
technischer Gründe wiegen, theils weil die Arbeit in Folge der Marktverhältnisse
frühzeitig eingestellt wurde. Man wird daher über dieses, sowie auch über Seyferth's Verfahren jedenfalls erst im Laufe der
kommenden Campagne genauere Aufklärung erhalten können und Klarheit darüber
gewinnen, in welchem Umfange der Groſsbetrieb die gehegten ganz auſserordentlichen
Erwartungen bestätigt und die hohen Patent- und Anlage-Kosten gerechtfertigt
erscheinen läſst.
Die Bestimmung der Raffinose in Rohzuckern (vgl. 1888
270 227) wird nach Th.
Breyer (New York) in Amerika folgendermaſsen (Chemiker-Zeitung,
Bd. 13 Nr. 35 S. 499)
auf etwas abgekürztem Wege ausgeführt: Die Zuckerlösung wird nach vollendeter
Inversion durch Einstellen in kaltes Wasser rasch abgekühlt und dann in dem Raume,
wo sie polarisirt werden soll, für einige Stunden sich selbst überlassen. Nach
genauem Auffüllen bis zur Marke und vielleicht nothwendigem Entfärben mittels 0g,2 bis 0g,5 mit
Salzsäure ausgezogener und getrockneter Knochenkohle wird durch ein gut bedeckt zu
haltendes Filter in einen bedeckten Cylinder filtrirt. Die Lösung wird zum
Polarisiren in ein Glasrohr gefüllt, das ein weites Ansatzrohr für das Thermometer
hat.
Aus der Polarisation vor und nach der Inversion und der Thermometerablesung wird der
scheinbare Rohrzuckergehalt nach Clerget's Formel
berechnet. Ergibt sich eine Differenz von 0,5 oder darüber, so ist die Anwesenheit
von optisch activen Substanzen neben Rohrzucker als erwiesen zu erachten. Ist der
nach Clerget's Formel gefundene Rohrzuckergehalt
geringer als die direkte Polarisation, und sind keine Fehling'sche Lösung reducirenden Substanzen vorhanden, so wird der wahre
Rohrzuckergehalt nach folgender Formel, die eine Combination von Clerget's und Creydt's
Formeln ist, berechnet. Die Differenz aus der so gefundenen Rohrzuckerzahl und der
direkten Polarisation wird als von einem Gehalte an Raffinose herrührend angesehen
und demgemäſs berechnet.
Rohrzucker
Raffinose
A. Direkte Polarisation
+ 100
+ 100
B. Pol. nach der Inversion bei t°
-\left(44-\frac{t}{2}\right)
+ 50,7
C. Differenz für je 1° Ursprung- licher
Polarisation
\frac{100+44-\frac{t}{2}}{100}
0,493
Z Proc. Rohrzucker
R Proc. Raffinose
1)\ A=Z+1,85\,R.
2)\
C=\frac{100+44-\frac{t}{2}}{100}\,Z+1,85\,R\,\times\,0,493.
3)\ 0,493\,A=0,493\,Z+1,85\,R\,\times\,0,493.
(2-3)\,C-0,493\,A=\frac{144-\frac{t}{2}}{100}\,Z-0,493\,Z.
Z=\frac{C-0,493\,A}{\frac{100-\frac{t}{t}}{100}-0,493}=\frac{C-0,493\,A}{F_t}
R=\frac{A-Z}{1,85}
Ft wird aus
nachstehender Tabelle entnommen.
Tabelle für F_t=\frac{144-\frac{t}{2}}{100}-0,493.
t
Ft
t
Ft
t
Ft
t
Ft
15,0
0,8720
20,0
0,8470
25,0
0,8220
30,0
0,7970
15,5
0,8695
20,5
0,8445
25,5
0,8195
30,5
0,7945
16,0
0,8670
21,0
0,8420
26,0
0,8170
31,0
0,7920
16,5
0,8645
21,5
0,8395
26,5
0,8145
31,5
0,7895
17,0
0,8620
22,0
0,8370
27,0
0,8120
32,0
0,7870
17,5
0,8595
22,5
0,8345
27,5
0,8095
32,5
0,7845
18,0
0,8570
23,0
0,8320
28,0
0,8070
33,0
0,7820
18,5
0,8545
23,5
0,8295
28,5
0,8045
33,5
0,7795
19,0
0,8520
24,0
0,8270
29,0
0,8020
34,0
0,7770
19,5
0,8495
24,5
0,8245
29,5
0,7995
34,5
0,7745
35,0
0,7720
Gegen diese Art der Berechnung würde nun einzuwenden sem, daſs dabei die von Creydt für die Temperatur 20° C. und die Concentration
16,575 festgestellte Drehungsconstante der invertirten Raffinoselösung bei anderen
Temperaturen und Concentrationen als gültig angenommen wird. Dem ist das Folgende zu
entgegnen.
Die Producte der Inversion der Raffinose sind Lävulose, Galaetose und vielleicht
Dextrose.
Der Einfluſs der Concentration wird auch in Creydt's
Formel vernachlässigt. Derselbe wird aber, wie aus Meissl's Formel für die spec. Drehung der Galactose hervorgeht, nur ein
geringer sein können. Da nach der Inversion noch eine bedeutende Rechtsdrehung
bestehen bleibt, und da die Galactose für mittlere Temperaturen nur wenig stärker
nach rechts als die Lävulose nach links dreht, so muſs mehr Galactose als Lävulose
vorhanden sein. Die Rechtsdrehung der Galactose und die Linksdrehung der Lävulose
werden durch Temperaturerhöhung erniedrigt. Die Drehungsänderungen heben sich also
theilweise auf. Der Einfluſs der Temperatur auf das Drehungsvermögen der Galactose
ist geringer als auf das der Lävulose, andererseits ist aber mehr Galactose als
Lävulose vorhanden. Aus diesem Grunde wird man nicht sehr fehl gehen, wenn man
annimmt, daſs sich die durch Temperaturänderungen hervorgebrachten
Drehungsänderungen nahezu aufheben.
Der direkte Versuch bestätigt die vorstehende Annahme. Die Drehung einer invertirten
Raffinoselösung ist bei niederer Temperatur geringer als bei höherer, ist aber bei
Weitem nicht in dem Maſse, wie die Drehung einer invertirten Rohrzuckerlösung, von
der Temperatur abhängig. Da die Rohrzucker verhältniſsmäſsig wenig Raffinose
enthalten, so kann die für die Temperatur nöthige Correctur innerhalb gewisser
Grenzen vernachlässigt werden.
Die vorstehende Abänderung des Creydt'schen Verfahrens
war für New Yorker Verhältnisse darum angezeigt, weil bei der dort im Sommer oft
sehr hohen Temperatur und dem dabei sehr hohen Feuchtigkeitsgehalte der Luft die Polarisation bei
20° C. nur mit groſsen Schwierigkeiten in Folge des Beschlagens der Deckgläser
auszuführen ist. Auſserdem erlaubt diese Abänderung selbstverständlich ein rascheres
Arbeiten.
T. L. Phipson berichtete (Chemical News, Bd. 59 S. 255) über die Gegenwart von Zinn in gewissen
Zuckern (über Zusatz von Zinnsalze bei der Zuckerfabrikation vgl. 1886 259 322), den Einfluſs des Zinnes auf die Gesundheit und
ein Mittel zu seiner Entdeckung.
Eine Dame, die den sogen. Demerara-Zucker in ihrem Haushalte verwandte, hatte heftige
kolikartige Diarrhöe bei dessen Genuſs bekommen, die sofort ausblieb, als der
Gebrauch dieses Zuckers ausgesetzt wurde. Auch die Dienerschaft der Dame hatte sich
gegen den Genuſs des Zuckers gesträubt, wiewohl er von sehr angenehmem aromatischen
Geruch und sehr süſsem Geschmack ist; die Farbe ist goldgelb. Bei der Untersuchung
auf Metalle, die vorgenommen wurde, indem eine gröſsere Menge des Zuckers in Wasser
gelöst, ohne Filtration mit Salzsäure und Schwefelwasserstoff versetzt und dann
mindestens 48 Stunden im verschlossenen Gefäſs stehen gelassen wurde, ergab sich ein
ziemlich reichlicher Niederschlag von Schwefelzinn, der einer Menge von 0,04 Proc.
Zinnoxyd entsprach. Auſser dem Zinn war von fremden Substanzen nur noch etwas
Glycose und 2,7 Proc. einer aus Kalk, Eisenoxyd und Kalkphosphat bestehenden Asche
in dem Zucker vorhanden. Verfasser hatte selbst früher angegeben, daſs ein sehr
kleiner Zusatz von Zinnchlorid, der vielfach angewandt wird, um dem Zucker eine
goldgelbe Farbe zu geben, nicht schädlich sei, kann aber diese Ansicht nicht mehr
für die, wie es scheint, jetzt ausgiebigere Verwendung von Zinnchlorid aufrecht
erhalten, zumal nach den Untersuchungen von Ungar und
Bodländer bewiesen ist, daſs durch die Aufnahme von
Zinn in den Organismen nicht nur akute, sondern bei fortgesetzter Einführung kleiner
Mengen chronische Vergiftungen, die selbst zum Tode führen, bewirkt werden. Bei der
groſsen Verwendung des Zuckers ist die Gefahr vorhanden, daſs durch Aufspeicherung
auch kleiner, täglich mit demselben aufgenommener Mengen Zinn eine ernstliche
Gesundheitsstörung bewirkt werde, und Verfasser hält es deshalb für rathsam, bei
Zuckeruntersuchungen, die im hygienischen Interesse vorgenommen werden, auf die
Gegenwart von Zinn besonders zu prüfen.
Die Verwendung des „flüssigen Fruchtzuckers“, d.h. des jetzt fabrikmäſsig
dargestellten Invertzuckers an Stelle des Rohrzuckers, soll für Haushaltungen bei
Zubereitung von eingemachten Früchten, Fruchtsuppe, Crême, Compot, süſse Speisen,
Bowle, Limonade u.s.w. nach Fühling's landwirthschaflliche Zeitung, Bd. 38 Heft 15 vom 1.
August 1889 8. 548, folgende Vortheile gewähren:
1) Fällt das lästige, zeitraubende und verlustgebende Lösen und Läutern weg und es
ist die Verwendung des Fruchtzuckers eine sehr bequeme, indem ll
Fruchtzuekersyrup lk Fruchtzucker von 100 Procent
enthält, somit 1l einem Kilo geläuterten, reinsten
Zucker gleichzuachten ist; da jedoch der Fruchtzucker eine sehr starke versüſsende
Wirkung übt, so hat die Erfahrung einen sparsameren Verbrauch des Fruchtzuckers
ergeben.
2) Versüſst man Früchte mit derselben Zuckerart von mildem Geschmack, die sie bei der
Reife natürlich enthalten, während Raffinade (Hutzucker) eine ganz andere Zuckerart
ist.
3) Krystallisirt der Fruchtzucker nicht aus den damit versüſsten Producten aus, wie
es bei Raffinade häufig der Fall unter Erzeugung ungleichmäſsiger Süſse, wie z.B. in
körnig gewordenem Gelée.
4) Tritt das natürliche Aroma der Früchte, Speisen, Getränke u.s.w. beim Gebrauch des
Fruchtzuckers weit mehr hervor als es bei Anwendung von Raffinade der Fall sein
kann.
5) Indem man den flüssigen Fruchtzucker den einzumachenden Früchten hinzugefügt und
allmählich und gleichmäſsig bei gelindem Feuer (besser noch im Wasserbade) erwärmt,
wird die Form und Struktur der Früchte geschont und ein Weichwerden und Aufplatzen
verhindert, wie es sehr leicht stattfindet beim Zusammenbringen heiſser
Raffinadelösung mit kalten Früchten. In gut verschlossenen, sauberen Gefäſsen, vor
Licht und Kälte geschützt, kann der Fruchtzucker unverändert bewahrt werden.