Titel: | Der „Parnell und Simpson“ Soda- und Schwefel-Prozess. |
Autor: | W. Meyer |
Fundstelle: | Band 274, Jahrgang 1889, S. 29 |
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Der „Parnell und Simpson“ Soda- und
Schwefel-Prozess.
(Nach einem Vortrage von E. Parnell, mitgetheilt in The Journal of the Society
of Chemical Industry, Bd. VIII 1889 S. 11.)
Der „Parnell und Simpson“ Soda- und
Schwefel-Prozeſs.
Es wird Ammoniumchlorid und Calciumsulfid in schmiedeeiserne Kessel von 6m Höhe bei 2m,5
Durchmesser eingefüllt und Dampf durchgelassen. Gewöhnlich sind vier solche Kessel
so mit einander verbunden, daſs der Dampf der Reihe nach durch dieselben geht, so
jedoch, daſs derselbe immer in den Kessel eintritt, dessen Füllung zuerst verbraucht
ist. Die Ammoniumsulfiddämpfe gemischt mit genügend Dampf, damit eine Condensation
von Krystallen vermieden wird, gehen aus dem letzten Kessel durch Kühlrohre in ein
Gefäſs, in dem sie mit Salzlauge gemischt werden. Jeder Kessel muſs in 6 Stunden
frisch gefüllt werden, die zurückbleibende Flüssigkeit enthält in 50cc nur 1mg
Ammoniak. Die Kosten des Destillirens sind ebenso groſs als die beim gewöhnlichen
Verfahren, aber es wird gegenüber dem letzteren an Arbeit gespart, da keine
Kalkmilch bereitet zu werden braucht, und der am Schluſs fortzuschaffende Abfall nur
45 Proc. des letzteren beträgt.
Das condensirte Ammoniumsulfid wird mit dem Salzwasser in Kessel gebracht, mit
gewöhnlichem Salz gesättigt und ist nach dem Absitzen fertig für den Carbonisator.
Das Verhältniſs des Salzes zum Ammoniak darf nicht beliebig sein, sondern es wird
nur dann eine gute Ausbeute erhalten, wenn auf 65g Ammoniak in Form
von Ammoniumsulfid 240g Salz in 1l Flüssigkeit enthalten sind.
Zum Carbonisiren wird eine Reihe von 9 Solvay'schen
Thürmen von 7m,2 Höhe gebraucht, welche so mit
einander verbunden sind, daſs, wenn das Gas in einen derselben hineingepumpt wird,
es durch die anderen der Reihe nach durchgeht. Neben dem Ausfluſsrohre, das zum
nächsten Thurm führt, befinden sich bei jedem Thurm zwei Ausfluſsrohre, welche
übergehendes Ammoniak in Waschgefäſse führen. Die Verbindungen können so geändert
werden, daſs jeder Carbonisator von der Zeit, wo er gefüllt ist, bis zur Beendigung
jeden einzelnen Platz in der Reihe einnimmt. Die Verbrennungsgase haben einen Gehalt
von etwa 30 Proc. Kohlensäure und liefern bei dem Durchgehen durch die 9 Thürme
einen beständigen Strom von Gas, das 25 Proc. H2S
enthält. Diese Thürme liefern täglich eine Ausbeute von 320 bis 360 Centner Soda mit
einem Gehalt von 58 Proc. calcinirter Soda. Wenn die Verbrennungsgase durch die Gase
der Zersetzer (s.u.) verstärkt werden, ist der Gehalt an H2S sowohl wie die Ausbeute der Thürme gröſser. Die aus den Carbonisatoren
tretenden Gase werden durch Waschthürme geleitet, um vom Ammoniak befreit zu werden.
Diese Waschthürme sind in zwei Räume getheilt, deren jeder 1m,8 hoch mit Salzwasser angefüllt ist und liegen
so, daſs die Gase zuerst durch den niedriger liegenden, dann erst durch den höher
liegenden hindurchgehen. Der erste ist zuerst gesättigt, kann dann abgelassen
werden, die Flüssigkeit des oberen flieſst nach dem unteren Raume, während oben neue
Flüssigkeit zugeführt wird.
Die in den Carbonisatoren zurückbleibende Masse wird auf die Filter gebracht, wobei
das suspendirte Natriumbicarbonat auf denselben zurückbleibt, und nach dem Waschen,
wenn möglich mit einer Vacuumpumpe, getrocknet wird. Das weitere Trocknen geschieht
in einem runden eisernen Kessel mit einem flachen Boden aus guſseisernen Platten,
der von unten und von den Seiten geheizt wird. In demselben bewegt sich ein
kräftiger Rührer, der so eingerichtet ist, daſs der Boden rein und frei von Ansatz
bleibt, was sonst bei feuchtem Natriumbicarbonat leicht geschehen kann. Die
entweichenden Gase werden von einer Pumpe durch einen Kühler gebracht, in dem das
Ammoniak in Wasser aufgefangen wird. Wenn das Natriumbicarbonat trocken ist, wird
dasselbe in dem Zersetzer in Natriumcarbonat übergeführt. Die entweichende
Kohlensäure wird, wie erwähnt, zu den Carbonisatoren geleitet. Man vermeidet zum
leichteren Trocknen des Salzes und um die Kohlensäure aus dem Zersetzer
fortzuschaffen, den Zutritt von Luft und nimmt hierzu lieber die Verbrennungsgase,
da der Sauerstoff der Luft die Sulfide leicht in Sulfate überführt und so
Verunreinigung der Soda bedingt. Ueberhaupt empfiehlt Partiell die Verbrennung so zu leiten, daſs etwas Kohlenoxyd sich bildet,
weil man dann sicher ist, keinen Sauerstoff im Ueberschuſs zu haben. Die Reinigungsgefäſse u.s.w. sind so
eingerichtet, daſs, wenn Flüssigkeit abgelassen wird, Gas aus dem Gasbehälter und
nicht Luft in dieselben eintritt.
Wenn man nicht so viel Ausbeute an Soda erhalten, sondern das Augenmerk mehr auf die
Schwefelgewinnung richten will, kann man entweder das Calciumsulfid allein durch die
Verbrennungsgase carbonisiren, dann das carbonisirte Gemisch oder nur einen
wässerigen Auszug desselben, welcher Sulfhydrat allein enthält, zur späteren
Destillation, oder aber einen groſsen Ueberschuſs an Calciumsulfid bei der
Destillation verwenden, wobei etwa 75 Proc. des Schwefels in Form von
Schwefelwasserstoff erhalten werden; diese Zersetzung geschieht allein durch den
Wasserdampf bei Gegenwart eines starken Druckes.
Zur Gewinnung von Schwefel aus den Schwefelwasserstoffgasen werden dieselben in einen
eisernen Kessel geleitet, dessen oberer Theil von Mauerwerk oder anderem, Hitze
zurückhaltendem Material umgeben ist. In diesen Theil wird so viel Luft zugelassen,
daſs ein Theil des Schwefelwasserstoffes verbrennt. Die hierbei entstehende
schweflige Säure setzt sich dann mit dem Schwefelwasserstoff so um, daſs Schwefel
ausgeschieden wird, welcher sich in der auf den Kessel folgenden gemauerten Kammer
zum gröſsten Theile ablagert. Die Temperatur dieser Kammer ist noch so hoch, daſs
Wasserdampf sich hier noch nicht condensirt, so daſs der Schwefel in derselben in
gutem, trockenem Zustande erhalten wird. Die aus der Kammer tretenden Gase gelangen
dann in bleierne Abzüge und endlich in einen Waschthurm, wo durch weitere Abkühlung
Schwefel ausgeschieden wird, welcher allerdings durch Wasser und schweflige Säure
verunreinigt ist. Es muſs dafür gesorgt werden, daſs die Gase, welche in den
Waschthurm gelangen, noch einen Ueberschuſs an Schwefelwasserstoff enthalten, damit
sich in den davor befindlichen Gefäſsen so wenig als möglich schweflige Säure
ansammeln kann. In dem Waschthurm wird durch Verbrennen von Schwefelwasserstoff
etwas schweflige Säure erzeugt, welche dann ebenso wie der Schwefelwasserstoff von
dem Waschwasser absorbirt wird. Diese Waschwässer werden in einem hölzernen Gefäſs.
gesammelt, wo der durch die Einwirkung von H2S auf
SO2 entstehende Schwefel sehr bald zu Boden
sinkt. Die klare Flüssigkeit wird von Neuem in den Thurm gebracht, während der nasse
Schwefel mit dem in den Bleiröhren sich ablagernden vereinigt, dann durch Kalkmilch
neutralisirt und endlich geschmolzen wird. Das Schmelzen wird unter Dampfdruck bei
150° C. vorgenommen, wobei die noch vorhandenen Thionate sich unter Abgabe von SO2 zersetzen; diese wird weiter im Waschthurm
verwerthet. Durch dieses Verfahren werden 90 bis 95 Proc. des in dem
Schwefelwasserstoff vorhandenen Schwefels als brauchbares Handelsproduct
erhalten.
W. Meyer.