Titel: | C. Kellner's Zellstoffgewinnung mit Hilfe des elektrischen Stromes. |
Fundstelle: | Band 274, Jahrgang 1889, S. 263 |
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C. Kellner's Zellstoffgewinnung mit Hilfe des
elektrischen Stromes.
Mit Abbildung.
Zellstoffgewinnung mit Hilfe des elektrischen Stromes.
Zur Herstellung von Zellstoff aus rohen Pflanzentheilen erhitzt Carl Kellner in Podgora bei Görz (* D. R. P. Kl. 55 Nr.
46032 vom 14. Juli 1887) dieselben in geschlossenen Gefäſsen mit Stoffen, welche auf
die Kruste des Holzes u. dgl. zersetzend wirken, und erzielt eine beständige
Wiederbelebung dieser Stoffe durch gleichzeitiges Durchleiten eines elektrischen
Stromes. Hierzu eignen sich besonders Metallchlorid- und namentlich
Chlornatriumlösungen, da die Kruste des Holzes, Strohes, Espartos u.s.w. durch
Chlor, sowie durch gewisse Sauerstoffverbindungen desselben, wie unterchlorige
Säure, zersetzt werden.
Werden die aufzuschlieſsenden Pflanzenstoffe in zerkleinertem Zustande mit
Chlornatriumlösungen in geschlossenen Gefäſsen erhitzt und gleichzeitig ein
elektrischer Strom durch die Lösung geleitet, so bilden die an den Polen frei
werdenden Stoffe, Chlor und Natrium, mit dem Wasser unterchlorige Säure und
Natronhydrat.
Bei der Zersetzung der Krusten durch Chlor und unterchlorige Säure, sowie auch in
Folge des Erhitzens der unterchlorigen Säure für sich, wird Salzsäure gebildet,
welche mit dem Natronhydrat zusammen wieder Chlornatrium entstehen läſst, so daſs
ein Kreislauf stattfindet und dieselbe Flüssigkeit ungeschwächt den ganzen Vorgang
durchmacht. Bei 128° C. wird aus Holz eine schneeweiſse, seidenglänzende,
ungeschwächte Faser erhalten.
Bei Ausführung des Verfahrens verwendet man mit Vortheil drei senkrechte, oben und
unten verbundene Röhren, die in einer Ebene liegen. In die äuſseren Röhren münden
unten die beiden Elektroden und in diejenige seitliche Röhre, in welcher die beiden
elektronegativen Jonen (Chlor, unterchlorige Säure) beim Erwärmen aufwärts steigen,
Werden die betreffenden Pflanzenstoffe gefüllt. Die beim Erhitzen aufwärts gehenden,
die Jonen und deren Zersetzungsproducte enthaltenden Flüssigkeiten treffen oben
zusammen, worauf dieselben durch die mittlere Röhre wieder abwärts gehen. Beim
Vorüberflieſsen an den Elektroden findet dann abermals eine Zersetzung des Chlorides
statt. Sehr gute Erfolge lassen sich bei dieser Einrichtung durch Strom Wechsel
erzielen, wobei dann auch der zweite seitliche Schenkel mit Holz u.s.w. gefüllt
wird. Die Pflanzenstoffe unterliegen dann abwechselnd der Behandlung mit alkalischen
und sauren Lösungen. Die gebildete Natronlauge wirkt hierbei auf die Krusten derart
zersetzend ein, daſs dieselben beim Stromwechsel schnell gelöst werden.
Um z.B. aus Nadelholz weiſsen Zellstoff für die Papierfabrikation zu erhalten, wird
das in den bekannten Holzschneidern zerkleinerte Holz in die Kocher gebracht und
letztere geschlossen, worauf man Kochsalzlösung zuflieſsen läſst. Im Allgemeinen
genügt eine 5 procentige Lösung; bei einer Temperatur von etwa 126° C. erhält man in
ungefähr 3½ Stunden (von dem Zeitpunkte der erreichten Temperatur an gerechnet) aus
Fichtenholz festen, weiſsen, für feinere Papiere verwendbaren Zellstoff.
Das Kochen selbst geschieht in Kesseln, deren Innenflächen mit Blei o. dgl.
ausgekleidet sind. Bewährt hat sich die abgebildete Einrichtung; die beiden
feststehenden Kocher A und B sind Unten mit den Rohren I, oben mit den
Rohren H verbunden und oben mit Füllöffnungen E und unten mit Entleerungsöffnungen versehen.
Durchlöcherte Platten am oberen und unteren Ende verhindern, daſs Fasertheile vom
Flüssigkeitsstrome mitgerissen werden und die Rohre verstopfen. Die beiden Rohre H vermitteln die Verbindung mit einem kleineren
Zwischenkessel L, welcher ein Wasserstandsglas,
Manometer, Sicherheits- und Entluftungsventil und ein durch das Ventil V abzusperrendes Rohr T
trägt, dessen Verlängerung eine in einem Kühlbottich P
liegende Kühlschlange bildet.
Textabbildung Bd. 274, S. 263
Der Kessel L endigt unten in einem Rohre K, welches bis unter die Böden der Kocher führt und
dann in die gabelförmigen Abzweigungen I ausläuft,
welche, seitlich ansteigend, in die Böden der Kocher münden. In diese Rohre I sind bei M und N die beiden Elektroden R
und S isolirt eingeführt. Die Kocher werden mit Holz
gefüllt und so viel Kochsalzlösung eingelassen, daſs dieselbe im Wasserstandszeiger
des Gefäſses L sichtbar wird, dann wird das Ventil V und alle Oeffnungen verschlossen und in die die
Kocher durchlaufenden Heizrohre möglichst trockener Dampf eingelassen.
Da der Inhalt von A und B
sich nun durch die Wärme ausdehnt, so steigt er durch H
nach L, was weiter eine absteigende Strömung durch das
Rohr K zur Folge hat. Beim Austritte aus K theilt sich die Flüssigkeit und steigt durch die
Rohre I in der Pfeilrichtung wieder aufwärts, um von
Neuem in die Kocher A und B einzutreten und diesen Kreislauf zu wiederholen. Beim Vorüberflieſsen
der Flüssigkeit an den Elektroden tritt bei geschlossenem Strome die Zersetzung ein
und vollziehen sich die früher erwähnten Nebenvorgänge. Tritt bei M der positive, bei N der
negative Strom ein, so unterliegt die Kruste des in B
befindlichen Holzes in Folge der Einwirkung des Chlors oder seiner Ableitungen einer
starken Oxydation, während in A durch das aufwärts
gehende Natron die in dem dort befindlichen Holze vorhandenen Harze u.s.w. verseift
werden.
Die Ergebnisse der Zersetzung treffen sich (soweit sie löslich sind) im Hilfskessel
L und wirken so auf einander, daſs als
Enderzeugniſs wieder Chlornatrium gebildet wird, indem die von der Anode gebildete
Chlorwasserstoffsäure die von der Kathode kommenden organischen Natronverbindungen
zersetzt und unter Ausscheidung der organischen Stoffe die ursprüngliche
Kochsalzlösung zurückbildet, während die ausgeschiedenen organischen Stoffe durch
den immer wieder sich erneuernden Einfluſs des Chlors und seiner Verbindungen in
solche Producte zerlegt werden, welche entweder in Lösung bleiben oder gasförmig
entweichen.
Nachdem auf die beschriebene Weise ¼ bis ½ Stunde verfahren wurde, wird der Strom
gewechselt. Hierbei wird durch abwechselnde Einwirkung von Chlor und Natron auf das
Holz die Aufschlieſsung desselben beschleunigt. Man wiederholt daher den
Stromwechsel öfter, bis der Zellstoff bloſsgelegt ist, was bei einer Temperatur der
Kochflüssigkeit von etwa 126° C. nach 3 bis 3½ Stunden der Fall ist.
Die während des Kochens entwickelten, nicht wirksamen Gase, welche sich im
Zwischenkessel L ansammeln, werden durch zeitweiliges
Oeffnen des Ventils V in die Kühl- und
Verdichtungsvorrichtung getrieben.
Wird in vorstehend beschriebener Weise gearbeitet, so erhält man aus dem Kessel, der
am Schlusse des Verfahrens die Anode unter sich hatte, schneeweiſsen, für die
feinsten Papierarten ohne Bleiche verwendbaren baren Zellstoff, während das Erzeugniſs aus dem
Kathodenkessel durch das am Schlusse des Verfahrens gebildete Alkali etwas gelblich
gefärbt ist und nach dem Auswaschen mit einer sehr schwachen Chlorkalklösung
behandelt werden muſs.