Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Autor: | Stammer |
Fundstelle: | Band 274, Jahrgang 1889, S. 555 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
Mit Abbildungen auf Tafel
29.
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Ueber das Vorkommen von Raffinose im Fabrikproducte und in
der Zuckerrübe stellte Dr. E. O. v. Lippmann
Berechnungen nach dem Ergebnisse der Raffineriearbeit an (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, Bd. 39 S. 880, nach Deutsche Zuckerindustrie, Bd. 14 S. 71).
Die Rositzer Raffinerie hat im Laufe mehrerer Jahre an Melasse 433073 MC.
verarbeitet; der wirkliche mittlere Durchschnitt, der gemäſs Beobachtung der
direkten und Inversions-Polarisation für den Raffinosegehalt in Rechnung zu ziehen
wäre, ist für diese ganze Melassemenge 1,17; um jedoch dem Einwände, daſs die
Polarisationsdifferenz Möglicher Weise auch noch durch andere Stoffe oder Umstände
verursacht worden sei, gerecht zu werden, soll ein Drittel dieser Ziffer auſser
Betracht bleiben, wodurch der Gegenwart fremder Substanzen, sowie allen sonstigen
Einflüssen mehr als reichlich Rechnung getragen sein dürfte. Als in die Fabrikation
eingeführter Raffinosegehalt ergibt sich dann 0,78 Proc. von 433073, also rund 3378
MC. An raffinosehaltigen Producten haben während desselben Zeitraumes die Fabrik
verlassen: 28386 MC. Farin zu 2,09 Proc. und 25822 MC. Restmelasse zu 8,86 Proc.,
welche Zahlen (ohne jeden Abzug für etwaige fremde Stoffe u.s.w. berechnet) zusammen
rund 2882 MC. Raffinose ergeben. Es ist also nicht nur kein Plus an Raffinose
vorhanden, sondern es sind vielmehr rund 496 MC. oder 14,6 Proc. der ursprünglichen
Menge verloren gegangen, ein Resultat, das nicht Wunder nehmen kann, da jedenfalls
mit allen Zuckerverlusten auch entsprechende Raffinoseverluste verknüpft sind, da
kleine Mengen Raffinose auch in die Raffinade übergehen mögen (sicher nachweisbar
waren dieselben jedoch in Rositz noch nie), und da endlich die Bestimmungsmethoden
für Raffinose nicht scharf genug sind, um ganz genaue Ergebnisse erwarten zu lassen.
Solche zu liefern war auch gar nicht der Zweck obiger Berechnung; dieselbe sollte
nur zeigen, daſs selbst unter Voraussetzungen, die ihr sehr günstig sind, die
Hypothese von der Bildung der Raffinose durch Einwirkung der
Alkalien auf Rohrzucker in den Thatsachen nicht die geringste Stütze
findet.
Zieht man alles bisher angeführte in Betracht, so kann man wohl mit Recht behaupten,
daſs keine chemische oder technische Thatsache für diese Theorie spricht, sondern
jede einzelne gegen dieselbe.
Fällt dieselbe hinweg, so wird man, auch ganz abgesehen davon, daſs aus Rübensaft
schon Raffinose dargestellt worden ist, nicht umhin können, das Vorkommen der
Raffinose in der Rübe selbst zuzugestehen. Daſs die Menge der Raffinose übrigens
eine sehr geringe sein muſs, daſs ihr Einfluſs in analytischer Hinsicht nicht
überschätzt werden soll und daſs die Anwendung der alkoholischen Methoden zur
Rübenuntersuchung die
Raffinose nicht beseitigt (etwa zur Ausfällung), hat der Verfasser schon lange
angegeben (Deutsche Zuckerindustrie, 1885 S. 164, und
Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie,
Bd. 36 S. 258 und 552), speciell die erstere Angabe bestätigen indeſs auch die oben
angeführten Betriebsziffern durchaus. Nimmt man nämlich selbst an, daſs 100 Rüben
durchschnittlich 3 Th. Melasse liefern (welche Zahl jedenfalls zu hoch ist und
deshalb die Rübenmenge zu klein erscheinen läſst), so entsprechen obigen 433073 MC.
Melasse 14435767 MC. Rüben, auf welche vertheilt die 3378 MC. Raffinose 0,023 Proc.
betragen; auf 100k Rüben entfallen also etwa 23g Raffinose, und bei einem mittleren Zuckergehalte
von z.B. 13 Proc. kommen also auf 13k Zucker 23g Raffinose, oder auf 100g Zucker 0g,18
Raffinose. Auf das Normalgewicht Zucker, 26g,048,
würde also 0,047 Raffinose entfallen, welche 0,087° polarisiren, auf 100cc Saft (13 Proc. Zucker enthaltend) 0,023
Raffinose, welche 0,043° polarisiren; es genügt also (für den Durchschnitt!) die
Anwesenheit solcher kleiner, in ihrer Wirkung die Grenze des Beobachtungsfehlers
nicht einmal erreichender Mengen Raffinose in der Rübe, um das Vorhandensein der in
den Entzuckerungs-Restmelassen enthaltenen Raffinosemengen zu erklären.
Ueber die Fällbarkeit der Raffinose durch Bleiessig und Alkohol sind
von Tollens Untersuchungen angestellt worden (Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, Bd.
39 S. 748), welche als Ergebniſs folgendes zeigten:
1) Durch Bleiessig und Alkohol werden selbst recht verdünnte Lösungen von Raffinose
besonders beim Erhitzen gefällt.
2) Dies findet bei Gegenwart von genügenden Mengen Rohrzucker nicht statt; folglich
wird in Zuckerlösungen eine etwa darin befindliche kleine Menge Raffinose durch
Bleiessig und Alkohol nicht gefällt.
Das Mathee-Scheibler'sche Verfahren zur Herstellung rechtwinkeliger Zuckerplatten mittels Schleudern
(Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, Bd. 39 S. 802) vereinigt
die Vorzüge des Herbst'schen und des Fesca'schen, vermeidet
aber deren Nachtheile und Unbequemlichkeiten; die sinnreichen und einfachen
Arbeitsmittel, deren es sich bedient, stellen in ihrer Gesammtheit eine ganz
eigenthümliche und in jeder Weise zweckentsprechende Arbeitsweise dar. Wie bei den
genannten älteren Verfahren wird die Beschaffenheit der dargestellten Zuckerplatten
(und der daraus geschnittenen Würfel) zunächst durch diejenige des verarbeiteten
Klärsels bestimmt, auf welchen Umstand, als allgemein bekannt, hier nicht näher
eingegangen werden soll.
Zur Aufnahme der Füllmasse dienen die Formen aus verzinktem Stahlblech, welche etwa
10k fassen und aus einem blechernen
rechtwinkeligen Rahmen bestehen, in welchen zwei Kammbleche und acht Einsatzbleche
in äuſserst sinnreicher Weise derart eingeschoben werden, daſs das Zusammensetzen
wie Auseinandernehmen gleich schnell und leicht erfolgt und die leeren Formen nur ein geringes
Gewicht besitzen, deshalb die Handhabung der leeren wie der gefüllten leicht ist,
was gegenüber den schweren Fesca'schen Formen einen
wesentlichen Vorzug darstellt. (Nähere Angaben siehe weiter unten.)
Bei der Zusammensetzung der Form werden zuerst die beiden äuſsersten Einsatzbleche
eingeschoben und zwar mit der breiten Seite nach unten, dann folgen die zwei
Kammbleche mit der breiten Seite Bach oben und darauf die sechs anderen
Einsatzbleche ebenfalls mit der breiten Seite nach oben.
Die Entleerung der Form geschieht mit einer kleinen wagerecht wirkenden Handpresse,
deren viereckiger Stempel gegen die breite Seite der sechs Einsatzbleche drückt.
Dabei schieben dieselben die zwei Kammbleche und diese die zwei äuſsersten
Einsatzbleche heraus. Die zwischen den Blechen sitzenden Zuckerplatten werden dabei
gleichzeitig mit allen Blechen zusammen herausgedrückt und zwar ohne dabei irgend
einer Reibung unterworfen zu sein. Die Folge davon ist, daſs niemals eine
Zuckerplatte zerbricht oder beschädigt wird.
Wird eine andere Platteneintheilung beliebt, so sind nur zwei andere Kammbleche und
die entsprechende Anzahl Einsatzbleche einzusetzen.
Die Formen werden behufs Füllens zu zwölf in einen Füllkasten eingesetzt.
Der Füllkasten besteht aus einem ringsum dicht geschlossenen, oben offenen Kasten,
ebenfalls aus verzinktem Stahlblech, dessen Querschnitt so groſs ist, daſs er zwei
neben einander stehende Formen mit einem sehr geringen Spielraume in sich aufnehmen
kann. Am Boden befindet sich ein Loch, welches durch einen mit einer Nuthe
versehenen Zapfen mittels Gummiring dicht verschlossen wird. Dieser Zapfen sitzt
fest an einem beweglichen Boden, welcher den festen Boden des Kastens bedeckt.
Die 12 Formen sind durch fünf verzinkte Zwischenbleche von einander getrennt. Diese
haben an den beiden Langseiten Ausschnitte, welche den Eintritt der Füllmasse und
das Entweichen der Luft gestatten. Der Füllkasten ist nahezu in seiner
Schwerpunktlinie mit zwei Drehzapfen versehen, um denselben mittels eines sogen. Rothe'schen Wagens transportiren zu können.
Um die Formen in den Füllkasten einzusetzen, stellt man zunächst den Füllkasten im
Wagen um etwa 30° geneigt, legt dann den beweglichen Boden ein, so daſs dessen
Zapfen das Bodenloch verschlieſst. Darauf schiebt man zwei Formen neben einander ein
und legt auf dieselben ein Zwischenblech, darauf folgen wieder zwei Formen und ein
Zwischenblech u.s.w., bis alle zwölf Formen und die fünf Zwischenbleche am Platze
sind.
Die Formen faſst man beim Einsetzen so an, daſs die zwei Wände, an welchen die zwei äuſsersten
Einsatzbleche liegen, zwischen Daumen und Zeigefinger geklemmt werden. Auf diese
Weise sind die sämmtlichen Bleche gegen Herausfallen geschützt.
Ein Transportwagen von bekannter Construction (Patent Rothe) dient zum Aufheben und Fortbewegen der Füllkasten. Unter dem
Auslaufhahne des Kühlers befindet sich ein Füllbock. Derselbe ist mit Grundplatte
mit passender Wagenspur versehen und hat eine schräge Fläche, gegen welche der
Füllkasten, im Wagen frei schwebend, angefahren wird. In dieser Stellung wird der
Hahn am Kühler geöffnet und die Füllmasse flieſst in breitem Strome an der schräg
stehenden inneren Kastenwand nach unten und füllt den Kasten von unten herauf, wobei
die Luft längs der anderen Kasten wand entweicht (siehe Fig. 1 Taf. 29).
Ein Ueberfüllen der Kasten ist in dieser Stellung unmöglich, weil die Neigung so
gewählt ist, daſs, wenn der Kasten nahezu voll ist, derselbe in der senkrechten
Stellung die richtige Füllung hat; die Füllmasse steht dann nämlich 15mm über den obersten Formrändern und bildet so den
nothwendigen, auch bei den Fesca'schen Formen
vorgesehenen „verlorenen“ Kopf, im Betrage von etwa 2 bis 3 Proc. des ganzen
Füllmassegewichtes.
Nach dem Füllen werden die Kasten ins Füllhaus gefahren und bleiben darin bis zur
genügenden Erkaltung, etwa 12 Stunden, stehen, worauf sie ausgedrückt werden.
Die Ausdrückmaschine besteht aus einer kräftigen wagerecht wirkenden Schraube, welche
mittels offenem und gekreuztem Treibriemen nach rechts oder links geschoben wird und
so nach der einen oder der anderen Seite ausdrücken kann, also doppelt wirkend ist.
Auf den beiden Endstellungen rückt eine Arretirvorrichtung selbsthätig aus. Wird nun
ein Kasten mittels des Wagens wagerecht auf die eine Seite der Maschine aufgelegt
und der Arretirhebel nach, der Richtung umgelegt, in welcher die Schraube drücken
soll, so tritt dieselbe durch das Bodenloch und drückt zunächst die bewegliche
Bodenplatte des Füllkastens, und damit die 12 Formen und 5 Zwischenbleche aus dem
Kasten heraus.
Die Formen gleiten am Ausgange auf den Gleitschienen der Ausdrückmaschine vorwärts,
und müssen hierbei eine kleine schiefe Ebene hinauf rutschen, wobei dieselben durch
die Zwischenbleche begünstigt, von einander losbrechen und sich einzeln, also von
einander getrennt, vor die Maschine hinlegen. Die Formen werden nun noch auf dem
sogen. Putztisch von der auſsen anhaftenden geringen Menge Füllmasse gereinigt und
sind dann fertig, um in die Schleudertrommel eingesetzt zu werden.
Die Schleudermaschine ist für sich in Fig. 2 im Durchschnitt,
und Fig. 3 im
Grundriſs dargestellt, Fig. 4 verbildlicht die
Art der Aufstellung in Verbindung mit den Zu- und Ableitungen, sowie die Art der Aufhängung des
Deckdeckels, welcher in Fig. 2 in der die Trommel
dicht schlieſsenden Lage dargestellt ist, während der die ganze Schleuder-Maschine
bei dem ersten Theil der Arbeit schlieſsende Klappdeckel geöffnet erscheint.
Die Schleudermaschine ist mit ungelochter Lauftrommel versehen, welche zur Aufnahme
von 8 × 2 = 16 Formen dient. Die Formen legen sich gegen acht durchlöcherte
Siebplatten an, welche in der Trommel befestigt sind. Der innere Raum der Trommel
ist durch einen runden, mit der Trommel fest verbundenen Einsatz ausgefüllt, so daſs
die Formen in dem ringförmigen Fassungsraume der Lauftrommel stehen. Bei der
Bewegung der letzteren tritt nun der Grünsyrup zunächst durch die Locher der
Siebplatten und steigt dann, durch die Centrifugalkraft erfeſst, in dem Zwischenraum
zwischen Siebplatte und ungelochter Trommelzarge in die Höhe, um oben über den Rand
der Zarge zu entweichen. Das Abschleudern geht auf diese Weise ebenso gut und ebenso
schnell, als wenn die Lauftrommel gelocht wäre.
Nach Entfernung des Grünsyrups (15 Minuten Laufzeit) wird die Trommel in Stillstand
gesetzt und mit dem sogen. Deckdeckel zugedeckt. Der letztere dichtet mit zwei
Gummiringen auf der Zarge und dem inneren Einsatze der Trommel, indem derselbe mit
einer in der Mitte befindlichen Druckschraube angedrückt wird (siehe Fig. 2). Alsdann wird der
Deckdeckel mittels einer bequemen Kuppelung durch einen Gummischlauch mit der über
den Schleuder liegenden dreifachen Rohrleitung dicht verbunden (siehe Fig. 4). Der
erste Rohrstrang dient für Luftleere, welche durch eine kleine, mit Riemenbetrieb
versehene Luftpumpe erzeugt wird. Der zweite Rohrstrang dient für Vordecke und der
dritte für reine Deckkläre.
Oeffnet man nun den Hahn zur Luftleereleitung, so werden der ringförmige Fassungsraum
der Lauftrommel, und auch die vom Grünsyrup befreiten Poren des Zuckers in einer
Minute luftleer. Alsdann schlieſst man den Luftleerehahn und öffnet den Hahn für die
Vordecke. Diese tritt nun unter einem Druck von etwa 1at,5 in die luftleeren Poren des Zuckers ein, und füllt dieselben
vollkommen aus. Weil man keine absolute Luftleere herstellen kann, so bleibt immer
etwas Luft in der Lauftrommel zurück und diese verdichtet sich beim Eintritt der
unter Druck stehenden Kläre als dünnes Luftkissen unter dem flachen Deckdeckel.
Dieses Luftkissen erfüllt den Zweck, daſs der Deckdeckel niemals mit Kläre benetzt
wird und daher trocken abgehoben werden kann.
Auſser den Poren des Zuckers sind nun auch die Hohlräume zwischen den Formen mit
Kläre gefüllt. Diese wird durch ein Ventil durch den Boden der Trommel abgelassen.
Dieselbe flieſst in eine unter dem Unterbau liegende Rinne, um nach dem Klärbehälter
durch eine kleine continuirlich arbeitende Pumpe zurückgepumpt zu werden. Da die
Trommel durch das vorhergegangene Schleudern im Inneren ganz rein ist, so wird diese
zurückgepumpte Kläre bei ihrem Durchgänge durch die Trommel in keiner Weise
verunreinigt. Nachdem die überschüssige Kläre aus der Trommel abgelassen ist, wird
der Deckdeckel abgekuppelt und abgehoben, was leicht mittels Gegengewicht und
Hängebahn bewerkstelligt werden kann (siehe Fig. 4). Nunmehr wird die
Lauftrommel in Bewegung gesetzt, um die eingezogene Kläre abzuschleudern.
Bei guter Füllmasse genügt eine einzige Decke mit reiner Deckkläre. Bei geringerer
müssen eine Vordecke und eine Nachdecke gegeben werden. In diesem Falle wird die
abgeschleuderte zweite Decke als Vordecke benutzt.
Der Deckdeckel genügt für mehrere Schleudern und bewegt sich leicht auf einer über
denselben befindlichen Hängebahn.
In dieser Art, die Luftleere zur besseren Deckwirkung zu benutzen, liegt die
Eigenthümlichkeit des Verfahrens: die Herstellung der Luftleere in der Trommel
selbst, und die daraus sich ergebende einfache Arbeitsweise, indem das Schleudern
und Decken ohne Herausnahme der Formen in derselben Trommel erfolgt. Bekanntlich
wird nach Herbst ebenfalls das Deckklärsel in die
entlüftete Füllmasse befördert, aber in einem getrennten, dazu vorgerichteten
Behälter. Daſs bei dem in Rede stehenden Verfahren die Trommel selbst luftleer
gemacht wird, ist nur dadurch möglich, daſs sie ungelocht und durch einen dazu
vorgerichteten Deckel in einfacher Weise dicht verschlossen wird.
Als Ergebnisse der Arbeit werden folgende der Praxis entnommene Zahlen mitgetheilt.
Das Trocknen der Zuckerplatten, welche noch 2 Proc. Feuchtigkeit enthalten,
geschieht mittels bewährter Trockenapparate in 1½ bis höchstens 2 Stunden.
Eine Schleudertrommel faſst 16 Formen.
16 Formen mit Füllmasse gefüllt wiegen
313k
16 Formen leer wiegen
156
–––––
Füllmassengewicht einer Centrifugenladung
157k
Dieselbe fertig geschleudert und gedeckt (etwa 72
Proc.)
112,5 feucht
–––––
Mithin entfernter Grünsyrup (etwa 28 Proc.) =
44,5k
–––––
Zieht man von den fertig gedeckten und geschleuderten
112,5k
Zuckerplatten den Wassergehalt mit 2 Proc., also
2,5
ab, so bleiben
–––––
110k
tr. Zuckerpl.
Diese Zahlen ergeben von 100k Füllmasse etwa
72 Proc.
(vom Füllmassengewicht = 80 Proc.) feuchte Zuckerplatten und
28 „
Grünsyrup. Die Summe beider Zahlen gibt
–––––––
100 Proc.
Füllmasse.
Der Grünsyrup wird weiter auf Nachproduct verarbeitet.
Der Deckkläreverbrauch ist nicht gröſser als das Quantum abgeschleuderten Grünsyrups,
nämlich etwa 28 bis 30 Proc. vom Füllmassengewicht. Der Verbrauch an Deckzucker ist
demnach ⅔ von 28 bis 30 Proc., also etwa 18⅔ bis 20 Proc. Die Möglichkeit, daſs
einzelne Zuckerplatten
unausgedeckt bleiben könnten, ist bei der Art des Deckverfahrens ausgeschlossen.
Der Füllmassenabfall beim Füllen der Formen ist nicht gröſser als bei gewöhnlichen
runden Brodformen, nämlich 3 bis 4 Proc. vom Füllmassengewicht. Die Möglichkeit,
daſs während der Erstarrung der Füllmasse Syrup abtropfen kann, ist vollkommen
vermieden.
In Folge dessen erhalten alle Zuckerplatten einen gleichmäſsig festen Schluſs und
liefern eine hohe Ausbeute an tadelloser weiſser Waare, und zwar bei bester
Füllmasse, welche nur einer Decke bedarf, 110k
Platten von 225mm Länge, 150mm Breite und jeder gewünschten Dicke in 45
Minuten.
Nach dem für A. v. Ritter (Skrivan, Böhmen) patentirten
Verfahren zur Herstellung von Zucker in Blöcken (D. R.
P. Nr. 48145 vom 9. November 1888) wird loser, feuchter, weiſser Zucker von dem
Reinheitsgrade, welcher für die herzustellenden Zuckerkörper, -Blöcke, -Hüte,
-Platten u. dgl. gewünscht ist (denn eine Reinigung findet bei diesem Verfahren
nicht statt), mit Zuckermehl oder feinkörnigem Zucker innig gemengt und dann in
Formen gefüllt (hierbei ist ein Pressen oder Stampfen unnöthig, selbst schädlich),
deren Gestalt dem zu erzeugenden Zuckerkörper entspricht. Die Wandungen dieser
Formen dürfen keine Abtropföffnungen oder sonstige Durchlöcherung haben, sondern
müssen derart geschlossen sein, daſs Feuchtigkeit aus der Zuckermasse in Folge der
Centrifugirung nicht herausgeschleudert werden kann, vielmehr die Feuchtigkeit in
der Zuckermasse verbleibt. Nun wird so lange geschleudert, bis der Zucker ein so
dichtes und festes Gefüge erhalten hat, daſs er seine Gestalt behält, wenn man ihn
aus der Form herausnimmt. Darauf trocknet man die erhaltenen Zuckerkörper in warmer
Luft, wodurch die Feuchtigkeit verdunstet, der in derselben gelöste Zucker sich
ausscheidet, dadurch ein Zusammenwachsen der Zuckerkorner oder -Krystalle bewirkt,
und so vollkommen harte und dichte Zuckerkörper entstehen, welche sich in ihrem
Ansehen durchaus nicht von dem bisher bekannten Zucker in Blockform, dem sogen.
gewachsenen Zucker (Raffinade) unterscheiden.
Da ein Reinigen der Zuckermasse nicht stattfindet, so wählt man den in Blockform zu
bringenden Zucker von dem gewünschten Reinheitsgrade aus. Enthält der zu
verarbeitende lose Zucker schon eine hinreichende Menge Zuckermehl oder feinkörnigen
Zucker, so ist ein Zumischen von gemahlenem oder feinkörnigem Zucker nicht mehr
nothwendig. „Ein nicht zu unterschätzender Vortheil“ dieses Verfahrens
(zugleich aber auch eine Hauptschwäche! D. Ref.) besteht darin, daſs sich
pulverförmiger oder loser Zucker, welcher sich bekanntlich wesentlich leichter und
daher auch billiger von den Unreinigkeiten befreien läſst als eine compacte
erstarrte Zuckermasse, dann auch sonst als minderwerthig angesehener bezieh. weniger
gut verkäuflicher Zucker in einfacher Weise zu Blockzucker umformen und also in ein leicht
transportables, gut verkäufliches Fabrikat umwandeln läſst. Der Patentanspruch
lautet:
Verfahren zur Herstellung von Zucker in Blöcken von beliebiger Form, darin bestehend,
daſs man losen feuchten Zucker von gewünschtem Reinheitsgrade, welcher
pulverförmigen oder feinkörnigen Zucker enthält oder mit solchem innig gemischt ist
bezieh. wird, in geschlossene, d.h. bei der Centrifugirung Feuchtigkeit nicht
durchlassende Formen füllt, centrifugirt, bis die Masse die gewünschte Dichtigkeit
und den nöthigen Zusammenhalt gewonnen hat und dann behufs Zusammenwachsens der
Zuckerkörner und behufs Hartwerden der Zuckerblöcke trocknet zu dem Zwecke, um eine
der gewachsenen Raffinade gleichende Waare zu erhalten.
Beobachtungen über die Inversion des Rohrzuckers durch
Kohlensäure und durch schweflige Säure machten Tummeley und Vier, und Herzfeld knüpfte daran Bemerkungen über die Fabrikation von Fruchtzucker oder Invertzucker
(Zeitschrift des Vereins für Rübenzuckerindustrie, Bd. 39 S. 738 und
740).
Die Fruchtzuckersyrupe der Zuckerfabrik Maingau erfreuen
sich steigender Beliebtheit beim Publikum und sind zur Zeit beispielsweise in Berlin
in einigen zwanzig Geschäften zu haben, in den gröſseren Städten des südlichen
Deutschlands sollen dieselben sich in den Haushalten bereits vollständig
eingebürgert haben. Es liegt eben offenbar ein Bedürfniſs des consumirenden
Publikums für reine, mit der Zeit nicht fest werdende Zuckersyrupe vor.
Eine in einem Berliner Geschäfte angekaufte Flasche in ansprechender Korbverpackung
mit der Schutzmarke „Fruchtzucker“ und einem hübschen gemalten Weinblatte,
plombirt mit den Buchstaben Z. M., enthielt einen Fruchtzuckersyrup von folgender
Zusammensetzung:
Specifisches Gewicht = 1,367 = 72,5° B.
Polarisation 21,06.
Invertzucker mit Fehling'scher Lösung
34,70.
Saccharose nach Clerget 33,38.
Gesammtzucker nach der Kupfermethode 69,41.
Asche 0,1115.
Schweflige Säure nicht nachweisbar, dagegen deutlich Schwefelsäure;
die quantitative Bestimmung ergab 0,047 Proc. H2SO4.
Der Syrup reagirte schwach sauer.
Wie man sieht, ist nur ungefähr die Hälfte des vorhandenen Zuckers nach dem Follenius'schen Verfahren invertirt worden, welches
bekanntlich die siedende Zuckerlösung mit Kohlensäure von mindestens 4at Spannung in ein geschlossenes, Kohlensäure
haltiges Gefäſs spritzt.
Die Waare einer anderen Berliner Firma zeigte eine ähnliche Zusammensetzung, so daſs
es scheint, als ob überhaupt bei dem Verfahren vollständige Inversion nicht erzielt
wird, welche um so eher zu erharten gewesen wäre, als der Syrup schwach sauer reagirt. Doch
erscheint ja ganz vollständige Inversion auch gar nicht nöthig, es genügt, so viel
Invertzucker zu erzeugen, daſs die Saccharose dadurch an der Krystallisation
gehindert wird, ein Resultat, welches bei den allerdings sehr dünnflüssigen
Maingauer Syrupen, die in Berlin in den Handel gelangen, erreicht ist.
Das Follenius'sche Verfahren kann das Interesse der
Zuckerfabrikanten indessen weniger beanspruchen als die nicht patentirten Verfahren,
Invertzucker aus wässerigen Zuckerlösungen durch einfaches Erhitzen mit Kohlensäure
oder schwefliger Säure unter Druck herzustellen. Diese beiden Verfahren sind deshalb
von den Obengenannten im Vereinslaboratorium bearbeitet worden. Das Resultat ihrer
Arbeit ist, daſs es unthunlich ist, die Inversion der Zuckerlösungen unter
Zuhilfenahme von Kohlensäure unter Druck auszuführen, weil sich wider die bisherigen
Annahmen und im Einklänge mit den Beobachtungen der oben erwähnten Fabrik
herausstellte, daſs die Inversion durch Kohlensäure auch unter sehr starkem Drucke
bei 100° C. sehr unvollständig blieb. Hingegen verliefen die Versuche mit
schwefliger Säure weit günstiger und berechtigen zu der Hoffnung, daſs mit Hilfe
derselben im Groſsbetriebe sich auf billige Weise reine Invertzuckersyrupe werden
herstellen lassen. Der bequemste Weg hierzu erscheint ungefähr 30 procentige
Zuckerlösungen mit 1 procentiger Säure durch ungefähr ½ stündiges Erhitzen auf 100°
im geschlossenen Gefäſse zu invertiren, durch Kochen unter gewöhnlichem
Atmosphärendrucke die schweflige Säure zu entfernen und alsdann in dem invertirten
Producte so viel Zucker durch Einwurf zu lösen, bis die gewünschte Concentration
erreicht ist. Der Syrup enthält eine minimale Menge Schwefelsäure, welche aus der
schwefligen Säure entstanden ist, es erscheint nicht nothwendig, dieselbe durch
Fällungsmittel zu entfernen, sondern es genügt, etwas weinsaures Natron
hinzuzusetzen, welches die freie Mineralsäure hinwegnimmt, während die Weinsäure dem
Producte einen angenehmen obstähnlichen Geschmack gibt.
Es versteht sich, daſs man bei Verwendung von schwefliger Säure sich keiner
Metallgefäſse, sondern hölzerner oder irdener Gefäſse zur Inversion bedienen muſs,
ebenso, daſs die abgetriebene schweflige Säure in geeigneter Weise in Wasser wird
condensirt und durch abermaliges Abtreiben des Gases wird wieder verwendet werden
können. Dem direkten Gebrauche der wässerigen Lösung der wieder gewonnenen
schwefligen Säure dürfte der geringe, mit der Zeit zunehmende Gehalt derselben an
Schwefelsäure entgegenstehen.
Bei der Fabrikation von Stärkezuckersyrup nach der
Methode von Dr. A. H. J. Bergé in Brüssel, wo man nach
Deutsche Zuckerindustrie, Bd. 14 Nr. 37 S. 1169, in
den letzten Jahren der Syrupfabrikation groſse Aufmerksamkeit zu schenken scheint,
wird schweflige Säure unter Hochdruck im Autoclaven angewandt und es werden besondere
Vorsichtsmaſsregeln getroffen, um die Oxydation der schwefligen Säure zu
Schwefelsäure durch den Sauerstoff der Luft während des Prozesses zu verhüten (D. R.
P. Nr. 47572 vom 7. Februar 1888). Die schweflige Säure füllt man in Form ihrer
wässerigen Lösung in einen besonderen Autoclaven ein, treibt durch Einleiten von
Kohlensäure sämmtliche noch vorhandene Luft aus, schüttet den stärkehaltigen
Rohstoff langsam ein, rührt ihn mit der schwefligen Säure auf, preſst Kohlensäure
bis zur Erreichung eines bestimmten Druckes im Autoclaven ein und erhitzt dann nach
Absperrung aller Hähne. Der Autoclav ist ein wagerechter Cylinder von Kupferblech
mit convexen Bodenstücken, einem Rührwerke mit vier Reihen gitterartiger, gegen
einander versetzter Rohrflügel, dessen Welle durch Stopfbüchsen gasdicht abgedichtet
ist und durch Maschinenkraft in Drehung versetzt wird, einem Dampfmantel und der
erforderlichen Armatur (Manometer und Sicherheitsventile für Cylinder sowohl als
Dampfmantel, Thermometer, Rohrstutzen und Ventile für Zuleitung der Kohlensäure,
Mannloch zum Einfüllen u. dgl. mehr). Man füllt den Autoclaven etwa bis zur Hälfte
mit einer 5 procentigen Lösung von schwefliger Säure, treibt die Luft aus der oberen
Hälfte durch Kohlensäure aus, indem man dieselbe von einer Seite eintreten und die
Luft aus der anderen Seite austreten läſst, schüttet durch das Mannloch des
Autoclaven, welcher etwas mehr als 1hl faſst,
50k Kartoffelstärke ein, indem man zu seiner
innigen Vermischung mit der schwefligen Säure das Rührwerk arbeiten läſst. Mit
Rücksicht auf die Höhe der Steuer bei Besteuerung des Maischraumes und der
Operationen (in Belgien) sollte man, um den Maischraum möglichst auszunutzen, über
dem Flüssigkeitsspiegel nie mehr als 5cm freien
Raum lassen. Ist die Füllung beendet, so schlieſst man das Mannloch hermetisch,
vertreibt die etwa wieder eingedrungene Luft durch nochmaliges Durchleiten von
Kohlensäure, schlieſst dann den Luftaustrittshahn und pumpt Kohlensäure bis zu einem
Drucke von 6at nach, schlieſst darauf den
Autoclaven vollständig und treibt durch Einlassen von Dampf in den Dampfmantel die
Temperatur auf 135° und erhält sie auf dieser Höhe so lange, bis der sich bildende
Kleister in lösliche Stärke umgewandelt ist, was man durch Untersuchung einer aus
einem Probirhahne entnommenen Probe feststellt. Darauf läſst man die Temperatur auf
120° sinken und erhält sie dabei bis zur vollständigen Verzuckerung der Stärke, was
etwa drei Stunden in Anspruch nimmt. Alsdann läſst man die Kohlensäure ausströmen,
entleert den erhaltenen rohen Stärkezuckersyrup, welcher schweflige Säure gelöst
enthält, in ein anderes Gefäſs, um den Autoclaven weiter benutzen zu können,
filtrirt, wie sonst in der Stärkezuckerfabrikation üblich, wenn der Syrup ganz
farblos werden soll, durch ein Knochenkohlefilter und dampft den Syrup im Vacuum
ein. Die schweflige Säure verflüchtigt sich dabei ohne Weiteres vollständig; die Behandlung des
Syrups mit Kalk und Kreide, welche bei der Verzuckerung mit Schwefelsäure nothwendig
ist, aber viel Gyps mit seinen Uebelständen in den Saft einführt, fällt dabei ganz
fort. Wo die Besteuerung sich nicht nach der Anzahl der Einmaischungen richtet, ist
es zweckmäſsiger, nur 30k Stärke und schweflige
Säure von nur 2 bis 3 Proc. anzuwenden, weil die Verzuckerung dann leichter von
statten geht. Da die Kohlensäure nur den Zweck hat, die Luft aus dem Autoclaven
fernzuhalten, da ihr Sauerstoff die Bildung von Schwefelsäure veranlassen würde,
welche dann doch wieder eine Reinigung durch Kalk o. dgl. erforderlich machen würde,
so könnte man natürlich noch andere nicht oxydirende Gase, z.B. reinen Stickstoff
oder Wasserstoff, mit demselben Erfolge anwenden, allein bekanntlich ist die
Kohlensäure für die Technik am billigsten und bequemsten zu beschaffen, letzteres
namentlich, seitdem die flüssige Kohlensäure in Eisen- oder Stahlcylinderflaschen
Handelsartikel ist. Der Ersatz der schwefligen Säure durch doppelschwefligsauren
Kalk ist nicht zu empfehlen. Um indessen an Kohlensäure zum Austreiben der Luft zu
sparen, kann man zweckmäſsig noch so verfahren, daſs man zuerst den Autoclaven mit
wässeriger schwefliger Säure und Stärke vollständig anfüllt, darauf den
Mannlochdeckel schlieſst, den Kohlensäurehahn öffnet und dann eine geringe Menge
schwefliger Säure wieder abzieht, welche natürlich wieder benutzt wird. Man
verbraucht dann zum ersten Füllen mit Kohlensäure nur das Volumen über dem
Flüssigkeitsspiegel und schlieſst die Luft viel sicherer aus; zum Nachpumpen aber
wird selbstverständlich ebenso viel Kohlensäure wie früher verbraucht.
Das Berge'sche Verfahren kann auch zur Herstellung von
Maischen für die Spiritusfabrikation oder selbst für die Brauerei angewendet werden.
Im ersteren Falle verzuckert man Getreide oder Kartoffeln, letztere zu Brei
zerkleinert, im letzteren Falle nur Getreide, wobei ein Rührwerk im Autoclaven wie
bei Kartoffelstärke nicht nothwendig ist, da die schweflige Säure doch gleichmäſsig
durch alle Getreidekörner hindurchdringt. Bei Brauerei maische kommt es wesentlich
auf einen angenehmen Geschmack an, und man darf daher mit dem Erhitzen nicht über
110 bis 120° gehen, bei Brennereimaische dagegen, wo vollständige Verzuckerung der
Hauptzweck ist, erhitzt man auf 130 bis 145°, besonders zur Umwandlung der Stärke in
die lösliche Modifikation. Gemahlenes Getreide oder Mehl darf man nicht anwenden, da
sich aus ihnen ein zäher Kleber bildet, welcher die Verzuckerung der Stärkekörner
sehr erschwert. Die schweflige Säure muſs man bei den Maischen, da sie nicht
eingedampft werden, dadurch entfernen, daſs man direkten Dampf durch sie
hindurchströmen läſst.
Folgendes sind die Maſsregeln, welche bisher von den europäischen Staaten gegen das
Fahlberg'sche Saccharin getroffen worden sind (Deutsche Zuckerindustrie, Bd. 14 S. 998).
In Portugal erfloſs ein königl. Dekret, datirt vom 9.
August 1888. Danach ist sowohl die Einfuhr des Saccharins an sich verboten, wie die
Einfuhr anderer Producte, die solches enthalten, ausgenommen für medizinische
Zwecke, und auch dann nur gegen specielle Bewilligung. – In Frankreich und Algier
wurde durch Dekret des Präsidenten vom 1. December 1888 die Einfuhr prohibirt. –
Weit strenger noch ging die spanische Regierung vor,
indem sie mit Dekret vom 3. April 1889 nicht allein die Einfuhr von Saccharin für
nicht ärztliche Zwecke verbot, sondern verordnete, jeder Ersatz des Zuckers oder der
zuckerhaltigen Substanzen in Nahrungsmitteln durch das Saccharin sei zu bestrafen.
Den Gouverneuren, Bürgermeistern u.s.w. ist es zur Pflicht gemacht, darüber zu
wachen, daſs das Saccharin nicht gegen das Gesetz verwendet werde.
Groſsbritannien verbot die Verwendung des Saccharins in
der Bierbrauerei. In der Sitzung des Unterhauses vom 27. April 1888 bei Diskussion
der Zoll- und Inlandsteuernbill schlug der Schatzkanzler, gestützt auf Artikel 5,
der die Regierung ermächtigt, die Verwendung bestimmter Substanzen bei der
Herstellung steuerpflichtiger Producte zu verbieten, die Ausdehnung dieser
Ermächtigung auf das Saccharin in der Bierbrauerei vor. Das Saccharin, wurde von ihm
angeführt, erleichtere in Folge seiner antiseptischen Qualität die Conservirung
leichten Bieres während der heiſsen Sommerzeit; es diene dazu, säuerliche Biere zu
süſsen und leichteren Bieren den Geschmack von stärkeren zu geben. Aus finanziellen
Gründen, sagte der Schatzkanzler, sei er veranlaſst, das Verbot der
Saccharinverwendung zu beantragen. 12t Saccharin,
die 3500t Zucker zu ersetzen vermögen, würden
genügen, um alle englischen Brauereien zu versorgen. Der Zuckerconsum würde
selbstverständlich geringer werden; was aber vorzugsweise ins Gewicht falle, das
wäre die künstliche Steigerung des Genusses leichterer Biere und die Gefahr für
Erzeugung stärkerer Biere, eine Gefahr, die für den Fiskus eine Einnahmen-Einbuſse
von 1 Million Pfund Sterling bedeuten könne. – Die Anträge des Schatzkanzlers wurden
von der Kammer angenommen.
In Holland wurde durch Ministerialdekret vom 17.
September 1888 ausgesprochen, daſs das Saccharin als Drogue zu betrachten und als
solche einem Zolle von 5 Proc. des Werthes zu unterwerfen sei. Dieser Zollsatz ist
indeſs sehr gering. Und da Zucker eine Steuer von 27 Gulden für den Metercentner
tragen muſs und Saccharin eine 300 mal stärkere Süſsungskraft als Zucker besitzt, so
wurde nunmehr vorgeschlagen, vom Kilogramm Saccharin 60 Gulden zu erheben.
Für Ruſsland entschied ein Circular der Zollbehörde vom
1. (13.) Februar 1889, daſs das Saccharin unter die chemischen und pharmaceutischen,
nicht besonders genannten Producte einzureihen sei, die einem Zolle von 2,40 Rubel
für das Pud (etwa 58,56 Francs für den Metereentner) unterliegen. Zucker dagegen zahlt 3,50 Rubel
für das Pud = etwa 80,52 Francs vom Metercentner!
In Belgien wurde durch ein Gesetz vom 21. Mai 1889 ein
Einfuhrzoll von 140 Francs für das Kilogramm Saccharin festgestellt und für alle
Producte, die davon mehr als ein halbes Procent enthalten. Die übrigen mit Saccharin
versetzten Producte zahlen gemäſs ihrer Süſsungskraft. Die belgische Regierung lieſs
sich gleichzeitig die Ermächtigung geben, auf eine Inlandsproduction von Saccharin
eine Steuer bis zum Ausmaſs des Zolles zu legen.
Was nun noch die italienische Gesetzgebung betrifft, so
wies der Tarif vom 14. Juli 1887 das Saccharin der Nr. 51 „nicht besonders
benannte chemische Producte“ zu, welche 4 Lire Zoll für den Metercentner
zahlen. Da dieser Zoll aber ungenügend gefunden wurde, so wurde im
Zollgesetzentwurfe, welcher der Kammer in der Sitzung vom 7. Juni 1888 vorgelegt
wurde, eine Erhöhung des Saccharinzolles auf 100 Lire für den Metercentner in
Aussicht genommen. Aber auch dieser Ansatz war noch zu gering. Saccharin kostet auf
dem italienischen Markte 150 Lire das Kilogramm. Nimmt man die Süſsungskraft des
Kilogramms gleich jener von 280k raffinirten
Zuckers, so ergibt sich, daſs, um die Aequivalenz mit dem Zuckerzolle herzustellen,
Saccharin 252 Lire für das Kilogramm zahlen sollte!
Durch königl. Dekret vom 26. Juli 1888 wurde nun der Zoll auf 10 Lire für das
Kilogramm fixirt. Um das Dekret Gesetz werden zu lassen, wurde es der Kammer am 8.
November 1888 vorgelegt; nachdem sodann in Folge Sessionsschlusses die Berathung
aufgeschoben worden war, wurde sie in der Sitzung vom 11. Februar 1889 aufgenommen.
Die Regierung war sich aber inzwischen auf Grund ihrer Studien klar geworden, daſs
auch der Zoll von 10 Lire für das Kilogramm ungenügend sei, um die Interessen der
Zuckerproducenten und des Fiskus zu schützen. Da es aber andererseits unmöglich sei,
das Saccharin mit hohem Zolle zu treffen, eben weil es überaus leicht geschmuggelt
werden könne, so halte sie es für das Beste, Einfuhr und Verkauf einfach zu
verbieten, ausgenommen für pharmaceutische Zwecke. Der Gesetzentwurf, welcher
nunmehr der Kammer vorliegt, hat folgenden Wortlaut: „Des Saccharins und
saccharinhaltiger Producte Einfuhr und Production sind für das italienische
Staatsgebiet verboten. Zuwiderhandelnde unterliegen den Strafen, welche für
Contrebande festgesetzt sind. Ein königl. Dekret wird die Normen feststellen,
nach denen die Einfuhr von Saccharin für den pharmaceutischen Gebrauch erfolgen
darf.“
Auch in Italien war der Saccharinverbrauch bisher im Steigen. Abgesehen von der
Einfuhr auf dem Wege des Schmuggels, wurden ins Land gebracht im J. 1888 116, in den
ersten fünf Monaten 1889 138k. Diese Menge
entspricht 38640k Zucker.
Stammer.