Titel: | Neuerungen in der Tiefbohrtechnik; von E. Gad. |
Autor: | E. Gad |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 124 |
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Neuerungen in der Tiefbohrtechnik; von E.
Gad.
Gad, Neuerungen in der Tiefbohrtechnik.
In meinem letzten Berichte (D. p. J. 1889 273 158) habe ich bereits erwähnt, daſs in der
vorjährigen Ausstellung für Unfallverhütung in Berlin der Poetsch'sche „Gefrierschacht“ einen der anziehendsten
Ausstellungsgegenstände überhaupt gebildet hat.1884 252 100. 1889 272
* 257. 273 158. 274
193.
Eine andere Methode, um Schwimmsande sicher und gefahrlos zu durchteufen, hat die
Firma Carl Eichler vorm. C. Henry Hall in Berlin und
Wien in der Berliner Ausstellung durch ein Modell zur Anschauung gebracht. Es ist
dies der eiserne Röhrenschacht nach dem Haase'schen D.
R. P. Nr. 29230 vom 13. März 1884.Vgl. 1889 274 194.
Der eiserne Röhrenschacht wird aus einzelnen
schmiedeeisernen Röhren von 4,5 oder 6m Länge zu
einer geschlossenen Spundwand in Rechteckform oder in runder Form zusammengefügt und
nach der Tiefe durch Verschraubung der erforderlichen Rohrtheile nach Bedarf
verlängert.
Die Verbindung der Rohre in seitlicher Richtung findet durch der Länge nach auf die
Rohren aufgenietete Führungsleisten statt, welche gleichsam Feder und Nuth bilden.
Die innere Leiste wird von einem ⊺-Eisen gebildet, dessen Flügel gebogen werden, so
daſs sie sich der Röhrenwandung genau anschlieſsen. Der auf diese Weise
hervorragende Steg des ⊺-Eisens wird von zwei Winkeleisen gehalten, welche
entsprechend an das angrenzende Rohr befestigt sind, ebenfalls indem je der eine
Schenkel nach der Krümmung des Rohres gebogen wird. Dadurch, daſs jedes Rohr an der
einen Seite mit einem ⊺-Eisen, an der andern Seite mit zwei Winkeleisen versehen
ist, kann man eine ununterbrochene, haltbare Röhrenwand nach Art der Spundwände
bilden. Bei Röhren, welche die Ecke eines rechtwinkeligen Schachtes bilden, werden
die erwähnten Leisten anstatt unter 180° unter 90° gesetzt Die Befestigung der
Leisten an den Röhren erfolgt durch je 200 Nieten. Eine derartige Spundwand ist
durchaus im Stande, jeden Wasserdruck auſserhalb des Schachtes, welcher bei 40m Schachttiefe bereits 4at beträgt, auszuhalten, so daſs die Arbeit im
Schachte gegen die Gefahr der hochgespannten Wassermassen geschützt ist. Die
äuſseren Wasser werden schon während des Abteufens durch die Röhrenschlitze
abgefiltert und die Schwimmsande mitunter in ein trockenes Gebirge verwandelt.
Der Schachtbau zerfällt in zwei verschiedene Arbeiten:
1) Das Einbohren der Röhren zur Abschlieſsung durch den Schwimmsand hindurch bis zur
festen Gebirgslage.
2) Das Abteufen selbst und die Ausförderung des durch die Röhrenwände abgeschlossenen
Schachtraumes nebst Einbau der eisernen und hölzernen Schachtjöcher.
Das Einbohren der Röhren erfolgt für jedes Rohr einzeln,
jedoch stets im Verbände mit den benachbarten anderen Röhren in folgender Weise:
Zunächst wird der 4 bis 6m tiefe Holzschacht
angelegt und in diesem der Führungsrahmen mit senkrechten guſseisernen
Führungsschienen eingebaut, um den Spundwandröhren eine genaue lothrechte Führung zu
geben. Das Niederbohren der Röhren, welche mit einem Stahlschuhe versehen sind,
geschieht mittels Wasserspülung. Ein Eichler'sches
Patent-Pendelpulsometer fördert durch einen Druckschlauch, der über eine Rolle am
Bohrgerüste geführt und mittels des Wasserwirbels mit dem Wasserspülgestänge
verbunden ist, Wasser in das letztere. Das Wasser tritt an der Bohrlochsohle durch
den am Spülgestänge angeschlossenen Bohrmeiſsel aus, lockert dort den Boden und
spült den Bohrschmant in dem ringförmigen Rohrtheile zu Tage, wobei bei einer
Stromgeschwindigkeit von 2m in der Secunde Steine
von mehr als Nuſsgröſse hochgefördert werden. Der oben auf dem Spundwandrohre
aufgesetzte Spülkopf ist mit einer Stopfbüchse für den Durchgang des Spülgestänges
und mit seitlichem Ausflusse für das hochgedrückte Bohrwasser versehen. Der
Bohrschlamm wird in Kübeln aufgefangen.
Bei festem Gebirge wird das Bohrgestänge von oben her mit einem Haspelseil durch
Heben und Senken in auf und ab gehende, oder durch einen Bohrkrückel in drehende
Bewegung versetzt. Gröſsere Steine werden, wenn sie sich vorfinden, zuerst mit dem
Meiſselbohrer zertrümmert. Es sind Gesteinslager von mehr als 1m Stärke auf letztere Weise durchsunken.
Das Niederdrücken der Röhren geschieht entweder mittels einer Zahnstangenwinde von
15000 bis 25000k Hebekraft, oder einer
hydraulischen Presse von 60000 bis 80000k
Druckkraft. Letztere, als Wasserdruck-Hebebock
besonders gebaut und zum Patente angemeldet, ist mit einem cylindrischen Durchgange
für das Spülgestänge versehen. Sobald der Hebel des Hebebockes bewegt wird, kommen
im Inneren zwei kleine Druckpumpen in Gang, welche dem Wasser einen Druck von 300at ertheilen und den Hebebockkolben mit 80000k Pressung heraustreiben. Dieser Druck wird nun
durch den Spülkopf auf das Spundwandrohr nach unten übertragen, so daſs das letztere
niedergehen muſs, weil der obere Theil des Hebebockes sich gegen starke
Widerlagsbalken stemmt, welche nach unten durch starke eiserne Anker festgehalten
werden. Um Höhendifferenzen zwischen Spundwandrohr und Presse auszugleichen, wird nach
Erfordern ein Preſsklotz von 0,5 oder 1m Länge
eingeschaltet.
Sind sämmtliche Spundwandröhren 1m tief eingebohrt,
so wird auch die Arbeitsbühne 1m tiefer gelegt,
und alsdann das vorherige Verfahren wiederholt, bis sämmtliche Röhren mit ihren
oberen Enden zur Sohle des Arbeitsschachtes niedergekommen sind und sich also der
ganze erste Röhrensatz 4 bezieh. 6m tief in der
Erde befindet. Der folgende Röhrensatz wird nun aufgebracht, indem die einzelnen
neuen Röhren durch innere Muffen mit den entsprechenden eingetriebenen Röhren
verbunden werden. Die Arbeitsbühne wird nunmehr wieder nach oben verlegt und das
Niederbringen der Röhrensätze von 1m zu 1m durchgeführt. In gleicher Weise findet das
Niederbringen der erforderlichen Zahl von Röhrensätzen statt, bis die feste
Gebirgsschicht (Kohle, Thon u. dgl.) erreicht ist und der untere Röhrensatz mit den
stählernen Schuhen etwa 0m,5 tief in dieser
Schicht feststeht.
Das Abteufen des Schachtes, dessen Inneres noch mit
Schwimmsand gefüllt, gegen Eindringen von äuſserem Schwimmsande aber völlig
gesichert ist, wird nunmehr von 1m zu 1m ausgeführt. Die ausgehobenen Schachttheile
erhalten eiserne Joche, um die Röhren wände gegen den zeitlichen Gebirgsdruck zu
verstärken. Die aus den Stöſsen in den Schacht zusetzenden Wasser werden mit dem
Pulsometer zu Tage gehoben.
Von Schachtausführungen dieser Art sind zu erwähnen: 1)
In der Grube Seessen bei Weissenfels, der Sächsisch-Thüringischen Actiengesellschaft für Braunkohlenverwerthung
gehörig, wurde 1884 in dem 36m tiefen Schachte Nr.
3 eine derartige Abteufung durch 12m Schwimmsand
bei 4000 bis 5000l Wasserzufluſs in der Minute
ausgeführt, nachdem an zwei Schächten mit Holzzimmerung und Mauerung jahrelang
vergeblich gearbeitet worden war. Die Röhren blieben als Schachtwände stehen. 2) Auf
Grube Pauline bei Schönborn (Dobrilugk), Besitzerin: Frau Quilitz in Berlin, gelang 1888 in 3 Monaten die Ausführung durch 5m Schwimmsand bei 36m Tiefe und bei 7000l Wasserzufluſs in
der Minute, nach jahrelang miſsglückten Versuchen von Abteufen in Holz. 3) In der
Grube Guerrini bei Vetschau, Besitzer: Lange und Sohn
und Reymer und March in Berlin, wurde durch 24m Schwimmsand der Wasserhaltungsschacht Nr. 1
abgebohrt und abgeteuft, und war im Sommer 1880 auf demselben Werke der
Fördermaschinenschacht Nr. 2 mit 4 × 3m
Querschnitt in gleicher Weise bereits in das 10m
mächtige Kohlenflötz eingebohrt.
Die Anlage des zweiten Schachtes auf diesem Werke ist durch den Umstand begünstigt
worden, daſs das Gebirge durch die Röhren des ersten Schachtes in einigen Monaten um
12m Tiefe entwässert worden war. Es gelang in
Folge dessen, den eisernen Schacht Nr. 1 in gröſserem Querschnitte in Holzzimmerung
auf die oberen 12m Tiefe nachzuführen und die beiden oberen Sätze der
eisernen Röhren wieder zu gewinnen, durch deren Wiederverwendung im Förderschachte
Nr. 2 12000 M. Kosten erspart sind.
Das Haase'sche Verfahren wird sich auch für
Grundwasser-, Häfen- und Uferbauten sehr empfehlen, besonders aus dem Grunde, daſs
sich Spundwandpfähle ohne Ramm werke, aber mit Wasserspülung, ohne Erschütterung des Erdreiches oder nahestehender
Gebäude, viel leichter einbringen lassen, als die bisherigen Rammpfähle. In
Baugruben wird sich eine leichte Wiedergewinnung und wiederholte Verwendung
derselben Spundwandröhren bewerkstelligen und dadurch eine wesentliche
Kostenersparniſs erreichen lassen.
Beim Baue der Raab-Brücke bei Györ wurde bei einem der
Widerlager der Eisenbahnbrücke, welches auf einem Pfeilerrest fundirt werden sollte,
unterhalb des Schotters eine Sandschicht und darunter Tegel angetroffen.
Trotzdem nun Schotter- und Sandschicht zusammen nur 5 bis 6m mächtig waren, so gelang es doch nur bei wenigen
Pfeilern, dieselben durch den lehmigen elastischen Sand tief genug in den Tegel
einzutreiben, während ein groſser Theil bei den starken Rammen eher
zersplitterte.
Da die Verwaltung der ungarischen Staatsbahnen die Fundirung als nicht genügend
sicher erachtete, wurde Herr Béla Zsigmondy
aufgefordert, zwischen den einzelnen 80 bis 100cm
von einander entfernten Pfeilern noch je einen Pfeiler etwa 50cm tief in den Tegel einzubohren, um diesen
alsdann noch tiefer einrammen zu können.
Zu diesem Behufe wurden Röhren von 390mm äuſserem
Durchmesser verwendet, mit welchen der Schotter und Sand unter Benützung von
Schlammbüchsen und Kugelventilen durchteuft, dann mittels Löffelbohrer oder
Kesselbohrer soweit als nöthig in den Tegel vorgebohrt wurde.
Die Pfeiler wurden hierauf in die Röhren eingeführt und etwas eingemauert, worauf
dann die Bohrröhren wieder herausgezogen wurden, um beim nächsten Bohrloche wieder
verwendet zu werden. Die Arbeit wurde anfänglich mit zwei Partien ausgeführt, später
jedoch drei Pfeiler zugleich eingebohrt. Mehr noch als die groſsen Kiese und
sonstigen Geschiebe, welche bis zur Kopfgröſse vorkamen, setzten die vielen
Holztheile, von zertrümmerten Pfeilern herrührend, dem Fortschritte der Röhren
Widerstand entgegen. Die mühselige Entfernung des Holzes war für das Niederbringen
der Röhren erforderlich, während andererseits ohne Verrohrung der Schotter und Sand
nicht zu durchdringen war.
Im Ganzen wurden in Zeit von 3 Monaten 68 Pfeiler eingebohrt, und da fernerhin ein
weiteres Einrammen in den Tegel 1 bis 1m,5 tief
möglich war, so hatte man den Zweck völlig erreicht.
Das oben beschriebene Verfahren des Schachtabteufens in schwimmenden Gebirgsmassen unterscheidet sich
von den englischen unter Anwendung sogen. „tubings“ sehr vortheilhaft
dadurch, daſs bei letztgenanntem die ganze Peripherie des Mantels auf einmal
hinabgepreſst werden muſs, was natürlich mit gröſseren Schwierigkeiten verbunden
ist.
Ein anderes deutsches Verfahren mit stückweiser
Niederpressung von Schachtwänden ist Herrn Ludwig
Weicht in Waterloogrube bei Kattowitz, O. S., vom 22. Juni 1884 ab unter
Nr. 33 222 für das Deutsche Reich patentirt worden.
Dasselbe charakterisirt sich dadurch, daſs der Schachtscheibenring aus 23 gebogenen
Kasten von zähem Eisen mittels Schwalbenschwanzes und entsprechender Auszackung
zusammengefügt ist, und in senkrechter Richtung nach Einpressung des ersten Ringes
den Aufsatz eines neuen Kastenringes erhält. Der seitlichen wie senkrechten
Verschiebung wird durch Splinte vorgebeugt, Jeder dieser Kasten ist wiederum in drei
Räume eingetheilt, deren jeder für einen Einsatzkasten von quadratischem
Querschnitte bestimmt ist. Das Einpressen der 23 Ring- und 69 Einsatzkasten findet
nun in anschlieſsender Reihenfolge unter Aufsatz der erforderlichen Verzögerungen
bis zum festen Gebirge statt. Die losen Gebirgsmassen werden alsdann mittels des
Schlammbohrers aus dem Einsatzkasten aufgeholt und durch eingefüllten Cementmörtel
ersetzt. Sobald der Cementmörtel im Anschlusse an das feste Gestein erhärtet ist,
wird ein völlig sicherer Abschluſs des Schachtinneren gegen das äuſsere schwimmende
Gebirge erreicht, von einer Standfestigkeit, daſs beim folgenden Abteufen keine
ferneren Verspreitzungen des Schachtinneren erforderlich werden. Zur Absperrung des
später etwa auftretenden Wassers bleibt die Aufrichtung einer Cementmörtelmauer aus
Backsteinen an der Innenwand des Schachtscheibenringes erwünscht.
Man hat auch anderweitig vorgeschlagen, Stöſse aus Beton derart herzustellen, daſs
man Bohrlöcher dicht neben einander niederbringt, deren Rohre dann mit einer Füllung
von Beton versehen werden, nach dessen Erhärtung man die Rohre herauszieht.
Abgesehen davon, daſs sich die Betonfüllung nur absatzweise, je nach Erhärtung einer
kürzeren Säule, einbringen läſst, so kann man dieses Verfahren naturgemäſs nur bei
Abteufungen anwenden. Um nun einen gleichartigen Erfolg nach der wagerechten oder
einer dieser annähernden Richtung zu erreichen, also z.B. beim Tunnelbau, hat Herr
F. H. Poetsch eine Erfindung in Vorschlag gebracht,
welche das D. R. P. Nr. 40441 vom 30. December 1885 ab erhalten hat.
Danach werden in die Bohrröhren feste Kernstücke eingesetzt, die entweder durch
Stifte mit einander verbunden oder auf eisernen Kernstangen hinter einander
aufgereiht werden. Die Bohrröhren lassen sich bei diesen trockenen Kernsäulen viel
leichter abstreifen als bei den verhärteten Betonsäulen, welche mehr oder weniger
fest an dem Inneren der Bohrröhren haften.
Vorrichtungen zum Schachtabbohren nach dem bekannten Kind-Chaudron'schen Verfahren haben auf der Berliner Ausstellung die Königl. preuſsische Berginspektion Staſsfurt, sowie die
Bergwerksgesellschaft „Gneisenau“, Altenderne bei Dortmund, zur Anschauung gebracht.
(Fortsetzung folgt.)