Titel: | Frank Sprague's elektrische Eisenbahn. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 314 |
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Frank Sprague's elektrische Eisenbahn.
Sprague's elektrische Eisenbahn.
Um eine nach jeder Richtung erprobte Art elektrischer Eisenbahnen einzuführen und die
Erfahrungen zu benutzen, welche in den Vereinigten Staaten von Nordamerika auf
diesem in Deutschland noch wenig beachteten Gebiete gemacht sind, hat die Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft in Berlin mit Frank Sprague (vgl. 1888 270
336; 1889 271 240, 273 544,
586) und der nach ihm benannten Sprague Electric Railway und
Motor Company in New York Vereinbarungen getroffen, welche sie in den Stand
setzt, elektrische Bahnen in gleicher Vollendung auszuführen. Durch das getroffene
Uebereinkommen hat die Gesellschaft sich auſser werthvollen Patenten und dem Rechte
der ausschlieſslichen Benutzung zukünftiger Erfindungen in Deutschland, Oesterreich,
Ruſsland und anderen Ländern, zugleich die unmittelbare Verwerthung der auch im
amerikanischen Betriebe gewonnenen Erfahrungen gesichert. Wie bedeutend diese jetzt
schon sind, geht daraus hervor, daſs die im engen Zusammenhange mit der General Electric Company in New York (einer Vereinigung
der amerikanischen Edison-Gesellschaften) stehende
Unternehmung schon jetzt nach ihrer Art in den Vereinigten Staaten 59 verschiedene
Bahnen von im Ganzen 725km Länge gebaut und mit
477 Motorwagen ausgerüstet hat. Die erste elektrische Bahn dieser Art auf dem
Continent wird gegenwärtig von einer hervorragenden italienischen
Pferdebahngesellschaft zwischen Florenz und Fiesole angelegt.
Wie entwickelungsfähig die Anwendung der elektrischen Kraft sich auf dem gesammten
Gebiete des Transportwesens erweist, lassen die Umwälzungen erkennen, die sich
gerade jetzt in Amerika vollziehen, wo die Elektricität, wenn sie bisher auch noch
nicht in den Fernverkehr eingedrungen ist, doch im lokalen Verkehre schon jetzt
festen Boden gewonnen hat und vor Allem mit dem Betriebe durch Zugthiere in
erfolgreichen Wettbewerb getreten ist.
Die Vorzüge des elektrischen Betriebes auf diesem Gebiete sind folgende: In Folge der
gröſseren zulässigen Fahrgeschwindigkeit und des rascheren Anfahrens und Anhaltens
wird einestheils mit einer geringeren Wagenzahl der Verkehr bewältigt und hierdurch
bei gleichen Kosten die Leistung erhöht, anderntheils erspart das Publikum nicht
unwesentlich an Zeit; bei Schneefällen kann der Betrieb noch aufrecht erhalten
werden, wenn er bei thierischer Zugkraft beschränkt, oder eingestellt werden muſs. In
belebten Straſsen sind elektrische Eisenbahnen unbedingt sicherer als andere
Fuhrwerke, weil der Motorwagen sich in der unbedingten Gewalt des Führers befindet.
Durch Fortfall der Bespannung wird die Raumbeanspruchung im Interesse des Verkehrs
wesentlich vermindert. Die Straſsen werden geschont und rein erhalten; die Ställe,
welche häufig der Nachbarschaft zu Klagen Anlaſs geben, fallen weg. Aus der
Verwendung von Kohlen anstatt des Futters zur Erzeugung der Zugkraft und dem
Verbrauche derselben nur bei thatsachlich geleisteter Arbeit ergeben sich bedeutende
Ersparnisse. Für die Vorzüglichkeit der elektrischen Beförderung spricht, daſs der
Verkehr auf elektrisch betriebenen Bahnen sich rasch hebt.
Die auf den Plattformen befindlichen Umschalter gestatten die Fahrgeschwindigkeit der
Wagen von 6 bis 16km in der Stunde zu steigern,
die Bewegung umzukehren und den Wagen nöthigenfalls augenblicklich anzuhalten; für
letzteren Zweck ist auch eine mechanische Bremsvorrichtung dem Führer ebenfalls
bequem zur Hand angebracht. Die Regulirung der Geschwindigkeit erfolgt also nicht
durch Anwendung von Kraft verzehrenden Widerständen.
Die Wagen durchlaufen ohne Schwierigkeit Krümmungen bis zu 15m Halbmesser und überwinden Steigungen bis 1 : 10,
in Folge ihrer vortrefflichen mechanischen und elektrischen Durchbildung; letzterer
ist auch die hohe Arbeitsleistung bei geringem Aufwände von Brennmaterial
zuzuschreiben. Die Zugkraft schmiegt sich dem jeweiligen Bedürfnisse innig an; man
kann deshalb auf elektrischen Bahnen durch Anhängen von einem oder mehreren
vollbesetzten Wagen, wenn es die Umstände erheischen, mit geringen Kosten und ohne
Vermehrung des Personals einen über den Durchschnitt weit hinausgehenden Verkehr
leicht bewältigen.
Mit Dampf betriebene Straſsenbahnwagen erschrecken nicht selten die Pferde durch das
Getöse, den Rauch, den Dampf, die Erschütterungen und die Schwingungen sichtbarer
Maschinentheile, die die Sinne der Thiere einnehmen: die elektrischen Wagen, zumal
des Sprague-Systems, sind davon völlig frei; sie fahren
mit mehr oder minder beträchtlicher Geschwindigkeit an den Pferden vorüber, ohne
deren Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Erfindungen von Sprague erstrecken sich theils auf
die Einrichtung und Regulirung der Elektromotoren und deren Aufhängung am
Wagengestelle, theils auf die Stromzuführung; alle kommen mehr oder weniger bei den
verschiedenen Arten elektrischer Fortbewegung zur Geltung.
Die vom elektrischen Strome in Drehung versetzten Anker der Dynamomaschinen hängt Sprague unter dem Wagengestelle, in Federn derartig
auf, daſs sie den Bewegungen der Achsen und Räder willig folgen und den Eingriff der
zur Kraftübertragung benützten ZahnräderSehr deutliche Abbildungen dieser Räderübertragungen gab Electrician 1889 Bd. 23 * S. 276.
nicht beeinträchtigen, welche sich weit besser als Seile und Ketten bewährt haben.
Um auch die Erschütterungen der Triebräder zu beseitigen, stellt er diese zum Theil
aus elastischem Material her; dies macht sich auch auf den Wagen durch angenehme und
sanfte Bewegung merkbar; hierzu trägt allerdings auch die vollkommene Isolirung des
Untergestelles von dem Wagenkasten bei, der sonst durch die Arbeit der Motoren in
heftige und unangenehme Schwingungen geräth.
Um die Wartung der Maschinen zu erleichtern, sind alle Theile nach Möglichkeit
vereinfacht und leicht zugänglich gemacht. Räder und Triebe lassen sich ohne
Demontirung der Maschine entfernen. Die Lager sind staubdicht und selbstölend, damit
sie, wie die Bürsten zur Zuführung des elektrischen Stromes, tagelang ohne Aufsicht
laufen können. Die Bürsten sind aus einem Material gefertigt, das den Commutator
wenig angreift; ihre Stellung braucht bei wechselnder Belastung nicht geändert zu
werden. Die Motoren arbeiten im Vor- und Rückwärtslaufe gleich vortheilhaft. Die
Abnützung aller Theile ist auf das geringste Maſs beschränkt.
In manchen Fällen fügen sich Accumulatorwagen, deren Batterien entweder unter den
Sitzen oder in besonderen Tendern untergebracht werden, leichter in den Betrieb
bestehender Pferdebahnen ein; die unmittelbare Zuführung des Stromes von der
Erzeugungsstelle zu den Motoren verdient jedoch aus ökonomischen Gründen den
Vorzug.
Bei oberirdischer Stromzuführung nach Sprague's Weise
hängt die Leitung in leichter und gefälliger Weise an dünnen Längsdrähten, die in
einer Höhe von 6 bis 7m über den Schienen in der
Mitte des Bahnkörpers ausgespannt sind und wiederum von Querdrähten getragen werden.
Die Rückleitung des elektrischen Stromes erfolgt durch die Schienen zur Erde. Die
Querdrähte ruhen auf isolirenden Spitzen von hölzernen, oder eisernen Pfosten,
welche je nach den Umständen mehr oder weniger elegante Formen erhalten; auch die
Querdrähte sind von der Leitung isolirt. Wo sich solche Pfosten zu den Seiten des
Fahrdammes nicht anbringen lassen, werden sie mitten in die Straſse gestellt und mit
Armen versehen, die bis zur Achse des Bahnkörpers reichen; ihre Abstände von
einander betragen ungefähr 40m. In Krümmungen
folgen die Längsdrähte in den Geleisemitten den Sehnen der Kreise. An Abzweigungen
der Geleise werden keine schwerfällige Stromweichen benutzt. Der erwähnte
Längsdraht, dessen Anbringung in beträchtlicher Höhe über dem Straſsenboden und
dessen doppelte Isolirung von der Erde jede Gefahr durch Berührung ausschlieſst,
bildet indessen nicht die eigentliche Stromzuführung; vielmehr besteht neben dieser
sogen. Arbeitsleitung eine ungleich stärkere Hauptleitung, welche entweder von
denselben Pfosten – und dann ebenfalls gegen die Erde isolirt – getragen, oder als
Kabel in die Erde gebettet wird. Beide Leitungen sind in gewissen Abständen mit
einander verbunden. Der Zweck dieser Einrichtung ist einerseits die Verwendung sehr
dünner Längsdrähte, welche sich auf weitere Entfernungen frei tragen, auch bei
erheblichen Bahnlängen, andererseits die Möglichkeit einer Unterbrechung der
Arbeitsleitung bei Erweiterungen oder Ausbesserungen ohne Störung des Betriebes.
Die Ueberführung des Stromes zu den Motoren bewirkt ein auf dem Wagendache
angebrachtes Stahlrohr, welches die mit einer Rille versehenen Metallrollen von
unten gegen die Arbeitsleitung drückt und in dieser Weise einen guten Contact mit
derselben herstellt. Die Rille dient zugleich zur Führung der Rolle. In dieser Weise
vermeidet Sprague die ungeschickten Stromweichen in der
Luft, die sonst bei oberirdischen Leitungen bald diese, bald die Contactseile der
Gefahr des Herabzerrens oder Bruches aussetzen.
Im Vergleich mit dieser einfachen Stromzuführung zum Wagen ist die unterirdische
Leitung nichts weniger als vollkommen. Denn die Anlage und Unterhaltung der Kanäle,
die diese Leitungen aufzunehmen haben, ist umständlich und kostspielig, und der
Contact wird häufig durch Verunreinigung und klimatische Einflüsse
beeinträchtigt.
Die Stromerzeugungsanlage weicht wenig von der bekannten Einrichtung der Stationen
der Gesellschaft zur elektrischen Städtebeleuchtung ab. Zwar sind die Spannungen des
Stromes hier höher als dort, aber immer noch gering genug, um eine Gefahr bei
gleichzeitiger Berührung der Pole auszuschlieſsen. Trotzdem die Arbeit jedes Motors
nach Erforderniſs und Gröſse des Wagens auf 8 bezieh. 15 gesteigert werden
kann, braucht die Leistung der Dampfmaschinen und Kessel bei normalem Betriebe im
Allgemeinen nur der Zahl von Pferden zu entsprechen, die bei gleichem Effecte
Verwendung finden würden. Mit Rücksicht auf die allmähliche Steigerung des Betriebes
und etwaigen Vorrath empfiehlt es sich indessen, diese Leistung von vornherein hoher
zu bemessen, da bei zweckmäſsiger Anordnung unter diesen Umständen doch ebenfalls
nur der Kraftverbrauch im geraden Verhältnisse zur gelieferten Arbeit steht. Auch
der Bau der Dynamomaschinen und Anker gleicht im Wesentlichen dem in den
Beleuchtungsanlagen der Gesellschaft; ihre Bedienung beschränkt sich bekanntlich auf
die Beobachtung der Spannungs- und Stromanzeiger. Selbstthätige Blitzschutz
Vorrichtungen sichern die Station gegen Gefahren aus der Entladung der
atmosphärischen Elektricität. Zur Verwendung unnützen Aufwandes von Leitungsmaterial
trachtet man die Station möglichst in die Mitte der Bahn zu legen, falls
Accumulatoren für den Fortbetrieb benützt werden, trifft man in den
Stromerzeugungsanstalten., oder an anderen geeigneten Stellen Einrichtungen zu einer
leichten und raschen Auswechselung dieser Batterien.
Die Einrichtungskosten der elektrischen Bahnen hängen theils von örtlichen
Bedingungen, Steigungen., Kurven und Art der Stromzuführung, theils von der Zahl und
Gröſse der Wagen, ihrer Fahrgeschwindigkeit (bei oberirdischen Leitungen auch von
der Ausstattung der Pfosten) ab. Im Gegensatze zum Pferdebetriebe beeinfluſst die
Zugkraft hier die Kosten des gesammten Bahnbetriebes verhältniſsmäſsig wenig, da die
Erzeugung der elektrischen Energie selbst bei theueren Kohlen und Arbeitslöhnen
ungleich billiger ist, als animalische Zugkraft. Im Allgemeinen aber darf die
Ersparniſs an Zugkosten gegenüber dem Pferdebetriebe auf 30 bis 50 Proc. geschätzt
werden.