Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 373 |
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Ueber Fortschritte in der
Spiritusfabrikation.
(Patentklasse 6. Fortsetzung des Berichtes S. 132
d. Bd.)
Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
I. Rohmaterialien und Malz.
Mutterkartoffeln hat Alexander
Müller untersucht. Dieselben enthielten keine Stärke, auch fast kein
Protein. Die mineralischen Bestandtheile waren auf etwa die Hälfte vermindert mit
Ausnahme des Chlorkaliums, welches eine starke Anreicherung erfahren hatte. Der
Verfasser ist der Ansicht, daſs die Mutterkartoffeln die Tochterknollen nicht allein
aus dem eigenen Vorrath ernähren, sondern denselben auch, so lange erstere
lebensfrisch sind, Nährstoffe aus dem Erdboden vermitteln. (Landwirthschaftliche Versuchsstationen, Bd. 36 S. 265).
Ueber den günstigen Einfluſs der Lüftung des Getreides
während der Quellzeit berichtet Wenzel
Christek in der Oesterreichisch-Ungarischen
Brennereizeitung, Bd. 13 S. 305. Das unter periodischem Luftzutritt
gequellte Getreide wird viel früher quellreif und beginnt auch früher zu keimen,
sodaſs sowohl an Tennenraum, wie auch an Arbeit wesentlich gespart wird. Die
Qualität des Malzes war eine sehr gute.
II. Dämpfen und Maischen.
Roggenmalz als Zumaischmaterial empfiehlt Carl Bennewitz in der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 12 S. 284. Verfasser gibt dem
Roggenmalz den Vorzug vor dem Roggen. Bringt man den Roggen 24 bis 30 Stunden später
in den Quellbottich, so kann Roggen und Gerste zusammen wie gewöhnliches Gerstenmalz
behandelt werden. 50k Roggen als Malz auf 3000l Maischraum ergaben eine Mehrausbeute von 22 bis
24l Spiritus. Da hiervon nur 16 bis 18l aus der Stärke des Roggens stammen können, so muſs die
Mehrausbeute von 6 bis 8l auf die Wirkung der in
dem Roggenmalz enthaltenen reichlicheren Diastasemenge zurückgeführt werden. Es fand
also eine gute Ausnutzung nicht nur des Roggens, sondern auch der anderen
Maischmaterialien statt.
III. Gährung und Hefe.
Die todten Punkte bei der Kunsthefebereitung. Von Prof.
Delbrück-Als todte Punkte in der Kunsthefebereitung
bezeichnet der Verfasser in einer Abhandlung in der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 12 S. 277, die Pausen, welche
zwischen einzelnen Operationen der Hefebereitung eintreten und deren Beseitigung im
Interesse der Gewinnung einer reinen, d.h. sowohl von Spaltpilzen, wie auch von
anderen Hefeformen freien Hefe dringend geboten erscheint. Die Forschungen der
Neuzeit auf dem Gebiete der Gährungsorganismen haben zu der Erkenntniſs geführt,
daſs es in der That verschiedene Heferassen gibt, welche sich von einander sowohl in
ihrer Thätigkeit, wie in ihren Lebensbedingungen wesentlich verschieden verhalten.
In der Brauerei hat man sich diese Thatsache durch die Verwendung solcher, durch
Culturen gut bewährter Hefe formen erzeugter Hefen längst zu Nutzen gemacht. Aber es
unterliegt keinem Zweifel, daſs diese Frage auch für die Spiritusfabrikation von
weittragender Bedeutung ist, worauf Delbrück schon
mehrfach hingewiesen hat (vgl. 1888 269 326). Durch seine
jetzigen Ausführungen sucht der Verfasser die Aufmerksamkeit der Praktiker auf
diesen wichtigen Gegenstand zu lenken.
Unter reiner Hefe verstand man bisher eine solche, welche, abgesehen vom
Milchsäureferment, frei von Spaltpilzen ist. Auf Grund der gewonnenen Erfahrungen
über die Lebensbedingungen des Milchsäureferments, hatte man auch die Umstände
kennen gelernt, welche es ermöglichten, die Säuerung des Hefegutes zu einer reinen
Milchsäurebildung zu gestalten. Seit man nun aber durch die klassischen
Untersuchungen von Hansen die Bedeutung der
verschiedenen Heferassen kennen gelernt hat, muſs der Begriff der reinen Hefe dahin
erweitert werden, daſs die Hefe nicht nur frei von Spaltpilzen, sondern auch von
andern Hefeformen sein, also eine reine Rasse darstellen muſs. Wenn nun auch die
Frage, ob es in der That Hefeformen gibt, welche für die Brennerei besonders
ungeeignet sind, indem dieselben z.B. untauglich zur Vergährung von Dickmaischen
oder geeignet zur Hervorrufung der Schaumgährung oder anderer schlechter
Gährungsformen sind, oder andererseits, ob es Hefeformen von besonders guten
Eigenschaften, z.B. Erzeugung eines sehr reinen Spiritus, gibt, – wenn auch diese
und ähnliche Fragen noch der Entscheidung harren, so dürfte bei dem bereits
bekannten verschiedenen Verhalten der verschiedenen Heferassen ein derartiger
Einfluſs sehr wahrscheinlich und daher die Ausschlieſsung fremder Hefeformen
anzustreben sein.
Aufgabe bei der Kunsthefebereitung ist es also, die Kunsthefe nicht bloſs zu schützen
gegen Infection durch schädliche Spaltpilze, sondern auch gegen Infection durch
schädliche Hefearten. Die Träger der Infection sind immer entweder das Rohmaterial
oder unreine Lokale, Gefässe, Werkzeuge, oder unreine, mit Staub beladene Luft. Will
man die Infection fernhalten, so ist in erster Linie die altbewährte Reinlichkeit zu
üben und auch für reine Luft zu sorgen. Aber niemals wird man hierdurch, da ein
Abschluſs der Luft nicht zulässig ist, die Infection vollständig verhindern können,
man wird daher den Schutz gegen die Infection anderswo suchen müssen und der Gedanke
liegt nahe, daſs ebenso wie bei den Spaltpilzen, so auch bei den schädlichen
Hefeformen das Studium der Lebensgewohnheiten der einzelnen Hefearten die Mittel und
Wege zu ihrer Unterdrückung finden lassen wird. Die Aufgabe der Praxis wird es aber
sein müssen, die einmal rein bezogene Hefe auch rein von andern Hefearten zu halten
und als Erforderniſs hierzu stellt Verfasser die Vermeidung
der todten Punkte hin, die Beseitigung derjenigen Pausen in der
Kunsthefebereitung, in denen die Hefe noch nicht da ist, oder in ihrer Thätigkeit
ruht, wo aber andererseits gerade die Bedingungen für die Entwickelung fremder, in
die Maische gelangender Hefe formen in Folge günstiger Temperatur und
Säuerungsgrades besonders geeignete sind. Es ist eine bekannte Thatsache, daſs die
lebhafte Thätigkeit eines Ferments die Entwickelung eines andern Ferments hindert
und ebenso wird auch die lebende und gährende Hefezelle sich auch gegen das
Eindringen anderer Hefearten vertheidigen. Will man eine Hefe rein und gesund
erhalten, so ist also ein Hauptgrundsatz der: Die Hefe muſs
immer in Thätigkeit sein in den Flüssigkeiten, in welchen sie gezüchtet werden
soll. Hieraus ergiebt sich von selbst die Nothwendigkeit der Vermeidung der
todten Punkte in der Kunsthefebereitung. Als solche schädliche Pausen bezeichnet der
Verfasser einmal die Zeit von Beendigung der Säuerung bis zum Beginn der Anstellung
mit Mutterhefe, und andererseits die Zeit, welche vergeht von der Abnahme der
Mutterhefe bis zur Wiederbenutzung derselben zum Anstellen. Besonders gefährlich ist
die erste Pause, welche etwa 10 Stunden dauert und wo die niedrige Temperatur von
etwa 25°, bei welcher das gesäuerte Hefegut sich befindet, gerade für die
Entwickelung der durch Zufall in die Hefe gelangenden schädlichen Hefeformen sehr
günstig wirkt, während gegen die Entwickelung von Spaltpilzen die niedrige
Temperatur und die erhebliche Menge der vorhandenen Säure einen Schutz gewähren.
Weniger gefährlich ist der zweite, ebenfalls etwa 9 bis 10 Stunden währende todte
Punkt, denn hier kann man der Entwickelung schädlicher Hefearten durch rechtzeitige
Abnahme der Mutterhefe, so daſs sie noch in flotter Thätigkeit ist, sowie durch
concentrirteres Einmaischen, so daſs ein hoher Alkoholgehalt in der Mutterhefe
vorhanden ist, entgegentreten. Immerhin aber wird doch vielfach ein Moment kommen,
wo die Hefe sich zur
Ruhe setzt und den Platz frei macht zur Entwickelung nicht gewünschter
Pilzarten.
Der Verfasser ist der Ansicht, daſs auf Grund der dargelegten Gesichtspunkte eine
Reform der Kunsthefebereitung vorgenommen werden muſs. In welcher Weise und nach
welchen Richtungen diese Reform angebahnt werden kann, erörtert der Verfasser in
einem zweiten Aufsatz in derselben Zeitschrift S. 283,
worin er die Mittel und Wege zur Vermeidung der todten
Punkte bespricht. Um den möglichen Schädigungen durch den todten Punkt,
welcher zwischen der Abkühlung des sauren Hefeguts und dem Anstellen mit Mutterhefe
liegt, entgegenzutreten, macht der Verfasser unter der Voraussetzung, daſs
möglichste Reinlichkeit auch der Luft, sowie Schutz des Hefeguts durch Bedecken
nicht ausreichend sind, folgende Vorschläge. 1) Man halte das saure Hefegut auf
einer so hohen Temperatur, daſs Organismen sich nicht weiter entwickeln können, und
schreite erst dann zur Abkühlung, wenn nach erfolgter Abkühlung das Abstellen mit
Mutterhefe sofort stattfinden kann. Zu diesem Zweck wird man das Hefegut mittels
Dampfrührers oder indem man warmes Wasser durch den Kühler laufen läſst, anwärmen
müssen und man wird hierbei eine Temperatur von 62,5° bis vielleicht sogar von 75°
einhalten können, so daſs auch in einer kalt gelegenen Hefekammer sich das Hefegut
bis zur Zeit des Anstellens mit Mutterhefe auf etwa 56° hält. 2) Ein zweites Mittel
würde in der sogen. kurzen Säuerung zu suchen sein, welche in der Praxis schon
mehrfach mit sehr gutem Erfolg angewendet wird. Man würde das Hefegut einen Tag
später als gewöhnlich einmaischen, jedoch Morgens möglichst früh, nachdem es zwei
Stunden zur Zuckerbildung gestanden hat, es alsdann auf 50° abkühlen und bei dieser
Temperatur zur Säuerung bringen. Um eine regelmäſsige und schnelle Säuerung zu
erzielen, wird das Miteinmaischen von etwas saurem Hefegut sich empfehlen. Man wird
auf diese Weise reichlich Säure erzielen und unmittelbar vor der Anstellung mit
Mutterhefe zur Abkühlung des Hefeguts schreiten können. 3) Als drittes Mittel würde
sich unter Beibehaltung des üblichen Säuerungsverfahrens das sehr frühe Anstellen
mit Mutterhefe empfehlen. Zu diesem Zweck müſste man allerdings mit der
Anstelltemperatur noch unter 15° heruntergehen und vielleicht auch das
Mutterhefequantum noch verringern. Da dieses aber nicht unbedenklich ist, so würde
sich für den Fall, daſs man die unter 2) genannte kurze Säuerung nicht anwenden
will, vielleicht eine Combination der unter 1) und 3) angegebenen Verfahren
emfehlen.
Zur Prüfung dieser Vorschläge würde sich am besten eine Brennerei eignen, welche an
ganz auffallenden Gährungserscheinungen, z.B. Schaumgährung, welche durch Bezug
neuer Saathefe überwunden wird, sich aber regelmäſsig nach einigen Wochen wieder
einstellt, leidet. Hier müſste bei zweifachem Betriebe bei Bezug neuer Saathefe die
eine Hefe wie gewöhnlich
geführt, die andere aber in einer der vorgeschlagenen Weisen abgeändert werden, um
zu erfahren, ob diese so verschieden geführten Hefen auch bei der Gährung der
Hauptmaische ein verschiedenes Resultat geben.
Eine sehr wichtige Frage ist es nun: „Wie verschafft man sich die richtige Heferasse“; dieser Frage tritt
der Verfasser in einer dritten Abhandlung S. 291 näher.
Bekanntlich gibt es bereits Hefeculturstationen (in München, Wien, Kopenhagen, sowie
auch in der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin), welche rein
gezüchtete Hefen für Brauereien liefern. Der Verwendung solcher Hefen für die
Spiritusfabrikation steht aber vorläufig noch der hohe Preis von 50 M. für 1k entgegen, umsomehr, da der Werth der einzelnen
Heferassen für die Brennerei zur Zeit noch nicht hinreichend erkannt ist; man weiſs
z.B. noch nicht, welche Heferasse bestimmt die Eigenschaft besitzt, Dickmaischen
besonders gut zu vergähren und einen reinen Spiritus zu erzeugen, u.s.w. Es würde
nun weiter der Bezug von Preſshefe in Frage kommen, dem stehen jedoch manche
Bedenken entgegen. Einmal wechseln die Preſshefefabriken sehr oft mit der Saathefe,
sie können daher keine Garantie dafür bieten, daſs sie immer die gleichen Hefenassen
züchten. Andererseits geht das Bestreben der Preſshefefabriken hauptsächlich auf die
Gewinnung einer für Backzwecke geeigneten Hefe, es ist aber durchaus nicht ohne
Weiteres anzunehmen, daſs eine solche Hefe auch für die Spiritusgewinnung gleich
gute Eigenschaften besitzen muſs. Es liegt vielmehr eher die Vermuthung nahe, daſs
dies nicht der Fall sein wird, denn die in den Preſshefefabriken aus den sehr dünnen
und alkoholarmen Maischen gewonnene Hefe ist an ein ganz anderes Nährmedium gewöhnt,
als es die hochprocentigen, an Alkohol reichen Maischen der Spiritusfabrikation
darstellen. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daſs gerade diejenige Heferasse,
welche in der Dünnmaische gut gedeiht, in der Dickmaische weniger am Platze sein
wird. Wenn nun auch die oft mit Preſshefe erzielten guten Erfolge dafür sprechen,
daſs die sonstigen Verhältnisse der Hefeernährung in der Preſshefefabrikation eine
Hefe hervorbringen, welche auch für Maischraumbrennereien geeignet ist, so liegt
nach Ansicht des Verfassers in dem Bezug dieser Hefe doch immer ein gewisses Risiko.
Der Verfasser schlägt daher als den richtigeren und sichereren Weg zur Beschaffung
einer geeigneten Heferasse den Bezug einer guten Mutterhefe aus einer
Maischraumbrennerei vor, welche notorisch einen gut geregelten, reinlichen Betrieb
hat, in welcher hohe Ausbeulen vom Maischraum erzielt werden, sodaſs mit
Nothwendigkeit anzunehmen ist, daſs in dieser Brennerei auch eine Heferasse
arbeitet, welche leistungsfähig ist. Dieses Suchen nach der richtigen Heferasse
müſste aber ganz systematisch betrieben werden durch Angebot seitens solcher
Brennereien, welche im Besitz einer besonders leistungsfähigen Hefe zu sein glauben
und andererseits durch Nachfrage seitens derjenigen, welche eine leistungsfähige Hefe zu beziehen
wünschten, sodaſs sich also auch für die Brennerei ein Hefegeschäft, ähnlich wie es
für die Brauerei längst besteht, herausbildet Dieses würde den tüchtigen und
leistungsfähigen Brennereiverwaltern auch eine schöne Nebeneinnahme bringen.
In einer weiteren Abhandlung S. 306 kommt der Verfasser
auf die Bedeutung der Reinzuchthefe für die
Preſshefefabrikation zu sprechen. Hier scheint die Frage im allgemeinen
noch keine praktische Behandlung gefunden zu haben, wäre aber gewiss sehr am Platze.
Besonders diejenigen Fabriken, welche eine Specialität in der Lieferung von
Stellhefe für Brennereien suchen, wären wohl veranlaſst, der Frage der Reinhefe
energisch näher zu treten. Aber auch das Hauptgeschäft der Preſshefefabriken,
nemlich die Gewinnung guter Bäckerhefe, dürfte hierbei mit in Betracht zu ziehen
sein, denn es ist wohl anzunehmen, daſs auch für Bäckereizwecke nur besondere
Hefearten geeignet oder doch vorzuziehen sind, so daſs auch hier die Auswahl einer
geeigneten Heferasse und die Reinzüchtung derselben wohl im geschäftlichen Interesse
zu versuchen sein dürfte. Es wäre sogar ins Auge zu fassen, bezieh. in den
Preſshefefabriken zwei Heferassen neben einander zu führen, von denen die eine der
Erzeugung von Bäckereihefe, die andere der von Stellhefe für Brennereien dient, auch
könnte die Frage aufgeworfen werden, ob nicht bei wirklicher Leistungsfähigkeit sich
Preſshefefabriken ausschlieſslich der Erzeugung vorzüglicher Stellhefe widmen
sollten. Der Verfasser macht nun Vorschläge, wie derartige Versuche auszuführen
wären. Entweder könnte man sich von einer Hefeculturstation aus einer in der Praxis
bewährt befundenen Hefeform 1k Reinhefe darstellen
lassen, diese mit 60 bis 70l Maische kunstgerecht
anstellen und diese gährende Maische als Mutterhefe benutzen, oder aber – und diese
Methode empfiehlt sich noch mehr – die Anwendung eines Reinzuchtapparates, wie
solche von Hansen und Kühle in Kopenhagen und für kleinere Fabriken auch von Lindner construirt sind. In diesen Apparaten wird
Maische in einem geschlossenen Behälter durch Erhitzen steril gemacht, unter
völligem Abschluſs gegen Infection gekühlt und gelüftet und alsdann in einem
geschlossenen Gährcylinder mit einer Reinhefe zur Gährung gebracht. Der Gährcylinder
ist auch so eingerichtet, daſs eine Infection so gut wie völlig ausgeschlossen ist.
Aus diesem Gährcylinder wird nun nach Bedarf Hefe zur Verwendung als Mutter
entnommen; der Rest, welcher in dem Gährungscylinder zurückbleibt, wird durch neue
Zuführung von steril gemachter, gekühlter und gelüfteter Würze zur weiteren
Fortpflanzung gebracht, so daſs also continuirlich reiner Muttersatz aus dem
Reinzuchtapparat entnommen werden kann. Der Apparat von Lindner kann durch das Vereinslaboratorium, der gröſsere von Hansen-Kühle vom Kupferschmiedemeister F. W. Pest in Berlin bezogen werden.
Die interessanten und praktisch wichtigen Gesichtspunkte, welche Delbrück in seinen Abhandlungen berührt hat, haben
sogleich anregend gewirkt und die Praxis zu Mittheilungen über diese Frage
veranlaſst. Dieselben liegen in der Zeitschrift für
Spiritusindustrie, Bd. 12 vor und enthalten einestheils Vorschläge zur
Hefebereitung, welche mehr oder weniger vollkommen die Vermeidung der todten Punkte
anstreben, theils sind es Mittheilungen über die Erfolge, welche mit solchen,
bereits in der Praxis angewandten Verfahren erzielt wurden. So theilt S. 283 Bennewitz-Lindenburg sein Hefebereitungsverfahren mit.
An derselben Stelle beschreibt Trautmann die Bereitung
einer zweitägigen Hefe. Seite 313 wird über die Bereitung einer 24stündigen Hefe aus
Rumänien berichtet. A. Schneider-Nedlitz macht S. 297
Vorschläge zur Führung einer zweitägigen Schlämpehefe; Joh.
Ernst Brauer empfiehlt daselbst sein Hefeverfahren mit kurzer Säuerungszeit
(vgl. 1888 269 328 und 1889 273 287).
Endlich berichtet S. 297 Hesse-Czerbienschin über
Versuche, welche er mit einer sehr concentrirten Maischhefe mit kurzer Säuerungszeit
ausgeführt hat. Die Versuche führten zu dem Resultat, daſs eine abgekürzte
Säuerungszeit, selbst wenn dieselbe bei durchschnittlich 50° verläuft und nur eine
geringe Säuremenge im Hefegut (1,5 gegen 1,8 bei der gewöhnlich geführten Hefe)
erzeugt wird, den Alkoholgehalt sowie die Vergährung nicht in ungünstiger Weise
beeinfluſst. Es kann somit ohne Bedenken der eine todte Punkt auch bei denjenigen
Brennereien, die nicht von der Bereitung der Maischhefe abgehen wollen, durch
Führung einer Hefe mit kurzer Säuerung vermieden werden. Wenigstens ist dieses für
die erste Hefe der Fall und für diejenigen Brennereien, die eine energische
Kühlvorrichtung für das Hefegut besitzen. Nur der Umstand, daſs die 24stündige
Maischhefe eine viel gröſsere Sorgfalt bei der Säuerung erfordert und zwar mitten in
der Betriebszeit, hat den Verfasser bisher von der definitiven Einführung dieser
Hefe abgehalten. – Der zweite todte Punkt läſst sich nach Ansicht des Verfassers
leicht und einfach dadurch gänzlich beseitigen, daſs man die Mutterhefe nach ihrer
Abnahme nicht sofort abkühlt, sondern sie ruhig weiter gähren läſst. Wer nicht
concentrirt einmaischt, oder wer sonst befürchtet, daſs sich die Hefe matt gährt,
kann alle 3 bis 4 Stunden mit etwas süſser Maische oder saurem Hefegut vorstellen.
Die nothwendig werdende Abkühlung der Mutterhefe wird erst kurz vor dem Anstellen
vorgenommen.
Speciell auf die Vorschläge Delbrücks in Bezug auf die
Preſshefefabrikation geht Foth in einem
Aufsatz S. 313 näher ein. Er stimmt den Ausführungen
Delbrücks bei, betont aber ganz besonders, daſs es
nicht genügt, nur eine reine Hefe auszusäen, sondern daſs man auch dahin streben
müsse, alle Bedingungen zu erfüllen, um eine reine Hefe zu ernten. Der Verfasser macht auf viele Mängel in der Preſshefefabrikation
aufmerksam, die zu
sehr am althergebrachten festhalte, den Fortschritten sich verschlieſse und noch
sehr der Verbesserung fähig sei. So ist die Ausnutzung der Stickstoff haltigen
Bestandtheile noch eine sehr mangelhafte, ebenso die Aufschlieſsung des Stärkemehls.
Auch von der erzeugten Hefe geht ein Theil verloren. Vor allem ist anzustreben, für
die Fortpflanzung der Hefe einen sterilen Nährboden zu schallen, um Raum zu schaffen
für die Erzeugung einer reinen Hefe, fremde Organismen aus der Preſshefefabrikation
aber auszuschlieſsen. Die Einführung der Reincultur hat nach Ansicht des Verfassers
noch eine Umgestaltung des üblichen Verfahrens zur Bedingung und wird dazu
beitragen, die Preſshefefabrikanten aufzurütteln und sie von neuem daran zu mahnen,
wie unrationell sie heute noch arbeiten.
Ueber die Entwickelung und praktische Bedeutung der
Hefeforschung veröffentlicht P. Lindner in der
Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 12 S. 320,
336, 343, 352 und 367 eine umfangreiche Abhandlung, in welcher er eingehend die Art
und Weise bespricht, wie die Wissenschaft dazu gelangt ist, unter den Hefen
verschiedene Rassen herauszufinden und jede Rasse für sich absolut rein zu züchten.
Der Verfasser gibt zunächst eine Darlegung der historischen Entwickelung unserer
Kenntnisse über die Gährungsorganismen, wobei er naturgemäſs den Arbeiten von Hansen und Jörgensen die
eingehendste Besprechung zu Theil werden läſst. Dann geht der Verfasser zu seinen
eigenen Arbeiten über, welche die Prüfung der Frage nach der Constanz der Heferassen
und die Reinzüchtung derselben zum Gegenstande haben. Zum Schluſs erörtert der
Verfasser eingehend an der Hand von Abbildungen die Einrichtung und den Gebrauch der
Apparate zur Reinzüchtung der Hefe, welche wir schon oben S. 378 erwähnt haben. Von
welcher Bedeutung die Untersuchungen auf diesem Gebiete auch für die Praxis sind,
dafür möge nur ein Beispiel angeführt werden. Bei der Untersuchung von Hefen aus
verschiedenen Brennereien isolirte der Verfasser aus einer Hefe durch ganz zufällige
Wahl drei Zellen, welche drei verschiedenen Hefearten angehörten. Aus dieser
zufällig gefundenen Thatsache ist folgendes zu entnehmen. Einmal, daſs in jener
Brennerei eine gröſsere Anzahl Hefearten bei der Gährung zusammenwirken, weiterhin,
daſs eine jede dieser Arten zahlreich vertreten sein dürfte, und ferner, daſs die
Möglichkeit vorhanden ist, daſs in dem gegenseitigen Kampfe zu verschiedenen Zeiten
die eine oder die andere Art die Oberhand gewinnt. Bei völlig gleichmäſsigem
Maischmaterial, bei gleicher Gährführung, könnten demnach dennoch die Gährungen
different ausfallen, ebenso die Ausbeuten. Eine Verschlechterung der Verhältnisse
wäre hier also nicht durch das Degeneriren der Hefe schlechthin, sondern grade durch
die üppige Wucherung der schlechten Art herbeigeführt. Aus der Lehre von der
Constanz der Hefearten schöpfen wir ferner die Gewiſsheit, daſs, wenn wir eine
Hefeart gefunden haben, die allen Ansprüchen Genüge leistet, wir bei erneuter Einführung derselben in
die Praxis auch dieselben guten Erfahrungen mit ihr machen werden, vorausgesetzt
natürlich, daſs wir unter den gleichen Bedingungen wie früher arbeiten. – Wir müssen
uns hier auf diese kurze Skizzirung der Abhandlung des Verfassers beschränken,
welche nur den Zweck haben soll, auf diese interessante Arbeit aufmerksam zu
machen.
Hefezellen als Amöbennahrung und amöbenförmige
Hefezellen. Von P. Lindner. Der Verfasser
berichtet in der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd.
12 S. 327 über zwei sehr merkwürdige Erscheinungen, welche er zu beobachten
Gelegenheit hatte. Die eine bezieht sich auf ein eigenthümliches Vorkommen und
Verhalten von Amöben in Gesellschaft von Hefezellen, die andere auf eine merkwürdige
Gestaltsveränderung von Hefezellen. Der Verfasser konnte den Vorgang des Eingreifens
und des Einverleibens der Hefezellen durch die vorliegende Amöbenart beobachten, und
fand denselben übereinstimmend mit dem bisher bekannten Verhalten der Amöben gegen
Körper, die ihnen als Nahrung dienen. Auch bei dieser interessanten, durch
Abbildungen erläuterten Arbeit müssen wir uns auf diesen kurzen Hinweis
beschränken.
Ueber die Säuerung der Hefegefässe vor der ersten
Einmaischung der Hefe am Anfange der Campagne. Zu diesem Zweck empfiehlt
M. Morawski in der Zeitschrift für Spiritusindustrie, Bd. 12 S. 339 die Bereitung einer Hefe
unter Zusatz von Presshefe. Am dritten Tage wird diese Hefe fortgegossen und die
Hefegefässe von neuem bemaischt. Die Säuerung verläuft alsdann normal.
Verfahren der Vergährung von Dickmaischen mittelst Einblasens
von Luft. Von Karl Bennewitz in Lindenburg bei
Nakel. Patentirt im Deutschen Reich vom 26. Mai 1889
ab. Das Verfahren bezweckt die Regulirung der Temperatur in gährenden Dickmaischen
durch Zuführen von warmer oder kalter Luft. Die Vortheile des Verfahrens, wonach die
Anwendung der Gährbottichkühlschlangen vollständig wegfällt, bestehen in einer
gänzlich vom Hauptbetriebe unabhängigen Arbeitsweise, einer besseren Ausnutzung des
bisherigen Steigraums um etwa 60 Procent und in Ersparung von Brennmaterial, indem
die Hauptmaschine zur Beschaffung von Wasser behufs Speisung der
Gährbottichkühlschlange nicht zu arbeiten braucht. Den Vertrieb dieses Patentes hat
M. Stenglein in Berlin übernommen, welcher in
seiner Broschüre „Brennereibetriebs-Anleitung, bearbeitet für den deutschen
landwirthschaftlichen Brennereibetrieb“ ausführliche Mittheilungen über die
Handhabung des Verfahrens macht.
Ueber den Einfluſs der Lüftung auf die Gährung hat C. Durin im Anschluſs an seine Untersuchungen über den
Einfluſs der Kohlensäure (vgl. 1889 271 287) Versuche
ausgeführt, welche im wesentlichen das Resultat ergaben, daſs die Abwesenheit der
Luft schwere Störungen in der Gährung hervorrufen kann, welche auf
Reduktionsvorgänge zurückzuführen sind und welche durch Luftzuführung vermieden werden
können, (Journ. de la Distillerie Francaise, 1889 6
430).
(Fortsetzung folgt.)