Titel: | Ueber das Reinigen des Speisewassers für Dampfkessel. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 412 |
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Ueber das Reinigen des Speisewassers für
Dampfkessel.
(Fortsetzung des Berichtes S. 364 d.
Bd.)
Mit Abbildung.
Ueber das Reinigen des Speisewassers für Dampfkessel.
Einen ausführlichen Vortrag über eine neue Vorrichtung zum Reinigen und Klären
des Speisewassers für Dampfkessel hielt in der Versammlung in Köln vom 30. Juni
1889 vor dem Vereine deutscher Hüttenleute der
Ingenieur Nimax. Den Apparat haben wir 1889 274 109 in dem Berichte über die Allgemeine Ausstellung zur
Unfallverhütung bereits erwähnt und beschrieben. Es seien hier jedoch einzelne
Bemerkungen über den Betrieb dieses, der Actiengesellschaft Humboldt in Kalk patentirten Apparates (D. R. P. Nr. 38032 vom 28. Mai 1886) und die Vortheile der Wasserreinigung im Allgemeinen
nach dem uns vom Verfasser freundlichst übersandten Sonderabzug mitgetheilt.
Der Vortragende geht von der Voraussetzung aus, daſs eine wirksame
Wasserreinigung durch eine richtige Vereinigung der chemischen und mechanischen
Reinigung am erfolgreichsten zu erzielen sei. Zu letzterem seien aber die
gebräuchlichen Apparate allgemein in zu groſsen Verhältnissen ausgeführt. Bei
den in Rede stehenden Apparaten – denen allerdings von anderer Seite
ebenderselbe Vorwurf gemacht wird – wird die Beschleunigung des Niederschlagens
der im Wasser schwebenden Verunreinigungen durch Anwendung der von Gaillet angegebenen beweglichen Böden erreicht, so
daſs der Schlamm bei n vorhandenen Böden in
\frac{1}{n} der sonst erforderlichen Zeit schon zur Ruhe
kommt. Die Gaillet'schen beweglichen Böden haben
hier noch eine Vereinfachung erfahren; dadurch nämlich, daſs sie geneigt gelegt
werden, ist eine weitere Beweglichkeit überflüssig geworden. Der ausgeschiedene
Schlamm sinkt auf der schiefen Ebene abwärts und findet bald seinen Weg zum
Boden des Gefäſses. Der Vortragende weist diese Verhältnisse des Weiteren
theoretisch nach, doch wollen wir auf diese Ausführungen nicht näher
eingehen.
Schon in der Einleitung hatte sich der Vortragende gegen die Ansicht
ausgesprochen, daſs der Gyps bei einer gewissen Temperatur sich aus dem Wasser
niederschlage und behauptet, daſs der Gyps sich erst bei einer bestimmten
Concentration aus dem Wasser scheide, und daſs 500 Th. Wasser bei 150 bis 160°
erfahrungsmäſsig 1 Th. Gyps gelöst halten können. Der Vortragende fährt dann
fort:
Bis jetzt habe ich in meinen Ausführungen der Temperatur des aufzubereitenden
Wassers gar nicht erwähnt, was Sie vermuthen lassen dürfte, daſs es im
Allgemeinen auf dieselbe weiter nicht ankommt, und so ist es auch in der That!
Die hauptsächlichsten chemischen Reactionen bei der Weichmachung des harten
Wassers, also die Umwandelung des löslichen, doppeltkohlensauren Kalkes durch
Kalkwasser bezieh. Calciumoxyd in unlöslichen einfachkohlensauren Kalk, ebenso
diejenige des löslichen schwefelsauren Kalkes (Gyps) durch Soda – kohlensaures
Natron bezieh. Aetznatron – in unlöslichen einfachkohlensauren Kalk und löslich
bleibendes schwefelsaures Natron (Glaubersalz) gehen bei jeder Temperatur vor
sich, ganz besonders aber dann, wenn, wie im Humboldt-Apparate, die Berührungszeit der einzelnen Bestandtheile des
Wassers eine so lange und deren Mischung, durch die stetige Bewegung, eine so
innige ist.
Wahr ist ja allerdings, daſs im Laboratorium die kohlensaure Magnesia sich bei
niedriger Temperatur des Wassers durch Zusatz von Kalk und Soda nicht
ausscheidet; aber in der Wirklichkeit sind mit kaltem Wasser durch den Humboldt-Apparat eine ganze Reihe der schönsten
Resultate – trotz kohlensaurer Magnesia – erzielt worden, und es ist gerade die
Zulässigkeit der kalten Aufbereitung, welche den Werth dieses Apparates
begründet.
Wenn die kohlensaure Magnesia im rohen Wasser nicht ausnahmsweise stark auftritt,
was wohl in der Regel der Fall sein wird, so mag man ruhig das Wasser ohne
besondere Vorwärmung behandeln, die Magnesia wird, nach den gemachten
Erfahrungen, keinerlei Belästigungen im Dampfkesselbetriebe verursachen.
Selbstredend aber ist es, daſs der Humboldt- Apparat
sich auch zum Aufbereiten von warmem Wasser eignet, sei es, daſs solches zur
Verfügung steht, oder daſs man das kalte Wasser durch Abdampf oder frischen
Dampf vorwärmt, um die auſsergewöhnlich stark vorhandene kohlensaure Magnesia
sicherer zu fällen. Der Wärmeverlust ist hierbei geradezu verschwindend, da der
Wasserkörper des Apparates im Vergleiche zu seinen Abkühlungsflächen sehr
bedeutend ist. Bei der kalten Aufbereitung ist es sehr empfehlenswerth, das
gereinigte Wasser vor Eintritt in den Dampfkessel vorzuwärmen, weil dann die
Vorwärmer nicht versteinern oder verschlammen und ihre volle Wirkung
bewahren.
Von mancher Seite trägt man der bei der Weichmachung angewendeten Soda ein
gewisses Miſstrauen entgegen, man schreibt ihrer Gegenwart im Speisewasser üble
Wirkungen auf die Kesselarmaturen zu, und nicht mit Unrecht! In allen
Reinigungsanlagen mit gewöhnlichen Behältern ist man gezwungen, einen
Ueberschuſs an Soda zuzugeben, weil sonst die Klärung des durch die
ausgeschiedenen Kalksalze trüb gemachten Wassers nicht vollständig erfolgt. Beim
Humboldt-Apparate hingegen ist ein Ueberschuſs
an Soda nicht nöthig; es ist an Soda nur so viel zuzusetzen, als zur
Ausscheidung bezieh. Umwandelung des Gypses gehört. Deshalb kann auch das in
einem solchen Apparate gereinigte Wasser unbedenklich zu Koch- und
Brauereizwecken verwendet werden.
Sehr viele Speisewasser enthalten, auſser den stein- und schlammbildenden Kalk-
und Magnesiasalzen, noch andere sehr lösliche Salze, z.B. Kochsalz, welche auf
chemischem Wege nicht entfernt werden können. Für sich allein sind diese Salze
völlig unschädlich, indeſs – ich erinnere nur an die sogen. „Salznasen“
an den Armaturen der Kessel – sie sehr störend im Verein mit den Kalksalzen
wirken, deren Schlammtheilchen ihnen den Weg durch die kleinsten Undichtigkeiten
nach auſsen bahnen. Enthält das Wasser keine stein- und schlammbildenden Theile
mehr, so spielen die löslichen Salze absolut keine Rolle, vorausgesetzt, daſs man die
Lösung derselben im Kessel nicht bis zur Uebersättigung kommen läſst, und eine
solche wird, wie ich Ihnen an einem Beispiele vorrechnen werde, im normalen
Dampfkesselbetriebe nicht vorkommen können.
Ein in einem Humboldt-Apparate aufbereitetes Wasser
enthielt, an löslichen Salzen, in 100l:
17,23g
NaCl (Kochsalz, von Anfang an),
3,44
CaCl (Chlorcalcium, von Anfang an),
24,14
NaOSo3 (Glaubersalz, herrührend aus
der Zersetzung desGypses durch die Soda).
Die Löslichkeit der betreffenden Salze im heiſsen Wasser ist nun:
für
NaCl:
40
Th.
in
100
Th.
Wasser,
„
CaCl:
300
„
„
100
„
„
„
NaOSo3:
240
„
„
100
„
„
Danach haben wir also bloſs das am wenigsten lösliche Salz, das Kochsalz – NaCl –
zu betrachten. Dasselbe ist in dem gereinigten Wasser enthalten zu 17g,23 in 100l
oder zu 0,01723 Th. in 100 Th. Wasser. Bis zur Sättigung des Kesselwassers in
dem vorliegenden Falle dürfte also der Kesselinhalt
\frac{40}{0,01723}= etwa 2320mal verdampfen, angenommen
selbst, daſs kein Tropfen Wasser anders als in Dampfform aus dem Kessel träte.
Selbstredend wird man die Concentration des Kesselwassers nicht bis zur
Sättigung treiben, wohl aber kann man ohne jegliche Umstände damit bis zu 5 Th.
NaCl in 100 Th. Wasser gehen, denn auf Seeschiffen, wo man Wasser mit
durchschnittlich 2,5 Proc. NaCl verwendet, welches auſserdem noch Kalksalze
enthält, läſst man das Kesselwasser sich bis auf 9 Proc. Kochsalzgehalt
concentriren, bevor man die Kessel ganz entleert. Für eine Concentration von 5
Proc. Kochsalzgehalt könnte, in unserem Falle, der Kesselinhalt also etwa
\frac{2320}{8}=290 mal verdampft werden.
Nehmen wir einen Cornwall-Kessel von etwa 100qm Heizfläche (Dimensionen 2300mm Durchmesser, 2 Feuerrohre je 850mm Durchmesser, 10000mm Länge) mit etwa 21cbm,25 Wasserinhalt; nach obiger Voraussetzung
würde dieser Kessel also verdampfen 290 × 21,25 = 6162,5cbm = 6162500l bis zur Concentration des Kesselinhalts auf 5 Proc. Kochsalz.
Bei einer durchschnittlichen Verdampfung von 20l in der Stunde und 1qm Heizfläche
würde dies dauern: \frac{6162500}{100\,\times\,20}=3081\
\mbox{Stunden}=\frac{3081}{24}=128\ \mbox{Tage} zu 24 Stunden
Betrieb. Würde man nun wöchentlich ein- oder zweimal den betreffenden Kessel
etwas abblasen, so könnte der Zeitpunkt der Concentration des Kesselwassers noch
weiter hinausgeschoben werden. Da aber nach 128 vollen Betriebstagen auch der
Kessel
jedenfalls von Ruſs und Flugasche gereinigt werden muſs, so darf man dreist
annehmen, daſs eine schädliche Concentration des Kesselinhalts überhaupt nicht
eintritt.
Bezüglich der Ersparniſs an Brennmaterial bei steinfreien Kesseln sind mir auſser
einigen allgemeinen Angaben in Lehrbüchern über Kohlenersparnisse von 10 bis 15
Proc. nur die ebenso allgemein gehaltenen Angaben einiger Industriellen bekannt,
welche bekunden, daſs, seitdem ihre Dampfkessel mit gereinigtem oder weich
gemachtem Wasser gespeist werden, eine Ersparniſs von 10, 15, ja 20 Proc. an
Brennmaterial erzielt wird. Erst in neuester Zeit sind mir Ergebnisse
mitgetheilt worden, auf welche ich ganz unbedenklich fuſse, weil dieselben in
glaubwürdiger Weise aus den Geschäftsbüchern ausgezogen worden. Von diesen
Ergebnissen nehme ich zwei heraus, weil zu deren Erzielung nichts anderes
geschehen ist, als die Ersetzung des steinhaltigen Speisewassers durch
steinfreies Wasser; andere Thatsachen, welche eine Ersparniſs an Brennmaterial
herbeiführen konnten, lagen also nicht vor.
Der erste Fall ist folgender: Mit steinhaltigem Speisewasser gespeist, brauchten
drei Röhrenkessel täglich 9050k Kohle; nach
sechsmonatlichem Betriebe mit weich gemachtem, steinfreiem Wasser gebrauchten
diese drei Kessel nur mehr 8000k Kohle in
einem Tage, obgleich sie Dampf für 40 ind. mehr als früher abgeben
muſsten. Lassen wir das letztere auſser Betracht, da es ja wohl denkbar ist,
daſs diese Mehrleistung von 40 ind. sehr leicht durch eine bessere
Ausnutzung des einmal erzeugten Dampfes erzielt worden ist, so stellt der
Unterschied von 9050 – 8000 = 1050k immerhin
eine Ersparniſs von \frac{1050\,.\,100}{9050}=11,6 Proc.
dar.
Im zweiten Falle wurden früher, bei einer Stahlproduction von 100 Proc., in 24
Stunden 40000k Steinkohlen verstocht; nach der
Speisung der Kessel mit weich gemachtem Wasser und einer Erhöhung der
Stahlerzeugung um 25 bis 30 Proc. betrug der Verbrauch an Stochkohle in 24
Stunden nur mehr 27000k. Nehmen wir auch hier
keine Rücksicht auf die vermehrte Erzeugung, so beziffert sich die festgestellte
Kohlenersparniſs auf \frac{(40000-27000)\,100}{40000}=32,5
Proc.
Was ich Ihnen da anführe, sind keine Resultate von „Versuchen“, welche
angestellt wurden, um eine Kohlenersparniſs zu
beweisen, sondern ziffermäſsige Darlegungen, welche sich aus den
monatlichen Ausgaben für Kohlen ergeben haben.
Wie sind solche Ersparnisse nur möglich angesichts der geringen Meinung, welche
man allgemein von dem Einflüsse des Kesselsteins auf den Wärmedurchgang durch
die Kesselwände hegt? Der Wärmeleitungsfähigkeit von feinkörnigem Kalkstein
(Kesselstein), die 16mal kleiner als bei Eisen ist, miſst man keine allzu groſse
Wichtigkeit bei, und
wohl mit Recht, denn käme diese Fähigkeit, die Wärme durchzulassen, ganz und
voll zur Geltung, so müſste jedes Kesselblech, welches mit einer 5 bis 10mm dicken Kesselsteinschicht belegt ist und
die Wirkung der Stichflamme zu ertragen hat, baldigst verbrennen oder wenigstens
stark leiden. Ich neige dagegen zu der Ansicht, daſs durch eine
Kesselsteinschicht von einigen Millimetern Dicke die Temperatur an der
Feuerseite des Bleches nur um etwa 50 bis 100° C. erhöht wird.
Sehen wir uns nunmehr den pyrometrischen Vorgang einer Kesselfeuerung etwas
genauer an: Der gröſste Verlust bei einer Feuerung kommt daher, daſs die
abziehenden Gase Wärme mit sich fortnehmen, diese Verlustquelle ändert sich
stetig, je nach der Art des Betriebes. Die anderen Verlustquellen für die
entwickelte Wärme sind bedingt durch die Art des Brennstoffes, die Einrichtung
der Feuerung, der Einsäuerung u.s.w., und sind dem Einflüsse des Betriebes
selbst entzogen.
Im vorigen Jahre hat A. Siegert in München eine
Formel veröffentlicht, welche er mit Hilfe zahlreicher Versuchsresultate aus den
bekannten pyrometrischen Formeln entwickelt hat; diese Formel, deren gute
Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit genügend erwiesen ist, lautet:
V=0,65\,\frac{T-t}{CO_2} Proc., d.h. der Verlust (in
Procenten des ganzen Heizwerthes einer Kohle) an freier Wärme, welche die Gase
mit zum Schornsteine hinausnehmen, ist 0,65 von dem Werthe, den man erhält, wenn
man den Temperaturüberschuſs der Gase gegen die äuſsere Luft (T – t) dividirt
durch die Anzahl Procente an Kohlensäure in den Heizgasen.
Es sei für die Feuerung eines kesselsteinfreien Kessels T – t = 200° C. und CO2 = 10 Proc., so folgt
V=0,65\,\frac{200}{10}=13,00 Proc. Verlust des
Heizwerthes. Wird dieser Kessel mit steinabsetzendem Wasser gespeist, so wird
die allmählich sich verdickende Steinschicht dem Durchgange der Wärme in das
Innere des Kessels so viel Widerstand entgegensetzen, daſs die Temperatur an der
Feuerseite des Bleches um ein Gewisses, sagen wir 50° C, sich steigern muſs,
damit in derselben Zeit, wie früher vor der Steinbildung, dasselbe Quantum Wärme
in den Kessel dringe, in anderen Worten, das Feuer muſs forcirt werden, was zur
Folge hat, daſs die Feuergase mit einem um mindestens 50° höheren
Temperaturüberschuſs zum Kamin abziehen und, da die Verbrennung weniger
vollkommen, die Gase auch weniger Kohlensäure enthalten. Aus den mir
vorliegenden Ergebnissen von Verdampfungsversuchen in München entnehme ich
folgende Angaben:
Temperaturüberschuſs
der
abziehenden
Heizgase
209°
228°
247°
Kohlensäuregehalt
„
„
„
11 Proc.
10 Proc.
9 Proc.,
woraus ich schlieſse, daſs hier um je etwa 20° Erhöhung des
Temperaturüberschusses der Gehalt an Kohlensäure um 1 Proc. abnimmt.
Für den obigen Fall will ich also annehmen, bei T – t = 250°, CO2 = 8 Proc. Der Verlust an freier Wärme
berechnet sich jetzt also zu V_1=0,65\,\frac{250}{8}=20,3
Proc. Die Kesselsteinschicht hat also einen Wärme- bezieh. Kohlenverlust von
V1 – V = 20,3 – 13 = 7,3 Proc.
verursacht.
Würde man annehmen, was keineswegs ungerechtfertigt erscheint, T – t = 300° und
CO2 = 6 Proc., so käme
V_2=0,65\,\frac{300}{6}=32,5 Proc. und V2 – V = 32,5 – 13 = 19,5 Proc.
Die obigen Rechnungen sollen lediglich zeigen, daſs man sich die festgestellten
Kohlenersparnisse auf die angegebene Art erklären kann. Erst wenn Versuche die
Werthe von T – t und CO2 ermittelt hätten,
dürfte ich auf diese Werthe fuſsen, um eine endgültige Rechnung
durchzuführen.
Wenn Sie nun auch meinen Deductionen beipflichten, so kann ich doch nicht für die
ganze Kohlenersparniſs, im zweiten der angeführten Fälle – 32½ Proc., eine
genügende Erklärung geben; die schlechtere Verbrennung allein genügt dazu nicht.
Ich glaube aber noch weitere Thatsachen ins Feld führen zu müssen, die sich in
dem genannten Falle – dem Hüttenwerke – ergeben haben. So lange man dort die
Kessel mit dem harten Wasser speiste, litten alle Maschinen, besonders aber die
Locomotiven derart an undichten Steuerungsorganen, daſs bei letzteren die
Spiegelflächen der Schieber alle vier Wochen nachgearbeitet werden muſsten: der
aus den Kesseln mitgerissene Schlamm wirkte wie Schmirgel auf die reibenden
Theile, und dieser Schlamm konnte doch nur durch von Dampf mitgerissenes Wasser
in die Maschine gebracht worden sein. Ich darf als unbestritten folgendes
aussprechen: schmutziges, schlammiges Wasser in den Dampfkesseln gibt stets
nassen Dampf, reines Wasser aber nie oder nur äuſserst gering, wenn die
Dampferzeugung in der Stunde ein gewisses Maſs nicht überschreitet.
In der Nr. 8, 12 und 15 des laufenden Jahrganges der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure finden sich sehr
interessante Erörterungen über die Corliſs-Dampfmaschine. Eine groſse Rolle in diesen Erörterungen spielt die
äuſserst wichtige Frage der Schädlichkeit des nassen Dampfes, hinsichtlich der
Dampfökonomie, in den Dampfmaschinen, und naturgemäſs taucht dabei die weitere
Frage auf, an der auch ich mich bei früheren Anlässen in der Oeffentlichkeit
betheiligt habe, ob der nasse Dampf sein Wasser bereits aus dem Kessel
mitgebracht – mit-gerissen – habe, oder ob er erst durch condensirten Dampf in
der Leitung naſs geworden sei. Auf diese Streitfrage will ich mich hier nicht
ausdrücklich einlassen, sie scheint mir durch die nachfolgenden Betrachtungen
ihrer Lösung näher gebracht zu werden. In seinen Ausführungen gibt Prof. Lüders seiner Ansicht Ausdruck, welche dahin geht, daſs „in
der groſsen Mehrzahl aller Fälle – wobei er selbstredend reines Wasser
voraussetzt – der aus dem Dampfkessel strömende Dampf trocken ist“. Er
beruft sich dafür auf sehr lehrreiche Versuche, welche Herr Vinçotte, Direktor des Belgischen Kesselüberwachungs-Vereins, im J. 1880 in seinem Rapport sur les exercices, 1878 et 1879,
veröffentlicht hat. Diese Versuche sind in Zuckerfabriken gemacht, wo die Kessel
mit reinem Wasser, sogen. Brüdenwasser, welches keinen Stein absetzt, gespeist
werden. Herr Vinçotte hat gefunden, daſs der Dampf
aus diesen Kesseln noch trocken austrat, wenn die mittlere Verdampfung die Zahl
von 340k in der Stunde und 1cbm Dampfraum nicht überstieg: und selbst
jenseits dieser Dampfentnahme hat er nie mehr als 1 Proc. mitgerissenes Wasser
im Dampf feststellen können.
Ein Circulations-Röhrendampfkessel (System Humboldt)
von 100qm Heizfläche hat 3cbm,9 Inhalt des Dampfraumes, nach den Vinçotte'schen Zahlen wäre die Grenze der trockenen
Dampfentnahme dieses Kessels bei 3,9 × 340 = 1326k oder 13k,26 für 1qm Heizfläche und Stunde – reines Wasser
vorausgesetzt! Das mag wohl mit unseren Erfahrungen über eine gute Verdampfung
in Röhrenkesseln übereinstimmen.
Ein Cornwall-Kessel von etwa 100qm Heizfläche (Dimensionen 2300mm Durchmesser, 2 Feuerrohre je 850mm Durchmesser, 10000mm Länge) hat etwa 8cbm,9 Inhalt des Dampfraumes; bevor dieser,
nach Vinçotte, nassen Dampf gebe, könnte er in der
Stunde 8,9 × 340 = 3026k oder für 1qm Heizfläche 30k,26 Dampf erzeugen – ebenfalls reines Wasser vorausgesetzt! Dieses
Resultat läſst sich nun weniger gut mit unseren Erfahrungen in Einklang bringen,
da eine solche Verdampfungsziffer bei einem gewöhnlichen Cornwall-Kessel wohl nicht allzu leicht zu erzielen sein dürfte.
Höchstens könnte man, wenn die Vinçotte'schen
Ergebnisse auf alle Kesselarten zuträfen, sagen: ein mit reinem Wasser
gespeister Cornwall-Kessel gibt immer trockenen
Dampf, eine Behauptung, die ich vor der Hand aber noch für zu gewagt halte.
Immerhin geht aus meinen Ausführungen hervor, daſs diejenigen Dampfkessel, welche
reines Wasser verdampfen, für gewöhnlich trockenen oder nur sehr wenig nassen
Dampf liefern.
Was hat man nun unter reinem Wasser zu verstehen? Reines Wasser, in obigem Sinne,
ist nur ein solches, welches auch während des Verdampfens keine schlammigen
Theile absetzt, und somit können wir als reines Wasser nur destillirtes und ein
solches Wasser bezeichnen, welches vor seiner Verwendung im Dampfkessel von
seinen stein- und schlammbildenden Theilen befreit worden ist. Nun, in dem
Zustande liefern ja unsere Apparate das aufbereitete Wasser ab, dieses wird also
für gewöhnlich nur trockenen Dampf liefern, und der Unterschied in der
Trockenheit des Dampfes gegen früher wird um so gröſser sein, wenn in unserem
Apparate das Speisewasser nicht nur weich gemacht, sondern auch noch von
mechanisch mitgeführten Schlammtheilchen und organischen Substanzen
befreit wird. Und das letztere war gerade der Fall bei dem erwähnten
Hüttenwerke, wo das Wasser einem kleinen Flusse entnommen wird.
Für die Dampf- bezieh. Kohlenersparniſs, welche durch Erzeugung und Verwendung
von möglichst trockenem Dampfe erzielt wird, kann ich Ihnen, nach dem heutigen
Stande der Dampfmaschinenkunde, keine genauen Zahlen angeben, aber das vorhin
Ausgeführte wird wohl auch Sie überzeugen, daſs diese Ersparniſs unter Umständen
wohl bedeutend sein kann und in dem angeführten Falle des bewuſsten Hüttenwerkes
sicherlich groſs genug gewesen ist, um die noch fehlenden Procente der
festgestellten Kohlenersparniſs auszumachen.“
(Fortsetzung folgt.)