Titel: | Die Pilatusbahn und ihre Sicherheitsvorkehrungen an den Fahrzeugen. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 452 |
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Die Pilatusbahn und ihre Sicherheitsvorkehrungen
an den Fahrzeugen.
Mit Abbildungen.
Die Pilatusbahn und ihre Sicherheitsvorkehrungen.
Der groſse Erfolg der Rigibahnen hat schon vor etwa 5 Jahren die Aufmerksamkeit der
schweizerischen Ingenieure und Finanzmänner auf den Pilatus, diesen mächtigen, wild zerklüfteten, den Rigi um 333m überragenden
GebirgsstockHöhe des Pilatus = 2133m, des Rigi =
1800m. gelenkt, welcher,
wie ein vorgeschobener Posten, von seinen Gipfeln einen Blick auf die Hochalpenkette
gestattet, wie ihn sein Gegenüber, der Rigi, so prächtig und eigenartig nicht
darbietet. Der Gedanke lag daher nahe, den Pilatus durch eine Zahnradbahn ebenso
leicht ersteigbar zu machen, als es der Rigi bereits seit einer Reihe von Jahren
war. Im J. 1885 traten die Ingenieure E. Locher und E. Guyer-Freuler mit dem sorgfältig ausgearbeiteten
Projecte eines ganz neuen, von dem Riggenbach'schen
wesentlich abweichenden Zahnradbahnsystems, welches sofort den ungetheilten Beifall
der Sachverständigen fand, an die Oeffentlichkeit. Bald darauf constituirte sich unter dem Vorsitze des
Nationalrathes N. Durrer die Pilatusbahngesellschaft.
Nachdem die Pilatusbahn eine beschlossene Sache war, wurde das schwierige Werk
sofort in Angriff genommen und mit bewunderungswürdiger Energie und Ausdauer zu Ende
geführt. Der im Sommer 1886 begonnene Bau wurde innerhalb zwei Jahren, die der
Ungunst der Gebirgswitterung wegen kaum zur Hälfte ausgenutzt werden konnten,
vollendet, so daſs nach Fertigstellung der Stationsgebäude der Eröffnung der Bahn am
3. Juni 1889 nichts mehr im Wege stand. Die Pilatusbahn als solche, mit
Rollmaterial, Stationsanlagen und Werkstätten wurde von den Unternehmern mit dem in
Anbetracht der auſsergewöhnlichen Schwierigkeiten bescheidenen Kostenaufwande von
1900 000 Francs ausgeführt. Locomotive und Wagen sind in der schweizerischen
Locomotiv- und Maschinenfabrik in Winterthur gebaut.
Was den Unterbau der Bahn betrifft, so bildet derselbe vom Seestrande bis zur
Bergeshöhe, auf einer Länge von 4618m, eine mit
Granitplatten gedeckte Mauer, mit welcher der ganz aus Eisen und Stahl bestehende
Oberbau von Meter zu Meter durch starke Schrauben und eiserne Bänder auf das
Solideste verbunden und verankert ist. Bachbette und Schluchten werden mit
Mauergewölben übersetzt; eiserne Brücken kommen auf der ganzen Bahnlänge nicht vor.
In der Mitte zwischen beiden Laufschienen ist etwas überhöht die 13cm breite stählerne Zahnstange festgelegt, in
deren zu beiden Seiten eingefräste Zahnreihen rechts und links zwei Zahnräder
eingreifen. Diese Räder können auf die unten näher zu beschreibende Weise in jedem
Augenblicke durch den Zugführer gebremst werden und sich erforderlichenfalls auch
selbsthätig bremsen.
Wir geben nun nach Engineering, 1889 S. 514, die
Beschreibung der wichtigsten, auf die Betriebssicherheit bezüglichen Neuerungen in
der Construction der Pilatusfahrzeuge, deren jüngster Typus auf der Pariser
Ausstellung das Interesse der Fachmänner in hohem Grade erregt hat. Die Locomotive
und der Wagen mit seinen vier etagenförmig angeordneten Abtheilungen zu je acht
Sitzplätzen bilden ein Fahrzeug. Bei der Bergfahrt
befindet sich die Locomotive hinter, bei der Thalfahrt
vor dem Wagen. Das ganze Fahrzeug wird von zwei
Achsen getragen, und zwar in drei Punkten, in der Mitte der Vorderachse und den
beiden Enden der Hinterachse. Die Laufräder besitzen keine Spurkränze, indem der
Wagen seine Führung vorn und hinten einzig und allein an der stählernen Zahnstange
und den Seitenflächen der eisernen Längsschwelle findet, woran diese befestigt ist
(vgl. D. p. J., 1887 264 *
163). An dem hinteren sowie an dem vorderen Wagenende greifen nämlich zwei an
lothrechten Achsen sitzende Zahnräder R von 41cm Durchmesser zu beiden Seiten in die Zähne CC1 der Stahlschiene
S. G (Fig. 1) ist
eines der auf der Unterseite jedes dieser Zahnräder festsitzenden glatten
Führungsräder, welche an
der besagten Längsschwelle S rollen und somit der
Möglichkeit einer Entgleisung vorbeugen. Zur Sicherung gegen das Abheben aber dienen
besondere, vom Wagengestelle aus unter die Schienenköpfe langende, dieselben jedoch
nicht berührende Greifer. Die hinteren, unterhalb der Maschine arbeitenden,
Zahnräder sind es, welche den Wagen vorwärts zu bewegen haben. Der Antrieb geht von
zwei wagerecht liegenden Dampfcylindern aus, deren Kolbenstangen eine Kurbelwelle in
Umdrehung setzen. Diese trägt ein kleines Zahnrad, durch welches ein groſses
Stirnrad angetrieben wird.
Fig. 1–2., Bd. 275, S. 454
Fig. 3., Bd. 275, S. 454
Fig. 4., Bd. 275, S. 454
Die wagerechte Welle des letzteren trägt zwei Kegelräder, von
denen zwei andere Kegelräder angetrieben werden, auf deren senkrechten Achsen die
hinteren, mit einer Geschwindigkeit von 47 Umdrehungen in der Minute längs der
Zahnstange sich abwälzenden Zahnräder festgekeilt sind (vgl. D. p. J., 1887 264 * 163). Die Kurbelwelle
macht ungefähr 180 Umdrehungen in der Minute. Die Kegelräder zu beiden Seiten des
Stirnrades sitzen nicht unbeweglich fest auf ihrer Welle, sondern sie werden mittels
kleiner Hebel, welche eine unbedeutende relative Bewegung zwischen ihnen gestatten,
von dem Stirnrade herumgeführt. Diese Anordnung hat den Zweck, bei der Bewegung
in Curven die kleinen Unterschiede zwischen den Halbmessern der äuſseren und inneren
Bahnschiene auszugleichen. Der Dampfkessel, vom gewöhnlichen Locomotivtypus, liegt
quer über dem Fahrzeug, wodurch die Veränderung des Wasserstandes bei den
wechselnden Steigungen auf ein möglichst geringes Maſs reducirt wird.
Die Sicherheitsvorkehrungen, womit das Fahrzeug ausgestattet ist, sind:
1) eine Luftbremse;
2) eine Reibungsbremse an der Kurbelwelle;
3) eine auf die vorderen Zahnräder wirkende Reibungsbremse, welche von dem
Locomotivführer oder dem Conducteur gehandhabt werden kann:
4) ein automatischer Bremsapparat, welcher auf das obere
Zahnraderpaar wirkt, sobald bei der Thalfahrt die Geschwindigkeit 1m,3 in der Secunde übersteigt.
Die Construction von Nr. 3 ist aus den Fig. 1 bis 4 zu ersehen. Auf die unteren Enden der senkrechten
Achsen AA sind die mit der Zahnstange in Eingriff
befindlichen Räder und an ihre oberen Enden die Schalträder DD (Fig. 3) festgekeilt. Auf derselben
Achse, dicht unter den Schalträdern, sitzen lose die Schneckenräder F, welche in die rechts und links gewundenen Gänge der
Schnecken VV greifen. Das Steigungsverhältniſs der
Schneckengänge ist 1 : 6, wonach sich die Umdrehungszahl der Achse AA zu derjenigen der Schneckenwelle wie 47 : 282
verhält. Bei der Bergfahrt gleiten die schrägen Zähne der an den Achsen AA festsitzenden Schalträder wirkungslos unter den
Sperrklinken E der Schneckenräder F hinweg; bei der Thalfahrt aber führen sie die
Klinken, also auch die Schneckenräder F mit sich herum
und setzen dadurch die Welle VV in Umdrehung. Der
Körper der letzteren bildet einen Hohlcylinder, welcher mit der Welle L (Fig. 1 und 2) mittels Nuth und Feder verbunden und deshalb einer
kleinen Längsverschiebung fähig ist, um auch der geringsten durch Abnützung
verursachten Veränderung nachzugeben. An dem rechten Ende der Welle L sitzt eine Scheibe K
(Fig. 1 und 2), an
welche sich der Bremsschuh tagt. Es ist begreiflich, daſs bei dieser Bremsmethode
ein ganz leichter Druck genügt, um das Fahrzeug zum Stehen zu bringen, und daſs
diese Vorrichtung, selbst ohne Berührung des Bremsschuhs, schon einen erheblichen
Theil der Kraft durch ihre Reibung absorbirt. Ein durch die Achse L geleiteter und durch kleine im Umfange der Scheibe
befindliche Löcher sich vertheilender Wasserstrahl beugt einer Erhitzung der
letzteren vor. Die automatische Bremse mit ihrem
Regulator ist an dem linken Ende der Welle L
angebracht. Sie besteht aus einer auf ehe Welle gekeilten Scheibe K1, welche zwei
diametral einander gegenüber angeordnete Gewichte PP
enthält, Die Centrifugalkraft dieser Gewichte wird bei normaler Geschwindigkeit durch die
Federn M aufgewogen. Sobald aber die Geschwindigkeit
des Fahrzeuges bis zu 1m,3 in der Secunde steigt,
bewegen sich die Gewichte nach auſsen, und schlagen gegen den Winkelhebel N. Dieser löst einen zweiten, mit der starken
Spiralfeder S verbundenen Hebel aus, worauf sich die
Bremsschuhe so schnell, als es der Cataract Z
gestattet, gegen die Scheibe legen.
Man sieht, daſs bei dem in Rede stehenden Systeme die Gefahr einer Entgleisung
ausgeschlossen, und daſs die Schwerkraft in ihrer Einwirkung auf das Fahrzeug durch
vierfache Schutzvorrichtungen in sichere Grenzen gewiesen ist. Wir schlieſsen
vorstehendes Referat mit einer Uebersicht der wichtigsten, die Bahnverhältnisse,
Locomotiv- und Wagenconstruction betreffenden Einzelheiten.
Meereshöhe der unteren Station (Alpnach-Staad)
441m
„ „ oberen Station
(Pilatus-Kulm)
2070m
Höhenunterschied
1629m
Bahnlänge
4618m
Gröſste Steigung
48 Procent
Mittlere „
42 „
Curvenhalbmesser
80m
Kopfdicke der Geleisschienen
41mm
Durchmesser der Laufräder
40cm
Theilriſsdurchmesser der Treibzahnräder
41cm
Theilung
8cm,57
Geschwindigkeit bei Berg- und Thalfahrt
1m in der Sec.
Gewicht des Wagens
1100k
„ der Locomotive
6500k
Gesammtgewicht mit 35 Personen
10500k
Cylinderdurchmesser
22cm
Kolbenhub
30cm
Totale Heizfläche
21qm
Rostfläche
0qm,38
Dampfüberdruck
12at
Wassergewicht im Dampfkessel
485k
„ „ Behälter
800k
Kohlengewicht
349k.