Titel: | Die Benutzung der Elektricität in Berlin zur Beleuchtung und als Betriebskraft. |
Autor: | O. L. |
Fundstelle: | Band 275, Jahrgang 1890, S. 559 |
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Die Benutzung der Elektricität in Berlin zur
Beleuchtung und als Betriebskraft.
Benutzung der Elektricität in Berlin.
Der groſsartige Aufschwung, welchen die Elektrotechnik im Laufe der letzten Jahre
genommen hat, kommt wohl in keiner Stadt des Festlandes so deutlich zum Ausdruck wie
in Berlin, wo eine ganze Anzahl kapitalkräftiger Firmen und in nicht minder
hervorragender Weise fähige Techniker bestrebt sind, die Errungenschaften dieser
jungen Technik der Allgemeinheit auf möglichst leichte und wohlfeile Art zugänglich
zu machen.
In letzterer Beziehung von auſserordentlicher Wichtigkeit ist die am Schluſs des
Jahres 1889 bewirkte Erweiterung der elektrischen Leitungen in den Straſsen Berlins
und zwar aus dem Grunde, als hier zum ersten Mal in groſsartigem Maſsstabe statt der
sonst zu Beleuchtungszwecken und Krafttransmissionen verwendeten Kabel Kupferschienen zur Anwendung gebracht sind. Längere
Zeit haben unter Fachtechnikern lebhafte Erörterungen darüber stattgefunden, ob für
den in Rede stehenden Zweck die Benützung von verhältniſsmäſsig recht billigen
Kupferschienen überhaupt zulässig ist, nunmehr ist diese Frage auf praktischem Wege
zum Austrag gebracht, und zwar in einer Weise, die der Allgemeinheit nur erwünscht
sein kann, indem nicht nur durch eine unterirdische Verlegung der elektrischen
Leitungen diejenigen Gefahren von vornherein ausgeschlossen sind, zu welchen
oberirdische Leitungen namentlich in Amerika leider reichlich Anlaſs gegeben haben,
sondern auch gleichzeitig eine für städtische Installationen hochwichtige neue
Baukonstruktionsform, nämlich sogen. Monier-Cement-Kanäle, zur Aufnahme der
Leitungen in umfangreichem Maſse und von verschiedenen Querschnittsabmessungen zur
Anwendung gebracht wurden, wodurch somit auch für andere städtische
Installationszwecke ein wichtiges Konstruktionsmittel erschlossen worden ist.
Es ist nicht unsere Absicht, auf letztere Angelegenheit näher einzugehen, sondern es
soll auf Grund amtlicher Zusammenstellungen ein kleiner Ueberblick gegeben werden,
in wie überraschend schnellem Maſse die Elektricität für Beleuchtungszwecke in
Berlin Eingang gefunden hat. Als allgemein bekannt kann wohl vorausgesetzt werden,
daſs zwei mächtige und hochelegante Straſsenzüge: die Leipzigerstraſse und die Straſse Unter den
Linden, erstere durch 36, letztere durch 104 elektrische Bogenlampen
erleuchtet und von den Anlagen der Berliner Elektricitätswerke mit Strom versorgt
werden. Ueber die sonstigen elektrischen Beleuchtungsanlagen, welche aus den
Centralstationen der Berliner Elektricitätswerke versorgt werden, gibt nachstehende
Aufstellung, in welcher durch Zusammenstellung der auf zwei Jahre bezüglichen
Angaben der Zuwachs recht deutlich zur Anschauung gebracht ist, näheren
Aufschluſs:
Es betrug:
EndeMärz 1889
EndeMärz 1888
Zuwachs
die Zahl der Beleuchtungsanlagen „ „ „
vorhandenen Bogenlampen „ „
„ „ Glühlampen
450 82631417
300 54023016
150 286 8401
An Einzelanlagen zur Erzeugung des elek- trischen
Lichtes waren ferner vorhanden, und zwar: durch Dampf
betrieben „ Gasmotoren betrieben
158 79
136 53
22 26
zusammenvon denen
versorgt werden:
Bogenlampen Glühlampen
237 279631399
189 170922536
48 1087 8863
die Gesammtzahl der elektrischen Anlagen beträgt
daherund die Gesammtzahl der vorhandenen Lampen und zwar:
Bogenlampen Glühlampen
687 362262816
489 224945552
198 137317264
Hierzu kommen ferner noch Bogen- und Glühlampen in den Königlichen Theatern und
solche, die von der Versuchsstation der städtischen Gasanstalt versorgt werden, so
daſs sich folgende Zahlen ergeben:
Ende März 1889 wurden versorgt
3774 Bogenlampen und
62876 Glühlampen.
Macht man, um diese verschiedenartigen Lichtquellen
gewissermaſsen auf einheitlichen Maſsstab zu bringen, die Annahme, daſs jede
Bogenlampe durchschnittlich gleich 6 Glühlampen ist, so hat die Zahl der etwa einer
groſsen Gasflamme gleichen Glühlampen nach Ablauf des
ersten Drittels vorigen Jahres bereits
85520 erreicht, während eine
gleiche Ermittelung für das Vorjahr
59046 ergibt und somit der Ge-
sammtzuwachs in einem Jahr
26474 Glühlichter d. i. 44 Proc.
beträgt.
Man würde nun sehr fehlgehen, wenn man folgern wollte, daſs diese in der That
ungewöhnlich groſse Zunahme an elektrischem Licht den Verbrauch an Leuchtgas
ungünstig beeinfluſst hätte. Das ist keineswegs der Fall, vielmehr hat der
Gasverbrauch aus den städtischen Gasanstalten, wie aus den Werken der
Imperial-Continental-Gas-Association, welche einen Theil Berlins ebenfalls mit
Leuchtgas versorgen, sogar noch ziemlich beträchtlich
zugenommen. Eine Erklärung für diese auffallende Erscheinung ist theils
darin zu suchen, daſs sich Berlin bezieh. die Bevölkerungszahl einestheils in
letzter Zeit nicht unwesentlich vergröſsert hat und anderntheils der Bedarf an Licht
in erfreulichem Maſse gestiegen ist, wobei auch hier und da ein Streben nach
auffallendem Luxus mit unterlaufen mag, und schlieſslich, wie wir weiter unten sehen
werden, ein Verbrauch von Gas zum Maschinenbetriebe u. dgl. den Ausfall reichlich
deckt.
Wie sich diese Verhältnisse in Zukunft gestalten werden, entzieht sich noch jeder
Voraussicht, doch ist wohl anzunehmen, daſs die Benutzung der Elektrizität in Berlin einen
erheblichen Aufschwung nehmen wird, wenn erst das ganz kürzlich hergestellte
elektrische Leitungsnetz aus Kupferschienen in Betrieb genommen wird. Erst dann wird
sich zeigen, ob und wie die beiden Lichtarten Gas- und elektrisches Licht sich
gegenseitig im Wettkampf behaupten. Die Fälle, wo bis jetzt das neue elektrische
Licht die ältere Gasbeleuchtung verdrängt hat, sind nicht so sehr gewichtig und
meist durch besondere Umstände veranlaſst, so daſs allgemein gültige
Schluſsfolgerungen daraus nicht herzuleiten sind. Gleichwohl dürfte es weitere
Kreise interessiren, zu vernehmen, daſs in Folge eines Abkommens des Magistrats mit
den Berliner Elektricitätswerken für die schöne Straſse „Unter den Linden“ statt der sehr ausgiebigen Gasbeleuchtung nur
noch eine Nothgasbeleuchtung vorgesehen ist und alle
über diesen Zweck hinausgehenden, vorhandenen Gascandelaber beseitigt werden sollen,
bezieh. schon beseitigt sind. Hier in diesem Spezialfall haben wir es also
thatsächlich mit einem Verdrängen des Gaslichtes zu
Gunsten des elektrischen Lichtes zu thun, doch muſs dabei wohl beachtet werden, daſs
es sich hier um die vornehmste und breiteste Straſse Berlins handelt, für welche ein
besonderer Luxus wohl als angemessen bezeichnet werden kann.
Es ist dieses Beispiel um deswillen aber auch noch besonders angeführt um zu zeigen,
daſs man hier seitens der Behörden und anderer Kreise die elektrische Beleuchtung
für sicher und vollständig durchgebildet genug hält, um sie nicht nur anzuwenden,
sondern selbst die vorhandenen Gasbeleuchtungseinrichtungen an dieser ungemein
wichtigen Verkehrsstraſse soweit zu beseitigen, als es durch die besonderen Umstände
geboten erschien. Im vorigen Jahr erlitt nämlich, was hier nicht verschwiegen sei,
die elektrische Beleuchtung (Bogenlicht) Unter den Linden mehrfach, theils durch
Witterungseinflüsse, theils durch eine Beschädigung des in die Erde verlegten Kabels
Störungen, doch sind diese vollständig behoben und der ungestörte Betrieb dieser
Lichtanlage während der letztvergangenen Zeit hat eben zu dem vorbesprochenen
Abkommen und theihveisen Beseitigung der Gasbeleuchtungseinrichtung geführt.
Als volkswirthschaftlich hochbedeutsam muſs hier beiläufig noch ein Umstand erwähnt
werden, der auch anderen Gemeinwesen zur Nachahmung wohl empfohlen werden kann. Es
haben nämlich die städtischen Behörden in Berlin für dasjenige Leuchtgas, welches zu
anderen Zwecken als zur Beleuchtung verwendet wird, seit dem 1. November 1887 eine
Preisermäſsigung von 20 Proc. eintreten lassen. Obgleich diese Maſsnahme wegen der
Kürze der Zeit einen wesentlichen Einfluſs noch nicht geübt hat, war sie doch
immerhin geeignet, den Verbrauch an Gas zum Betrieb von Gaskraftmaschinen u. dgl.
anzuregen, so daſs sich auch aus diesem Grunde die oben berichtete auffällige
Thatsache erklärt, daſs trotz bedeutendem Zuwachs an elektrischem Licht der
Gasverbrauch in Berlin nicht ab-, sondern auch zugenommen hat.
In welchem Maſse eine Zunahme bezüglich der Verwendung der Elektricität in Berlin für
kleingewerbliche Betriebe eingetreten ist, das läſst sich bei der Vielseitigkeit und
Groſsartigkeit der städtischen Verhältnisse gar nicht einmal schätzungsweise
angeben, denn die etwa benützten dynamo-elektrischen Sekundärmaschinen
(Elektromotoren) bedürfen zu ihrer Aufstellung durchaus keiner behördlichen
Genehmigung; sie können in jedem Stockwerk und fast ohne Fundamentirung aufgestellt
werden und da ihr Betrieb von Gefahren und Belästigungen frei ist, so steht eine
ausgiebige Verwendung dieser Motoren zu erwarten.
Sehr erheblich ist ferner der Gebrauch, welchen einzelne Industriezweige, z.B. die
Metallindustrien u.a., von der Elektricität machen, zur Erzeugung von Metallen und
Metall-Legirungen wie von metallischen Niederschlägen auf verschiedenen
Gegenständen, also in der Galvanoplastik. Zur Stromerzeugung bediente man sich
früher hierfür meist der Meidinger-, Daniell- und Bunsen-Elemente, während man neuerdings, wo die
Betriebsverhältnisse dieses irgend angängig erscheinen lassen, dynamo-elektrische
Maschinen zu Hilfe nimmt. Nach den Erfolgen, welche diese Industrien sich errungen
haben, kann man mit Sicherheit schlieſsen, daſs die Angehörigen derselben durchaus
wohl daran gethan haben, die billigere Elektricität mittels Maschinen zu benützen,
statt sich diese Kraft auf umständlichem Wege durch Elemente zu erzeugen.
Alle diese hier eben gestreiften Kleinbetriebe, deren Zahl an sich zwar ziemlich hoch
sein wird, verschwinden gegen die umfassenden Anlagen der Berliner
Elektricitätswerke. Das Leitungsnetz derselben umfaſste im Herbst vorigen Jahrs
75km und wird nach vollständigem Ausbau 113km betragen. Zu der eben gedachten Zeit arbeiteten
auf den 5 Centralstationen Maschinen von zusammen 8650 Leistungsfähigkeit,
doch werden diese Anlagen noch derartig erweitert, daſs nach völligem Ausbau 18350
sollen geleistet werden können.
Der Preis, den man für die seitens der Berliner Elektricitätswerke gelieferte
Elektricität zu zahlen hat, wird entsprechend dem Stromverbrauch berechnet, und zwar
liegt dieser Preisberechnung diejenige Strommenge zu Grunde, welche eine Edison-Glühlampe von 16 englischen Normalkerzen
Leuchtkraft während einer Stunde verbraucht, wofür 4 Pf. zu zahlen sind; doch erfolgt hierbei auch noch
der Ersatz der durch gewöhnliche Benützung verbrauchten Glühlampen seitens der
Berliner Elektricitätswerke. Diesen vom Berliner Magistrat im Frühjahr 1889
genehmigten Grundsätzen entsprechend stellt sich der ungefähre Preis
für
eine
Brennstunde
einer
10
kerzigen
Glühlampe
auf
2,5
Pf.
„
„
„
„
16
„
„
„
4,0
„
„
„
„
„
32
„
„
„
8,0
„
„
„
„
„
50
„
„
„
12,5
„
„
„
„
„
100
„
„
„
25,0
„
Der Stromverbrauch wird, wie weiter unten angegeben, durch
Elektricitätsmesser ermittelt, doch haben die Abnehmer von Elektricität auſser dem nach Obigem
ermittelten Betrage für jede installirte Lampe eine jährliche Gebühr von 6 M. den
Berliner Elektricitätswerken zu zahlen.
Da nun vom Beginn dieses Jahres ab schon einige neue Festsetzungen bezieh.
Herabsetzungen des Tarifs vorgekommen sind, so mag diesbezüglich noch angeführt
werden, daſs vom 1. Januar dieses Jahres ab der Preis des elektrischen Stromes für
Beleuchtung und Kraftübertragung um 10 Proc. herabgesetzt ist. Vom 1. Juli dieses
Jahres ab wird ferner die Grundtaxe herabgesetzt
für
jede
Glühlampe
von
6 M.
auf
5 M.
„
„
Bogenlampe
„
40 M.
„
30 M.
Der Preis der durch Elektricitätsmesser ermittelten Strom menge betrug vor Beginn
dieses Jahres, wie schon angegeben, 4 Pf., worauf also die neuen Festsetzungen
Anwendung finden. Zum Schluſs sei noch erwähnt, daſs die jährliche Miethe, welche
die Gesellschaft für Elektricitätsmesser berechnet, wie folgt festgestellt wurde:
für einen Messer bis zu
10
sechszehnkerzigen
Glühlampen
oder
deren
Stromäquivalent
15
M.
25
„
„
„
„
„
20
„
50
„
„
„
„
„
30
„
100
„
„
„
„
„
45
„
200
„
„
„
„
„
50
„
300
„
„
„
„
„
60
„
400
„
„
„
„
„
75
„
600
„
„
„
„
„
100
„
Es steht nach Abkommen mit den städtischen Behörden den Berliner Elektricitätswerken
allein die Entscheidung über die Gröſse, Art der Aufstellung und Benützung des
Elektricitätsmessers zu.
O. L.