Titel: | Karl Maron's selbsthätige Uebertragung in Rohrpostanlagen. |
Autor: | E. Z. |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 174 |
Download: | XML |
Karl Maron's selbsthätige Uebertragung in
Rohrpostanlagen.
Mit Abbildungen.
Maron's selbsthätige Uebertragung in Rohrpostanlagen.
Bei der Bedeutung, welche Rohrpostanlagen in groſsen Städten (vgl. England 1876 219 373; Paris 1877 223 383;
Wien, Berlin, New York, München
1878 227 41. 151) für die bequeme und rasche Zustellung
von Briefen und namentlich Telegrammen an den Empfänger haben, war es natürlich,
daſs sich meist eine schnelle Zunahme der Ausdehnung solcher Anlagen als
wünschenswerth und nothwendig erwies. Wenn dabei an Stellen, wo sich aus technischen
Gründen die Anlage einer Maschinenstelle zu Beschaffung der verdichteten oder
verdünnten Luft empfiehlt, nicht zugleich ein Rohrpostamt anzulegen ist, so wird es
eine Ersparung von Arbeit und Zeit ermöglichen, wenn die Umladung, die Ueberführung
des Zuges der mit den Briefen und Telegrammen gefüllten Büchsen aus dem
Ankunftsrohre in das Rohr, in welchem der Zug weiter befördert werden soll,
selbsthätig erfolgen kann, in ähnlicher Weise, wie in den
Telegraphen-Uebertragungsämtern die aus einer Leitung ankommenden Telegramme von
selbst durch die Apparate in eine andere Leitung weiter gegeben werden.
Eine solche Uebertragung für Rohrpostanlagen hat kürzlich der Geh. Oberregierungsrath
a. D. Karl
Maron in Colberg (* D. R. P. Kl. 81 Nr. 50678 vom 19.
Mai 1889) angegeben.
Fig. 1., Bd. 276, S. 175
Fig. 1 skizzirt die Anordnung eines Uebertragungsamtes
B für den Fall, daſs die Beförderung des Zuges
durch verdichtete Luft vom absendenden Amte aus erfolgt. Die verdichtete Luft
befindet sich in dem Behälter R, der an der Stelle N des Rohres Q in dieses
einmündet, und der aus dem Rohre P von dem Amte, A kommende Zug wird durch sie in dem Rohre Q nach dem Amte C
befördert. Durch das bei S sich an P anschlieſsende Rohr L
vermag die Vorluft vor dem Zuge ins Freie zu entweichen. Die zur Ueberführung des
Zuges aus P nach Q nöthige
Vorrichtung befindet sich in der Kammer V. Diese
Vorrichtung bleibt dieselbe, auch wenn die Beförderung durch Luftverdünnung und vom
Ankunftsamte aus erfolgt, ebenso wenn sie durch verdichtete Luft vom absendenden
Amte und zugleich durch verdünnte vom empfangenden aus bewirkt wird. Im ersteren
Falle ist jedoch das dann die atmosphärische Luft zulassende Rohr L bei N an das Rohr Q zu legen, der Behälter mit der verdünnten Luft
dagegen bei S an das Rohr P. Im letzteren Falle dagegen bleibt R wie in
Fig. 1, und der Behälter mit verdünnter Luft wird
anstatt des Rohres L bei S
an P gelegt.
In der Regel bestehen die Züge aus mehreren (bis zu 10) Büchsen, welche mit den zu
befördernden Schriftstücken gefüllt sind; die Gesammtlänge des Zuges beträgt dann
1m,2 bis 1m,5; die letzte Büchse ist ein sogen. Treiber und auf diesen wirkt der die
Beförderung des Zuges veranlassende Unterschied im Luftdruck. Die Hauptaufgabe der
Uebertragungseinrichtung ist nun die, daſs die Wirkung dieses Druckunterschiedes in
den beiden Abschnitten der Rohrleitung, welche durch das Uebertragungsamt verbunden
werden, aufgehoben, oder doch auf das geringste Maſs herabgebracht werde, und daſs
der Zug selbsthätig und zwar ohne wesentlichen Verlust an Zeit und Kraft bezieh.
Geschwindigkeit, vor Allem aber ohne heftige Stöſse sich den Uebergang aus P nach Q eröffne.
Dazu dient das in Fig. 2 im Längsschnitte dargestellte
Doppelventil vv1,
welches in der Kammer V angebracht ist. Dieses
Differentialventil besteht aus zwei Ventilklappen v und
v1; v ist um eine wagerechte Achse drehbar und v1 ist mit v fest verbunden, so daſs es jeder Bewegung von v folgen muſs. Der Raum über v1 ist mit dem Inneren des Ankunftsrohres
P durch den Schlitz s
verbunden. Die Gröſse der Oeffnung, welche v zu
verschlieſsen hat, ist gegeben durch die Weite des Ankunftsrohres. Die Gröſse der
Oeffnung unter v1 ist
um ein Weniges (etwa um 1/16) kleiner zu nehmen, d.h. nur um so viel, daſs,
wenn die Ventilklappen v und v1 geöffnet waren, selbst bei nur ¼at Druckdifferenz in den beiden Abschnitten P und Q der Rohrleitung,
der gröſsere Druck
auf v – in Verbindung mit der Wirkung des Gewichtes der
beiden Ventilklappen – hinreicht, dieselben sofort wieder zu schlieſsen.
Andererseits soll der Unterschied in der Weite der Oeffnungen bei v und v1, also der auf v von der linken Seite her ausgeübte Druck möglichst
gering sein, so daſs ein schwacher Stoſs hinreicht, um v und v1 in
die in Fig. 1 punktirt angegebene Stellung zu
bringen, das Ventil also zu öffnen. Dadurch wird erreicht, daſs die erste Büchse des
Zuges, welche ja das Ventil vv1 zu öffnen hat, durch den dabei empfangenen Stoſs
möglichst wenig leide und zugleich auch die Geschwindigkeit des Zuges möglichst
wenig vermindert werde.
Fig. 2., Bd. 276, S. 176
Fig. 3., Bd. 276, S. 176
Ein einfaches Ventil würde zum Verschlusse des Rohres P
nicht brauchbar sein. Selbst wenn nämlich der Ueberdruck in R nur ½at betrüge, so würde das Ventil
mit etwa 16k belastet sein, sofern der Durchmesser
des Fahrrohres P zu 65cm, sein Querschnitt also zu 33qc
angenommen wird. Bei mäſsiger Ankunftsgeschwindigkeit würde der Zug die zum Oeffnen
des Ventils erforderliche Kraft vermuthlich nicht ausüben können; wollte man dagegen
die Geschwindigkeit so weit erhöhen, daſs das Ventil vom Zuge sicher geöffnet würde,
so würden dabei Stöſse vorkommen, durch welche nicht nur die Geschwindigkeit sehr
wesentlich vermindert werden würde, sondern auch das Ventil und die Büchsen sehr
stark leiden müſsten. Bei Benutzung eines passenden Differentialventils aber wird
fast schon der Andrang der Vorluft aus P an das Ventil
v zum Oeffnen desselben hinreichen.
Natürlich muſs das Ventil die aus Q nach P führenden Wege vollkommen luftdicht verschlieſsen,
damit nicht die verdichtete Luft aus R auch durch L entweichen kann. Deshalb ist unter der Messingplatte
mn ein Hufeisen-Elektromagnet M angeordnet, dessen Pole, so lange ein elektrischer
Strom durch die Rollen von M geht, den an der
Verbindungsstange der beiden Klappen v und v1 angebrachten
Eisenanker U kräftig nach unten ziehen, so daſs beide
Klappen fest gegen ihre mit Kautschukringen belegten Unterlagen angedrückt werden.
Wird dagegen der Strom
unterbrochen, und deshalb der Anker U nicht mehr von
M angezogen, so genügt eine geringe Kraft, um beide
Klappen zu öffnen.
Die Unterbrechung des Stromes muſs ebenfalls der ankommende Zug bewirken und dazu ist
in angemessener Entfernung (mindestens 1m bis 1m,5) von v im Rohre
P ein Contacthebel H
(Fig. 3) angebracht. Bei Bemessung dieser
Entfernung ist die Zeit in Rechnung zu ziehen, welche der remanente Magnetismus in
kräftigen Elektromagneten mit starken Bewickelungsdrähten und bei geringem
Gesammtwiderstande im Stromkreise zum vollständigen Verschwinden gebraucht. Denn in
M muſs der remanente Magnetismus vollständig
verschwunden sein, und es muſs der von M auf die
Ventilklappen v und v1 durch den Anker U
ausgeübte Druck ganz aufgehört haben, wenn die erste Büchse, welche mittels des
Contacthebels H den Stromkreis unterbrochen hatte, bei
v ankommt. Die Geschwindigkeit des Zuges, welche
beim Abgange des Zuges vom sendenden Amte etwa 16m
in der Secunde beträgt, wird nun zwar unterwegs durch die Reibung und sonstige
Widerstände bedeutend abgenommen haben, allein sie wird noch immerhin so groſs sein,
daſs bei zu geringem Abstande zwischen H und v der remanente Magnetismus störend wirken könnte.
Es muſs ferner auch dafür gesorgt werden, daſs der Contacthebel H den Stromkreis durch M
nicht zu rasch wieder schlieſst; denn sonst könnte es geschehen, daſs, wenn der Zug
einmal nur aus einer einzigen Büchse besteht, oder wenn der Treiber allein gesendet
wird, der Elektromagnet M das Ventil bereits wieder
fest geschlossen hat, der Zug aber es dann nicht zu öffnen vermag.
Deshalb ist an dem oberen Arme des zweiarmigen Contacthebels H ein verschiebbares Gegengewicht Z
angebracht worden während der untere Arm den Contact zu machen hat. Man hat somit
ein Pendel, dem man durch Verstellung des Gewichtes Z
eine beliebige Schwingungsdauer geben kann, und vermag daher die letztere mit
Sicherheit so zu bemessen, daſs die Büchse sicher das Ventil v erreicht und aufgestoſsen haben wird, bevor der Hebel H den Strom durch M wieder
schlieſst. Um übrigens einen innigen Contact zu erzielen, ist an dem unteren Arme
von H ein eiserner Anker angebracht, den ein
wagerechter Hufeisen-Stahlmagnet Y an sich heranzieht,
so daſs sich die Contactschraube y fest auf den
Contactamboſs aufdrückt. Durch die Schraube y läſst
sich zugleich die Entfernung des Ankers von den Magnetpolen reguliren, und dadurch
die Kraft, womit Y die Schraube y gegen den Amboſs drückt, also die Innigkeit des Contactes. Der
Stahlmagnet F kann nach Befinden durch einen kleinen
Elektromagnet ersetzt werden, dessen Rolle alsdann in denselben Stromkreis
einzuschalten ist, in welchem der Elektromagnet M sich
befindet.
So lange nach dem Oeffnen des Ventils vv1 der Treiber sich noch in dem Rohre P befindet, kann trotz der Oeffnung des Ventils nur
wenig verdichtete Luft aus dem Behälter R durch V gehen und aus L
entweichen. Wohl aber wird der Widerstand der verdichteten Luft noch eine kleine
Verminderung der Zugsgeschwindigkeit verursachen, bis der Zug in Folge seiner
Beharrung über den Punkt N (Fig. 1) hinausgelangt ist; der Punkt N ist
daher thunlichst nahe an V zu legen.
Ist der Treiber aus dem Rohre P herausgetreten und durch
V hindurchgegangen, so schlieſst sich das Ventil
vv1 wieder;
vorwiegend geschieht dies durch das Gewicht des Ventils selbst, doch wirkt auch der
Luftdruck mit, der ja auf v etwas gröſser ist, wie auf
v1, weil zur Zeit eine Luftströmung von R nach L hin vorhanden
ist. Der luftdichte Verschluſs tritt erst ein, wenn M
wieder durchströmt ist; dies kann aber spätestens nach ½ Secunde erfolgt sein. Hat
dann der Treiber den Punkt N überschritten, so wirkt
die verdichtete Luft des Behälters voll auf ihn, und der Zug wird mit einer dem
Luftdrucke entsprechenden Geschwindigkeit seine Fahrt nach dem Amte C fortsetzen, woselbst sich dieselben Vorgänge
wiederholen können.
Zur Vervollständigung der Anordnung ist nun noch eine in der Patentschrift nicht
besprochene Einrichtung nöthig, durch welche das Uebertragungsamt B befähigt wird, selbst einen von A kommenden Zug in Empfang zu nehmen und ebenso einen
Zug nach C zu entsenden. Für den ersteren Zweck erhält
B eine Empfangskammer, für den letzteren eine
Beförderungskammer.
Zwischen L und V (Fig. 1) wird dann ein Stück Rohr so auf einer (in die
Verlängerung der Achse von P fallenden) wagerechten
Achse angebracht, daſs es in der einen Lage einen Weg aus P im Bogen nach V herstellt, in der anderen,
um 180° von ersterer abweichenden Lage dagegen einen aus P kommenden Zug durch ein anderes Rohrstück in die Empfangskammer
einführt. Letztere ist ein im Lichten 8cm weites,
nach oben gekrümmtes Rohr, das pendelartig an einer wagerechten Achse aufgehängt
ist; der eingetretene Zug trifft im oberen Drittel des Rohres auf einen mit einer
Führung versehenen Kolben, schiebt diesen im Rohre vorwärts, verdichtet die Luft
hinter demselben und dreht zugleich die ganze Empfangskammer um ihre Achse, so daſs,
wenn der Zug schlieſslich in der Kammer zum Stillstande gekommen ist, die Büchsen
aus dem gehobenen und durch ein Gesperre in der gehobenen Lage festgehaltenen Rohre
durch ihr eigenes Gewicht und den durch die sich wieder ausdehnende Luft wieder
zurückgeschobenen Kolben in einen untergestellten Korb herabfallen. Durch Ausheben
des Gesperres wird dann die Empfangskammer wieder in ihre gewöhnliche Lage
zurückgebracht und durch das entsprechend in wagerechter Ebene gekrümmte drehbare
Rohrstück der Weg aus P nach V wiederhergestellt, bis ein neues von A nach
B gegebenes Signal wieder zur Bereitstellung der
Empfangskammer auffordert. Ein luftdichter Schluſs zwischen dem drehbaren Verbindungsrohre und dem
nach V führenden bezieh. dem in die Empfangskammer
leitenden Rohre ist durchaus nicht erforderlich.
Das von C kommende Rohr Q
erhält ferner vor der Stelle N (Fig. 1) eine Abzweigung nach der Beförderungskammer,
letztere wird ebenfalls durch ein sich nach oben krümmendes Rohrstück gebildet; am
Anfange und am Ende der Beförderungskammer ist ein Hahn angebracht, welche beide für
gewöhnlich geschlossen sind. Will B einen Zug nach C senden, so wird der Hahn an dem nach oben liegenden
Ende geöffnet, der Zug durch das trichterförmige Endstück eingeführt und der Hahn
wieder geschlossen; dabei gestattet aber der Hahn der verdichteten Luft aus dem
Behälter R durch ein dünnes Rohr den Eintritt in die
Kammer hinter dem Zuge, und deshalb wird der Zug sich in Bewegung setzen, sobald der
zweite, am Anfange der Kammer befindliche Hahn geöffnet wird, der dem Zuge den
Eintritt in das Rohr Q gestattet. Sobald der Zug über
die Abzweigungsstelle hinaus gelangt ist, was man durch das Gehör deutlich
wahrnehmen kann, bewegt er sich in Q mit der dem
Volldrucke der verdichteten Luft entsprechenden Geschwindigkeit nach C hin weiter, der Hahn am Kammeranfange aber wird
nunmehr auch wieder geschlossen.
E. Z.