Titel: | Die Herstellung des neuen russischen Papiergeldes; von O. Hallensleben. |
Autor: | O. Hallensleben |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 181 |
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Die Herstellung des neuen russischen
Papiergeldes; von O.
Hallensleben.
Die Herstellung des neuen russischen Papiergeldes.
Einer Mittheilung der Köln. Zeitung zu Folge hat die
russische Regierung entschiedenes Pech mit ihren neuen Banknoten, indem fast
unmittelbar nach Herausgabe der einzelnen Sorten auch Fälschungen auftreten.Die betreffende Mittheilung lautet:Mit dem Papiergelde neuen Musters hat die russische Regierung entschiedenes
Miſsgeschick. Nachdem erst vor wenigen Monaten die neuen 25-Rubelscheine
wegen zahlreich aufgetauchter Fälschungen völlig aus dem Verkehre gezogen
werden muſsten, sind jetzt bereits in groſsen Mengen gefälschte 10-und
5-Rubelscheine neuen Musters in Umlauf. Allein an der Wechselkasse der
Reichsbank sind während einiger Tage über fünfhundert 10-Rubelscheine als
falsch eingezogen worden. Die gefälschten Scheine sind den echten täuschend
ähnlich; das einzige äuſserliche Unterscheidungszeichen bildet die Gröſse
der Scheine, da die gefälschten Zehner um ⅛ Zoll schmäler sind als die
echten. Von
wesentlich schlechterer Arbeit und darum auch leichter von den echten zu
unterscheiden sind die falschen 5-Rubelscheine. Daſs auch jetzt wieder
jegliche amtliche Warnung vor den Fälschungen unterblieben ist, hat in der
Geschäftswelt groŻse Verstimmung hervorgerufen und bereits zu recht
abenteuerlichen Gerüchten Anlaſs gegeben. Diese Banknoten sind in
einer Weise hergestellt worden, bei der man jede Nachahmung für unmöglich gemacht hielt
und ist es in der That schwer zu erklären, wie so schnell Fälschungen erscheinen
konnten. Da die Art der Herstellung wenig bekannt sein dürfte, so bringen wir hier
eine kurze Beschreibung derselben, welche zugleich ein interessantes Bild der
Entstehung einer Erfindung von weittragender Bedeutung bildet.
Vor etwa 3 Jahren kam am Stammtische eines Chemnitzer Restaurants das Gespräch auf
das Thema, wie schwer es bei der heutigen Vervollkommnung aller industriellen
Einrichtungen sei, etwas Neues von Bedeutung zu machen. Ein praktischer
Webwaarenfabrikant bemerkte hierzu, er wisse wohl noch eine derartige Erfindung, das
sei nämlich ein Stoff, der in das Papier der Banknoten gebracht würde und eine
bestimmte Form der Maschen zeige. Derselbe müsse aber derartig beschaffen sein, daſs
er nur unmittelbar vom Baum des Webstuhles in die Papiermasse gebracht werden könne,
während das Abschneiden einzelner Stücke des Gewebes sofortige Veränderung der
Maschenform zur Folge haben müsse.
Dieses Gespräch regte den Webschullehrer Knorr zu
Versuchen an, ein derartiges Gewebe herzustellen. Die Versuche machte er auf einem
Handstuhl und es gelang ihm auch mit Hilfe einer Dreherbindung, den Maschen eine
zweckentsprechende Form zu geben, aber schon beim Aufwickeln auf den Waarenbaum ging
diese Form verloren, so daſs Knorr bald die
Ueberzeugung gewann, daſs nur mit Hilfe des entsprechend construirten mechanischen
Webstuhles die Herstellung des Gewebes zu erzielen sei. Er wandte sich deshalb an
die Sächsische Webstuhlfabrik (Louis Schönherr) in
Chemnitz, und einem Ingenieur dieses Etablissements, Hermann
Günther, gelang es, einen entsprechenden Webstuhl zu construiren. Die das
Gewebe bildenden Seidenfäden werden in diesem Webstuhl durch zwei durchlochte
Holzstäbchen gezogen, welche in entgegengesetzter Richtung verschiebbar sind. Durch
Niederziehen eines mit Haken versehenen Rahmens wird der nach links verschobene
Theil der Fäden niedergezogen und so das Fach zum Durchschieſsen des Schützen
gebildet. Indem die Holzstäbchen sich wechselsweise rechts und links verschieben,
wird abwechselnd der in einem der Stäbchen befindliche Theil der Fäden von den Haken
gefaſst und so mit Hilfe des Einschlagfadens und der Verschiebung ein Drehergewebe
gebildet, dessen Maschen aus gleichseitigen Dreiecken mit 10mm Seitenlänge bestehen und von welchen je zwei
zusammen eine rautenförmige Figur bilden. Der Waarenbaum ist so eingerichtet, daſs
er nach jedem Schuſsfaden 10mm fortschaltet und die Regulirung des
Kettenbaumes steht mit demselben derartig in Verbindung, daſs auch der letztere
genau das gleiche Quantum Garn mittels eines Schneckenregulators hergibt. Diese
Vorrichtung zeigte sich als erforderlich, da auf die wenigen Seidenfäden keine
Bremse wirken durfte, indem die geringste Spannungsdifferenz Ungleichheit der
Maschen erzeugte. Der Waarenbaum lagert in zwei Hebeln, welche mit Rollen auf der
Ladenbahn ruhen, so daſs sich die letztere unter den Waarenbaum schieben kann. In
dem Momente, wenn der Waarenbaum auf der Ladenbahn liegt, erfolgt das Aufwickeln der
fertigen Masche, so daſs hierbei eine Veränderung der Form derselben nicht eintreten
kann. Erwähnt sei noch, daſs auch schon das Fehlen eines einzelnen Kettenfadens eine
Ungleichheit in einem Theile des Gewebes hervorbringt und dagegen folgende
Vorkehrung getroffen ist: Jeder Kettenfaden ist durch das Auge einer an ein
Holzstäbchen gebundenen Perle gezogen. Unter den in einer Art Rost geführten
Holzstäbchen schwingt ein Eisen, welches bei seiner Schwingung einen an der Weblade
angebrachten Ausrücker hebt, so bald die Lade vortritt. Das Reiſsen eines
Kettenfadens hat nun das Niederfallen des Holzstäbchens zur Folge, letzteres
verhindert damit das vorerwähnte Eisen an seiner Schwingung, was mittels des
Ausrückers das sofortige Stillstehen des Webstuhles mit sich bringt.
Nach Fertigstellung darf das Gewebe nicht von dem Baum abgewickelt werden, sondern
wandert mit diesem in die Papiermühle. Die zur Herstellung des Papiers dienende
Maschine muſs derartig construirt sein, daſs der Waarenbaum des Webstuhles
unmittelbar über der entstehenden Papiermasse gelagert ist und durch besonders
angeordnete Walzen das Gewebe in die Papiermasse eingepreſst, zugleich aber auch
verhindert wird, daſs die ursprüngliche Form der Maschen eine Veränderung
erfährt.
Zur Imitation der Banknoten wären also auſser den Druckplatten der oben beschriebene
Webstuhl, sowie die dazu entsprechend construirte Papiermühle erforderlich und
sollte man doch annehmen können, daſs damit Schwierigkeiten geschaffen sind, welche
eine Nachahmung der Banknoten ausschlieſsen müſsten. Wenn trotzdem bereits
zahlreiche Fälschungen vorliegen, so ist wohl der Grund nur darin zu suchen, daſs
mit dem fertigen Papier nicht vorsichtig umgegangen wurde und letzteres in die Hände
Unberufener gelangte, die damit dann um so leichteres Spiel haben, je mehr man sich
durch die Erschwerung der Nachahmung vor derselben gesichert zu haben glaubte.