Titel: | Beiträge zur Kenntniss der leichtest flüchtigen Antheile des Steinkohlentheers; von Dr. Joachim Biehringer, |
Autor: | Joachim Biehringer |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 184 |
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Beiträge zur Kenntniſs der leichtest flüchtigen
Antheile des Steinkohlentheers; von Dr. Joachim Biehringer,
Assistenten am chemischen Institute der
Universität Erlangen.
(Schluſs des Berichtes S. 78 d. Bd.)
Leichtflüchtige Antheile des Steinkohlentheers.
II. Nitrile und Isonitrile.
Die Anwesenheit von Nitril, im besonderen von Acetonitril, im Benzolvorlauf ist
zuerst von Vincent und Delachanal festgestellt
worden.A. a. O.
Sie fanden in der oberen Schichte des von ihnen untersuchten Benzolvorlaufs einen
Körper, welchev beim Erhitzen mit Alkalilauge Ammoniak und Essigsäure lieferte. Sie
geben dann weiter an, daſs dieser Körper etwa 50 bis 70 Procent jener Schicht
ausmache, weshalb dieselbe sich ganz gut zur Darstellung von Ammoniak und
essigsaurem Salz eignen dürfte. Auch nach K. E. Schulze
betrug die Gesammtmenge des durch Kali verseifbaren Antheils eines von ihm
untersuchten Benzolvorlaufs etwa 40 Procent.A. a.
O.
Was die Isonitrile betrifft, so war es zuerst E.
Nölting, der auf das Vorhandensein derselben im Rohbenzin aufmerksam machte
und zugleich darauf hinwies, welche Gefahren die Verwendung solchen Benzins trotz
des geringen Gehalts an diesen giftigen Substanzen in sich birgt. Ja er führt einen
Fall aus einer Fabrik in Thann an, wo ein Arbeiter, der gröſsere Mengen des
abdunstenden Vorlaufs eingeathmet hatte, an den Folgen der dadurch erzeugten
Vergiftung starb.Bulletin de la Société Industrielle de Mülhouse
1884 S. 461. D. p. J. 1885 255 88.
Von dem eigenthümlichen, an Isonitril gemahnenden Gerüche des Vorlaufs, wie von dem
unangenehmen Einfluſs, welchen längeres Einathmen desselben auf den Organismus
ausübt, habe ich bereits in der Einleitung gesprochen.
Der Nachweis der Nitrile und Isonitrile ward in folgender Weise geführt: Erhitzt man
eine bestimmte Menge des Vorlaufs längere Zeit mit etwa dem fünften Theile
verdünnter Salzsäure am Rückfluſskühler, so färbt sich die Flüssigkeit braun und
scheidet später einen weiſsen krystallinischen Körper aus, der allen seinen
Eigenschaften gemäſs Salmiak ist. Selbstredend habe ich mich vorher durch
Ausschütteln des Vorlaufs mit Wasser und Prüfen des alkalisch gemachten wässrigen
Auszugs mit Neſslers Reagenz überzeugt, daſs Ammoniak
oder Ammoniaksalze nicht primär vorhanden sind.
Die als Spaltungsproduct der Isonitrile auftretenden Amine lassen sich bei der oben
geschilderten Art der Verseifung nicht nachweisen; sie werden durch die Menge des
gebildeten Salmiaks verdeckt.
Dies gelingt jedoch sehr leicht, wenn man den Vorlauf nur kurze Zeit mit verdünnter
Salzsäure ausschüttelt, wobei vornehmlich das Isonitril verseift wird. Trennt man
dann die saure Lösung vom unverändert gebliebenen Theile und dampft sie zur Trockne
ein, so erhält man einen braunen nach Kampher riechenden Rückstand, welcher mit
Natronlauge erwärmt neben etwas Ammoniak das oder die an ihrem charakteristischen
Gerüche deutlich erkennbaren Amine freigibt.
Um die durch Spaltung der Nitrile und Isonitrile entstehenden Säuren aufzufinden,
wird der vom Salmiak abgegossene Vorlauf mit Wasser ausgeschüttelt. Die so erhaltene
Lösung wird mit Soda neutralisirt und eingedampft. Der dabei bleibende Rückstand
wird mit Weingeist ausgezogen, worin sich bloſs die Salze der organischen Säuren
lösen. Diese werden abfiltrirt und abermals eingedampft. Ein Theil des weiſsen
Rückstandes wird in Wasser aufgenommen. Die Lösung gibt mit Eisenchlorid eine
rothbraune Färbung, die beim Erwärmen in einen dicken, rothbraunen, amorphen
Niederschlag übergeht. Mit salpetersaurem Silber gibt sie einen weiſsen
Niederschlag, welcher sich beim Erwärmen zersetzt und metallisches Silber als feines
graues Pulver abscheidet. Damit war Ameisensäure, das Spaltungsproduct der
Isonitrile, nachgewiesen Der Rest des Eindampfrückstandes gab mit Arsenik und
Aetzkali die Kakodylreaction, was die Anwesenheit einer höheren Fettsäure als
Spaltungsproduct des Nitrils erweist. Dieselbe kann unter den gegebenen Umständen
nur Essigsäure sein.
Die quantitative Bestimmung der Nitrile geschah in der Weise, daſs eine abgemessene
Menge des Vorlaufs mit etwa der Hälfte ihres Gewichts an concentrirter Salzsäure 12
bis 15 Stunden lang am aufsteigenden Kühler zu mäſsigem Sieden erhitzt wurde. Das so
erhaltene Product, Flüssigkeit und Salmiakkrystalle, wurde in ein Becherglas gespült
und mit etwas Salzsäure zur Trockne eingedampft. Der braungefärbte, mit harzigen
Theilen durchsetzte Rückstand wurde mit heiſsem Wasser behandelt, dann abfiltrirt
und unter Zusatz von Salzsäure abermals zur Trockne abgedampft u.s.w., bis zuletzt
eine nur schwach gelblich gefärbte Masse zurückblieb. Diese wurde gelöst, in einem
gewogenen Tiegel mit etwas Salzsäure eingedampft, bei 100° getrocknet und
gewogen.
Die bei diesem Verfahren gewonnenen Zahlen sind etwas zu groſs, da ja dem Salmiak
noch die salzsauren Salze der Amine beigemengt sind; doch ist die Menge dieser so
gering, daſs sie kaum von erheblichem Einfluſse auf das Gesammtergebniſs sein
wird.
25cc des rohen Theervorlaufs = 23g,9320 gaben 2g,3393 Salmiak = 0g,7433 oder 3,1 Proc.
Ammoniak. Dies entspricht 1g,79 = 7,49 Proc.
Nitril (auf Acetonitril berechnet).
50cc der Fraction L 1 = 39g,9260 gaben 6g,2160 Salmiak, = 1g,975 oder 4,947 Proc.
Ammoniak. Dies entspricht 4g,763 = 11,93 Proc.
Nitril.
50cc der Fraction L 2 = 42g,1720 gaben 5g,5225 Salmiak = 1g,7548 oder 4,16 Proc.
Ammoniak. Dies entspricht 4g,232 = 10,03 Proc.
Nitril.
Die Beobachtung von Gautier, daſs die Isonitrile aus
ihrer Lösung direkt durch gut getrocknetes Salzsäuregas oder durch wasserfreie
ätherische Salzsäure auszufällen seien,Annalen Bd. 146 S. 127; Bd. 149 S. 32; Bd. 151
S. 239. habe ich auch auf den Vorlauf angewandt. Die Flüssigkeit
färbte sich zuerst braun, dann schwarz und schied neben harzigen Massen farblose
Krystalle in geringer Menge ab, die C-haltig sind und an der Luft fortwährend
salzsaure Dämpfe ausstoſsen. Die Untersuchung derselben steht noch aus, weshalb es
auch nicht angezeigt erscheint, jetzt schon Vermuthungen über ihre Natur zu
äuſsern.
III. Aldehyde und Ketone.
Der Umstand, daſs der wässerige Auszug der beiden Antheile L 1 und L 2 bei längerem
Stehen ammoniakalische Silberlösung unter Bildung eines Silberspiegels reduzirt,
deutete auf das Vorhandensein von Aldehyden oder aldehydartigen Körpern, vielleicht
auch auf das einer flüchtigen Fettsäure, da der wässerige Auszug blaues
Lackmuspapier ganz schwach und nur für ganz kurze Zeit röthet. Weniger
charakteristisch als der Silberspiegel ist die Reaction mit fuchsinschwefliger
Säure, die ja auch manchen Ketonen zukömmt.
Die Prüfung der einzelnen Fractionen, welche durch Destillation von L 1 gewonnen
worden waren, ergab, daſs Silberspiegel und Rötung der fuchsinschwefligen Säure in
dem von 45 bis 55° siedenden Antheile am raschesten und schönsten auftrat. Bei den
höher siedenden Portionen kam die Rötung immer später zum Vorschein, doch immer noch
viel eher, als sich das reine Reagenz an der Luft roth färbt; die Silberlösung ward
nur gebräunt.
Beim Versetzen der wässerigen Lösung mit Phenylhydrazin wurden kleine Mengen eines
Oels erhalten.
Auf Grund dieser Beobachtungen wurden 1000g der
Fraction L 1 so lange mit einer ganz frisch bereiteten Lösung von saurem
schwefligsauren Natron geschüttelt, bis eine Probe fuchsinschweflige Säure nicht
mehr färbte. Diese Bisulfitlöung, welche auch ein paar Krystalle enthielt, wurde
abgehoben, mit Soda neutralisirt und sodann destillirt. Ich erhielt so eine leicht
bewegliche Flüssigkeit, die mit geglühter Potasche entwässert und abermals
destillirt wurde. Ein konstanter Siedepunkt war nicht vorhanden: das Gemisch begann
bei 55° zu sieden, doch ging die Hauptmenge zwischen 75 und 83° über. Es besaſs
einen ziemlich unangenehmen Geruch, dem derjenige des Acetons beigemengt war.
Aus 1000g L 1 wurden 9g dieses Products gewonnen also 0,9 Procent. Dagegen fand K. E. Schulze, daſs der von ihm untersuchte
Benzolvorlauf 30 Procent an die Bisulfitlösung abgab.A. a. O.
Die geringe Ausbeute gestattete eine genauere Untersuchung des erhaltenen Productes
einstweilen noch nicht. Dasselbe gibt die Reaction mit ammoniakalischer Silberlösung
sofort, ebenso die Rötung der fuchsinschwefeligen Säure. Die Bildung des
Silberspiegels ist nunmehr, nachdem wir es mit einem durch Bisulfitlösung
abgeschiedenen Gemenge zu thun haben, ein untrüglicher Beweis für die Anwesenheit
von Aldehyden im Theervorlaufe.
Es ist diese Thatsache von besonderer Bedeutung, sintemal gerade die Aldehyde sich
durch die Beweglichkeit ihrer Atome auszeichnen und vor allen anderen Körpergruppen
die Neigung besitzen, durch Condensirung unter sich oder mit anderen Substanzen
Verbindungen von höherem Molekulargewicht zu bilden, die ja im Steinkohlentheer in
gröſster Menge und Verschiedenheit vorhanden sind.
Ob diese Aldehyde indessen von vorne herein sich im Theere finden oder sich auch noch
späterhin durch Reactionen und Umsetzungen bilden, die wir sicherlich in dem ruhig
lagernden oder überdestillirenden Materiale anzunehmen haben, darüber können wir
einstweilen noch keine endgültige Entscheidung fällen. Für die letztere Möglichkeit
spricht, daſs der Vorlauf, der mit saurem schwefligsaurem Natron bis zur Erschöpfung
behandelt worden war, nach etlichen Wochen wiederum eine sehr deutliche Reaction mit
fuchsinschwefliger Säure gab.
Leider war, wie gesagt, die Menge des gewonnenen Gemisches von Aldehyden und Ketonen
bis jetzt zu klein, um näheres über ihre Natur feststellen zu können. Ich muſs es
darum einstweilen bei der nackten Thatsache ihres Vorhandenseins bewenden lassen,
hoffe jedoch in Bälde mehreres darüber mittheilen zu können.
In dem Gemenge gibt sich das Aceton schon durch seinen Geruch zu erkennen. Zum
Nachweise desselben wurde eine Probe des Destillates mit Jod und Sodalösung erwärmt,
wobei der charakteristische Geruch des Jodoforms auftrat, während ein anderer Theil
bei gelindem Erwärmen mit o-Nitrobenzaldehyd und verdünnter Natronlauge die
Indigoreaction gab. Ein Controlversuch mit der gleichen Menge reinen Acetons gab
eine viel intensivere Reaction. Ob indessen dem Aceton sein nächsthöheres Homologe
beigemengt ist, wie K. E. Schulze angibt,A. a. O. muſs ich aus den obigen
Gründen dahingestellt sein lassen, wenn auch der hohe Siedepunkt des Gemisches für
etwas derartiges spräche. Eine chemische Unterscheidung beider Körper ist uns ja
einstweilen nicht möglich.
Daſs durch die Entfernung des Schwefelkohlenstoffs mittels Ammoniaks bei Gegenwart
von Weingeist auch die durch saures schwefligsaures Natron ausziehbaren Stoffe theil
weise entfernt werden und aus nahe liegenden Gründen entfernt werden müssen, geht
daraus hervor, daſs die
vom Schwefelkohlenstoff befreite Fraction L 1 die Reaktionen mit Silberlösung und
fuchsinschwefliger Säure viel träger eingeht als das rohe Product. –
Michael hat zum Nachweis der Aldehyde eine weitere
Reaction vorgeschlagen: er kocht die auf solche zu prüfende Flüssigkeit mit einer
weingeistigen Lösung von Resorcin und einer Spur Salzsäure.Berichte 19.
Jahrg. S. 1389.
Behandelt man den Theervorlauf mit diesem Reagenz, so erhält man ein rothes
blaustichiges Farbharz von saurer Natur, welches sich in Alkali mit rioletter Farbe
löst und daraus durch Säuren unter Umschlag der Farbe nach Roth in amorphem Zustande
gefällt wird. Es scheidet sich beim Kochen des Vorlaufs mit Resorcin und etwas
concentrirter Salzsäure, sowie beim Stehen des Gemisches in Form eines rothen Harzes
mit eingestreuten stahlblauen Blättchen aus, das sich leicht in Weingeist, Aether
und Eisessig, wenig in Wasser, theilweise in Benzol, nicht in Ligroin löst. Aus all
diesen Lösungen konnte es ebenfalls bloſs amorph erhalten werden. Gleiches ist beim
Aussalzen der Fall. Auch der durch Säuren aus der alkalischen Lösung flockig
abgeschiedene Niederschlag bäckt beim Trocknen auf einem Thonteller wie bei längerem
Liegen auf dem Filter zusammen und bildet dann dunkelrothe Körner mit grünlichem
Oberflächenschimmer und pechartigem Glänze, ähnlich der Rosolsäure. In concentrirter
Schwefelsäure löst es sich mit braunrother Farbe, welche durch Zusatz von Wasser
nicht verändert wird. Die Lösung in Eisessig entfärbt sich beim Erhitzen mit
Zinkstaub. Aus ihr kann durch Uebersättigen mit Natronlauge und Ausäthern ein
eigenthümlich riechendes Oel erhalten werden, das durch Bleisuperoxyd nicht mehr
gefärbt wird.
Die Goppelsröder'sche Kapillaritätsprobe ergab, daſs das
Farbharz kein einfacher Körper ist, sondern aus einer braunrothen und einer
blaurothen Substanz besteht. In der That läſst sich auch durch fortgesetztes Kochen
mit Benzol ein braunrother Körper ausziehen, der aber ebenfalls keine Neigung zum
Krystallisiren zeigt.
Die Versuche, welche ich angestellt habe, die Natur und Entstehungsweise dieses
Harzes, welches S- und N-frei ist, zu ergründen, haben folgendes ergeben: Die
Verbindung, welche sich unter dem Einflüsse der Salzsäure mit Resorcin zu dem Körper
condensirt, ist in Wasser etwas löslich; sie wird durch verdünnte Salpetersäure 1,2
und Brom nicht verändert, wohl aber durch concentrirte Schwefelsäure und
Salpetersäure 1,4.
Erhitzt man den Vorlauf mit concentrirter Salzsäure und schüttelt dann mit Wasser
aus, so lange dieses noch saure Reaction zeigt, so gibt derselbe mit Resorcin nicht
direkt das Farbharz, sondern erst auf Zusatz von Salzsäure. Daraus geht hervor, daſs
der Körper nicht mit Hilfe von Spaltungsproducten, die aus Körpern des Vorlaufs beim Verseifen
entstehen, gebildet werden kann, also nicht aus Nitril und Isonitril, nicht aus
Fettsäure und Fettsäureester, oder aus Amin. Die Salzsäure dient in dem Falle nur
als Condensationsmittel, weshalb es auch völlig unnöthig ist, gröſsere Mengen
derselben hinzuzufügen, da hierdurch nur die Masse der abgehenden Dämpfe vermehrt
wird.
Schwefelkohlenstoff, sowie die durch saures schwefligsaures Natron ausziehbaren
Stoffe, die Aldehyde, Ketone, auch Aldehydäther, geben die Reaction ebenfalls nicht,
ebenso wenig die durch Salzsäuregas aus dem Vorlaufe abzuscheidenden Krystalle.
Alle diese Versuche und Schlüsse wurden durch entsprechende synthetische Proben
bestätigt. Ein Versuch, den Siedepunkt des die Reaction gebenden Körpers dadurch zu
ermitteln, daſs gleiche Mengen des Vorlaufs vor und nach der Behandlung mit Resorcin
fractionirt und die einzeln erhaltenen Fractionen hinsichtlich ihres Gewichtes
verglichen wurden, führte aus den schon oben genugsam erörterten Gründen zu keinem
Ziele.
Das gewöhnliche Benzol des Handels gibt mit Resorcin und Salzsäure natürlich
ebenfalls die Reaction, doch tritt dieselbe bei den aus verschiedenen
Destillirwerken stammenden Sorten nicht in der gleichen Weise auf. Während sie im
einen Falle derjenigen des Vorlaufs ganz entspricht, erhielt ich in einem anderen
Falle eine dickliche braunrothe Flüssigkeit, die sich in Natronlauge mit braunrother
Farbe und dunkelgrüner Fluorescenz löste, und daraus durch Säure flockig ausgefällt
wurde. Thiophenfreies Benzol, das keine Indopheninblänung mehr zeigt, gibt nur eine
schwache Färbung, was sich mit der oben mitgetheilten Thatsache deckt, daſs
concentrirte Schwefelsäure den Ausgangskörper der Reaction verändert.
IV. Aethylalkohol.
Vincent und Delachanal haben aus demjenigen Theile ihres
Benzolvorlaufs, der die obere Schicht bildete, neben Schwefelkohlenstoff eine von 73
bis 80° übergehende Fraction erhalten, welche sie als ein Gemisch von Acetonitril
und Aethylalkohol ansprechen.A. a.
O.
Ich habe den Antheil L 2 des Vorlaufs, welcher zwischen 60 und 70° sott, sowie die
aus diesem gewonnene Fraction 70 bis 80° mit Wasser ausgeschüttelt und den
wässerigen Auszug auf Alkohol geprüft. Derselbe gab weder die Jodoformreaction, noch
den charakteristischen Geruch des Benzoesäureäthylesters beim Schütteln mit
Benzoylchlorid und Uebersättigen mit verdünnter Natronlauge. Aethylalkohol war also
nicht vorhanden.
Hingegen gab eine Probe des Vorlaufs, welche 14 Tage lang mit Wasser zusammen stehen gelassen
worden war, eine schwache Reaction auf Aethylalkohol. Es ist also im Vorlaufe eine
Aethylverbindung vorhanden, die bei längerer Berührung mit Wasser zerfällt und dabei
Aethylalkohol bildet.
Da nun Vincent und Delachanal den Weingeist in einem
Vorlaufe nachgewiesen haben, der bereits mit Alkali am Rückfluſskühler erhitzt
worden war, so scheint die Annahme nicht ungerechtfertigt zu sein, daſs er auch da
ein secundäres Product sei, welches der Zersetzung von Aethylverbindungen des
Vorlaufs durch das Alkali seine Entstehung verdankt.
Ich habe zu dem Zwecke die Fraction L 2, die, wie bemerkt, die Jodoformreaction nicht
gab, einige Stunden mit concentrirter Kalilauge am Rückfluſskühler erhitzt und dann
abdestillirt. Das Destillat gab nun eine sehr schöne Jodoformreaction.
Auch K. E. Schulze konnte in dem von ihm untersuchten
Benzolvorlauf, der nur mit verdünnter Schwefelsäure, nicht mit Alkali behandelt war,
keinen Aethylalkohol auffinden.A. a.
O.
Im Gegensatze hierzu hat O. Witt, welcher riesige Massen
von 90procentigem Benzol darauf hin verarbeiten konnte, in der Fraction 60 bis 78°,
d.h. derjenigen Fraction, die vor dem reinen Benzol überging, Aethylalkohol
nachgewiesen und den Gehalt des Rohbenzols an diesem Körper durchschnittlich auf 2
p. m. festgestellt.Tageblatt der Münchener
Naturforscherversammlung, 1877 S. 138. Chemisches Centralblatt, 1878 3. Folge 9. Jahrg. S.
415.
Allein auch hier dürfte der Weingeist erst ein secundäres Product sein, da ja das zum
Fractioniren fertige Benzol bereits der chemischen Reinigung durch Säure und Alkali
ausgesetzt gewesen war.
V. Phenole.
Die Prüfung auf Phenole bezieh. phenolartige Körper wurde in der Weise angestellt,
daſs der Vorlauf nach der Verseifung durch Salzsäure mit verdünnter Natronlauge
ausgeschüttelt wurde. Der alkalische Auszug wurde dann mit Schwefelsäure angesäuert
und im Dampfstrome destillirt oder mit Aether ausgeschüttelt. In beiden Fällen
wurden ganz geringe Mengen eines theerartig riechenden Products erhalten, dessen
weitere Untersuchung sich nicht lohnte.
VI. Merkaptane.
Der Nachweis dieser geschah durch Erhitzen des Vorlaufs wie der Fractionen L 1 und L
2 mit Quecksilberoxyd und Weingeist, sowie durch Zusatz einer alkoholischen
Sublimatlösung. In all diesen Fällen wurde kein sicheres Ergebniſs erhalten, da
höchstens eine ganz schwache Trübung eintrat. Nur die obere Schicht eines Antheils,
der von 30 bis 57° überging, lieferte nach längerem Stehen einen geringen gelben
Niederschlag.
VII. Prüfung auf Körper der Pyrrol-,
Thiophen- und Furfuranreihe, sowie auf Kohlenwasserstoffe der
Benzolreihe.
Der Dampf von Fraction L 1 färbt einen mit Salzsäure befeuchteten Fichtenspan
grünlich.
Die Reaction mit Phenanthrenchinon, sowie mit Isatin und concentrirter Schwefelsäure
ergaben keine Färbung, wodurch die Abwesenheit ringförmiger Verbindungen der
Pyrrol-, Furfuran- und Thiophenreihe erwiesen erscheint.
Mit concentrirter Pikrinsäurelösung wurden keine aromatischen Carbohydrüre
abgeschieden. Doch war Benzol in den Rückständen der fractionirten Destillation
vorhanden. Nitrirt man diese, wobei groſse Mengen nitroser Gase entweichen, so
erhält man Nitrobenzol, dessen Geruch indessen neben einem betäubenden, an Pyridin
erinnernden Geruch nicht ganz klar zur Empfindung kommt. Reducirt man die nitrirte
Probe, so erhält man eine Flüssigkeit, die mit Chlorkalklösung die Reaction auf
Anilin gibt.
Um so merkwürdiger ist es, daſs trotz des Gehaltes an Benzol die Indopheninreaction
nicht eintrat.
VIII. Ungesättigte
Verbindungen.
Die einzelnen Fraktionen des Benzolvorlaufs, insonderheit die niedriger siedenden
Antheile absorbiren Brom heftig und in gröſserer Menge. Da sich hierbei
Bromwasserstoffgas entwickelt, so findet nicht bloſs Addition, sondern auch
Substitution von Brom statt.
Man erhält so eine dem Bromoform ähnlich riechende Flüssigkeit, aus welcher jedoch
keine Bestandtheile isolirt werden konnten. Unterwirft man sie der Fractionirung, so
geht zunächst der unverändert gebliebene Theil des Vorlaufs über, aber schon bei
einer nur wenig höheren Temperatur beginnt die Zersetzung der gebildeten Brom
Verbindungen unter Abspaltung von groſsen Mengen Brom Wasserstoffs, so daſs
schlieſslich im Destillirkolben nur ein kohliger Rückstand bleibt.
Die gleiche Erfahrung machten HelbingA. a. O. und Schorlemmer.Annalen, Bd. 139 S.
250.
Unter diesen ungesättigten Verbindungen sind auch Homologe des Acetylens mit dreifach
gebundenen Kohlenstoffatomen oder Derivate desselben vorhanden, da der Vorlauf bei
längerem Stehen mit ammoniakalischer Kupferchlorürlösung einen braunrothen
Niederschlag gibt.
Schorlemmer hat in dem aus Bogheadkohle erhaltenen
Benzol und dessen Vorlauf Hexoylen, Helbing Crotonylen
nachgewiesen.
Berichtigung. Im ersten Abschnitte dieses Aufsatzes muſs
auf S. 85 Z. 22 und 23 v. o. statt dasselbe: denselben stehen.