Titel: | F. de Saintignon's Differentialpyrometer mit Wassercirculation. |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 220 |
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F. de Saintignon's Differentialpyrometer mit
Wassercirculation.
Mit Abbildung.
Saintignon's Differentialpyrometer mit
Wassercirculation.
Die seither gebräuchlichen Thermometer und Pyrometer beruhen auf physikalischen und
chemischen, durch direkte Einwirkung der Wärme auf die
Körper hervorgerufenen Erscheinungen: das Quecksilberthermometer, das Metall- und
Luftpyrometer auf der Ausdehnung, Wedgewood's Pyrometer
auf der Eigenschaft des Thons, sich durch die Hitze zusammenzuziehen, Lamy's Pyrometer auf der Dissociation des kohlensauren
Kalks, Becquerel's Platinpalladium-Pyrometer auf der
Entstehung thermo-elektrischer Ströme u.s.w. Aber alle diese Instrumente erfüllen
nur annähernd ihren Zweck, weil eben kein Körper dem störenden Einflüsse der Wärme
auf seine innere molekulare Beschaffenheit, auf seinen Aggregatszustand widerstehen
kann; und dieses ist der Grund, warum es seither an einem vollkommen befriedigenden
Pyrometer gefehlt hat. Der Techniker steht daher bei der Untersuchung hoher
Temperaturen vor dem scheinbar unlöslichen Probleme: in einen sehr heiſsen Raum ein
Pyrometer zu senken, welches einen hohen Wärmegrad ohne jenen störenden Einfluſs
verträgt.
Wenn sich ein Mittel fände, das Pyrometer unter gleichen übrigen Umständen in einer
niedrigeren Temperatur als die des heiſsen Raums, in welchen es getaucht ist, zu
erhalten und auf diese Weise dem schädlichen Einflüsse einer übermäſsigen Wärme zu
entziehen, so wäre jene Schwierigkeit beseitigt, weil zur Bestimmung der wahren
Temperatur die relativen Angaben des Instrumentes hinreichen würden. Ein solches
Resultat wäre um so werthvoller, da alsdann der beste unter den bekannten
Wärmemessern, das Quecksilberthermometer, die Stelle des Pyrometers vertreten
könnte. Angenommen, man habe ein mit Wasser gefülltes Metallgefäſs, worin sich ein
Quecksilberthermometer befindet, in den heiſsen Raum gebracht, und ein
gleichmäſsiger Wasserstrom von bestimmter Temperatur erneuere beständig dieses
Wasser, ohne daſs eine Verdampfung zu befürchten ist, so wird das Thermometer die
Temperatur des betreffenden Raumes in relativem Sinne ausdrücken. Man könnte
dasselbe aber ebenso gut auch auſserhalb des Ofens in dem zurückflieſsenden Strome
anbringen, dessen Temperatur genau dieselbe ist, wie in dem besagten Gefäſs. Dieses
ist der leitende Gedanke, welcher Saintignon's
Differentialpyrometer zu Grunde liegt. Bei nachstehender Beschreibung beziehen wir
uns auf den im Génie civil, 1889 S. 327, enthaltenen
Bericht. Umstehende Figur dient zur Veranschaulichung des in Rede stehenden
Apparates, welcher unter Anderem seit mehreren Jahren in der nationalen Manufactur
des Sévres-Porcellans in Gebrauch ist und in Porcellan-, Fayence- und Glasfabriken
überhaupt, sowie beim Hochofenbetrieb u.s.w. vortheilhafte Anwendung finden
soll.
Das der inneren Ofenhitze direkt ausgesetzte Organ ist ein kleiner, wenige Centimeter
langer, dünnwandiger, an seinem Ende geschlossener kupferner Hohlcylinder E, von dem zwei dünne Kupferröhren sich nach Auſsen
erstrecken. Im Ofenraume selbst sind diese Röhren von einem metallenen Mantel S umgeben, auf den wir weiter unten zurückkommen
werden- auſserhalb des Ofens schlieſsen sie sich an die Kautschukröhren D1 und H1, wovon die erstere dem Cylinder E kaltes Wasser aus dem Glasgefäſs D zuführt, die letztere das zurückströmende warme Wasser in ein zweites Glasgefäſs H leitet. In jedem dieser Gläser befindet sich ein
Quecksilberthermometer, um die Temperaturen beider Wasserströme zu jeder Zeit bequem
ablesen zu können. Von dem Reservoir A, dessen
Wasserspiegel mittels eines Ueberfallrohres oder Schwimmerhahnes auf constanter Höhe
erhalten wird, nimmt das kalte Wasser seinen Weg nach dem Cylinder E zunächst durch ein mit Kohle, Filz oder Cellulose
gefülltes Filter B, worin die dem Wasser etwa
beigemengten Unreinigkeiten zurückgehalten werden. Von da flieſst es durch den Hahn
C nach dem Thermometer D und durch die Kautschukröhre D1 nach E, nimmt dann
erwärmt seinen Rückweg durch die Kautschukröhre H1 nach dem Thermometer H, von diesem nach dem Manometer I, und findet schlieſslich durch
den Hahn K seinen Abfluſs. Der aus dem Stande beider
Thermometer sich ergebende Wärmeunterschied zwischen dem warmen und dem kalten
Wasser ist der relative Ausdruck der gesuchten Temperatur. Der neueste in der
Raffinerie Say eingeführte Apparat verzeichnet auf der
Trommel P des registrirenden Thermometers der Gebrüder Richard (vgl. D. p.
J. 1883 247 * 487) die pyrometrische Curve als
Funktion der Zeit. Ueber die Art der Verbindung dieses Instrumentes mit dem
Pyrometer gibt indessen der Bericht des Génie civil
keinen Aufschluſs.
Textabbildung Bd. 276, S. 222
Die Frage, welche Wirkung die veränderliche Wärme eines erhitzten Raumes durch die
Wände einer Metallröhre auf einen ununterbrochen und gleichmäſsig sie
durchflieſsenden Wasserstrom ausübt, hat Saintignon zu
Versuchen veranlaſst, welche ihn zu der Entdeckung führten, daſs die von dem Wasser
aufgenommene Wärmemenge dem Temperaturüberschuſs der Feuerstätte über die Temperatur
des Wassers bei seinem Eintritt proportional ist, und daſs einer und derselbe
Pyrometergrad für einen bestimmten Wasserverbrauch einen unveränderlichen, von der
Temperatur jener Stätte unabhängigen Werth besitzt.
Dieses Prinzip gestattet die Regulirung jedes Pyrometers mit Hilfe eines einzigen
Versuchs.
Die Angaben des Differentialpyrometers würden keinen Werth haben, wenn nicht in
sicherer Weise für die Unveränderlichkeit der durchflieſsenden Wassermenge gesorgt
wäre. Hierzu dient das erwähnte Manometer I, d.h. eine
oben offene und unten durch einen Hahn K
verschlieſsbare Glasröhre. Schlieſst man den Hahn, so kommt das Wasser am oberen
Röhrenende zum Ausfluſs, wogegen man es mittels einer leichten Drehung des Hahns bis
zu einer beliebigen Stelle, die als Nullpunkt bezeichnet werden mag, steigen lassen
kann. So lange nun die Wassersäule auf Null seht, wird die Durchfluſsmenge sich
nicht ändern und dem Producte aus dem Querschnitt der Ausfluſsöffnung und der
Geschwindigkeit \sqrt{2\,g\,h} gleich sein, wobei h die Druckhöhe vom Nullpunkte des Manometers bis zur
Oeffnung bezeichnet. Sollte sie nicht mehr auf Null stehen, so würde man durch
Drehung des den Durchfluſs regelnden Hahns diesen Stand, und somit die
unveränderliche, einer genauen Temperaturbestimmung entsprechende Wassercirculation
wiederherstellen. Der Erfinder hat sich indessen mit diesem Mittel, die Temperatur
im Falle veränderlichen Wasserverbrauchs zu berichtigen, nicht begnügt. Er hat am
Manometer oberhalb und unterhalb des Nullpunktes die Wasserstände für
Durchfluſsmengen von mehr oder weniger als 5, 10, 15 Proc. des normalen Verbrauchs
mit den Ziffern 5, 10, 15 markirt. Diese Wasserstände ergeben sich aus der
Gleichung
\frac{D}{d}=\frac{\sqrt{X}}{\sqrt{h}}
worin d den neuen, D den normalen Wasserverbrauch, X und h die entsprechenden Gefälle oder
Druckhöhen bezeichnen. Nachdem auf experimentellem Wege nachgewiesen ist, daſs der
Temperaturunterschied zwischen dem warmen und kalten Wasser, wenigstens innerhalb
der bezeichneten Grenzen, dem Wasserverbrauch proportional ist, so läſst sich die
Correction sehr einfach berechnen: man braucht nur zur angedeuteten Temperatur 5,
10, 15 Proc. ihres Werthes hinzuzufügen oder diesen Betrag abzuziehen. Man hat also
zwei Mittel, den Wasserverbrauch auf das richtige Maſs zurückzuführen: entweder das
Wasser auf den Nullpunkt des Manometers zu bringen und die neue Temperatur
abzulesen, oder die Correction auf die eben erwähnte Weise zu berechnen. Zur
Erzielung einer dauernd gleichmäſsigen Strömung muſs der Querschnitt der
Durchfluſsöffnung des Hahnes C beständig frei und die
Druckhöhe sich gleich bleiben; auſserdem darf sich, wenn die Angaben des Manometers
genau sein sollen, der Querschnitt des Ausflusses bei K
nicht ändern und muſs vollkommen frei bleiben. Da der Wasserbedarf ein relativ
geringer und die Druckhöhe eine beträchtliche ist, so darf die Oeffnung des Hahnes
C nur einen kleinen Querschnitt besitzen. Letzterer bildet daher
ein Rechteck von nur 8mm Breite und 2mm Höhe. Die Oeffnung des Hahnes K ist wegen der geringeren Druckhöhe gröſser, als die
des Hahnes C. Auf Grund besonderer Versuche empfiehlt
der Erfinder, die Druckhöhe so zu wählen, daſs, wenn sich der Wasserspiegel des
Reservoirs A nicht tiefer als 0m,20 senkt, die der Quadratwurzel aus der
Druckhöhe proportionale Durchfluſsmenge sich nicht mehr als um 5 Proc. ändert.
Letzteres würde bei einer Druckhöhe von 20m und
einer Senkung des Wasserspiegels um 0m,40 der Fall
sein.
Was den Einfluſs der äuſseren Temperatur auf diejenige des Wassers während seiner
Bewegung aus dem heiſsen Raum bis zum Thermometer H
betrifft, so hat sich bei einer 7m betragenden
Entfernung und einer Temperatur des warmen Wassers von 25°, während diejenige der
äuſseren Luft 6° betrug, ein Verlust von nur ¼° herausgestellt. Gegen den Einfluſs
der strahlenden Wärme des Ofenmantels oder der kalten Zugluft läſst sich die
Kautschukröhre schützen, indem man sie mit irgend einer anderen Röhre als Mantel
umschlieſst, und das circulirende Wasser auf diese Weise mit Luft als schlechtem
Wärmeleiter umgibt. Ebenso würde ohne den oben erwähnten Mantel S das die beiden dünnen Röhren des Cylinders E durchflieſsende Wasser dem Einflüsse der strahlenden
Wärme des Ofengemäuers ausgesetzt sein. Wäre die Temperatur des letzteren derjenigen
des inneren Raumes beständig proportional, so würde die Angabe des Pyrometers der
Wirklichkeit entsprechen. Allein es verhält sich nicht so. Das Innere des Ofens ist
anfangs heiſs, während der Mantel desselben noch kalt ist. Dieser aber erhitzt sich
nach und nach zu einer sehr hohen Temperatur. Lieſse man nun seinen Einfluſs auf das
circulirende Wasser unberücksichtigt, so würde das Pyrometer eine zu hohe Temperatur
andeuten. Diesen störenden Einfluſs verhütet der von dem Erfinder „Isolateur“
genannte Mantel S, indem der von diesem umschlossene
Raum durch die Röhre R mit Kühlwasser gespeist wird,
welches durch die Röhre T abflieſst.
Am Schlusse seines Berichtes bringt Génie civil als
Ausdruck für die Ofentemperatur T die einfache Formel
T = t + (t' – t) d, worin t die Temperatur bedeutet, womit das Wasser nach seinem Austritte aus dem
Filter B das Gefäſs D
durchflieſst, t' seine höhere Temperatur im Gefäſse H, und d die Zahl der
Wärmegrade des Ofens, welche auf 1° der Differenz t' –
t zu rechnen sind.